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sofie

Bewertungen

Insgesamt 66 Bewertungen
Bewertung vom 23.08.2014
Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3
Kutscher, Volker

Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3


sehr gut

Im dritten Buch der Krimireihe um den Ermittler Gereon Rath befinden wir uns mittlerweile im Jahr 1931. Rath soll den amerikanischen Gangster Abraham Goldstein, Namensgeber dieses Buchs, observieren, um sicherzustellen, dass er bei seinem Aufenthalt keinen Mord begeht. Doch wie immer reicht das Rath natürlich nicht und er ermittelt noch in einigen anderen Fällen mit.
„Goldstein“ hat mir wie auch die beiden Vorgängerbücher sehr gut gefallen. Ein Krimi, der sich einerseits schnell weglesen lässt, andererseits aber alles andere als seicht ist. Die besondere Atmosphäre Berlins Anfang der 30er Jahre wird wieder gut eingefangen und die historischen Umstände sind, soweit ich das beurteilen kann, gut recherchiert. Der Fall bzw. die Fälle sind sehr spannend, auch wenn ich ein bisschen vor Herrn Rath bereits eine Idee hatte, wer der Täter sein könnte.
Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass sich der Protagonist so langsam doch ein wenig weiterentwickelt, denn das Schema seiner Ermittlungen ist mittlerweile bekannt. Wieder ist er der einsame Wolf, der lieber allein und gerne auch mal ohne Auftrag ermittelt. Wieder bringt er damit sich selbst und andere in Gefahr. Wieder ist das alles nicht so ganz legal. Auch das ewige hin und her zwischen ihm und Charly könnte so langsam mal ein Ende haben. Stattdessen hätte ich mir gewünscht, vielleicht etwas mehr über seine Kollegen zu erfahren. Reinhold Gräf zum Beispiel, den wir jetzt auch schon drei Bücher kennen, der aber immer noch etwas blass bleibt.
Ein Unterschied zu den Vorgängerbänden scheint für mich aber die Steigerung der Brutalität zu sein. Besonders eine Vergewaltigungsszene fand ich doch sehr plastisch geschildert.
Das Buch endet in einem großen Showdown, der mir gut gefallen hat. Leider bleiben einige Erzählstränge ungelöst und einige Charaktere verschwinden eher sang- und klanglos von der Bildfläche.
Insgesamt wurde ich trotzdem wieder sehr gut unterhalten, würde mir aber für den nächsten Band doch eine kleine Variation des bekannten Schemas wünschen. 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 01.06.2014
Ein unmögliches Leben
Greer, Andrew Sean

Ein unmögliches Leben


weniger gut

Die Grundidee von „Ein unmögliches Leben“ hat mir wirklich gefallen. Es geht um Greta Wells aus dem Jahr 1985 in New York, die ihren homosexuellen Bruder durch AIDS verliert. Dieser Verlust stürzt sie in eine Depression und ihr Arzt schlägt ihr deshalb eine Elektroschocktherapie vor. Die Therapie hat bei ihr aber ungeahnte Nebenwirkungen, denn nach der ersten Behandlung findet sie sich im Jahr 1918 wieder, nach der zweiten im Jahr 1941 und nach der dritten wiederrum in ihrem eigenen Leben. Und so weiter.
Klingt spannend? Dachte ich auch. Die Daten sind natürlich nicht zufällig gewählt – 1918 das Ende des Ersten Weltkriegs, 1941 der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Leider macht der Autor aus dieser wirklich guten Prämisse nichts. Die vergangenen Zeiten bleiben eine bloße Kulisse, die beiden Kriege nur Gründe dafür, warum Gretas Mann Nathan nicht da ist oder gehen muss. Viele Dinge werden angedeutet, aber nichts in die Geschichte wirklich verwoben.
So ist Gretas Vater zum Beispiel Deutscher. Es ist wäre spannend gewesen, was das in den Jahren 1918/41 bedeutet. Nur erfährt man darüber leider nichts. Fühlt sich die Protagonistin als Deutsche oder als Amerikanerin? Was bedeutet es für sie, dass diese beiden Länder Krieg führen? Von Greta erfährt man nichts dazu, sie reflektiert es überhaupt nicht. Einige Dinge werden angedeutet – ihr Bruder Felix wird zum Beispiel verhaftet – aber alles bleibt oberflächlich. Gretas Meinung lässt sich in „Krieg ist schlimm“ zusammenfassen.
Statt auf die jeweiligen Besonderheiten der Zeiten einzugehen, geht es um die Beziehung von Greta zu ihrem Mann Nathan – in der einen Welt getrennt, in den anderen nicht – und zu ihrem Bruder. Ihr Mann hat eine Geliebte, sie hat einen Geliebten, ihr Bruder ist verheiratet und hat einen Geliebten und das ganze dann in drei Welten.
Der Schreibstil konnte mich leider auch nicht überzeugen. Ausschweifende Beschreibungen der Umgebung, aber die Charaktere – ganz besonders Greta – bleiben blass und oberflächlich. Mir fehlte einfach der Tiefgang. Hier und da holpert dazu auch die Übersetzung.
Insgesamt kann ich hier nur zwei Sterne für die wirklich sehr gute Grundidee vergeben. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass sich hier irgendwo tief drinnen ein gutes Buch versteckt, das der Autor aber nicht rauslassen wollte.

Bewertung vom 25.05.2014
Vor dem Fest
Stanisic, Sasa

Vor dem Fest


ausgezeichnet

„Fremde kommen selten zu uns. Selten bleiben sie.
Selten bleiben uns Fremde, die länger bei uns bleiben, fremd.
Selten freunden wir uns mit den Fremden an, auch wenn sie länger bei uns bleiben.“ (S. 253)
Fürstenfelde, ein Dorf in der Uckermark, in der Nacht vor dem großen Dorffest, dem Annenfest. Ein fiktives Dorf, das aber genau so irgendwo in der Uckermark existieren könnte.
Auf etwa dreihundert Seiten begleitet der Leser einen Wir-Erzähler durch das Dorf und durch die Nacht und lernt dabei einige Charaktere kennen, die irgendwie zu jedem Dorf gehören und hier ganz liebevoll dargestellt werden. Dazu gehört zum Beispiel Frau Schwermuth, die Dorfchronistin, die all die alten Geschichten kennt und die Hüterin des Archivariums und gleichzeitig Vorsitzende des Hauses der Heimat ist. Ihr Sohn Johann passt so gar nicht in das Klischee eines ostdeutschen Jugendlichen, er ist mir beim Lesen ganz besonders ans Herz gewachsen. Dann gibt es noch Herrn Schramm, „ehemaliger Oberstleutnant der NVA, dann Förster, jetzt Rentner, und, weil es nicht reicht, schwarz bei Von Blankenburg Landmaschinen“. Dietmar Dietze, genannt Dietzsche, zu DDR-Zeiten Postbote, nun ein Einzelgänger, dem der Vorwurf des Spitzelns anhaftet. Und noch einige mehr.
Der Wir-Erzähler wirkte auf mich manchmal wie eine Art Dorf-Kollektiv aus allen Zeiten zusammengesetzt. Überhaupt hat mir gefallen, wie das Dorf in den verschiedenen Zeiten dargestellt wurde. Besonders der Rückblick in die DDR ist dabei interessant, da er zeigt, dass die Menschen eigentlich dieselben sind, aber die Zeiten haben sich geändert.
Stanišićs Sprache ist brillant, jedes Wort sitzt gefühlt am richtigen Fleck, oft musste ich schmunzeln und einige Zeilen noch mal lesen, weil sie einfach so schön waren. Auch die Textgestaltung hat mir in „Vor dem Fest“ sehr gut gefallen. Dazu noch ein tolles, edles Cover auf dem schon einer der Hauptcharaktere abgebildet ist.
Insgesamt für mich also ein rundum gelungener Roman, bei dem mir vieles so bekannt und vertraut vorkam, dass ich zum Schluss ein wenig traurig war, dass es schon vorbei ist.

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2014
Mein Sommer mit Kalaschnikow
Aciman, André

Mein Sommer mit Kalaschnikow


sehr gut

"Alles an uns war provisorisch und vorläufig, als würde das Schicksal noch mit uns herumexperimentieren und könnte sich nicht entschließen, was als Nächstes passieren sollte." S. 83
Der Ich-Erzähler dieses Romans, dessen Namen man nie erfährt, ist ein junger Ägypter aus Alexandria und Doktorand in Harvard in seinem letzten Jahr. Seinen letzten Sommer verbringt er damit, durch die Cafés der Stadt zu ziehen und Bücher zu lesen, die er für die letzten Prüfungen benötigt. Dabei begegnet er in seinem Stammcafé „Café Algiers“ Kalasch und zwischen den beiden entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft.
Kalasch wird von allen so genannt, weil er wie eine Kalaschnikow Worte abfeuert und dabei alles in seiner Umgebung umnietet. Er ist nicht unbedingt ein sympathischer Charakter, er ist ungerecht, weinerlich und versinkt gern im Selbstmitleid, er ist auch ein wenig tyrannisch und zeigt doch einige Charakterschwächen. Aber es macht Spaß über ihn zu lesen, denn er rechnet mit allem und jedem schonungslos ab, auch mit sich selbst und seinen Freunden.
Die beiden Protagonisten verbindet vor allem das Gefühl des nicht dazu Gehörens und ihre Liebe zu Frankreich und Französisch. Gewissermaßen trennt sie diese Gemeinsamkeit aber auch, denn während Kalasch um seine Greencard und damit die Aufenthaltsgenehmigung bangen muss, hat der Ich-Erzähler diese Sorgen nicht.
Acimans Beschreibungen der Atmosphäre in der Stadt sind sehr eindrucksvoll, man fühlt sich praktisch mit anwesend im Café Algiers, spürt die Hitze und riecht den Kaffee. Manchmal waren mir die Ausführungen aber doch ein wenig zu ausschweifend und das Ende hätte etwas gestrafft werden können.
Aber „Mein Sommer mit Kalaschnikow“ ist auf jeden Fall ein besonderer Roman, sowohl von der Sprache als auch von den Charakteren her. Von mir gibt es dafür 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 10.05.2014
Zwölf Leben
Mathis, Ayana

Zwölf Leben


ausgezeichnet

Bei „Zwölf Leben“ (original: „The twelve tribes of Hattie“) handelt es sich um den ersten Roman der Autorin Ayana Mathis, die wie ihre Hauptfigur aus Germantown, einem Arbeiterviertel in Philadelphia, kommt.
In dem Roman geht es um Hattie und ihre elf Kinder sowie um eines ihrer Enkelkinder. Hattie kommt ursprünglich aus dem Süden und ist als junges Mädchen mit ihren Schwestern und ihrer Mutter nach Philadelphia gezogen. Dort lernt sie August kennen und wird mit 17 Jahren schwanger. Hier setzt die Handlung des Romans ein, es geht los mit den ersten Kindern der beiden, Philadelphia und Jubilee, im Jahr 1925 und geht bis 1980 und ihrer Enkeltochter Sala. In jedem Kapitel steht ein anderes Kind im Vordergrund, jeweils zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem Leben. Das Hauptthema ist meiner Meinung nach das Verhältnis zwischen Mutter und Kind und wie sich dieses auf das gesamte Leben eines Kindes auswirken kann. Dabei ist mir besonders ein Zitat im Gedächtnis geblieben: „Wie viele Kinder konnte eine Frau wirklich lieben? […] Es waren zu viele Kinder. Ruthie ist eins von Hatties vielen Kindern, dachte er. Zu was für einem Mädchen würde sie unter den Geschwistern heranwachsen?“ (Seite 142)
Es geht aber auch um das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen in Amerika, besonders die Ungleichbehandlung bis in die 60er Jahre wird sehr deutlich beschrieben. Daneben geht es auch noch um Religion und die Beziehung der Menschen zu Gott.
Die Autorin erzählt den Roman episodenhaft. Es wird immer ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben von Hattie dargestellt und immer erhält man als Leser eine neue Perspektive und damit eine neue Sichtweise auf Hattie. Man lernt sie als Mutter, Geliebte, Ehefrau, Großmutter und Schwester kennen. Hattie ist eine stolze Frau, die immer mit sich und ihren Kindern ringt, die versucht, immer das Beste zu tun. Dabei hat sie jedoch nicht immer Erfolg.
An manchen Stellen erschien mir die Übersetzung etwas holprig und auch vom Lektorat erwarte ich beim dtv doch etwas mehr, aber insgesamt hat mir „12 Leben“ sehr gut gefallen und ich kann es auf jeden Fall weiterempfehlen. Ein sehr anspruchsvoller Roman, der einen mit einigen Denkanstößen zurücklässt.

Bewertung vom 08.04.2014
Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6
Löhnig, Inge

Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6


ausgezeichnet

Ein neuer Fall für Kommissar Dühnfort in München: eine alte Dame wird tot in ihrer Wohnung gefunden. Der Mord wäre vermutlich gar nicht als solcher erkannt worden, doch der Mörder hat die Leiche in einer besonderen Weise inszeniert. Neben der Ermittlungen in diesem Fall muss sich Dühnfort auch noch mit einer internen Ermittlung gegen ihn selbst herumschlagen.
„Deiner Seele Grab“ ist der sechste Band der Reihe um Dühnfort, für mich war es der zweite Band. Nach „Verflucht seist du“ hat mir auch dieser Krimi wieder sehr gut gefallen. Inge Löhnig greift auch diesmal wieder ein Thema auf, das sich durch das gesamte Buch zieht. In diesem Fall ist es der Umgang unserer Gesellschaft mit alten Menschen. Das Thema wird geschickt in den Krimi eingebaut ohne zu aufdringlich zu sein.
Genauso ist es mit dem Privatleben der Ermittler. Das Leben von Dühnfort wird immer wieder angesprochen, überlagert aber nie die Mordermittlungen. Und während im letzten Roman auch das Leben von seinem Kollegen Alois eine Rolle spielt, bleibt dieser hier eher im Hintergrund und dafür erfährt der Leser mehr über Kirsten. Die Balance zwischen Privatleben und Ermittlungen war meiner Meinung nach perfekt.
Sehr gut gefallen hat mir auch die Figur Clara Lenz, eine freiberufliche Lektorin, die sich um ihren alzheimerkranken Vater kümmert. Überhaupt ist die Figurenzeichnung toll, Löhnig versteht es vor allem auch die menschlichen Abgründe darzustellen. Einige der Charaktere haben mich beim Lesen regelrecht wütend gemacht.
Der Krimi spielt in München und hat, wenn man die Stadt kennt, auch ein wenig Lokalflair. Aber auch das wird nicht übertrieben und mit dem Holzhammer betrieben.
Insgesamt ist also auch „Deiner Seele Grab“ wieder ein richtig toller Krimi mit einem spannenden Thema und einem spannenden Fall. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den nächsten Roman mit Dühnfort!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2014
Vergeltung
Winslow, Don

Vergeltung


gut

Dave Collins ist ein amerikanischer Ex-Elitesoldat, der jetzt auf einem Flughafen als Sicherheitschef arbeitet. Kurz vor Weihnachten gibt es genau auf diesem Flughaufen einen Anschlag auf ein Flugzeug, bei dem Daves Frau und Sohn ums Leben kommen. Als Dave feststellt, dass die Regierung den Anschlag vertuscht und als Unfall ausgibt, schwört er Rache und beginnt Jagd auf die Täter zu machen. Tja, und damit ist die Geschichte eigentlich auch schon erzählt.
Ich will nicht sagen, dass „Vergeltung“ ein schlechter Thriller wäre. Er ist durchaus nicht schlecht gemacht und hat mich auch unterhalten. Aber nachdem ich „Zeit des Zorns“ gelesen hatte, hatte ich von Herrn Winslow irgendwie doch mehr erwartet. „Vergeltung“ ist schlicht ziemlich einfach gestrickt. Das geht schon bei der Motivation des Protagonisten los. Terrorist tötet Familie von Elitesoldat, Elitesoldat tötet Terrorist. Und geht weiter bei dem Team, das Collins für den Auftrag anheuert. Jeder Einzelne bekommt eine Hintergrundgeschichte und damit auch Persönlichkeit, aber auch diese sind größtenteils leider schablonenartig. Der Australier im Team ist Surfer und hört Jack Johnson. Der Deutsche ist der Sprengstoffexperte und ist detailverliebt. Er mag Fußball. Der Israeli und der Palästinenser kommen – wer hätte es gedacht – nicht miteinander aus.
Die Übersetzung holpert an manchen Stellen ein bisschen und für mich waren es ein bisschen zu viele militärische Fachbegriffe, aber das ist Geschmackssache. Der Stil hat mir aber gefallen, die knappe, harte Sprache passt zum Thema und zum Genre. Beim nächsten Mal würde ich mir aber doch wieder etwas mehr Raffinesse und auch Humor wünschen.
Deshalb gibt es von mir diesmal 3 von 5 Sternen, kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 22.02.2014
London NW
Smith, Zadie

London NW


ausgezeichnet

„Wenn sie nicht in ihr Alltagsleben zurückmüsste mit Behörden und Mieten und Mann und Job, könnte sie einfach durchdrehen! Warum nicht einfach durchdrehen!“ (S. 71)
Im Mittelpunkt von Zadie Smiths Roman „London NW“ stehen die beiden Freundinnen Keisha/Natalie Blake und Leah Hanwell. Die beiden wachsen gemeinsam im Londoner Nordwesten auf und auch wenn sich ihre Wege im Laufe der Zeit immer wieder von einander entfernen, bleiben sie für die jeweils andere sehr wichtig. Keisha ist nach der Schule die Erfolgreichere, äußerlich auch zu sehen an ihrer Namensänderung. Der Ausgangspunkt und Rahmen der Geschichte ist Leahs Begegnung mit einer ehemaligen Klassenkameradin, die verzweifelt an ihrer Tür erscheint.
„London NW“ ist voll von interessanten Gedanken und Überlegungen zu verschiedensten Themen. Vor allem geht es darum, wie man sich vor anderen und vor sich selbst präsentiert. Es geht um die Erwartungen, die andere an einen stellen. Ganz speziell geht es auch um Erwartungen, die an Frauen gestellt werden: Kind und Familie, Ehe und Beruf, Freundschaft und Gesellschaft, alles soll unter einen Hut gebracht werden. Dazu kommt auch noch die eigene Herkunft und Kultur. Ständig wechseln die Frauen ihre Rolle und beginnen diese jeweiligen Rollen zu hinterfragen.
Der Stil der Autorin hat mich begeistert. Sie schildert das Leben im Londoner Nordwesten ausgezeichnet, die beiden Frauen sind mir im Laufe des Romans regelrecht ans Herz gewachsen. Sehr gut gefallen hat mir auch die Textgestaltung, das Lektorat und auch die Übersetzung sind hervorragend.
Ich kann London NW also uneingeschränkt weiterempfehlen und möchte zum Schluss einfach noch mal den tollen Stil der Autorin für sich sprechen lassen:
„Weibliche Person sucht männliches Gegenstück zwecks liebevoller Beziehung. Und umgekehrt. Sozial niedriggestellte Person mit geistigem Kapital, aber ohne größere finanzielle Mittel, sucht höhergestellte Person mit deutlich größeren finanziellen Mitteln zwecks größtmöglichen beiderseitigem Nutzen […].“ (S. 293)

Bewertung vom 10.02.2014
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Murakami, Haruki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki


gut

Tsukuru Tazaki ist 36 Jahre alt, lebt in Tokio und arbeitet in seinem Traumberuf – er entwirft und baut Bahnhöfe. Seit einiger Zeit trifft er sich außerdem mit Sara und von außen betrachtet scheint sein Leben ziemlich geordnet und erfüllt. Doch Sara bringt einige Ereignisse aus seiner Vergangenheit ans Licht und drängt Tsukuru sich diesen zu stellen. Denn 16 Jahre zuvor wurde er aus einer Gruppe von fünf Freunden plötzlich ausgeschlossen, ohne Ankündigung und Begründung. Dieses Ereignis hätte ihn beinahe das Leben gekostet…
So ganz überzeugen konnten mich „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ von Murakami leider nicht. Das Buch enthält einige interessante Gedanken über Freundschaft und Liebe und wie einen beides verändern kann. Es geht vor allem darum, was man anderen geben kann oder sollte, um eine Beziehung zu bereichern. Und darum sich selbst einzuschätzen, aber auch wertzuschätzen. Die zahlreichen Metaphern mit Farben haben mir gut gefallen, so haben zum Beispiel die vier anderen Freunde alle eine Farbe im Namen, nur Tsukuru nicht, deshalb ist er der „farblose Herr“. Doch leider gefiel mir der Schreibstil nicht, alles wirkt sehr nüchtern und trocken, was ganz besonders bei den Szenen zwischen Tsukuru und Sara auffällt. Die besondere Liebe, die Tsukuru empfindet, kam bei mir nicht wirklich an.
Auch das Ende hat mich etwas enttäuscht, da doch einige Fragen offen geblieben sind. Da wird man als Leser etwas alleine gelassen und einige Erzählstränge versanden auch mitten im Buch und werden nicht wieder aufgegriffen.
Positiv hervorheben möchte ich noch das Cover, das wirklich sehr gelungen ist. Der Schutzumschlag ist teilweise durchsichtig und bringt so wieder ein bisschen Farbe auf das eigentlich grau gehaltene Buch.
Insgesamt kann ich sagen, dass „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ein nettes Buch ist, das an manchen Stellen auch durchaus zum Nachdenken anregt. Doch dem ganzen Wirbel, der gerade darum gemacht wird, kann es dann doch nicht gerecht werden. 3,5 Sterne von mir.

11 von 14 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.01.2014
Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6 (6 CDs)
Neuhaus, Nele

Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6 (6 CDs)


sehr gut

Ein neuer Fall für Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein. Es geht um den Tod eines jungen Mädchens, dessen Identität nicht geklärt werden kann. Doch schnell wird klar, dass dieser Fall viel größere Kreise ziehen wird.
Wie immer bei den Krimis von Nele Neuhaus ist auch „Böser Wolf“ sehr spannend und der Titel mehr als passend. Das Team ermittelt in verschiedene Richtungen, greift teilweise auch zu ungewöhnlichen Methoden und als Leser kann man auch ein wenig miträtseln.
Besonders gut bei den letzten Teilen hat mir immer die Ausgewogenheit zwischen den Ermittlungsarbeiten am Fall und den privaten Erlebnissen der Protagonisten gefallen. In dieser Hinsicht fand ich „Böser Wolf“ nicht ganz so gelungen. Von Oliver Bodenstein erfahren wir eigentlich kaum etwas aus seinem Privatleben, was gerade nach dem letzten Fall doch interessant gewesen wäre. Von Pia erfahren wir etwas mehr, aber das beschränkt sich auf den Anfang und das Ende des Krimis, dazwischen scheint auch sie kein Privatleben zu haben.
Dafür wird diesmal die Stimmung innerhalb des Teams mehr in den Vordergrund gestellt. Zum einen taucht Frank Behnke, der ehemalige Kollege, der im vorletzten Band das Team verlassen hat, wieder auf und macht Ärger. Zum anderen geht es aber auch um Vertrauen und Misstrauen zwischen den Ermittlern, um Teamwork und Einzelkämpfer. Das hat mir sehr gut gefallen und besonders Pia beweist einmal mehr ihre Führungsqualitäten.
Die Sprecherin Julia Nachtmann fand ich auch sehr passend. Sie hat eine angenehme Stimme und bringt die verschiedenen Ausdrucksweisen der einzelnen Handelnden sehr gut rüber. Der Prolog wird von Nele Neuhaus selbst gelesen, das ist ganz nett, hätte aber auch nicht gefehlt, wenn es nicht dabei gewesen wäre.
Insgesamt kann ich „Böser Wolf“ also weiterempfehlen und nun bin ich auf den nächsten Teil gespannt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.