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Top-Rezensenten Übersicht

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Edda246
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 05.12.2022
Wintersterben
Krüger, Martin

Wintersterben


ausgezeichnet

Ein Mord in den Walliser Alpen beordert Valeria Ravelli, Leutnant von Interpol an den kleinen, abgeschiedenen Ort Steinberg. Ein ehemaliger BKA Ermittler ist in einer Höhle tot aufgefunden worden, fast schon mumifiziert. Ihr Kollege Colin Bain forscht parallel auf der Spur der Vergangenheit des Toten.
Valeria, sich vorerst als Touristin ausgebend, begibt sich allein in diesen kleinen, eigenartigen Bergort. Wem kann Sie vertrauen?
Eindringlich vermag Martin Krüger Atmosphären zu entwerfen, spielt mit den düster ängstlichen Vorstellungen des Lesers, die Gänsehaut und Schauergefühle hinterlassen.
Zitat: … tanzten die Geister, neben ihr zuckende Schatten... Ein Spagat zwischen Merkwürdigem und Realität, das immer noch Glaubwürdigkeit erzielt. Ein merkwürdiges Anwesen mit einem Comte und einem Butler entführen in Mittelalter, die Steinhöhlen in weitere Vergangenheit. Ein sehr schön gemachter Mix, bestechend an Gegebenheiten, Geschehnissen und Örtlichkeiten.
Geschickt führt er die Protagonistin in unbekanntes unheimliches Terrain. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Mir hat dieser zweite Band um Valeria Ravelli weitaus mehr Lesevergnügen bereitet, als der erste Band Waldeskälte, den ich streckenweise zu langatmig empfunden hatte. Obwohl die furiose Auflösung des Mordfalles, es kommen noch andere hinzu, nicht wirklich realistisch anmutet, bremst dies jedoch nicht den ausgezeichneten, unterhaltsamen deutschen Kriminalroman.

Bewertung vom 31.10.2022
Herzschuss / Kreuthner und Wallner Bd.10
Föhr, Andreas

Herzschuss / Kreuthner und Wallner Bd.10


ausgezeichnet

Der Ehemann von Kreuthners Jugendliebe Philomena wurde ermordet.
Kriminalhauptkommissar Wallner ermittelt. Ist der Polizeihauptmeister Leo Kreuthner darin verwickelt?

Andreas Föhr hat mit seinem 10. Band „Wallner und Kreuthner“ wieder einen vergnüglichen Wurf gelandet.
Inzwischen sind mir, als Fan von Andreas Föhr, die beiden Kriminalbeamten so ans Herz gewachsen, dass ich mich bedingungsls in das neue Abenteuer werfe. Und ich wurde nicht enttäuscht. Wieder hat es Föhr geschafft durch Spannung, Humor und Menschenliebe einen Kriminalroman zu entwickeln, der an Unglaublichen seinesgleichen sucht. Witzige Zufälle verkettet Andreas Föhr grandios. Auch gibt es wieder Initiativzünder von Leo Kreuthner und seinen Mangfallmühlen - Kumpeln, was weit über bürgerliches Vorstellvermögen hinausragt. So wird der Polizist auch verdächtigt und scheint in weitere unaufgeklärte Fälle verwickelt zu sein, zumindest scheinen die Indizien auf ihn hinzuweisen. Mit Rückblenden nicht nur in Kreuthners jugendliche Sturm und Drang-Zeit und auch die anderer Beteiligten Jahrzehnte vor dem Geschehen, entwickelt sich nach und nach eine Geschichte, die bis in die heutigen Kreise der Politik reicht. Kommissar Wallners analytische Fähigkeiten sind gefragt. Ab und zu, ihm zufällig und unbewusst mit wertvollen Tipps zur Seite stehend, sein 90 jähriger Großvater Manfred. Auch dieser ist mit seiner, trotz des hohen Alters originellen Lebensart, ein Pendant zu Wallners Ernsthaftigkeit. Zu diesen Protagonisten gesellt sich noch die neue Leiterin des Dezernats Carla Tiedemann, die nicht nur sympathisch daherkommt, sondern auch aneckt durch eigenwillige Aktionen. In diesem Krimi findet man eine ganze Palette menschlichen Handelns wie z.B. Gier, Abhängigkeit, Gekränktheit aber auch Menschenwärme und Zuneigung.
Die bayerische Mundart, in vertrauten Gesprächen auftauchend, macht den Krimi, in einem Bayerischen Ort namens Miesbach, in der Nähe des Tegernsees,,heimelig und liebenswert.
Ein gelungener Regionalkrimi, der schmunzelnd entspannt und nachhallt.

Bewertung vom 19.10.2022
The Dark
Haughton, Emma

The Dark


ausgezeichnet

Mit Kate, der neuen Ärztin auf einer kleineren Antarktis - Forschungsstation, begeben wir uns auf die Suche nach dem Geheimnis des gestorbenen Arztes Jean-Luc.
Die Mitspielenden sind übersehbar, Koch, Forschungs- und handwerklich benötigte Arbeiter, sowie die Stationsleiterin Sandrine werden vorgestellt. Kates Vergangenheit und ihre Beweggründe zu dieser Aufgabe entpuppen sich nach und nach.
Die Zuneigungen und Abneigungen zu den einzelnen Verdächtigen, denn nur jemand aus der Station konnte , falls es denn einer war, den Mord an Jean-Luc verübt haben.
Kann Kate ihren Vermutungen und den gefundenen Indizien trauen, ist ihre Verwirrung ein Auswurf ihrer Phantasie, oder wird sie recht behalten. Wem kann sie noch trauen? Die Verhältnisse zu den Stationsmitgliedern ändern sich und auch der Leser zweifelt mit Kate. Der Roman ist aus Sicht von Kate geschrieben, so ist man hautnah am Geschehen. Kate, auch nur „ein Mensch“, muss sich zudem beweisen mit dem was ihr an medizinischer Ausrüstung zur Verfügung steht. Erschwerend kommt hinzu, ihre Angst vor der Dunkelheit. In der Antarktis ist es bis zu 6 Monaten dunkel. So sind die Mitspielenden abgeschnitten von der Helligkeit und abgeschnitten von entfernter Zivilisation aufgrund der eisigen Kälte. Ein atemberaubendes Szenarium, das Emma Haughton, Journalistin, als ersten Spannungsroman, gewählt hat. Die unterschwellige Bedrohung, die dichte Atmosphäre einer Forschungstation in eisiger Kälte – de Britin hat ihre Aufgabe mit Bravour geleistet. Ich habe mich absolut bestens unterhalten gefühlt durch die gute Recherche, die stimmungsvolle Erzählung, der Sympathie zur Protagonistin, und der durchgängigen Spannung des Romans – ein Pageturner!

Bewertung vom 15.09.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


sehr gut

Bullauge – ein Psychogramm der Abgehängten

Das Auge des Polizisten Kay Oleander wird auf einer aus dem Ruder gelaufenen Demonstration von einer geworfenen Flasche verletzt. Seitdem ist er versehrt und als Streifenpolizist untauglich bezeichnet. Dieser Roman zeigt seine Gedanken hierzu und sein Umgehen daraufhin mit der Welt. Durch Kays Gedankengänge und Sinnierungen bekommt man schnell Eindruck von seiner Psyche. Er, der durch diesen unglücklichen Zufall aus dem normalen Alltag geworfen ist, beginnt nachzuforschen, wer an seinem Unglück Schuld sein könnte. So stößt er auf eine Demonstrantin, die auf den Überwachungskameras eine Flasche in der Hand hält und dadurch verdächtig erscheint - , Via Glaser. Diese ältere Frau, so entpuppt es sich, ist vor Jahren selbst in einen Unfall, diesmal mit einem heranrasenden Polizeiwagen ,verwickelt worden und hat, so sagt sie, kein Recht bekommen. Seitdem geht sie am Stock. Die beiden Versehrten geben sich Halt und beginnen, einen Fall aufzuklären, der in der rechten Szene geplant ist.
Die Geschichte entblättert sich durch Kay Oleanders Gedankengänge nach und nach. Sinn ist es zum Leben zurück zu kehren, Kay versucht es und seine Zweifel führen ihn weiter und weiter zum Wesentlichen. Wer ist nach diesem aus der Lebenssituation gefallenen Protagonisten noch Freund, wer nicht? Was bedeuten die Zufallsbegebenheiten und Begegnungen? Wie ändern sich die Wahrnehmungen durch diese Kontakte? Friedrich Ani entwirft genau in diesen leisen Tönen die Spannung. Die Darsteller sind übersichtlich.
Friedrich Ani besticht durch Metaphern, Gleichnisse. (Das Bullenauge – das Auge des Bullen – oder wie ist es gemeint?)

War ich tief berührt von „Letzter Ehre“ blieb ich hier distanzierter. Mag es an der dunklen Befindlichkeit des Protagonisten liegen? Zu ihm kam keine wirkliche Sympathie auf.
Lange Selbstbetrachtungen von Kay ermüden; Zweifel, innere Dialoge und Widerstände der Außenwelt. Der Anfang zieht sich eher mühselig voran. So wie Kay selbst mit seiner Situation klar kommen muss, ist es für den Leser ähnlich eine Herausforderung, dem zu folgen. Ist dies ein bewusstes stilistisches Mittel? Nach der Gewöhnung an die Sprache entwickelt sich die Spannung zögerlich, bleibt aber für mich dann auf einem Level. Der Schluss ist stimmig und auch überraschend und erleichtert durch die Aufklärung – den Protagonisten und den Leser.

Dennoch ein Roman mit Sog, das Durchhalten wird belohnt durch die Eindringlichkeit und das Nachhallen in einem selbst. Was ist Gerechtigkeit, wie gehen wir selbst mit Schicksalsschlägen um? Wem soll man vertrauen, wo liegt die Wahrheit, wo findet man Heimat, wie den Frieden mit sich? Der Roman regt an zum Nachdenken über die Gesellschaft, Gerechtigkeit und Zufälle, gibt Anregungen nah am politischen Zeitgeschehen.

Friedrich Ani überrascht in jedem seiner Romane, von denen wir in der Art der Ausführung leise und eindringlich berührt werden – ein Meister seines Fachs.

Bewertung vom 21.07.2022
Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1
Alsterdal, Tove

Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1


ausgezeichnet

Ein Mann wird erstochen tot in seinem Badezimmer aufgefunden. Sein Sohn Olof wird verdächtigt, da dieser schon einmal als Heranwachsender straffällig wurde.
Die Polizistin Eira Sjödin ermittelt hier, in der schwedischen Provinz, dort, wo sie selbst ihre Wurzeln hat. Mit ihrem Wissen der örtlichen Gegebenheiten und dort ansässigen Gepflogenheiten ist sie hierfür bestens geeignet. Sie wird einen lange zurückliegenden Mord aufklären, der Verbindung zu diesem jetzigen hat. Das Gerede und die Vorurteile der Menschen verursachten Schlimmes, und durch eine Aussage wird ein lange zurückliegender Fall neu aufgerollt. Eira ist konfrontiert mit ihrer eigenen Vergangenheit und auch mit der zurückliegenden schwedischen Gesetzgebung. Tove Alsterdal wurde inspiriert von realen historischen Fällen, was dem Kriminalroman noch einmal eine zusätzliche Dichte verleiht. Der „rote Faden“ ist die genaue objektive Betrachtungsweise Eiras, ganz im Gegensatz zu den von Vorurteilen infizierten Darsteller der kleinstädtischen Idylle . Diese Vorurteile gilt es wie ein fehlerhaftes Strickmuster, zu entwirren, den entstandenen Lücken einen Sinn geben
Pures Krimivergnügen, hervorragendes Rätselraten, lebendige Protagonisten im dicht gewebtem Gefüge. Eira ist eine taffe Ermittlerin, die ihre eigenen Schlüsse zieht. Es gibt ein überraschendes Ende, den Personen und Umständen gezollt, fast wie aus dem richtigen Leben, daher so berührend. Bei allem mit der Liebe zu den Mitspielern, großer Menschlichkeit hat Tove Alsterdal einen Kriminalroman erschaffen, der mitreißt und zum Nachdenken anregt und nachhallt. Der Roman ist mit dem schwedischen Krimipreis und mit dem skandinavischen Krimipreis geehrt.
Dies ist Teil eins einer angekündigten Trilogie. Der Titel „Sturmrot erschließt sich dadurch besser durch die nachfolgende Titelauswahl: Erdschwarz und Nebelblau.

Bewertung vom 09.06.2022
Fischers Frau
Kalisa, Karin

Fischers Frau


ausgezeichnet

Mia Lund, Faserarchäologin, bekommt einen alten baltischen Teppich zugeschickt, um ihn auf dessen Echtheit zu überprüfen. Während des Betrachtens und Analysierens des Webstils dieses einzigartigen Teppichs wird sie mehr und mehr angezogen von dessen Farben- und Gestaltungskraft. Sie folgt ihm dorthin, von wo er abgeschickt und in ihrem Museum gelandet ist, nach Zagreb. Gemeinsam mit einem Teppichkenner, Milan, enträtseln sie die Herkunft. Sie entdecken Verknüpfungen und Hinweise und gewebte Geschichte, die bis nach Schweden führt. Damals blieb der Fischfang aus an der Ostsee, die Fischer mussten eine andere Verdienstmöglichkeit suchen. “Knüpft euch eure Welt in diese Rahmen (Webrahmen)“, sagte zu der Zeit der Teppichmeister, der den Fischern das Knüpfen beibringt. Und so wurde gewebt, Teppiche mit Symbolen, mit Geschichten. Mia entdeckt einen Namen, eingewebt im Teppich: Nina Silkestrad, die Knüpferin. Deren beeindruckendes Leben wird entdeckt. Und währenddessen entdeckt auch die sonst zurückhaltende Mia Sund sich neu. „Als gelernte Bandagistin ist sie eine Heilpraktikerin im wörtlichen Sinne, fixiert auf Gebrochenes“. So lässt sie sich selbst auf einen Prozess ein, der sie behutsam auf einen neuen Weg leitet, eine Heilung in Gang setzt. Mias Geschichte entwirrt sich beim Lesen – nach und nach, durch Gedanken, Gespräche und Rückblenden. So wie der alte Fischerteppich sich bei naher Betrachtung wie entfernterer verändert, neues wird entdeckt, so verändert sich Mia, so verändert sich ihre eigene Perspektive, sie wird zur Suchenden und Findenden und Lebendigen. Sie verliebt sich „ ...wie sie selbst jetzt nicht mehr dieselbe bleiben kann. All diese Fäden in ihrer Hand. Die gibt sie nicht wieder her“...
Mia schreibt in Zagreb abschließend zur Analyse des Teppichs einen Liebesromans über Nina Silkestrad und Carl statt eines Forschungsberichts. Beide Lebensfäden werden verknüpft, Mias und Ninas. Sehr passend und ansprechend das Cover des Buches mit den nebeneinander- und überlappenden Köpfen. Sehr schön auch das Glossar zur Erklärung der Knüpfereibegriffe.

Durch aufgeworfene Fragen, die sich erst später im Roman erschließen, sowie Rückblenden aus Mias sowie aus Ninas Leben wird Spannung erzielt. Man wird regelrecht hineingezogen in diesen äußerst farbenfrohen Roman. Wunderbar recherchiert mit einem beeindruckenden Schreibstil, intelligent aufgebaut und große wort- und phantasiereiche Geschichte wird erzählt, immer im Rahmen der tatsächlich historisch belegten Anhaltspunkte. Karin Kalisa - Eine Ausnahmeerzählerin!

Bewertung vom 29.03.2022
Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2


sehr gut

Der Thriller „die andere Schwester“ knüpft an den ersten Teil der Reihe um den Ermittler John Adderley „Der andere Sohn“ an. Allerdings, unabhängig vom ersten Band, erschließt sich der Roman auch so von selbst. Ein Mord ist im schwedischen Karlstad geschehen und John, der mit einer neuen Identität als Ermittler tätig ist, wird der Fall zugewiesen.
Die erfolgreiche Stella, die mit ihrer Schwester Alicia eine Dating App gegründet hat, wird ermordet aufgefunden. John soll sich mit der Aufklärung befassen, ist doch wider Erwartens durch eigene vergangene Verstrickungen abgelenkt und in der Ermittlung behindert. Er ist gezwungen, um zu überleben, Entscheidungen zu treffen, die unkonventionell sind. Mit Bravour bricht Johns Vergangenheit in den Fall ein.
Die Hauptakteure, Alicia sowie John, überschreiten Grenzen und versuchen, jeder auf eigene Weise, damit klarzukommen. Auch das Leben der Schwester Stella entpuppt sich im Nachhinein als weit weniger strahlend als in ihrer Darstellung und hat Wurzeln gelegt, die weit in die Vergangenheit zurückreichen und noch in der Gegenwart bestimmend sind.
Doch in der Gegenwart geht es ums Überleben. Das Autorenduo Peter Mohlin & Peter Nyström haben konsequent einen Spannungsfaden entwickelt, der den Leser durchgängig fesselt. Die Hauptcharaktere, die alle von der Norm abweichende Persönlichkeiten mitbringen, werden verständlich dargestellt und deren Handlungsweisen erscheinen folgerichtig. Es geht um das Überleben, um Verrat, um Täuschung, um Extremsituationen und Entscheidungen. Der Spagat zwischen Selbstjustiz und Gesetz gelingt, denn Mona, eine Sonderermittlerin aus Stockholm erweist sich als „Fels in der Brandung“ und trifft eine kluge Entscheidung.
Ein ungewöhnlicher Thrlller, der hochgradige Spannung erzeugt und auch zu eigenen Gewissensfragen anregt. Inwieweit die Protagonisten sympathisch empfunden werden, ist jedem ja selbst überlassen.

Bewertung vom 22.02.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


sehr gut

Sofort ist man mitten drin in der Erzählung, die 448 Seiten und eine ganze Familiengeschichte erzählt, aus Sicht und den Erinnerungen von Ellen, der heute 50 jährigen Protagonistin.

Elle Bishop verbringt all ihre Sommer an der amerikanischen Ostküste an einem See in ihrem „Papierpalast“, einem Sommerhaus. Detailliert werden Landschaft, Zeiten und Erinnerungen beschrieben, Erlebnisse ihrer Eltern und Großeltern mit deren Zeitkolorit nach und nach eingefügt.

Aufgebaut ist ein Erzählstrang in der Jetztzeit, ein Urlaub im „Papierpalast“, komplementiert durch Rückblenden, die anfänglich in die 1960 Jahre in New York zurückgehen und dann Orte und Zeiten wechseln und dann nach über 400 Seiten an die Jetztzeit anschließen. Damit ist alles gesagt und Ellens wichtige Weggabel in ihrem 50jährigen Leben voller Entscheidungen erklärt. Doch waren es damals die richtigen?
Dem Leser wird eine großartige Reise in eine in höchstem Maße lebendige Welt geschenkt, die er selber in ihrer Intensität kaum erlebt haben mag. So bietet der Roman ein reichhaltiges Erleben und für Ellen die Frage, wie es weitergeht, ob es noch einen zweiten, gänzlich anderen Lebensabschnitt geben könnte, der noch nicht erlaubt ist, doch immer da war – ihre große Liebe.
Was den Roman ausmacht, ist die bildgewaltige Erzählung, die durchgängig spannend bleibt. Trotz düsterster Erfahrung manövriert sich Ellen durch den Strom des Lebens, - eine Romanheldin, deren letzte große Entscheidung man ihr gönnt und hierfür bis zum Schluss mitfiebert.
Miranda Cowley Heller ist nicht nur eine Entwicklerin von Serien bei HBO, dies ist ein großer Wurf, so sprachgewaltig und für sich stehend. Eine großartige Erzählerin, die die Tiefen und Untiefen einer Lebens- und Familiengeschichte bravourös erzählt.

Bewertung vom 26.01.2022
Erschütterung
Everett, Percival

Erschütterung


ausgezeichnet

Der Paläontologe Zach Wells führt, wie er zugibt, ein langweiliges Leben mit einer Ehefrau, die er schätzt, einer Tochter, die er liebt und einem sicheren Professorendasein. Er lebt in dieser geordneten Welt dennoch an der Grenze zur Depression. Eines Tages beginnt seine Tochter Sarah ihr Sehvermögen zu verlieren und die darauf folgende Diagnose erschüttert sein bis dahin geruhsames Leben vollständig. Parallel dazu erhält er, versteckt in einem Secondhand - Kleidungsstück einen merkwürdigen Hilferuf.

Im Laufe des Romans lernen wir sein Leben als Vater und Universitätsprofessor kennen. Seine Begegnungen, sein Sich-Einlassen, alles anhand von eingeschobenen Kapiteln, die in sich berührend und auch spannend sind in ihrer Aufrichtigkeit. Während seine Tochter sich mehr und mehr von der Welt abwendet und ihr ferner wird, entscheidet sich Zach dem Hilferuf, versteckt in einem gekauften Kleidungsstück, nachzugehen, seine gesamten Fähigkeiten zu bündeln, um sich auf eine gefährliche und abenteuerliche Reise zu begeben. Er versucht, mit ganzem Einsatz eine Gruppe Frauen, die als Sklaven gehalten werden, in ihre Heimat zurückzuführen. Eine Ungerechtigkeit wieder gut zu machen,

Für ihn die einzige, nicht bis an die Grenzen schmerzende innere Situation, die ein konkretes befreiendes Handeln ermöglicht, in ebenso der Entfernung, die seine Tochter psychisch angetreten hat. Er versucht, nicht nur die Frauen zu retten sondern dadurch auch sich selbst, dem Schicksal, Frieden mit seinem Schmerz abzugewinnen. „Mir kam der Gedanke, dass ich nicht imstande wäre, ihnen klarzumachen dass nicht ich sie rettete, sondern dass sie mich retteten.“

Der Roman stellt die Frage, ob dies möglich ist.

Sarah wird nicht mehr kommunizieren können, so wie es für andere verständlich sein wird.
Percival Everett benutzt ein Stilmittel, wie man am Unverständnis der Kommunikationssignale scheitern kann:
Die eingefügten kurzen Anmerkungen über Fossil- und Gesteinsproben, Schachkürzel, fremdsprachige Aussagen, die nicht übersetzt werden – sie brechen den Kommunikationsfluss ab, irritieren. Ein Nichtverstehen bleibt, über eine Kommunikation, die speziell ist.

Interessant der amerikanische Originaltitel: „Telephone“, der zum Nachdenken über das Kommunizieren anregt.
Der Vater kommuniziert gerne mit der Tochter mittels Schach, er selbst kommuniziert mit Vergangenem, verschiedene auftauchende Frauen kommunizieren direkt, ihn als Mann betreffend. Seine Tochter kommuniziert während ihres Parisaufenthaltes mit den Bildern des Louvres. Die Mexikanerin kommuniziert mittels einer Notiz.

Zach wird im Laufe seiner Reise bewusst falsche Signale einsetzen, um sein Ziel zu erreichen, absolut witzig, intelligent und direkt am Geschehen. wie z.B. die zurückgelassene Information, als er sich scheinbar auf Erdölsuche begab: „Das Auf-Papier-Kritzelnn seltsamer Symbole, Zeichen, die ebenso sinnlos sein wie Sinn tragen konnten, genau wie die rätselhaften Mikrofossilien, die ich als geologische Hinweise auf eine tiefe Geschichte und ein künftiges Geschick handelte.......“

Der Roman ist voller Hinweise, Anspielungen, Gleichnisse - mit einer Leichtigkeit, einer Selbstverständlichkeit und Humor.

Percival Everett ist ein vielschichtiger, auf allen Ebenen intelligenter Roman gelungen, ein zutiefst berührendes Werk, das eindringt und lange nachhallt.
Absolut empfehlenswert – ein wichtiges Stück Literatur.

Bewertung vom 01.12.2021
Karma
Sadhguru

Karma


ausgezeichnet

Karma - wie wir das eigene Schicksal beeinflussen können. Ein interessanter Titel, hat sich doch der Begriff Karma von der Indischen Philosophie her schon im Westen durchgesetzt. Der indische Guru Sadhguru Jaggi Vasudev, lehrt Bewusstheit aufgrund seiner eigenen tiefen Erfahrungen. Wo noch Yogananda den Begriff Yoga in den Westen einführte, ist es jetzt an der Zeit mit verständlichen Worten den Begriff Karma zu erläutern. Und ich war überrascht, mit welcher Leichtigkeit Sadhguru diese komplexe Angelegenheit darbringt. Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt. Was ist Karma, wie sich die immer gleichen Geschichten umschreiben lassen, deren Autor der Geist ist und warum es so ist.
Übungen zur Unterstützung werden aufgezeigt und in einer App ausführlich vorgestellt.
Yoga wurde 2016 als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt. Es dient in den verschiedenen Arten heutzutage der körperlichen Gesundheit, Fitness und Bewusstheit. Sadhguru empfiehlt Übungen, sich den Kreislauf von Ursache und Wirkung bewusst zu machen mit dem Ziel zu einem veränderten selbstbestimmten Handeln. Die Übungen, Sadhanas, sollen das Gelesene in die Praxis umsetzen.
" karmischen Ballast abzuwerfen, um für die Gnade empfänglich zu werden".
Ein Glossar der indischen Begriffe dient zusätzlich zum Verständnis. Ein Ratgeber, kompakt, doch verständlich, auf den man sich konzentriert einlassen muss. Doch die heitere, bzw. erleichternde Erklärung jenseits von Moral und Schuld kommt authentisch und echt rüber. So lässt man sich gerne inspirieren diesem nicht einfachen, vormals unbekannten und schwer vorkommenden Thema gegenüber.
Ein Ratgeber mit Gleichnissen, Übungen und überraschenden Erklärungen gibt viel Stoff zum Nachdenken und Ausprobieren.