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Edda246
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 52 Bewertungen
Bewertung vom 30.04.2024
Vor einem großen Walde
Vardiashvili, Leo

Vor einem großen Walde


ausgezeichnet

Bürgerkrieg in Georgien, Irakli flieht mit seinen Söhnen Saba und Sandro nach London, die Mutter, aufgrund mangelndes Geldes für Pässe und Flucht, bleibt zurück. Irakli versucht jahrelang sie nach London zu holen, doch es scheitert, die Mutter stirbt. Irakli kehrt später nach Georgien zurück und verschwindet und ist auf der Flucht. Die besorgten Söhne sind folgen seiner Spur. Eine abenteuerliche Reise beginnt. Brotkrume für Brotkrume wird entschlüsselt, die Suche führt durch das ganze Land Georgien.

Saba, der Protagonist, erinnert sich an das damalige Georgien und wird mit dem heutigen konfrontiert, Stimmen von erinnerten Verwandten begleiten ihn, spornen ihn an, flüstern ihm zu. Ein farbiges Bild Georgiens entsteht. Georgien nach dem Bürgerkrieg mit eigenen Regeln und Gefahren. 1991 hat sich Georgien von der Sowjetunion losgesagt, die Wirtschaft ist zusammengebrochen, es herrscht große Armut. Leo Vardiashvili lässt eine Geschichte entstehen, die einen ungebrochenen Überlebenskampf, Hoffnung und große menschliche Begegnungen verspricht. Eine Odyssee auf der Suche nach dem Vater mit schönen, schrecklichen, aufwühlenden und überraschenden Momenten, man lebt als Leser intensiv mit und erleidet mit die Armut, Korruption, Verrat, aber auch Liebe, Zuversicht und Vertrauen. Der Roman nimmt Fahrt auf; die vielen geschichtlichen Einblicke runden das Bild ab. Für mich war der Höhepunkt in der Mitte des Romans und von da an ging es rasant weiter, bleibt durchgängig spannend. Der Roman ist sehr dicht und sehr überzeugend geschrieben. Zuerst fiel es mir nicht leicht, mich mit Sprache und Kultur anzufreunden, doch der erwirkte Eindruck der Bilder ist sehr gelungen, fast nicht zu glauben, fast märchenhaft! So ist auch die Anlehnung des Buchtitels „Vor einem großen Walde“ an Hänsel und Gretel von den Gebrüdern Grimm (nicht nur in Bezug auf das entscheidende Schlussszenario) passend.
Aus Sicht einer unverdauten Kindheit, und auch mit den sensiblen Empfindungen eines Kindes, das eine zurückgelassene Heimat sucht und Trümmer und Wahrheiten findet. Zum Schluss ist die Heldenreise ganz anders als erwartet.
Märchen erzählen wundersame Begebenheiten. So auch hier: Der Held ist Saba, der sich mit guten und bösen Begegnungen auseinandersetzt bis die letzte Stimme verstummt.
Saba suchte seinen Ursprung, seine Heimat und trotz aller Widrigkeiten und Widersprüchlichkeiten innen und außen ist ihm dies auf dieser Reise wohl zu einem entscheidenden Teil gelungen.
Mit viel Humor und überraschenden Wendungen und Einblicken bekommt man hier beste Unterhaltung zum Mitfiebern und Mitleiden.

Leo Varashvili ist in Tbilissi aufgewachsen und immigrierte mit 12 Jahren nach England, wo er in London Literatur studierte.

Bewertung vom 18.04.2024
Lebenslang beweglich und kraftvoll mit Tigerfeeling
Cantieni, Benita

Lebenslang beweglich und kraftvoll mit Tigerfeeling


ausgezeichnet

Was für ein Buch!
Wer in fortgeschrittenem Alter verspürt nicht auch den Wunsch, so beweglich zu bleiben, wie in jungen Jahren! Leder sieht die Realität oft anders aus und mit dem zunehmenden Alter und Versteifung der Gelenke, Muskelschmerzen, Verkürzung der Faszien und ablassender Kondition und Elastizität stellt sich so mancher Mensch auf ein Alter mit Schmerzen und Beschränkungen des Körpers ein. Doch Benita Cantieni, selbst über 70 Jahre alt, zeigt in diesem Ratgeber, dass das körperliche Erleben des Alterns auch etwas anderes bedeuten kann.
Sie spricht von eigenen Erfahrungen ihrer Kindheit, den Diagnosen ihrer Ärzte. Dieses Buch macht Mut und es ist erfrischend nicht nur zu sehen, wie strahlend beweglich und fit Frau Cantieni, die Körperübungen anleitet, sondern wie ihr ganzes Sein Kraft und Freude ausstrahlt – ein Vorbild.
Nie weder Schrumpfen - eine interessante These für mich, ist doch meine ehemals großgewachsene Mutter um viele Zentimeter im Alter geschrumpft.
Auch habe ich am Fuß einen Halux Valgus, der, so wird vermittelt, kann repariert werden und Plattfüße sollte man mit Einlagen eher nicht behandeln. Ich war neugierig auf das Buch.
Allerdings sagt Cantieni, um die versprochene Beweglichkeit zu erreichen muss man die Komfortzone verlassen, umdenken und und sich mit dem Körper bewusst und anhand der Übungen konsequent auseinander bzw. zusammensetzen, eine fortlaufende Wartung vornehmen. Für mich garantiert ein schwieriges Unterfangen verlässt man doch ungern die eingefahrene Bahn. – doch ich bin neugierig geworden.
Der Körper ist ein Netzwerk, so hat sie erfahren, alles ist mit allem verbunden und beeinflusst alles. So hat sie durch lebenslange Erfahrungen auch mit dem eigenem Körper die Cantieni – Methode erfunden. Die Rückführung in die natürliche Haltung. „es geht hier um den gesunden Menschen, den natürlichen, verschleißfreien Gebrauch des physischen Körpers. Abnutzung muss nicht normal sein. Wir müssen rebellisch sein und umdenken. Der Geist hat Gastrecht im Körper“. Der Körper wird auch atmend erkundet. Beobachten und Folgern, individuell und nicht einer Norm entsprechend. Das Buch gibt einen sehr sympathischen Einstieg mit Erklärungen, so dass man sich geistig schon einschwingen kann, bevor die Übungen nach dem ersten Drittel beginnen.
Sie beschreibt und erläutert bildlich wie sie diese Übungen macht anhand von Fotografien. Illustrationen der Knochen, Muskeln, Faszien sind unterstützend und zeigen auf, wofür die jeweilige Übung gut ist. Nina Poelchau, Journalistin, ist mit ihr im Gespräch, stellt Fragen, die die Beschreibungen von Frau Cantieni ergänzen. „ Ein gut gewarteter Körper kann schnell reagieren bei Stürzen“ - ist es nicht auch das,der Sturz mit Folge von gebrochenen Knochen, wovor sich die meisten Älteren fürchten?
Die Übungen sind so aufgebaut, dass ein guter Einstieg in unterschiedlichen Lagen erfasst ist. Nach einigen Übungen die ich ausprobiert habe, fühlte ich mich gut durchblutet und bekam zusätzlich einen sanften Schub zur positiven Einstellung. Das Buch ist glaubhaft und eingängig, deutlich beschrieben und sympathisch und menschlich an den Leser gebracht. „Für alle, die für sich selbst Sorge tragen“! So das Motto am Anfang – das ist Benita Cantieni glaubhaft und überzeugend gelungen dies zu vermitteln. Sehr empfehlenswert – nicht nur für die ältere Generation, sondern für all diejenigen, die zutiefst an die Selbstheilungskräfte des eigenen Körpers glauben und sie hervorholen möchten.

Bewertung vom 25.03.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


gut

Leo Ahorn, ein Schreibwarenhändler, ist verschwunden. Viola Ahorn beauftragt eine Agentur mit dem Fall. Eine Vermissung! Tabor Süden beginnt zu ermitteln, das Blaue Eck, die Stammkneipe des Verschwundenen gerät in den Fokus und deren Besucher in die besondere Aufmerksamkeit. Und welche Rolle spielt Viola Ahorn, die Witwe? Die Ehe der Ahorns verdeutlicht sich durch die inneren Überlegungen und Gedanken von Viola.
Im Blauen Eck tummeln sich die Vergessenen die Traurigen und Frustrierten, „die Streuner“, wie Kommissarin Odoki bemerkt.
Die Psyche der Beteiligten, der Protagonisten legt sich durch innere Monologe offen, bis sie dann jäh wieder mit der Realität konfrontiert werden, um die Betrachtung zu verfeinern. Schwermütigkeit pur, Lichtjahre im Dunkel, jahrzehntelanges Leid, auch sucht man vergeblich nach Helden. Alle tragen hier ihr Päckchen, das teils ausführlich dargestellt wird In diesem Roman ist das Licht der Beteiligten in der Vergangenheit verschollen.
Der Roman, es ist nicht ein Krimi, nimmt im letzten Drittel Fahrt auf und zum Schluss entpuppt sich ein heldenhaftes Verhalten eines Mitspielers.

Tabor Süden agiert kaum, bringt die Ermittlung jedoch in Gang; seine ehemalige Kollegin Fariza Nasri, Oberkommissarin, wird später mit den Ermittlungen betraut.

Der Roman hat satte 446 Seiten, die teils mühselig zu durchforsten waren. Ich hatte mir mehr Spannung erhofft.

Beeindruckend für mich wieder die ureigene Friedrich-Ani-Art, die eine dichte Atmosphäre erschafft. Leider kam der Roman für mich nicht an das großartige Buch “Die letzte Ehre“ heran. Dort ist Fariza Nasri die taffe Ermittlerin.

Bewertung vom 14.03.2024
Tremor
Cole, Teju

Tremor


sehr gut

Tunde lehrt an einer Universität in Harvard, wirkt sanft und sympathisch
Er kauft in einem Antiquitätenladen in Kennebunkport eine Ci Wara, ein rituelles Holzobjekt einer Antilope und lässt seine Gedanken spielen, umkreist das Objekt und dessen Herkunft , die Bedeutung für den Käufer, die Wertermittlung der Verkäufer und das Entgelt für den Künstler in Afrika oder in den USA. Was wird von wem als Kunst angesehen. Das, was Tunde wahrnimmt, beleuchtet er faszinierend von allen Seiten im Sinne ihrer Geschichte Herkunft und Platz in der Welt. Gedanken fliegen ihm zu, in der Gegenwart entdeckt und rückblickend in die Geschichte dessen, was er sieht. Sein Fokus ist der afrikanische Kontinent. Das Buch ist voll von informativen und hochinteressanten Beispielen.
Wie war die Vergangenheit wirklich und wie wird sie dargestellt, spricht sie die Wahrheit, welches Narrativ prägt uns.
Das Buch hindurch sprudeln die Gedanken und Erinnerungen, reihen sich aneinander und lassen ein kluges und poetisches Bild im Betrachter oder Leser entstehen. Teju Cole sinniert über Kunst und Musik auf eine Art, die einen neuen Zugang erschließt.
Er empfindet oft die westliche Kultur als überheblich und erläutert dies an seinem Wissen und an Beispielen der Kunst. Mir hat sehr gut gefallen, den geschichtlichen Hintergrund zum „Sklavenschiff“ von Turner zu erfahren. Er geht auf die Raubkunst der Kolonialisten in Afrika ein. Er lässt über 20 afrikanische Menschen ein Panorama ihrer Geschichte erzählen, die wieder ein Gesamtbild der Lebendigkeit und der Schicksale hervorbringen, auch die Stadt Lagos wird großartig pulsierend und lebendig und sich wandelnd durch Teju Coles Begabung Lebendigkeit herzustellen in seinen Beschreibungen. Er beschreibt das Leben und das Überleben und stellt Fragen, was wirklich wichtig ist.
Philosophische Fragen, wie „Jedes Bild eines Mannes wirft beim Betrachter die Frage auf: Warum wird mir das gezeigt“, regen an. Auch er selbst fließt in seine Betrachtung der Welt hinein.

Das Buch voller Ehrlichkeit und Weisheit, gibt Denkanstöße. Keineswegs eine leichte Lektüre. Er widmet viele Seiten der Musik und manches habe ich im Internet nachgeforscht und auch das Bild von Turner wieder hervorgeholt. Er ehrt in seiner Beschreibung der Musik die afrikanisch stammenden Musiker. Manche Abschnitte über die Musik haben mich ermüdet und keine Resonanz in mir gefunden – allerdings der schönen Sprache der Beschreibung konnte man sich nicht entziehen –
Beeindruckend und großartig fand ich das, was Teju Cole als lebendiges Bild im lesenden Betrachter erzeugen kann. Teju Cole selbst ist neben dem Schriftsteller auch Fotograf und Kunsthistoriker. Mit diesem Roman konnte er dies wunderbar verbinden und verstärken.

Bewertung vom 02.03.2024
Trophäe
Schoeters, Gaea

Trophäe


ausgezeichnet

Hunter White ist ein Großwildjäger. Er nimmt seine schwere Doppelbüchse, ein Erbe seines Großvaters, mit auf die Jagd – irgendwo in Afrika – auf Safari. Der Erwerb einer Jagdlizenz für ein Spitzmaulnashorn bekam er über eine seiner Firmen. Die Jagd beginnt, die Vorfreude steigt, Van Heeren sein Freund und Führer leitet die Safari, ein Fährtenleser ist ebenso dabei. Bei einer guten Jagd sind Jäger und Beute ebenbürtig und Hunter ist physisch und psychisch in Topkondition. Eine Jagd erfordert Durchhaltevermögen.
Dieses von ihm ausgewählte Nashorn soll die Big Five seiner Großwildjagd vollständig machen. Elefant, Büffel, Löwe und Leopard sind schon erlegt, dokumentiert und ausgestopft – alle Lizenzen zu einem extrem hohen Preis, der die Kosten zur Förderung des Artenschutzes in Afrika decken soll. Soweit so gut – Hunter setzt volle Konzentration auf seine Beute, der Kick des Risikos leitet ihn.
Doch dann entdeckt er sein ausgewähltes Nashorn schon verletzt von Wilderern. Eine unendliche Enttäuschung! Das in die Augen blicken, sich messen mit der Beute, ist ihm nun verwehrt. Der ausgewogene Kampf zwischen Mensch und Tier findet nicht statt. Van Heeren führt Hunter daraufhin auf einen Beobachtungsposten, von dem aus Hunter junge Buschmänner bei einem Initiationsritual zusehen kann. Van Heeren hat über die Zeit Land gekauft und ein großes Areal Bushmen zur Verfügung gestellt zur Reintegration und zur Erhaltung jahrhundertelanger Traditionen. Hunter trifft eine Entscheidung.
Gaea Schoeters beschreibt detailliert das Herz Afrikas so, als ob man hautnah dabei ist. Das bildhaftes Beschreiben der Landschaft ist beeindruckend und sehr anziehend. Sie erzeugt mit stilistischem Feinsinn die Illusion des wilden Afrikas und hält die Distanz des Beobachtens, man spürt die Hitze, die Dürre, ist auf dem Aussichtspunkt, auf der Jagd, unter den Buschmännern – doch andererseits irritiert die Betrachtung des Geschehens mit wachsender Unruhe.
Man spürt förmlich die versteckten Gefahren afrikanischer Wildnis, ist wie die Fährtenleser mittendrin und erfährt viel über die Natur und die Ordnung der Tierwelt. Die Geschichte Afrikas, der Politik und der daraus resultierenden Entscheidungen ergänzen die Handlung. Vom Vordergründigen lenkt uns Gaea Schoeters gekonnt in die Unberechenbarkeit Afrikas und in die Abgründe der menschlichen Seele. Die wahren Triebkräfte ziehen hier im Hintergrund raffiniert die Fäden.
Treffend das anfängliche Zitat von Joseph Conrad aus „Herz der Dunkelheit“ „Es stand geschrieben, dass ich dem Albtraum meiner Wahl treu bleiben sollte.“
Gaea Schoeters widmet den Roman „Afrika - Gerechtigkeit – und Fiktion – was auch immer das ist“.
Das ist eigentlich der Leitfaden des Romans, der alles, was vorher gedacht, sich vorgestellt wird und ethisch vertretbar aufgewirbelt wird und eine Fiktion entstehen lässt, deren Intensität schaudern lässt. Man muss sich nach dem Lesen wieder neu sammeln.Trotz der Fiktion mit der Gaea Schoeters eine Möglichkeit darstellt, ist man durch diesen Roman so irritiert, durchgerüttelt, dass eine naive Sicht auf die Safari nicht mehr möglich ist.
„Van Heeren: „ Deine westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss. Der Rest der Welt muss mit Pragmatismus auskommen.“

Ein ungewöhnliches Thema brillant geschrieben, absolut fesselnd, lange nachhallend und großartig umgesetzt!
Gaea Schoeters, geboren 1976, ist eine flämische Autorin, Journalistin, Librettistin und Drehbuchautorin. 2012 hat sie den Großen Preis Jan Wauters für ihren kreativen Umgang mit Sprache gewonnen. Für Trophäe wurde sie mit dem Literaturpreis Sabam for Culture ausgezeichnet.

Bewertung vom 29.02.2024
Arthrose endlich heilen
Feil, Wolfgang;Homburg, Tobias

Arthrose endlich heilen


ausgezeichnet

Erstaunlich ist, dass schon Thomas Edison (1847-1931) – Zitat am Beginn des Buches - sagte:
Der Arzt der Medizin wird keine Medizin mehr verabreichen, sondern seine Patienten vielmehr motivieren, sich für den menschlichen Körper, für Ernährung und für die Ursache von Krankheiten zu interessieren.
Dr. Wolfgang Feil und Tobias Homburg haben ein bahnbrechendes Buch – ganz im Sinne des vorangestellten Zitats geschrieben. Es trifft genau die heutige Zeit und den Zeitgeist.

Die Arthrose ist eine Verschleißkrankheit der Gelenke. Diese wird herkömmlich und oft mit Operationen in Angriff genommen, künstliche Gelenke eingesetzt.
Dieser Ratgeber gibt Antworten auf die Frage, Symptome nicht einfach durch eine Operation (im übrigen halten künstliche Gelenke nur 12-15 Jahre) zu beseitigen, sondern alternativ durch eigene Aktivität, innere wie äußere und Bewusstheit mit den körpereigenen Heilungsmechanismen eine Heilung zu erzielen. Das Ziel ist, sich wieder schmerzfrei bewegen zu können.
Dr. Feil erklärt: Der Abbau der Gelenke erfolgt viele Jahre unbemerkt, bis Schmerzen auftreten. Um Heilung zu erzielen ist ein entzündungsfreies Milieu vonnöten. Chronische Entzündungen verhindern aber die körpereigenen Regenerationsprozesse.

Er hat ein System erfunden, die Dr.-Feil-Strategie. Sie zeigt 4 Bausteine auf zur Heilung:
Entzündungssenkende Ernährung,
körperliche Aktivität,
psychische Stärke und
ergänzende Nährstoffe.
Sie zielen alle darauf ab, die Entzündungen zu senken und die Gelenke wieder fit zu machen.
Auf jeden dieser Bausteine geht der Ratgeber umfangreich ein, alles wird detailliert von allen Seiten beleuchtet. Es bleiben keine Fragen offen
Was zuerst sehr komplex und kompliziert erscheint, wird beim Lesen verständlich durch die vielen Erklärungen der Vorgänge und der Fachwörter. Die Materie wird daraufhin immer spannender, das Begreifen setzt ein und damit ist schon ein Anfang erreicht, den eigenen Körper wieder als ganzheitlich zu betrachten und auf diesem beschriebenen Weg, ihm die Chance zu geben sich selbst zu heilen durch die vier Bausteine. Ich habe neben neuem Wissen auch viele Tipps bekommen, die dem Körper gut tun. Besonders interessant fand ich den Abschnitt über den Schmerz und Nennung von schmerzstillenden Lebensmitteln und Nennung von Herstellern, Preisen und Zusammensetzungen ergänzender Nährstoffe
Beeindruckend beschrieben und erklärt! Mit umfangreichen Infographiken, zusätzlichen Tipps und Erfolgsgeschichten.
Man merkt, dass dieses Buch das Herzblut von Dr Wolfgang Feil und Tobias Homburg ist.

Ein empfehlenswerter Ratgeber, unterstützt durch einen Email-Kurs zu diesem Buch, sowie Videoanleitungen für Körperübungen und Entspannungsmeditation. Diese Informationen sollte man jedem weiter empfehlen, nicht nur denjenigen die schon Arthrose geplagt sind, auch denjenigen, die es nie dazu kommen lassen wollen und eine ganzheitliche körperliche Gesundheit fördern wollen mit Bewusstheit.

Dr. Wolfgang Feil ist ein deutscher Ernährungswissenschaftler, hat zahlreiche Bücher in diesem Bereich publiziert und ist u.a. ein führender Arthrose-Experte.

Tobias Homburg ist Physiotherapeut der deutschen Biathlon- Nationalmannschaft, spezialisiert auf Rehabilitation und den Umgang mit Sportverletzungen

Bewertung vom 22.02.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Percival Everett hat den 1884 veröffentlichten Roman Die Abenteuer von Huckleberry Finn von Mark Twain neu geschrieben.

Es beginnt in Hannibal, Missouri. (In einer Höhle in diesem Ort soll Mark Twain seine Inspiration zu seinem Roman gehabt haben)

Jetzt ist der Sklave Jim, vorerst im Besitz von Mrs Watson, die Hauptfigur und führt durch den Roman.
Jim gibt seiner Tochter sowie anderen Kindern in seiner Hütte Sprachunterricht in der Form, wie mit Weißen zu sprechen ist: einfältig tun, den Weißen die Oberhand geben, sich dümmlich im Sklavenslang ausdrücken, evtl. nuscheln und den Weißen nicht in die Augen sehen.

Er erfährt, dass Mrs Watson, seine Besitzerin, ihn verkaufen will. So flüchtet Jim auf eine Insel. Er muss seine Familie zurücklassen. Später entdeckt ihn Huck, der sich wiederum vor seinem Vater verstecken will; so entscheiden die beiden, den Mississippi runter zu fahren um zu flüchten. „Wenn sie mich nicht haben, können sie mich nicht verkaufen“.

Eine abenteuerliche Flussfahrt beginnt und endet mit einem furiosen Finale!

In Wirklichkeit ist Jim gebildet, und sprachlich begabt. Ebenso wie die anderen Schwarzen in dem Roman, die die einwandfrei formulierte Ausdrucksweise untereinander benutzen, wenn Weiße nicht in Sicht sind. - Nur die Weißen ahnen nichts davon!

Das ist ein Geheimnis aus dem Jim einen Vorteil zieht und sich so durch Klugheit und Geschick durch die Geschichte laviert. „ Sich gefahrlos in der Welt bewegen zu können erfordert Beherrschung der Sprache; Geläufigkeit.“

Gut hundert Jahre vorher wurde die Amerikanische Verfassung ins Leben gerufen, die das Recht auf Leben, Freiheit, Eigentum, Glück und persönliche Freiheit proklamiert.
Percival Everett zeigt, in Bezug auf Mark Twains berühmter Vorlage, wie es zu Zeiten vor dem Bürgerkrieg für die Schwarzen in den Südstaaten damit bestellt war und lässt hier jedoch seinen Hauptdarsteller Jim durch Bildung klug und raffiniert handeln.

Beeindruckend webt Percival Everett in seinen Roman berühmte, gebildete Personen ein, Philosophen, Denker - man erfährt aufgrund der auftauchenden Namen viel über amerikanische Geschichte, denn jeder ausgeschriebene Name hat eine historische Bedeutung.
Besonders witzig fand ich Jims Diskussion ihm Traum mit John Locke, Vordenker der Aufklärung und Anreger zur Unabhängigkeitserklärung: „Sind Sie gekommen um sich zu rechtfertigen, dass Sie die Sklaverei gebilligt haben“ fragt Jim Locke.

Es gibt Szenen, die mir in meinem heutigen Bewusstsein auf die Spitze getrieben vorkamen – doch ist es wirklich überspitzt, was Percival Emmett in Geschichtsform beschreibt? Wenn nicht, ist es ein Horror diese Situationen, in denen sich ein Schwarzer Sklave damals befand.

Percival Everett nimmt ein weltberühmtes Werk „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ von Mark Twain und schreibt es auf ungewöhnliche Art neu. Ein gewagtes Unterfangen, großartig gelöst: Stilistisch gekonnt, witzig, informativ mit Auftritten von damaligen Zeitzeugen. Ein Buch, das einen spannend unterhält, packt und die heutige Sicht auf die amerikanische Geschichte deren Rassismus und Sklaverei neu beleuchtet.
Jim: „Eines weiß ich, was auch immer zu diesem Krieg geführt hat, die Befreiung der Sklaven war ein Nebenmotiv und würde ein Nebenergebnis sein“
Ein beeindruckender und wichtigerRoman!

Percival Everett ist Professor für Englisch an der  University of Southern California. Er hat für seine Romane zahlreiche Preise erhalten,   Hier wurde er bekannt durch u.a. mit: Ich bin nicht Sidney Poitier , Erschütterung und Die Bäume.

Bewertung vom 21.02.2024
Ich bin Anna
Saller, Tom

Ich bin Anna


ausgezeichnet

84 jährig blickt Anna Freud nach Erhalt einer Todesanzeige auf ihr Leben zurück.
„Die Arbeit hat mein Leben bestimmt getreu dem Vorbild Vaters“, sinniert sie und leitet durch diesen Satz schon in eine komplizierte Thematik ein. Sie war die Tochter von Sigmund Freud, dem Entdecker und Entwickler der Psychoanalyse. Sie ist das Kind, dass sich hingebungsvoll den Erkenntnissen des Vaters gewidmet und sein Werk weitergeführt hat.Sie wird später selber Analytikerin, hilft vor allem Kindern.
Rückblickend nach Wien kurz vor dem ersten Weltkrieg beginnt der Roman. Anna damals Anfang 20, unbeholfen, unsicher und kränkelnd. Aus ihres Vaters Sicht wild und ungebärdig, andererseits, was stets gelobt wird, brav und vernünftig. Von Mutters Seite erlebte sie Distanziertheit und Emotionslosigkeit. Sie entschließt sich vorerst Lehrerin zu werden.
„Eine überschwängliche Unterstützung bei der Berufswahl sah seitens des Vaters anders aus, der feste Glaube an die Widerstandsfähigkeit der eigenen Tochter ebenso.“

Auch im gewählten Beruf zeigten sich bei ihr Müdigkeit und Schwäche – etwas hielt sie davor zurück ganz ins Leben zu treten, um es in vollen Zügen zu erleben. Sie hat allerdings weibliche Unterstützer, die ihr nahestehen.
Als ein junger Patient Freuds Praxis betritt, ist auch Anna interessiert an den Studien und darf bei dem Vater an diesem Fall die Analyse lernen. Herr Stadlober hat Erblindungserscheinungen, die zeitweise auftreten und dann wieder verschwinden.

Ergänzend zu Annas und Sigmunds Erzählungen, die sich abwechseln und den Fortgang des Buches interessant gestalten, erfährt man die politische Lage in Österreich und Deutschland. Als der Thronfolger Österreichs, Franz Ferdinand in Sarajevo 1914 ermordet wurde, in dessen Folge der 1. Weltkrieg ausbrach, änderte sich auch die Welt der Freuds.Die Brüder von Anna leisteten Kriegsdienst, Freud entdeckte Thanatos, den Todestrieb.

Anna findet vorerst Gefallen an Ludwig Stadlober, doch durch einen Ohnmachtsanfall ausgelöst, bittet sie ihren Vater, sie zu therapieren.
Stadlober taucht im späteren Geschehen wieder auf und die Fäden und Ereignisse des Romans ziehen sich zusammen und lassen eine klug entscheidende selbstbewusste Anna handeln.

Mir hat gut gefallen dass Anna Freud ein Roman gewidmet wird. Tom Saller hat mithilfe seiner umfangreichen Recherchen eine interessant gewebte Geschichte erfunden, die so hätte sein können, die ganz und gar stimmig ist, spannend aufgebaut mit vielen Informationen über psychologische Fachbegriffe sowie das damalige politische und gesellschaftliche Umfeld.
Freud: „So betrachtet ließ sich die Erfindung einer neuen Psychologie durchaus als Akt des Widerstandes deuten, des Widerstandes gegen die Welt, in der ich gezwungen war, zu leben.“
Die feinsinnige Erzählung gibt viele Denkanstöße und ehrt die Anfänge über das, was dem aufgeklärten Menschen heute, 100 Jahre später, wie selbstverständlich in die Bewusstheit und Denkweise eingegangen ist.

Bewertung vom 17.02.2024
Das Philosophenschiff
Köhlmeier, Michael

Das Philosophenschiff


ausgezeichnet

Anouk Perleman-Jacob ist 100 Jahre alt .
Der Ich-Erzähler mit dem Namen Michael, wie der Autor selbst, ist bekannt für seine eingefügten Unwahrheiten in den von ihm verfassten Biografien, er hat einen „windigen“ Ruf.
Das veranlasst die alte Dame ihn zu beauftragen ihre Biografie zu schreiben.

„Was niemand weiß, sollen Sie schreiben, ein Schriftsteller, dem man nicht glaubt, was er schreibt“. Gesagt werden soll es. Und wenn es keiner glaubt, umso besser“
Mit diesen vielversprechenden Sätzen wird man flugs in die Geschichte der Frau Perleman-Jacob eingeführt. Sie erzählt im Folgenden ihre Geschichte so, wie sie denkt, macht Zeitsprünge zum besseren Verständnis, zeigt ihre damaligen Gedanken als junges Mädchen auf, ihre Verliebtheit.
Als Zehnjährige, geboren in St. Petersburg, erlebt sie die Wirren des Bürgerkrieges. Später bekommt der Vater, ein Architekt, einen Lehrauftrag in Paris, woraufhin die Familie dann dorthin zieht.

Dort treffen sie russische Künstler, Schriftsteller, Exilanten, machen interessante Bekanntschaften, von deren politischer Reichweite hat die die kleine Anouk vorerst nur Ahnungen.
Dann 1922, Anouk ist 14 Jahre alt, wird die Familie, zurück in St. Petersburg, aufgrund der Pariser Bekanntschaften verhört und es wird Ihnen kurz darauf befohlen, Russland zu verlassen. Mit nur einer halben Stunde Zeit zu packen wurden die drei auf ein Dampfturbinenschiff verfrachtet, das neben zwei anderen Schiffen den Hafen von St. Petersburg schnell verlassen sollte.
Später wurde gesagt, dies sei ein Entgegenkommen de Regierung, ein Akt der Humanität, die Ausgewiesenen, alles Ärzte, Professoren Wissenschaftler, Rechtsanwälte Journalisten Philosophen wären potentielle Waffen in den Händen möglicher Feinde.
Dieses dritte Schiff, von dem Anouk Perleman-Jacob berichtet, stoppte dann plötzlich mitten im dem Finnischen Meerbusen.
Ein neuer Passagier wurde auf das Schiff gebracht, den die beherzte Anouk auf dem Deck der 1. Klasse entdeckt, ein Passagier, todkrank, in Decken gehüllt. Es ist Lenin.

Interessant und lebendig beschreibt Köhlmeier die russische Geschichte aus Sicht und Erinnerungen einer Hundertjährigen. Sie erzählt die Stimmungen, die zu den jeweiligen Zeiten herrschen, die Ermordung der Zarenfamilie und deren politische und gesellschaftliche Auswirkungen. Auch erfährt man durch Perlemans Werdegang in Amerika über die McCarthy-Ära und den Verhören von Künstlern, Wissenschaftlern, Philosophen. Die Frage wird aufgeworfen wer wird warum als Terrorist gebrandmarkt und später zum Helden gekürt. Wem kann Perleman-Jacob privat noch vertrauen? Der undurchsichtigen neugierigen anderen Biografin jedenfalls nicht.
Das Vertrauen ist von den zeitlichen weltpolitischen Strömungen abhängig, zeigt sie auf.
„Sie können sich das nicht vorstellen, wie es ist, wenn alles, was geschieht, auf wenigstens zwei Arten gedeutet werden kann, wenn bei allen der Verdacht besteht, dass es nicht so ist, wie es scheint. Dass alles Inszenierung sein könnte...“ und: „Aber vergessen Sie nicht, wer Sie sind: Sie sind der, dem man glaubt, wenn er lügt, und nicht glaubt, wenn er die Wahrheit sagt.“

Köhlmeier laviert durch diese Unsicherheiten, zeigt politische und private Verwobenheiten an und spinnt eine Geschichte, die wahr sein könnte, aber Unwahrheiten beinhaltet. Doch, so könnte es politisch gewesen sein. Der Roman ist fesselnd, informativ und sehr amüsant mit vielen witzigen Einlagen, ein Vergnügen, dies Buch zu lesen. Es hallt lange nach.

Michael Köhlmeier 1949 geboren, lebt in Hohenems/Vorarlberg und Wien. Er wurde für seine Romane vielfach ausgezeichnet

Bewertung vom 07.02.2024
Prima facie
Miller, Suzie

Prima facie


ausgezeichnet

Tessa Enssler ist in London Strafverteidigerin. Sie betrachtet die vornehmen Anwältinnen und Anwälte, die einen anderen Start ins Leben und in den Beruf gehabt haben als sie selbst und wie sie erscheinen: selbstverständlich selbstbewusst, perfekt gekleidet. Diese aber betrachten die sozialen Unterschiede eher neugierig, da selbst davon nicht betroffen. Nicht so Tessa, sie hat sich aus der Unterschicht heraus hochgearbeitet, durch Fleiß ein Stipendium für Jura in Cambridge erhalten, einer der besten juristischen Fakultäten.

Tessa Enssler entpuppt sich nach dem Studium als genial, die Leute ins Kreuzverhör zu nehmen. Sie wird eine Staranwältin der Angeklagten. Bei sexuellen Straftaten kann sie durch kluges Taktieren das Opfer bloßstellen der sexuelle Übergriff wird zu einem mutmaßlichen. Doch es kommen Zweifel.
Dann verliebt Tessa sich in Julian, einen Senior Barrister mit privilegierter Herkunft, der Vater ist Kronanwalt, Julians Start in den Beruf war begünstigt.
Tessa glaubt, nicht dazuzugehören, sie beneidet ihn. Und dann kommt es ganz anders und Tessas Welt gerät aus den Fugen. Sie entscheidet sich, als Zeugin vor Gericht auszusagen.
Tessa: „Man muss darauf vertrauen, dass das System funktioniert, die Wahrheit ans Licht bringt“. Sie präsentiert dem ganzen Berufsstand ihre Verletzlichkeit. Ihr Ruf steht auf dem Spiel, doch wenn sie es nicht durchzieht, aufhört, würde sie ihren Sinn für Gerechtigkeit verlieren.
Der Roman ist aufgebaut in Abschnitten von damals und heute. So erfährt man Tessas Hintergrund ihren Werdegang, ihre Gedanken und wie sie diese im Heute umsetzt.
Interessant der Einblick in die britische Gerichtsbarkeit, Perücken, Solicitor und Barrister
Die Geschichte wirkt sehr authentisch, glaubwürdig.
Tessas Betrachtungen sind lebendig und zeichnen eine Welt, in die man so auf diese Art keinen Einblick erhält. Zusätzlich beleuchtet Suzie Miller diese Szene von beiden Seiten, der der Anwältin und der der Zeugin, ein großartiger umgesetzter Gedanke. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, die Spannung war durchgängig und allerbeste Unterhaltung garantiert, denn es gab sehr viele Anregungen, das kluge Buch lässt noch lange wirken.
Diese Geschichte wurde als Theaterstück aufgeführt und hat im Heimatland Australien viele Preise gewonnen. In Deutschland lief das Stück z.B. in Berlin und zur Zeit in Hamburg. Suzie Miller selbst hat Jahre lang als Strafverteidigerin gearbeitet. Prima Facie ist ihr erster Roman.