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buecherweltenbummler
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Rheinland-Pfalz - Mudersbach

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2022
Melodie des Bösen / Kommissar Julien Vioric Bd.2
Habekost, Britta

Melodie des Bösen / Kommissar Julien Vioric Bd.2


ausgezeichnet

Ein menschliches Herz, dargebracht wie eine Opfergabe vor dem Grab Chopins. Nur kurze Zeit später wird der verstümmelte Leichnam des begnadeten Musikers Pierre Loiseau aufgefunden. Loiseau galt als vermisst, nachdem der Jazzclub "Bal" von einer rechtsextremen Gruppierung überfallen worden war. Julien Vioric steht vor einem Rätsel. Denn vor 13 Jahren war ebenfalls ein menschliches Herz niedergelegt worden. Handelt es sich bei dem Täter um einen Ritualmörder oder um einen politisch Motivierten? Seine Ermittlungen führen durch ein Paris der 1920er Jahre, das zerschunden ist von einem Krieg der Werte und Kulturen.

"Melodie des Bösen" ist die Fortsetzung um den melancholischen Ermittler Julien Vioric und die zarte Journalistin Lysanne. Obwohl es sich um einen in sich abgeschlossenen Fall handelt, habe ich mich unheimlich gefreut, sämtliche Charaktere des Vorgängers wiederzufinden. Da ist die starke und gerissene Journalistin Héloise, die den korrupten Polizeipräfekten die Stirn bietet. Der vergnügungssüchtige Tusson, als Kollege von Vioric dessen exaktes Gegenbild. Und Louis Aragons, Surrealist, der diesmal erstaunlich bodenständig erscheint.

Das Besondere an diesem Buch ist die Liebe der Autorin zu ihren Figuren, die sich in jeder Zeile wiederfindet. Mit nahezu malerischer Leidenschaft konstruiert Britta Habekost eine Kriminalgeschichte und eine Bühne, die sich aus Realität und Fiktion speist und in ihrer Bildgewalt überzeugt. Jeder Satz wirkt wohl überlegt, jeder Hintergrund sorgfältig recherchiert, sodass eine Atmosphäre entsteht, die Geschichte greifbarer erscheinen lässt.

Als Leserin habe ich mich nicht nur 1925 in Paris befunden, sondern gleichzeitig die Demütigung im Hospital geschmeckt, die der Polizeipräfekt mir zukommen ließ. Die knisternde Spannung beim Anblick Viorics in meinen Fingerspitzen gefühlt. Und die Wut in meinem Bauch, wenn der Gouverneur über Menschen anderer Herkunft spricht.

"Melodie des Bösen" ist kein Kriminalroman, sondern eine bildgewaltige Reise, die ihre Leser*innen überwältigt!

Bewertung vom 04.11.2022
Normandie 1944
Bremm, Klaus-Jürgen

Normandie 1944


ausgezeichnet

Normandie 1944 - Die Entscheidungsschlacht um Europa

Nur elf Monate nach der großen Parade anlässlich des 150. Jahrestags des Sturms auf die Bastille rückt am 14. Juni 1940 die deutsche Infanterie in Paris ein. Kampflos. Keine fünf Wochen hat es gebraucht, um Frankreich zu besiegen. Eine trübe Stille erfasst die ehemals schillernden Straßen der französischen Hauptstadt. Widerstand formiert sich lediglich im Untergrund durch die L'Humanité. Spätestens mit der Verfolgung und Deportation französischer Juden und dem überraschenden Angriff am 4. März 1942 durch die Royal Air Force wird deutlich, dass eine friedliche Koexistenz mit den deutschen Besatzern nicht möglich ist.

Klaus-Jürgen Bremm skizziert mit "Normandie 1944" die Entwicklung des Zweiten Weltkrieges im westlichen Europa, genauer in Frankreich, unfreiwilliger Schauplatz einer entscheidenden Operation.
Detailliert beschreibt der Historiker und Publizist die Umstände eines besetzten Frankreichs und die internationalen Pläne gegen Nazi-Deutschland.
Obwohl der Fokus deutlich auf der Militärgeschichte der Befreiung Frankreichs liegt, gelingt es Bremm, seine Ausführungen verständlich, anschaulich und vor allem emotional wirken zu lassen. So verwundert es nicht, wenn die Leser*innen um ein ehemals lebendiges Paris trauern und mit Spannung die alliierten Pläne und Manöver verfolgen.
Zur Veranschaulichung ist das Sachbuch mit Fotografien und Karten bebildert. Zudem findet sich eine Zeittafel zum chronologischen Verständnis. Fundament der Arbeit sind etliche Schrift- und Bildquellen.

"Normandie 1944" ist ein erstaunlich verständliches und fesselndes Werk, das ein bedeutendes Stück Geschichte seziert, welches in seiner Komplexität bis heute Rätsel aufgibt.

Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.11.2022
Ihr könnt doch noch nicht satt sein!
Bergmann, Renate

Ihr könnt doch noch nicht satt sein!


ausgezeichnet

Sagt mal, habt ihr eigentlich auch so ein Problem mit Kochbüchern? Wenn ich im Geschäft in einem Kochbuch blättere, sehen die Fotos total klasse aus und zu Hause fällt mir dann auf, dass die Hälfte der Zutatenliste für mich Fremdwörter sind. Daher war ich total begeistert, als ich Renate Bergmanns gesammelte Rezepte auf Vorablesen gefunden habe.
Die "Online-Omi" verzichtet nämlich auf bunten Schischi und schreibt dazu noch in ihrem unverkennbaren Oma-Slang.
Die Rezepte sind in übersichtliche Kapitel gegliedert und allesamt mit großen Fotografien bebildert. Auch die Aufmachung der einzelnen Seiten ist total übersichtlich. Dazu gibt Oma Renate noch ein paar Tipps aus ihrer Küchen- und Familienerfahrung.
Die Rezepte reichen von Partysalaten über Sonntagsessen und vegetarischen Gerichten bis hin zu Kuchen und Torten. Kurz: Da ist für jede*n was dabei.
Fazit nach drei nachgekochten Rezepten: Schmeckt! Und zwar wie bei Oma!

Bewertung vom 31.10.2022
Die Krimi-Ladys von Dedley End
Walters, Victoria

Die Krimi-Ladys von Dedley End


sehr gut

Netter Cosy Crime mit Miss Marple-Elementen

Gemeinsam mit ihrer neugierigen Großmutter Jane betreibt die junge Nancy Hunter den kleinen Buchladen ihres verstorbenen Vater in dem verschlafenen Ort Dedley End. Als Buchhändlerinnen, die sich ausschließlich auf Kriminalromane und Detektivgeschichten spezialisiert haben, sind die beiden Frauen wahre Experten in Sachen Verbrechensaufklärung. Umso spannender wird es, als sie eine Einladung auf das sonst verschlossene Herrenhaus der Familie Roth erhalten, wo eine Verlobung gefeiert werden soll. Jäh unterbrochen wird der Abend, als die angeheiratete Lucy Roth über eine Brüstung gestoßen wird. Wer wäre zu solch einer Tat fähig? Nancy, Jane und der Journalist Jonathan ermitteln.

"Die Krimi-Ladys von Dedley End" ist der erste Kriminalroman der Autorin Victoria Walters.
Nicht nur das Cover verrät, dass es sich um einen klassischen Cosy Crime handelt. Auch die sympathischen Figuren und das verträumte Setting eines fiktiven Ortes irgendwo in den Cotswolds lassen jeden Teekessel höher pfeifen.

Die Handlung erinnert dabei an einen typischen Miss Marple-Roman. Tatsächlich gibt es Parallelen: Beide Frauen sind ledig und unabhängig. Sie bekommen Unterstützung von einem Mann. Mittelpunkt des Geschehens ist eine verschrobene, reiche Familie in einem ehrwürdigen Herrenhaus. Das Opfer wirkt wie eine wunderschöne, aber unnahbare Diva.
Doch was oberflächlich den Anschein eines Agatha Christie-Romans macht, bricht an dieser Stelle mit den Erwartungen, um eigene Wege zu gehen. So ist die Hintergrundgeschichte überraschend ernsthaft und weicht damit vom Cosy Crime-Genre ab.

Der Schreibstil ist sehr einfach. An dieser Stelle hätte ich mir eine elegantere Erzählweise und hier und da den typisch englischen Humor gewünscht.

Zusammengefasst handelt es sich bei der Geschichte um eine raffinierte Kriminalgeschichte in wohliger Umgebung, die an den richtigen Enden überrascht.

Bewertung vom 27.10.2022
Einsame Nacht / Polizistin Kate Linville Bd.4
Link, Charlotte

Einsame Nacht / Polizistin Kate Linville Bd.4


ausgezeichnet

Einsame Nacht und eiskalte Spannung

Ein 16-jähriger, adipöser Junge wird so lange gefoltert, dass er den Rest seines Lebens im Wachkoma verbringen muss. Neun Jahre später beobachtet Anna, wie das Auto auf der Straße vor ihr gewaltsam zum Halten gebracht wird und ein großer Mann in das Auto steigt, an dessen Steuer eine Frau sitzt. Am nächsten Tag ist die Frau tot. Ermordet. Und Anna schweigt. Werden Kate Linville und Pamela Graybourne den Fall lösen können, in dessen Verlauf mehr Menschen zu Tode kommen, als es zunächst den Anschein macht?

"Einsame Nacht" von Charlotte Link ist ein Kriminalroman, den man ebenso dem Thriller-Genre zuordnen könnte. Mehrere parallele Handlungen und zeitweise Einschübe, in denen der Täter, dessen Identität unbekannt ist, über seine Biografie und Motivation spricht, sorgen für ein abwechslungsreiches und spannungsgeladenes Ambiente. Während des Handlungsverlaufs nimmt der Roman eine enorme Dynamik an, die dafür sorgt, dass es immer schwerer fällt, das Buch aus der Hand zu legen. Dabei sind jedoch starke Nerven gefordert, denn "Einsame Nacht" ist nichts für Zartbesaitete.

Gleich zu Beginn fällt eine Ähnlichkeit der Charaktere auf. So werden vier unterschiedliche Frauen nahezu identisch beschrieben, u.a. die ermittelnde Beamtin. Diese Figur entwickelt sich jedoch stark während der Lektüre, sodass sie nicht mehr nur die schüchterne Frau mit geringem Selbstbewusstsein bleibt. Auch empfindet man die Reaktionen der einzelnen Personen als unangemessen, sodass man sich permanent fragt, warum sie nicht anders handeln. Doch gerade hier liegt die Stärke. Denn das Absurde führt nicht nur zu der Spannung, sondern hat natürlich einen Hintergrund. Trotzdem hätte ich mir eine Differenzierung in der Ausgestaltung der ähnlichen Figuren gewünscht.

Insgesamt ein beeindruckender Pageturner, der mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat!

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.10.2022
Was nicht war, kann ja noch werden
Schmölzl, Lydia

Was nicht war, kann ja noch werden


sehr gut

Was nicht war, kann ja noch werden

Freya befindet sich in einer Krise: Sie steht kurz vor ihrem 30. Geburtstag, ihre Freundin ist schwanger und im Job wurde sie bei der Beförderung übergangen. Grund: Sie ist zu alt. Kurzerhand verlässt sie Hamburg und zieht vorübergehend bei ihren Eltern ein. In einem Kaff irgendwo in der Nähe des Ruhrgebiets, das so aufregend ist wie Opas alte Socken. Zurück in ihrer Heimat wird sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Dabei ist es ihr nicht mal gelungen, die Gegenwart zu akzeptieren.

"Für immer jung, für immer verrückt" - dieser Slogan scheint die Maxime unserer westlichen Welt zu sein. Und genau hier dockt der Roman von Lydia Schmölzl an. In "Was nicht war, kann ja noch werden" befasst sich die Autorin mit dem postmodernen Problem des "Alles-ist-möglich" und die daraus resultierenden Konsequenzen für eine Generation, die vor der Wahl steht.
Stellvertretend für diese Generation lernen die Leser*innen die Protagonistin Freya kennen, die sich an dem Punkt ihres Lebens befindet, an dem sie sich fragt, ob sie die richtigen Entscheidungen getroffen hat.

Schmölzls Roman ist eine Kritik an unserer Gesellschaft. Sie möchte aufrütteln und uns deutlich machen, dass ewige Jugend nur ein Ziel ist, das auf Dauer nicht glücklich machen kann. Gleichzeitig ist dieses Buch ein Warnhinweis dafür, sich nicht von Erwartungshaltungen unterjochen zu lassen, die gerade Menschen um die 30 betreffen, die sich immer wieder die Frage nach Ehe und Kindern gefallen lassen müssen.

Der Sprachstil der Autorin ist rotzig, die Sprecherin egoistisch, immer mit einem ironischen Ton unterlegt. Dabei wird die Geschichte aus Sicht der Protagonistin erzählt. Obwohl ich keine Sympathie für Freya entwickeln konnte, empfand ich doch Empathie.

Eine humorvolle und gleichzeitig ernste Auseinandersetzung mit dem "Was-wäre-wenn"!

Bewertung vom 24.10.2022
Zur See
Hansen, Dörte

Zur See


ausgezeichnet

Zur See
Manchmal ist die See still. Zurückgezogen. Als hätte sie mit all dem Leben außer sich nichts zu tun. Wie ein Vater, der sich von seiner Familie entfernt. Manchmal ist sie wild und aufbrausend. Eine rebellierende Tochter, die ihren einzigen Ausweg im Tosen findet. Manchmal fügt sie sich harmonisch ins Bild ein, ohne wirklich dazuzugehören. Der jüngste Sohn. Künstler des Schaffens neuer Gebilde. Manchmal begehrt sie auf und verhält sich wider aller Erwartungen. Prophezeiungen ausspeiend. Und immer kommt sie einer Mutter gleich. Tröstend in ihrem Anblick. Zuverlässig in ihrer Existenz. Mahnend. Immer da.

Dörte Hansen begleitet in ihrem langersehnten Roman "Zur See" die Biografien der Familie Sander, die seit 300 Jahren auf einer kleinen Nordseeinsel lebt. Einfühlsam zeigt sie auf, wie die See das Leben der Inselbewohner*innen beeinflusst und wie sich dieses vor dem Kontext wirtschaftlicher Veränderungen wandelt.

Hansens Sprache ist getragen von einer außerordentlichen Ästhetik, die ihren Ausdruck in überschäumender Metaphorik findet. Ihre Sätze wollen langsam gelesen und wie ein kostbarer Wein genossen werden. Typisch für die Autorin ist die sprachliche Ruhe im Sturm. Während das Geschehen menschliche Dramen und Tragödien durchläuft, lässt sie sich niemals von der thematischen Dynamik irritieren und folgt ihrem Erzählstil wie die See ihrem stetigen Ablauf von Ebbe und Flut.

Dörte Hansen gehört für mich zu den talentiertesten deutschen Autor*innen der Gegenwart. Ihre Fähigkeit der Mikroperspektive von Menschen in sterbenden Gemeinschaften ermöglicht den Leser*innen einen Einblick, der Außenstehenden verwehrt bliebe.

Unbedingte Leseempfehlung!

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.10.2022
Das Gesetz der Natur
Winter, Solomonica de

Das Gesetz der Natur


ausgezeichnet

Ein grandioses Epos

Die Welt, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Denn seit Jenem Tag herrscht das Gesetz der Natur.
Gaia, ein 17-jähriges Mädchen, wird von dem Lehrer und dem Jäger in der Wildnis großgezogen. Keine*r darf von ihrer Existenz erfahren, denn sie ist eine Mutantin. Eine vom Gesetz zum Tod Verdammte. Als sie eines Tages entdeckt und schließlich gefangen genommen wird, kann sie nur eine Fähigkeit vor der Hinrichtung bewahren: die des Lesens. Denn in Neu-Amerika sind alle Bücher bis auf das Gesetz verboten. Als der Oberste Leser ihr zur Flucht verhilft, überträgt er ihr eine bedeutende Aufgabe: Sie soll zum Roten Berg gehen und die verbliebenen Bücher finden, um der Welt ihre alte Ordnung wiederzugeben. Eine jahrelange Odyssee beginnt.

"Das Gesetz der Natur" ist eine Dystopie, die nicht nur literarisch einzigartig, sondern auch thematisch geradezu episch ist. Im Fokus des Geschehens steht dabei die Mutantin Gaia, die der Welt die Dunkelheit in Form von Schusswaffen und Gewalt bringt. Ein Gegenbild zu Jesus, das Christi Lehren im Umkehrschluss vollzieht. Das vielleicht absolut Böse.

Auch literarisch finden sich etliche biblische Parallelen, welche die Geschichte zu einem ästhetischen Erlebnis werden lassen. Neben den Seligpreisungen ("Selig sind die,...") und dem Prolog des Johannes-Evangeliums in abgewandelter Form gibt es durchweg Einschübe, die stilistisch nicht zum restlichen Text passen. Diese Gesänge bilden die Psalmen im Alten Testament ab, indem sie Lobeshymnen darstellen, aber auch Leid beklagen. Hinzu kommen wörtliche Zitate, wie "Und es ward Licht", die keinen Zweifel an der Bedeutung der Heiligen Schrift für den Roman lassen.
Prägend ist vor allem die Schöpfungsgeschichte, die sich hier im Rückwärtsgang vollzieht.
Auch die Nebencharaktere erinnern an biblische Figuren, wie Gregor der Herrscher, der ein Abbild des Pontius Pilatus ist.

Solomonica de Winter hat ein literarisch hinreißendes und thematisch gewaltiges Epos geschaffen, welches sich biblischer Elemente bedient und diese auf ausgeklügelte Art in ihre Geschichte verwebt. Voller versteckter Hinweise handelt es sich um ein Werk, das nicht nur gelesen, sondern diskutiert werden will.

Bewertung vom 13.10.2022
Die vierte Gewalt
Precht, Richard David;Welzer, Harald

Die vierte Gewalt


sehr gut

Die vierte Gewalt

Seit einigen Jahren ist das Vertrauen in die Medien gesunken. Gerade nach der Pandemie haben viele Menschen ihr Medienvertrauen verloren. Oftmals wird behauptet, Politik und Medien ständen zu nah beieinander. Woher kommt diese Behauptung? Und wieso gibt es die Behauptung, die Medien seien von der Politik gelenkt?

Richard David Precht und Harald Welzer haben sich diesem Thema gewidmet und einige Entdeckungen gemacht. So beschreiben sie in ihrem Buch "Die vierte Gewalt", inwiefern sich unsere Demokratie in eine Mediokratie verwandelt und welche Auswirkungen das auf unsere Gesellschaft hat. So beeinflussen Leitmedien nicht nur Politik und politische Entscheidungen, sondern tragen mithilfe von moralistischem Hyperventilieren und Diffamieren zur Zerrissenheit unserer Gesellschaft bei. Begründet werden die Thesen mit aktuellen Beispielen, hauptsächlich aus dem Ukraine-Krieg, und zahlreichen Studien.

Des Weiteren wird Bezug auf die Geschichte der Öffentlichkeit und der Medienlandschaft genommen. Neben den Konsequenzen durch die Entwicklung von Direktmedien, wie bspw. Twitter, thematisieren Precht und Welzer zudem den Cursor-Journalismus. Am Ende stellen sie schließlich einen Lösungsansatz vor, der nicht nur den Grundlagen der Demokratie entspricht, sondern gleichzeitig mehr Vertrauen schaffen würde.

Insgesamt eröffnet das Sachbuch neue Perspektiven und sorgt an einigen Stellen für den klassischen Aha-Effekt. Dass die Autoren gleich im Vorwort darauf einstimmen, dass eine solche Darstellung der Medien eine Welle der Empörung nach sich ziehen kann, zeigt, wie dringend wir darüber reden müssen.

Die vierte Gewalt - oder wenn Medien nicht mehr nur die Öffentlichkeit repräsentieren, sondern sie beeinflussen möchten.

Bewertung vom 11.10.2022
Das Geheimnis von Ardmore Castle
Wilken, Constanze

Das Geheimnis von Ardmore Castle


gut

Das Geheimnis von Ardmore Castle

Zwei schottische Familien, getrennt durch ein Ereignis, das weit in der Vergangenheit liegt. Als in den 1879 Colin MacKenzie, Laird von Ardmore Castle, beschließt, sein Land zu Geld zu machen, lässt sich sein Vorhaben nur umsetzen, indem er seine Crofter zuvor von seinem Grund vertreibt. Da diese ihm aber stets treu gedient haben, weigern sie sich, ihre Heimat zu verlassen. Daher greift MacKenzie zu immer brutaleren Mitteln. Fast 150 Jahre später wird die Kunstexpertin Ivy Ferguson nach Ardmore Castle geschickt, um die Echtheit eines Schreibtischs zu prüfen. Als Nachfahrin der vertriebenen Familien wird sie nur ungern von dem gegenwärtigen Laird willkommen geheißen. Werden die Familien die Vergangenheit überwinden und neue Brücken schlagen können?

Eine raue schottische Gegend, gespickt mit freundlichen Einwohnern und einigen Exzentriker*innen lässt ein Wohlfühlbuch erahnen, zumal eine Liebesgeschichte im Fokus steht. Doch tatsächlich handelt es sich um einen komplexeren Roman, der so einige Rätsel bereithält. Ob ein Mordfall aus dem Jahr 1983, das merkwürdige Verhalten der Einwohner bezüglich des geplanten Verkaufs von Ardmore Castle, ein geheimnisvolles Zimmer in dem Schloss oder die Geschehnisse in der Vergangenheit - die Leser*innen sind hier stets gefordert, Verbindungen zu ziehen.

Gerade der historische Teil der Geschichte arbeitet dabei mit emotionalen Komponenten und sorgt dafür, dass der/die Lesende Stellung bezieht. Dabei ist der Erzählstil einfach und flüssig.
Insgesamt hat Constanze Wilkens einen Roman geschaffen, dessen Komplexität ihn vom bloßen Liebesroman abhebt.

Für alle, die sich gerne sonntagsnachmittags mit Tee und Keksen einmummeln!