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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1937 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2024
Die Glückslieferanten
Hiiragi, Sanaka

Die Glückslieferanten


gut

Lieferservice aus dem Himmel

Wer das erste Buch Die Erinnerungsfotografen mochte, wird auch mit Die Glückslieferanten etwas anfangen können. Während sich das erste Buch den Verstorbenen widmete, geht es hier um die Überlebenden.
Wieder wird in Episoden erzählt. Eine Form, die man mögen muss, um das Buch zu genießen. Ein gewisser Reiz liegt auch darin, dass es japanische Literatur ist und die japanische Lebensweise des Alltags zeigt.

In der ersten Episode geht es um eine alte Frau, deren Freundinnen, mit denen sie zusammengelebt hatte, verstorben sind. Sie ist entsprechend deprimiert, doch dann bringt eine Lieferantin eine letzte Botschaft der verstorbenen Freundinnen.
Danach geht es um die junge Fumika, die sich mit ihrer störrischen Oma zerstritten hatte. Eine weitere Geschichte besteht sogar aus fünf Kapiteln und auch der Epilog ist lesenswert.

Es ist ein Buch mit positiven Botschaften.

Bewertung vom 05.09.2024
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


gut

Mon mari
Mein Mann, ist ein gediegenes, sehr französisches und originelles Buch über eine Frau, die ganz und gar auf ihren Mann fixiert ist. Ihre Perspektive ist bis auf den Epilog am Schluß führend. Man ist stets bei ihren Gedanken und Überlegungen. Das sie die Liebe ihres Mannes sich immerzu sichern will hat etwas obsessives. Auch wenn sie ihn bestrafen will, wenn er auch nur bei Kleinigkeiten mal weniger liebenswert erscheint, ist fast zwanghaft.
Kein Zustand, den man jemand wünschen kann.
Vielleicht ist es aber auch ein Merkmal einer leicht gelangweilten, wohlhabenden Mittelschicht.
Mein Problem mit dem Buch ist, dass ich die Hauptfigur nicht glaubhaft finde. So einseitig denkt doch niemand. Ihre Gedankengänge sind zu schlicht.
Maud Ventura wird jetzt schon als französischer Shooting-Star gehandelt. So weit würde ich in meinen Urteil nicht gehen, obwohl ihr Debüt doch schon mal sehr interessant war.

Bewertung vom 05.09.2024
Lasst uns offen reden!
Schreiber, Constantin

Lasst uns offen reden!


sehr gut

Der Tagesschausprecher und Schriftsteller Constantin Schreiber ist ein ausgezeichneter Journalist, der sich wiederholt mit dem Thema Islam beschäftigt hat. Trotz seiner Sachlichkeit wurde ihm von gewissen Kreisen das Etikett Islamkritiker angeheftet.

In diesem Buch schreibt er über das heikle Thema Meinungsfreiheit.
Dabei geht er auf verschiedene Aspekte ein und diskutiert die Diskurse über z.B. Flüchtlinge, Klimakrise, Corona etc.
Er betrachtet auch die Rolle der Medien und die der Universitäten.
Seine Argumentation empfinde ich als zwingend.
Er nutzt dabei eine Form, die den Leser erreicht. Es fühlt sich an wie ein Gespräch.

Bewertung vom 05.09.2024
Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand
Barone, Marta

Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand


gut

Beim Anblick des Vulkans

Marta Barones autobiografisches Buch fällt durch das spektakuläre Cover auf und natürlich durch den langen Titel: Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand.
Die Italienerin erzählt dabei die Lebensgeschichte ihre Vaters, von dessen linksradikaler Vergangenheit sie erst nach seinem Tod erfuhr.
Sie verarbeitet das durch viel Recherche, z.B. Prozessakten, aber auch durch viele Gespräche mit Leuten, die ihren Vater kannten.
Sprachlich waren meine Eindrücke gemischt. Lange Passagen sind nicht sehr literarisch, doch bei einer Biografie muss man das auch nicht unbedingt erwarten. Dann gibt es aber auch viele Abschnitte, die gut verfasst sind.
Vor allen macht die Autorin ihre Gefühlslage deutlich. Sie hatte ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater und wusste vieles nicht von ihm. Es sind aber auch so einige liebevolle Erinnerungen dabei.

Bewertung vom 04.09.2024
Iowa
Sargnagel, Stefanie

Iowa


sehr gut

Ein Ausflug nach Amerika

Die Österreichische Schriftstellerin Stefanie Sargnagel schreibt unbeschwert und locker. Und ihr Stil ist von Ironie durchsetzt. Ihre Sprache spricht die Millennials unter den Lesern an.
Durchaus kann man etwas für den spöttischen Unterton Sargnagels übrig haben.
Diese Buch zeigt ihren Blick auf die USA und ihre Eindrücke von der Reise, die sie mit Christiane, einer Freundin, unternimmt. Eigentlich kennen sie sich noch nicht ganz so gut, sind aber schnell, ein gutes Team.
Meistens sind sie mit sich selber beschäftigt. Manche Details haben aber das Zeug zum Allgemeingültigen und Sargnagel findet Themen, die relevant sind und das macht dann die Höhepunkte des Buches aus.

Bewertung vom 04.09.2024
Hasenprosa
Kames, Maren

Hasenprosa


sehr gut

Der Hase als Meister von allem

Hasenprosa! Hier zählt weniger die Handlung als die Sprache und der Sprachwitz sowie Einfallsreichtum.
Die Protagonistin streift durch die Zeiten, dabei sind Erinnerungen, an die Mutter, an die Großmutter. Auch mit dem Bruder und dem herzlichen Großvater, der aber auch andere Züge hat, gibt es Passagen. Familiengeschichte ist zentral im Buch. Es gibt aber auch viele Anspielungen auf Literatur und Musik.

Begleitet wird sie auf ihrer turbulenten Reise von einem Hasen, mit dem sie einige absurde Dialoge führt. Das hat oft Witz. Manchmal steht man als Leser aber auch ratlos davor.

Maren Kames experimentelles Buch ist vermutlich der ungewöhnlichste Text der dieses Jahr auf der Longlist des Deutschen Buchpreis steht.

Bewertung vom 03.09.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


sehr gut

Spurensuche

Zora del Buonos Buch Seinetwegen ist bei C.H.Beck erschienen und sogar auf die Longlist des Deutschen Buchpreises gekommen.
Es handelt sich um ein autobiografisches Buch, das mit verschiedenen Stilmitteln versucht, den Unfalltod des Vaters zu erklären, Es ist das Buch einer Suche und damit einer Aufarbeitung.
Anfangs hat die Erzählerin nur die Kürzel des Mannes, der den Unfall 1963 verursacht hat, der ihrem Vater das Leben kosten soll, während sie selbst erst wenige Monate alt ist. Der Mann wurde nur zu zwei Monaten Gefängnis und 200 Franken Strafe verurteilt.
Als sie sechzig Jahre später den Namen herausfindet, versucht sie ihn ausfindig zu machen.
Einen großen Teil des Buches nehmen Diskussionen zwischen Zora und ihren Freunden ein. Daher beginnen Kapitel immer wieder mit den Titel „Im Kaffeehaus“. Dabei wird auch erläutert, was es heißt vaterlos aufzuwachsen. Was bei der Nachkriegsgeneration häufig vorkam. Auch von ihren Bekannten ging es manchen so.
Ergänzt wird das Buch von ein paar Fotos der Familie.

Bewertung vom 03.09.2024
Echo Mountain
Wolk, Lauren

Echo Mountain


ausgezeichnet

Das Leben in der Wildnis des Echo Mountain

Ein Buch voller tiefe und einer bemerkenswerte Dichte, daraus ergibt sich eine große Atmosphäre.
Die 12jährige Ellie lebt mit ihrer Familie in de Bergen. Mit ihrer Mutter, einer Schwester, einem Bruder und dem Vater, der nach einem Unfall im Koma liegt.
Es ist 1934 und sie sind sehr arm. Dass der Vater unfähig ist aufzuwachen erscheint sinnbildlich für den zerrissenen Zustand der Familie. Während Ellie die Berge liebt, sehnen sich ihre Mutter und ältere Schwester zurück in die Stadt.
Es gibt außerdem einen latenten Vorwurf gegen Ellie, dass sie Schuld am Unfall des Vaters wäre. Und Ellie, die weiß, wie es wirklich war, schweigt.

Ellie erinnert mich leicht an die Hauptfigur aus Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens. Auch Ellie hat eine große innere Stärke und Liebe zur Natur.
Um Hilfe für ihren Vater zu bekommen, sucht sie die „Hexe“ auf, eine alte Frau in den Bergen, die in Wirklichkeit klug und belesen ist, also absolut keine Hexe. Doch auch sie ist krank. Eine schlimme Wunde am Bein will nicht heilen. Da die Zeiten schlecht sind, ist kein Geld für eine Arzt da. Ellie wächst über sich hinaus, indem sie sich um die Kranken kümmert.

Echo Mountain ist ein kraftvoll geschriebener Roman, dazu meisterhaft komponiert. Lauren Wolk ist vielleicht die zur Zeit stärkste amerikanische Jugendbuchautorin.

Bewertung vom 01.09.2024
Mein drittes Leben
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


ausgezeichnet

Lindas Perspektive

Daniela Kriens bisherige Bücher waren schon großartig, aber Mein drites Leben ist vielleicht ihr bester Roman. Er ist so intensiv, weil man so dicht an den Gedanken und Emotionen der Protagonistin ist. Lindas Perspektive beherrscht das Buch ganz. Durch ihre Distanz erhält sie einen klaren Blick.
Sie hat ihre 17jährige Tochter Sonja durch Unfall verloren und zieht sich völlig in sich selbst zurück. Sie zieht aufs Land, wo sie sich um einen Hof kümmert. Das führt schließlich zur Trennung von ihrem Mann Richard. Völlig allein, nur mit einem alten Hund, verbringt sie die Tage mit Einnahme von Medikamenten. Sie denkt sogar an Suizid.
Dennoch ist es kein trostloses oder hoffnungsloses Buch, denn die Frage, wie mit der Trauer weiterleben, öffnet auch Hoffnung.
Es gibt auch neue Freundschaften, zum Beispiel zu einer Frau mit einer behinderten Tochter, die Hilfe braucht. Auch ist ihre Beziehung zu Richard gefühlsmäßig noch nicht abgeschlossen.
Dennoch bleibt Linda weiter distanziert zu ihrer Umwelt.
Daniela Krien ist eine kluge Autorin, die jederzeit genau weiß, wie sie den Plot entwickeln kann. Von Anfang bis Ende besitzt der Roman eine soghafte Wirkung.

Bewertung vom 31.08.2024
Toni & Toni
Oravin, Max

Toni & Toni


sehr gut

Es ist durch die Erzählweise, konsequent aus den Gedanken des männlichen Toni heraus, ein sehr dichter Text.
Nach einem Vorfall ist die weibliche Toni krank und verzweifelt. Ihre Kindheit war hart und von Armut geprägt. Jetzt kehren ihre selbstzerstörerischen Züge wieder zu Tage und sie ritzt sich wieder.
Der Österreichischer Schriftsteller Max Oravin zeigt, wie auch der Erzähler durch diese Situation beeinträchtigt ist. Das Zusammenleben ist schwierig, doch er bleibt eng an ihrer Seite.
Der starke Anteil an Zen-Buddhismus und Japanologie, die den Erzähler antreibt, ist ein ungewöhnliches Motiv. Das hilft ihm, Gelassenheit zu wahren. Manchmal ist es für den Leser aber schon anstrengend, diese Passagen zu lesen. Vor allen wegen der eingestreuten japanischen Schriftzeichen.

Literarisch ist das insgesamt gut gemacht und daher gelang das Buch auch auf die Longlist des deutschen Buchpreises.