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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1937 Bewertungen
Bewertung vom 31.08.2024
Findet mich
Wirth, Doris

Findet mich


sehr gut

Psychogramm einer Familie
Der Roman zeigt eine Familie. Erwin, Maria und die beiden Kinder Lukas und Florence.
Sie leben ein bürgerliches Leben, bis der Vater im Alter von Mitte 50 daraus ausbricht. Es ist aber keine Befreiung sondern der Beginn einer psychischen Erkrankung.
Sein Weg durch die Wildnis stellt einen Höhepunkt des Romans dar.
Aber alle Figuren bekommen ihre Passagen.
Die Qualität des Buches besteht aus der Form und dem Ton, den die Autorin Doris Wirth findet. Und dann fügt sie noch eine stark psychologische Note hinzu.

Bewertung vom 29.08.2024
Das Verschwinden der Welt
Hierse, Lin

Das Verschwinden der Welt


gut

Marta

Lin Hierses erstes Buch war großartig, daher durfte man gespannt sein, auf ihren ersten rein fiktionalen Roman.
Es ist ein teilweise rätselhaftes Buch, durchaus interessant und manches ist nicht schlecht formuliert.
Einige Nebenfiguren sind gut gemacht. Doch mit der Hauptfigur Marta kann man sich schwertun. So ganz verstehe ich sie nicht.
Insgesamt muss man sagen, dass „Das Verschwinden der Welt“ nicht ganz so ein starkes Buch ist wie Lin Hierses Erstling „Wovon wir träumen“.

Bewertung vom 29.08.2024
Plasmatropfen
Groß, Joshua

Plasmatropfen


sehr gut

Von Permafrost und Spechtmenschen

Plasmatropfen ist eine moderne, sehr konzentrierte Prosa, die manchmal kalt und seelenlos wirkt. Sie ist das aber nicht durchgehend.
Im Mittelpunkt steht die Malerin Helen. Eigentlich sollte sie eine Ausstellung in einem Museum haben, doch da gab es einen Einbruch und alle Bilder wurden gestohlen.
Dann gibt es noch Helens Freund Lenell, der schlimme Depressionen hat. Die Beziehung ist daher nicht einfach.
Dem Autor gelingt es ganz auf seine eigene Art, die Zustände des Malens als auch der Depressionen zu zeigen.
Es gibt viel bizarres im Buch, zum Beispiel Helen im Permafrost oder Lenells Begegnung mit einem Spechtmensch, die sich zu einer Beziehung ausgestaltet.
Es gibt zum Teil bemerkenswerte Beschreibungen. Der Autor wagt einiges.
Es ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss.

Bewertung vom 29.08.2024
Hier kommen wir nicht lebend raus (eBook, ePUB)
Atwood, Margaret

Hier kommen wir nicht lebend raus (eBook, ePUB)


sehr gut

Tig & Nell, Nell & Tig
Von der großartigen kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood gibt es hier noch einmal eine ganz neue, interessante Kurzgeschichtensammlung mit dem Titel Hier kommen wir nicht lebend raus , Originaltitel: Old Babes in the wood.
Das Buch besteht aus 3 Teilen. Im ersten und im dritten Teil geht es um Tig und Nell, die schon lange ein Paar sind. Es wird das alltägliche Zusammenleben gezeigt. Später, nachdem Tig gestorben ist, wird erzählt, wie Nell als Witwe zurechtkommt und immer wider in Erinnerungen an Tig versinkt. Es ist also zu einem Teil ein Stück Trauerarbeit.
Dann gibt es noch den Mittelteil mit eigenständigen Shortstorys.
Da ist zum Beispiel eine dabei, in dem Atwood in einer Seance auf George Orwell trifft und mit ihm verschiedene Themen diskutiert. Das war sehr amüsant. Der Höhepunkt des Bandes ist dann die relativ lange Erzählung Meine böse Mutter. Dieser Text ist originell und amüsant.
Aber auch die Tig und Nell-Texte haben trotz ein er gewissen Zurückhaltung und Melancholie etwas besonderes an sich und es dürfte sich lohnen, sich ein zweites mal mit ihnen zu beschäftigen.

Bewertung vom 28.08.2024
Das Ende von Eddy
Louis, Édouard

Das Ende von Eddy


ausgezeichnet

Dieses jetzt neu aufgelegte Buch begründete den inzwischen beträchtlichen Ruhm des Autors Edouard Louis und gilt als bedeutendes Werk über einen Zustand. Es ist autofiktional im Sinne von Annie Ernaux gehalten. Der junge Eddy wird schon als Kind in der Schule gemobbt und teilweise wird er auch in der Familie ausgegrenzt. Der Vater ist ein rauer Typ, der keinen Zugang zu seinem sensiblen Sohn hat, die Mutter schwankt zwischen hilflos und gleichgültig. In späteren Büchern wird sich der Autor noch ganz den Eltern widmen, doch auch schon hier haben sie ihre Kapitel.
Es ist aber die ganze Gesellschaftsschicht im dörflichen Frankreich, die sich so intolerant verhält.
Erst ganz am Schluß des Buches öffnet sich Eddy eine Chance.
Dass Edouard Louis das so gnadenlos erkennt und beschreibt, verleiht dem Buch die hohe Wirkung.

Bewertung vom 27.08.2024
Wenn du nicht wärst
Peter, Maja

Wenn du nicht wärst


sehr gut

Carla und Samuel

Die Schweizer Autorin Maja Peter bietet mit ihrem Roman Wenn Du nicht wärst die geschichte einer Beziehung eines Paares mittleren Alters. Es überrascht, wie stark sinnlich der Text ist. Es gibt viele Szene, in denen Erotik und Sex die Hauptrolle spielen.
Angesiedelt ist der Roman zudem im Theatermilieu. Das gibt zusätzliche eine Note für einen eigenständigen, weichen Erzählton.

Ein große Handlung weiterhin gibt es kaum. Man hätte da vielleicht noch etwas mehr machen können. So bleibt der Text zu sehr im vagen.

Bewertung vom 27.08.2024
Egal war gestern
Isermeyer, Jörg

Egal war gestern


ausgezeichnet

Ein politisches Coming-of-Age

Finn ist Schüler, sein Vater Lehrer. An der Schule entsteht immer mehr eine rechte Stimmung, die sich in Schikanen gegen Menschen mit Migrationshintergrund und andersdenkende entwickelt.
Finns Vater fängt an, öffentlich dagegen zu protestieren. Dadurch wird er für manche zum Nestbeschmutzer. Auch Finn bekommt das zu spüren.
Das Jugendbuch beschreibt den Prozess, wie sich die Situation allmählich verschlimmert. Aus anfänglichen Pöbeleien werden massive Drohungen.
Damit eingehend wird auch Finns Entwicklung beschrieben. Er nimmt deutlicher wahr, wie sich die politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge ergeben.
Jörg Isermeyer zeigt das anhand verschiedenster Einflüsse und damit erreicht er ein Gesamtbild. Am wichtigsten ist vielleicht, dass deutlich gemacht wird, das Widerstand und Zivilcourage zeigen auch einen Preis einfordert. Für die Familie wird die andauernde Bedrohungslage schließlich zu viel, aber Finn hat gelernt, dass er für das einstehen muss, an das er glaubt.
Großartig, dass ein Roman das so in einer Gesamtheit deutlich machen kann.

Bewertung vom 27.08.2024
Radieschen-Revolution
Müller, Christian Lorenz

Radieschen-Revolution


sehr gut

Machtkampf im Radieschengarten

Das Buch zeigt Gerd, ein Literaturkritiker, der seine Liebe zum Gärtnern entdeckt und seinen Weg zum eigenes gegründeten Gemeinschaftsgarten.
Die Sprache ist überraschend und wirkt im Tonfall wie aus den sechziger Jahren. Gemäßigt wird das durch einige moderne Begriffe.
Den Einsatz des betulichen in der Sprache verstehe ich als eine Art Ironie. Das schließe ich auch aus den drolligen Kapitelüberschriften und den Dialogen. Das wird zum Ende hin immer überdrehter.
Wer für diese Art Ironie etwas übrig hat, wird den Roman amüsant finden.

Bewertung vom 24.08.2024
Nostalgia
Kubiczek, André

Nostalgia


ausgezeichnet

Favorit für die Shortlist
Nostalgia ist eine Familiengeschichte, die in den frühen Achtziger Jahren in der DDR angesiedelt und die trotz des Titels nicht nostalgisch verklärt sondern glaubhaft und echt den Zustand zeigt. Die erlebende Perspektive ist die des Kindes André. Es ist ein autobiografisch gefärbter Text, liest sich aber nicht wie die übliche autofiktionale Literatur. Das liegt auch darin, dass nicht in der ersten Person erzählt wird.
Zentrale Figur ist die der Mutter, die aus Laos stammte und au Liebe in die DDR ging. Diese Herkunft ist manchmal nicht einfach für Andre, zum Beispiel wenn er in der Schule Schlitzauge genannt wird.
Hinzu kommt noch der jüngere Bruder, der geistig behindert ist. Und auch die Mutter wird krank. Es wird schlimmer und damit endet Andres unbekümmerte Jugend schnell. Später wird auch die Perspektive der Mutter gezeigt.
Andre Kubiczek schreibt detailliert, vielleicht manchmal zu ausführlich. Vielleicht erreicht er mit seiner Genauigkeit aber auch erst den Leser.
Es ist ein Text, der einen nicht gleichgültig lässt.

Bewertung vom 23.08.2024
Der Wind weht, wohin er will
Tamaro, Susanna

Der Wind weht, wohin er will


sehr gut

Die Summe eines Lebens

Es ist eine Familiengeschichte und ein Briefroman. Recht ungewöhnlich, Briefe in dieser Ausführlichkeit zu lesen, aber es funktioniert. Sprachlich ist es einfach gehalten, wie man es von Susanna Tamaro kennt. Daran sollte man sich nicht stören, sonst braucht man das Buch nicht erst anfangen.
Eine gewisse Einfachheit wird auch aus dem Leben in einer ruhigen, ländlichen Umgebung in Italien hergeleitet.
Hauptfigur ist die 59jährige Chiara, die diese Briefe an Mitglieder ihre Familie schreibt. An ihren Mann Davide und an ihre zum Teil schon erwachsenen Kinder. Dabei geht sie auch in die Zeit zurück, z.B. ins Jahr 1976 als sie 18 Jahre alt und Schülerin war. Nach einer ersten Liebe findet sie mit David den Mann fürs Leben. Sie adoptierten ein Kind und bekamen weitere.
Die Briefe widmen sich natürlich auch den Adressaten und zeigen ihr Aufwachsen.
Es kristallisieren sich aus dem Ganzen die Erfahrungen eines Lebens.