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Benutzername: 
ninchenpinchen
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Potsdam

Bewertungen

Insgesamt 69 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2023
Zwischen Welten
Zeh, Juli;Urban, Simon

Zwischen Welten


sehr gut

Vom digitalen Kannibalismus

In „Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban lesen wir einen digitalen Briefwechsel zwischen dem systemkonformen, mainstream-gerichteten Pseudo-Journalisten Stefan und der stetig auf Krawall gebürsteten Bäuerin Theresa. Deren Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein und dennoch reicht die alte Freundschaft aus Studentenzeiten fast über 444 Seiten. Bis Theresa die Nase endgültig voll hat und nicht mehr antwortet.
Ich habe – sage und schreibe – 17 Klebchen (Page-Marker) im Buch verteilt, weil ich die Zitate so spannend fand oder auch etwas nicht wusste, was es nachzuschlagen galt.

Dieser Briefroman liest sich sehr flüssig, was angesichts seiner Form schon erstaunlich ist. Wenn auch die zahlreichen Gendersternchen von Stefan genauso zermürbend sind, wie seine Weltanschauung, obwohl er doch gerade als Journalist alle Seiten im Blickfeld haben sollte. Hat er aber nicht. Theresas Seite ist aus meiner Sicht nachvollziehbar, auch ihre ungeheure Wut auf die deutsche Bürokratie, die offensichtlich die Bauern besonders hart trifft. (Ich gehe davon aus, dass punktgenau recherchiert ist.) Einzig ihren Hang zur E-Mobilität begreife ich nicht, es wird öfters erwähnt, dass Basti, Theresas Ehemann, von einer E-Auto-Werkstatt träumt.

Theresa, die Vollblutbäuerin, liebt ihre Kühe, obwohl der Hof unrentabel ist. „Bei einer Auflösung des Hofs hätte man sie (die Kühe) alle geschlachtet. Man hätte ihre Masse, ihre Wärme und ihre Freundlichkeit restlos ausgelöscht.“ (S. 32)

Manchmal hat sogar Stefan kleine Erleuchtungen: „Wie sehr die politischen Bedingungen eure Familiengeschichte mitbestimmt haben, das finde ich tragisch.“ (S. 41) Oder hier: „Ich saß in Rosi’s Bar und schaute mir an, wie alle permanent mit ihren Smartphones zugange waren. Überall strahlende Devices in der Nacht. Darüber die bleichen Geistergesichter im Displaylicht, erstarrt in Ehrfurcht vor der unendlichen Verfügbarkeit von allem und jedem.“ (S. 68)

Theresa lernt eine junge Frau kennen, Eva, die Tochter des Nachbarn und Bauern Lars. Eva: „Der Staat macht uns systematisch kaputt.“ (S. 110) Oder später sagt Eva: „Dass Politik heutzutage nur noch Verarsche sei und dass ich (gemeint ist hier Theresa) endlich rauskommen müsse aus meiner Komfortzone.“ (S. 205) Theresas Vater zerbrach „an der grinsenden Heuchelei der BRD.“ (S. 226) Und dann wieder Eva: „Das Volk will nicht gendern, es will keine Cancel Culture, keine Lastenfahrräder und keine Pseudoskandale um kulturelle Aneignung …“ (S. 268)

Theresa erwähnt auf Seite 303 den Paragraphen 314 des Strafgesetzbuchs: „Wer Gegenstände, die zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, vergiftet oder ihnen gesundheitsschädliche Stoffe beimischt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.“ Darauf möge sich nun ein Jeder seinen eigenen Reim machen. Und auf Seite 325 schreibt sie an Stefan: „Das System ist ein Witz, über den niemand mehr lacht. Es ist höchste Zeit, aus der Reihe zu tanzen. Kein Schaf in der Herde mehr zu sein. Erstaunliche Erkenntnis: Die Angst verschwindet, sobald man das Heer der Konformisten verlässt. Kaum streift man das Kostüm des Untertanen ab, kehrt Seelenfrieden ein.“ Später, auf Seite 346 schreibt sie: „Kein Vorgang in Deutschland ohne ein Maximum an Papierkram. Geboren werden, sterben oder abbrennen – Hauptsache, ein paar neue Aktenordner werden voll.“

Auf Seite 359 schreibt Theresa: „Während ich hier sitze und meine Kühe betrachte, die so friedlich zurückschauen, so vertrauensvoll, so tapfer, so unglaublich bereit, mir (und überhaupt allen Menschen) zu dienen, und die deshalb Anspruch darauf haben, respektvoll und gut behandelt, ja: geliebt zu werden – dann spüre ich mehr denn je, was meine Aufgabe ist.“
Ich glaube, ich habe noch nie bei einer Rezension so viele Zitate erwähnt, aber hier war es einfach nötig.

Fazit: Ich mochte das Buch sehr und es war wirklich flüssig zu lesen und das trotz des Briefwechsels. Es wurde sehr kontrovers diskutiert, bzw. geschrieben und gerade das vermisse ich in der heutigen Zeit der Meinungsunfreiheit.

Bewertung vom 30.05.2023
Die Verborgenen
Geschke, Linus

Die Verborgenen


gut

Wenn du im Schlaf beobachtet wirst

Bei einer Freundin von mir wurde mal eingebrochen über den etwas erhöhten Balkon im Erdgeschoss und aus dem Wohnzimmer wurden Sachen gestohlen, während sie im Nebenzimmer schlief. Zum Glück hatte sie während der Nacht nichts davon bemerkt, aber ich fand das total unheimlich und gruselig. Allein der Gedanke, dass in den eigenen privaten Räumlichkeiten jemand rumschleicht, ist wirklich beängstigend.

Von den sog. Phroggern hatte ich noch nichts gehört, lediglich in einigen amerikanischen Filmen kamen verborgene Mitbewohner vor. An einen Film erinnere ich mich ganz deutlich, da hatte ein Mann aus finanziellen Gründen sein riesiges Anwesen verkaufen müssen. Er wollte so gern das Haus behalten, aber das ging eben nicht, aber er kannte sich natürlich bestens aus. So war ihm jeder Schlupfwinkel vertraut und die Käufer und neuen Besitzer bemerkten zunächst nichts.

In diesem Thriller: „Die Verborgenen“ von Linus Geschke verhält es sich anders. Das Ehepaar Hoffmann besitzt und bewohnt ein traumhaftes Haus direkt am Wasser. Geld spielt hier keine Rolle, denn die Eltern von Franziska Hoffmann sind reich und haben für ihre geliebte Tochter gern dieses riesige alte Haus angeschafft. Franziskas Ehemann Sven hat sich hier aber noch nie wohlgefühlt, er möchte lieber ganz woanders sein, schwärmt von der Großstadt. Keine gute Basis für diese Ehe, obwohl beide ihre wunderbare Tochter Tabea sehr lieben. Ein Mord im Dorf an einer Schulkameradin von Tabea bringt zusätzliche Unruhe ins Geschehen.

So kommt zunächst niemand auf die Idee, dass hier im Haus irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Autoschlüssel und Lebensmittel verschwinden, Schubladen mit geheimen Inhalten sind plötzlich geöffnet, Dinge tauchen woanders wieder auf. Jeder verdächtigt jeden, was natürlich der ohnehin wackeligen Ehe nicht gut bekommt.

Mit der Protagonistin Franziska konnte ich überhaupt nicht warm werden, sie kam mir vor wie eine Schaufensterpuppe aus Plastik. Mit Sven und Tabea kam ich gut klar, auch wenn mir Tabeas Kapitel nicht gefielen. (Es gibt außerdem noch Sven-, Franziska- und Phrogger-Kapitel.) Dann gilt es den Mord im Dorf aufzuklären, obwohl der m. E. nach nicht wirklich ins Geschehen passt. Oder muss ein Thriller zwingend einen Mord enthalten?

Fazit: Bis zum Mittelteil, als der echte – und wirklich absolut unerwartete – Knaller passiert, liest sich das Buch richtig spannend, flaut dann aber schlagartig ab. Enttäuschend zum Ende. Zweieinhalb Sterne runde ich auf drei auf.

Bewertung vom 26.04.2023
Institut für gute Mütter
Chan, Jessamine

Institut für gute Mütter


sehr gut

Nie gut genug

Schreiben die Autorinnen solche Bücher, weil sie Angst vor einer derartigen Zukunft haben oder folgen sie nur einem Hype? Denn „Institut für gute Mütter“ von Jessamine Chan ist ja nicht der einzige Roman zu dieser Thematik, der zurzeit kursiert. Ein Streaming-Anbieter zeigt eine fünfteilige Staffel nach dem Roman von Margaret Atwood: „Der Report der Magd“, wobei wohl nur die erste Staffel romangetreu ist, die weiteren Staffeln wurden in Absprache mit der Autorin frei zugefügt. Dann gibt es noch den Roman „Mothers“ von Polly Ho -Yen, der sich auch dystopisch mit dem Thema Unfruchtbarkeit der Frauen beschäftigt.

Aber nun zum „Institut“. Frida, die Protagonistin, lässt ihre kleine Tochter Harriet für etwa zweieinhalb Stunden allein in der Wohnung zurück, während sie kurz wegfährt, berufliche Dinge erledigt und sich auch einen Kaffee holt. Das ist der Aufhänger und daraus entwickelt sich der rote Faden dieser Geschichte. Mit Karacho in den Abgrund. Ein übereifriger Nachbar mit Blockwart-Mentalität ruft die Polizei, bzw. den Kinderschutzbund (KSB) an, weil Harriet in der Wohnung schreit. So findet Frida, die Mutter, nach der Rückkehr von ihrer Exkursion das Kind nicht mehr in der Wohnung vor. Und dann nimmt das Unheil seinen Lauf.

Frida verliert ihr Sorgerecht. Baby Harriet kommt zu ihrem Exmann Gust und seiner neuen Flamme Susanna. Frida darf Harriet nur noch selten sehen und dies auch nur in Begleitung einer sadistisch anmutenden Sozialarbeiterin, Ms. Torres. Die sich daran erfreut, Frida und Baby Harriet leiden zu sehen. Sie quält, weil sie’s kann und darf.
Ab jetzt hat Frida eine vermeintliche Wahl. Geht sie für ein Jahr in die sog. Schule für gute Mütter (OT „The School for Good Mothers“), so bekommt sie vielleicht, wenn sie sich gut führt, danach das Sorgerecht zurück. Geht sie nicht, ist das Sorgerecht futsch. Endgültig.

In der Schule für gute Mütter wird Frida ein künstliches Kind zugeteilt. Sie nennt es Emmanuelle und dieses Roboterkind wurde von der Größe und vom Alter so in etwa Harriet angeglichen. Alle anderen Mitmütter bekommen ebenfalls künstliche Kinder, gemäß der verlorenen. Es herrschen strenge Regeln, die oft und immer wieder willkürlich geändert werden. Kommt einem aus der Corona-Zeit alles bekannt vor. Und wir Leser werden auch nicht verschont von dem, was angeblich gut sein soll für uns, wie die Grippeimpfung (S. 286) und, Zitat, Seite 247: „Sie [gemeint ist hier Frida] erzählt Emmanuelle von der Erderwärmung, dass Manhattan irgendwann vielleicht im Meer versinkt, dass Menschen kein Fleisch mehr essen, weniger Auto fahren und weniger Babys machen sollen. – Manche glauben, dass es einfach zu viele Menschen gibt.“

Hat unsere Gesellschaft vielleicht jetzt schon alles Menschliche aus dem Blick verloren? Dem stimme ich zu. Und so ähnlich lautet der hintere Klappentext des Romans.

Ach ja, und das Cover ist genauso leer und trostlos wie die Situation in der Schule. Da hilft das Rosa der Uniformen auch nicht weiter. Passt aber.

Fazit: Diese Dystopie ist deshalb so erschreckend, weil sie schon fast an unsere Realität heranreicht. Bleibt die Hoffnung, dass es nie so weit kommt und dass wir es schaffen, rechtzeitig gegenzusteuern. 4 Sterne, denn für einige Längen in der Mitte ziehe ich einen Stern ab.

Bewertung vom 16.04.2023
Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit / Der Morgenstern-Zyklus Bd.2
Knausgard, Karl Ove

Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit / Der Morgenstern-Zyklus Bd.2


ausgezeichnet

Über die Gier nach Unsterblichkeit

1051 Seiten hat das neue Buch von Karl Ove Knausgård und es ist über fünf Zentimeter dick. Hat mich das abgeschreckt? Nein. Nach dem Morgenstern wollte ich dieses Buch unbedingt lesen, es ist allerdings sehr anders, als ich dachte. Also nicht schlechter, nur anders. Den überwiegenden Teil hier erzählt der junge Protagonist Syvert, als er erst achtzehn Jahre alt ist. Als er später nochmal zu Wort kommt, sind schon vierzig Jahre vergangen und einige andere Erzähler haben sich uns vorgestellt, die fast alle – direkt oder indirekt – mit Syvert zu tun haben. Oder mit dem irren Mittelteil, der wirklich schwer verdaulich ist, und ich denke, ich bin schon hart im Nehmen. Denn da geht es um die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit, die nicht sterben wollen und die – egal wie – nach Unsterblichkeit streben, koste es, was es wolle! Da werden wissenschaftliche oder pseudowissenschaftliche Experimente an lebenden, beseelten Wesen durchgeführt, die so grausam sind, dass es einen durchschüttelt, aber ich fürchte, was geht, wird (oder wurde) gemacht – und das auch in unserer Wirklichkeit. Da sollte unsere Recherche folgen …

Syvert kommt vom Militärdienst, hat dort so kochen gelernt, dass einem echt das Wasser im Mund zusammenläuft. Wieder zu Hause kümmert er sich rührend um seinen kleinen Bruder Joar, denn die Mutter erkrankt schwer und der Vater ist schon lange tot. Syvert träumt vom toten Vater und er ist nicht der Einzige, der von ihm träumt, das ist schon echt gruselig. So traummotiviert findet er Kisten mit Hinterlassenschaften seines Vaters und da kommen Geheimnisse zu Tage, mit denen er nie gerechnet hätte. Denn er findet russische Briefe und lässt sie übersetzen. Syvert ist erstaunlich reif für sein Alter, nicht einverstanden mit der heimischen Politik: „Warum sollen andere über unser Leben bestimmen? […] Aber wir sind nicht frei. Weißt du, es ist durchaus möglich, es gut zu haben und gleichzeitig frei zu sein.“ (S. 27, im Gespräch mit der Mutter)

Syvert macht sich Gedanken, während er durch die norwegischen Wälder fährt, entweder mit Mutters Auto oder mit dem von ihm frisch runderneuerten Moped: „Ein riesiger, mit Baumstämmen beladener Lastwagen war oberhalb von mir auf dem Weg durch die Kurve. Der Leichenwagen des Waldes.“ (S. 155) Er hört auch seinem Onkel Einar (Vaters Bruder) zu: „Dass wir im Grunde nicht älter werden. Es sieht nur so aus. Aber innerlich sind wir neunzehn, alle.“ (S. 186)

Der Russland-Teil ab der Hälfte wird philosophisch und teilweise schwer verständlich und wenn es dann zu den Ewigkeitswölfen geht, ab Seite 837, da geht die Post ab, der Transhumanismus beginnt, im „literarischen“ Text der Russin Vasilisa Baranow. Da bleibt kein Stein auf dem anderen. Von Gier und Macht ist die Rede, von Verrat und Revolution, von dem, wozu Menschen fähig sind, wenn im Kopf alle Grenzen gefallen sind.

Das Ende ist wieder versöhnlich, der Morgenstern übt eine so heilsame Wirkung auf die Erdbewohner aus und bei viel Wodka wird auf Englisch die neue Verwandtschaft gefeiert. Da erschließt sich uns der innere Zusammenhang zum Vorwerk „Der Morgenstern“, von der Verwirrung zur Erlösung, auch dokumentiert durch die Farben und Ordnung der Vögel auf den beiden Covern. Und am Ende grübeln wir über die Frage: „What is the most important thing about you, in your own eyes?“ (S. 1041) Etwa: Was ist das Wichtigste, was wir über uns selbst sagen könnten?

Fazit: Ein bemerkenswertes Werk, das dem geneigten Leser unvergesslich bleiben wird. Und mit Sicherheit nicht mein letztes Buch dieses begnadeten Autors. Und das sage ich nicht oft. *****

Bewertung vom 16.04.2023
Morgen und für immer
Meta, Ermal

Morgen und für immer


gut

Was du nicht willst, dass man dir tu …

Dieser Debütroman „Morgen und für immer“ von Ermal Meta ist schon heftig. Bei den verschiedenen Schauplätzen wirkt es vom Tempo her fast so, als hätten mehrere Autoren mitgewirkt. Denn den Anfang bis etwa zur Mitte des Buches fand ich ziemlich langweilig, von Cornelius‘ Bemühungen Kajan in Sachen Klavierspiel zu unterrichten, mal abgesehen. Ohne den Gewinn hätte ich hier sicher abgebrochen.

Beim Wechsel des Schauplatzes zur DDR kommt dann Spannung auf und das Tempo steigert sich – endlich! „Für alles brauchte man die Erlaubnis der Partei, sogar für die Liebe. Wie mag die Freiheit hier wohl aussehen?“ Seite 306, Kajans Gedanken, gemeint ist mit „hier“ Westberlin.

Also hat Kajan hier von der DDR nach Westberlin „rübergemacht“ und wird dann von Agenten nach Amerika ausgeflogen. Dort kann Kajan, der Hauptprotagonist, endlich seine Begabung und sein Können in diversen Jazz-Bands als Pianist unter Beweis stellen. Später gründet er eine Familie mit der polnischen Cellistin Dana, die er in der DDR kennengelernt hat.

Meinen Vorrezensenten muss ich insofern Recht geben, dass auch ich die Protagonisten seltsam blass fand und ebenso keinen richtigen Zugang zu ihnen und damit zum Roman fand. Einzig der letzte Teil konnte mich (in negativer Hinsicht, also quasi als Minuslektüre) mitreißen, vermutlich weil dort die Grausamkeiten der Folter, die in allen Einzelheiten genauestens beschrieben werden und die unmenschliche Behandlung der Gefangenen so noch nie von mir in der Literatur erfahren wurden.

Ich weiß nicht, ob es in Albanien so schlimm war über die Jahrzehnte ab 1943, wie hier beschrieben. Dagegen erschien ja das Leben in der DDR wie das reinste Zuckerschlecken. Was ich allerdings – zugegeben – nur aus der Ferne vermuten kann. Wenn sogar die Angehörigen oder Freunde der Systemabweichler verfolgt, gejagt und verhaftet wurden und werden. Warum es den jeweiligen Regierenden so gefällt, die ihnen anvertrauten Menschen, bzw. Völker, so zu quälen, wird für mich immer ein Rätsel bleiben. Man könnte vermuten, dass die Herrschenden und ihre willfährigen Schergen zumeist aus Sadisten, Narzissten und Mitläufern bestehen. Die Vordersten, die geldgierig und / oder erpressbar sind und ihre Untertanen energetisch und finanziell aussaugen.

„Das Monster atmete noch, aber es lag im Sterben, und bald sollte es ganz verschwinden, an einem schönen Dezembertag, dank der Hände und Stimmen von Studenten, bewaffnet mit Hoffnung und dem Wunsch auf eine neue Zukunft. Wind of Change von den Scorpions sollte auch ihre Hymne werden.“ Seite 508, Albanien nach dem Tod des Diktators und nach dem Fall der Berliner Mauer.

Dieser Roman, speziell der letzte Teil, ist nun wirklich nichts für zartbesaitete Leser. Und deshalb geht er auch nicht mehr aus dem Kopf. Warm geworden bin ich mit diesem Buch allerdings nie. Das Lesen hat mir keine Freude bereitet.

Fazit: Natürlich ist immer alles Geschmackssache, aber dieses Buch konnte mich nicht überzeugen, wenn ich auch das Cover und das feine Papier wunderschön fand. Blasse Protagonisten an unterschiedlichen Schauplätzen. Teils extrem brutale Schilderungen.

Bewertung vom 13.03.2023
Die marmornen Träume
Grangé, Jean-Christophe

Die marmornen Träume


sehr gut

Ein ungleiches Trio auf Mördersuche zur Nazizeit

Es mutet schon seltsam an, wenn ein so bekannter französischer Autor wie Jean-Christophe Grangé sich in so brandgefährliche deutsche Gefilde wagt. Also ins Berlin der Nazizeit, ist das nun mutig oder gewagt? Ich war also gleichermaßen skeptisch wie neugierig, auf was wir Leser hier stoßen würden. Auf jeden Fall schaffte es Grangé mich über 680 Seiten konstant bei der Stange zu halten und hier einen echten Pageturner abzuliefern.

Das oben erwähnte so ungleiche Trio besteht aus – Ladies first – der zarten Baronin Minna von Hassel mit psychiatrischer Ausbildung, ihrem Berufskollegen, dem attraktiven, aber kleinen Simon Kraus und dem Riesen von der Gestapo: Franz Beewen.

Minna kümmert sich mit viel Herzblut um psychisch kranke Patienten in einem abgelegenen Institut. Wenn auch mit äußerst fragwürdigen, aber gut gemeinten Heilmethoden. Auch Franz Beewens Vater lebt dort, ein Kriegsgeschädigter im Geiste. Simon Kraus hat eine Privatpraxis im zentralen Berlin und die schönsten (verheirateten) reichen Frauen, die sogenannten Adlon-Damen, kommen zu ihm. Manchmal schläft er mit ihnen, manchmal erpresst er sie, manchmal beides. Franz Beewen, der Skrupellose, dessen Dienstgrade und Tätigkeitsfelder von oben je nach Gusto der Vorgesetzten gewechselt werden, versucht sich tapfer zu schlagen bei der Mordermittlung, um die es hier geht. Denn sein Vorgänger von der Kripo ist dabei ums Leben gekommen, da heißt es mit äußerster Vorsicht zu hantieren.

Eines Tages wird also eine junge Schöne von Kraus‘ Klientinnen grausam ermordet aufgefunden und im Zuge dieser Ermittlungen kommen die Kontakte zum Rest des erwähnten Trios zustande. Alle Drei bringen ihre jeweiligen – sehr unterschiedlichen – Fähigkeiten in die Mördersuche mit ein.

Dies ist so spannend beschrieben, der Autor muss sehr lange und intensiv recherchiert haben, um so treffsicher (nicht nur) die Locations der damaligen Zeit in unseren Köpfen entstehen zu lassen. Also: Kopfkino vom Feinsten.
Die Protagonisten sind so herrlich schräg, dass das Lesen sehr viel Spaß macht, trotz der fast unvorstellbaren Grausamkeiten, die hier geschildert werden. Z. B., Zitat auf Seite 74, da geht es um Minna, in ihrem Institut: „Schwere Schritte hinter ihr. Allein am Klang erkannte sie Albert, eine Art fettes Ungetüm, das in seinem Kittel wohl auch schlief. Sie wandte sich um: tatsächlich. Er war Nazi, halbwegs dämlich, aber man konnte sich auf ihn verlassen. Sie war ein paarmal mit ihm im Bett gewesen.“ Ich fand das so witzig, dieser Humor, der überall durchblitzt, macht die Folter, die unerträglichen Zustände und den Sadismus der Befehlshaber so halbwegs erträglich. Für schwache Nerven ist dieser Thriller allerdings überhaupt nicht geeignet.

Es gibt viele, viele falsche Fährten. Diese Irrwege sind so gekonnt eingebaut und so glaubwürdig, man kann quasi danebenstehen, bzw. sitzt ganz nah dran am Geschehen.

Fazit: Hut ab vor Grangés riesiger Recherche, der gekonnten Umsetzung und dieser pageturner-mäßigen Spannung. Am Schluss allerdings wurde es mir zu bunt, wenn auch Versöhnliches nach all dem Bösen mit anklingt. Nichts für Zartbesaitete! ****

Bewertung vom 07.03.2023
Verschwunden
Thiesler, Sabine

Verschwunden


sehr gut

Die Autorin weiß, was Leser wünschen

Etwa im Jahr 2016 hatte ich von Sabine Thiesler den Kriminalroman „Und draußen stirbt ein Vogel“ gelesen und war sehr begeistert. Aktuell erfuhr ich von ihrem neuen Roman „Verschwunden“ und der Klappentext machte mich schon sehr neugierig. So dachte ich, das muss ich lesen und hatte das 479-Seiten starke Buch in nur fünf Tagen durch. Das ist auch für mich rekordverdächtig. So wahnsinnig spannend ist dieser Thriller, dass man ihn kaum aus der Hand legen kann! Und das muss erstmal jemand nachmachen!

Ein feiner roter Faden zieht sich durchs Ganze und das mit erfreulich kurzen Kapiteln, was ich sehr schätze. Die Personen werden so geschildert, als würden sie neben einem sitzen und man bangt mit den Protagonisten – mit den guten natürlich – ob sie mit heiler Haut davonkommen.

Wir befinden uns hier in Italien, in der Toskana. Der Commissario Neri hatte zwar bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn er ist etwas behäbig, recht konservativ und nicht unbedingt auf dem neuesten Stand der Technik. Macht aber nichts. Ansonsten spielen hier eher die Frauen eine große Rolle. Da gibt es Elena, die erfolgreiche Maklerin, die sich hin und wieder über eine Agentur auf durchaus gefährliche Sex-Spielereien einlässt. Ihrer Tochter Kaya mag sie davon nichts erzählen, obwohl diese sie mehrfach löchert.

Beim lokalen Arzt Nevio Angioli in Ambra arbeitet Rosanna als Mädchen für alles. Später holt der Arzt sie in sein Privathaus, damit sie sich u. a. um seinen behinderten Bruder Remo kümmern kann. Dort auf dem riesigen Grundstück gibt es auch noch sieben zahme Wölfe, die sie versorgen soll. Rosanna ist sehr fleißig und schwärmt für ihren Chef, der zwar ihre Arbeitskraft sehr schätzt, ihr Äußeres jedoch weniger, so dass ihre Leidenschaft für ihn unbeantwortet bleibt.

Immer wieder verschwinden Menschen in Ambra und Umgebung. Ein kleiner Junge, der am Anfang verschwindet, taucht zwar nach einiger Zeit wieder auf, aber da ist nichts mehr so, wie es war. Die meisten Erwachsenen tauchen nie wieder auf, aber es gibt auch keine Spuren und keine Leichen. Nicht nur der Commissario Neri ist überfordert, auch seine Kollegen in Siena wissen nicht mehr weiter.

Fazit: Wer gute Krimis mit Spannung schätzt, dem sei dieser Roman wärmstens empfohlen, wenn ich mir auch ein anderes Ende gewünscht hätte, aber das bleibt Geschmackssache. Ich vergebe vier verdiente Sterne.

Bewertung vom 23.01.2023
Frankie
Köhlmeier, Michael

Frankie


schlecht

Diffuse Gemengelage

Dass Frankies ganzes Handeln und seine Welt- und Familienanschauung unauthentisch und völlig daneben sind, haben schon etliche meiner Vorrezensenten angemerkt. Dem kann ich mich nur anschließen. Und: Nein, ich habe noch kein anderes Buch von Michael Köhlmeier gelesen, werde ich auch nicht mehr. Ich hatte zwar gelegentlich mit „Matou“ geliebäugelt, aber der Umfang von 960 Seiten und etliche Rezensionen hielten mich davon ab.

„Frankie“ ist ein schmales Buch mit lediglich 206 Seiten. Es ist schon flüssig zu lesen, aber unschlüssig, im Sinne von: Der Autor wusste möglicherweise nicht, wohin die Reise gehen sollte. Ich hatte – wie leider so oft – den Eindruck, dass eventuell der Verlag mal wieder den Autor unter Druck gesetzt hat, ein neues Buch müsse her und da liefert man dann in der Not Unausgegorenes ab.

Ich wurde also weder mit Frankie warm, noch mit seiner Mutter, dem Freund der Mutter, geschweige denn mit den Knast-Opa, um den die Geschichte sich dreht. Das Buch ist schnell gelesen, so viel Zeitverschwendung ist es also nicht, aber irgendwie schade trotzdem.

Frankie begegnet also seinem Opa, den er – außer ein paar Mal im Knast – noch nie gesehen hat. Der Opa ist äußerst aggressiv und warum Frankie dann dauernd mit ihm mitwill, bleibt unverständlich. Der ganze Handlungsablauf kommt einem vor, wie an den Haaren herbeigezogen. Im Grunde sind nicht nur Frankies Beweggründe nicht nachzuvollziehen, ebenso wenig die Handlungen aller Beteiligter. Es wird auch viel zu wenig nachgefragt oder recherchiert, die meisten Protagonisten nehmen seltsames Verhalten einfach so hin. „Wenn einer den anderen fragt, was er getan hat, dann wird irgendetwas erzählt. Nur nicht die Wahrheit. Das ist dann wie Fernsehen oder Bücherlesen.“ (Seite 75)

Eine von Opas Weisheiten hat mir allerdings gefallen, Seite 87: „Nie sind deine eigenen Gedanken so frei wie im Gefängnis. […] Der wahre Denker ist der, der sich um nichts in seinem Leben kümmern muss. Alle großen Philosophen haben Personal gehabt. […] Im Gefängnis musst du dich um nichts kümmern. Du brauchst nicht nachzudenken, was und wann es Essen gibt. Du brauchst nicht nachzudenken, wo du schlafen sollst. Wann du arbeiten sollst. …“

Und wir müssen einfach so hinnehmen, dass Vieles offenbleibt oder unklar im Nebel verschwindet. „Was die Polizei versäumt, übernimmt das Schicksal.“ (Seite 154) Zum Beispiel will Frankie nie wissen, warum sein leiblicher Vater weg ist oder was es mit Opas Frau, der Mutter seiner Mutter, auf sich hatte. Die er nie kennengelernt hat. Geredet wird in der kleinen Familie nur über Belanglosigkeiten, wie Kleidung, Möbel oder Essen.

Das Cover ist genauso unausgegoren wie der Rest. Das abgebildete Auto hat nicht nur die falsche Farbe, es ist auch vom Zustand her nicht richtig. Von daher passt es vielleicht dann doch zum Inhalt.

Fazit: Schon flüssig zu lesen, aber dennoch kaum empfehlenswert. Die Geschichte ist einfach nicht nachvollziehbar.

Bewertung vom 19.12.2022
Die leuchtende Republik
Barba, Andrés

Die leuchtende Republik


ausgezeichnet

Aus den Tagebüchern eines Weisen und eines Mädchens

Was hat mich dazu veranlasst, dieses Buch lesen zu wollen? Sicher das so ungewöhnliche Thema. Denn all die Großmutter-hat-ein-Geheimnis-Bücher oder die Lädchen-Bücher oder die menschelnden Vampire – da hatte mal jemand eine Idee, und die wird dann so lange ausgeschlachtet, bis damit nichts mehr zu verdienen ist, oder die nächste Idee modern wird und die Runde macht.

Das ist hier ganz anders! Sicher erinnern wir uns ein wenig an den „Herrn der Fliegen“ oder sogar an „John Dollar“, was die Mystik, den Urwald und all das Geheimnisvolle, Unerklärliche, Telepathische, Spirituelle angeht. Aber hier entstand ein ganz neues Thema und der „Tagebuchschreiber“ und Augenzeuge, der etwa zwanzig Jahre später resümiert, der hat ganz entschieden an Weisheit gewonnen. Dazugelernt. Sein Leben gelebt und sein Unglück ertragen.

„Ich hatte einmal gelesen, ein indischer Weiser habe alles Unglück in seinem Leben darauf zurückgeführt, dass er in seiner Kindheit aus purer Laune eine Wasserschlange mit einem Stein erschlagen hatte.“ (Seiten 182,183) Das war für mich der eine entscheidende Satz, der so maßgeblich für diesen Roman ist. Wann ist unser Karmabrunnen voll und läuft über? Der Ich-Erzähler hadert mit seinem Vorhaben, eines der gefangenen Kinder zu foltern, um die es hier geht. Ihm ist schon klar, dass – wenn er es doch tut – der Rest seines Lebens möglicherweise aus dem Ertragen von Unglück bestehen wird. Denn ein Kind zu foltern (selbst, wenn es noch so notwendig erscheint) oder ein Tier ohne Not zu töten, zieht möglicherweise magisch das Unglück an, da der natürliche Lauf der Dinge gestört wird.

San Cristóbal ist ein Stadtteil der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Ich denke, dass der Autor hier diesen Namen verwendet hat für seine fiktive, verschlafene Provinzstadt, die direkt an den unheimlichen und gefährlichen Urwald grenzt. Und hier, in der verschlafenen Stadt, da tauchen die Kinder auf, um die es hier geht. 32 Kinder, buchstäblich aus dem Niemandsland, keiner kennt sie und sie kommunizieren auf unbekannte Art.

Und obwohl das Ende schon am Anfang feststeht, wird es spannend und der Leser will unbedingt wissen, was genau passiert ist und warum. Man wird der Kinder nicht habhaft, auch als sie schreckliche Dinge tun. Sie verschwinden einfach und tauchen vorerst nicht mehr auf. So wird einer gefragt: „Wo sind die anderen?“ Und immer wieder: „Wo sind die anderen?“ (Seite 185)

Was war nun am Anfang? In dieser fiktiven Stadt San Cristóbal am fiktiven Fluss Eré tauchten – wie aus dem Nichts – auf einmal 32 Kinder auf. Fremde Kinder, die eine fremde Sprache sprechen. Da sie aber nie alle gleichzeitig auftauchen, war das Zählen dieser Kinder sicher sehr mühsam. Anhand von Kameras und Begegnungen muss das zusammengereimt worden sein. Was tun die Kinder? Sie betteln, stehlen und tun Schlimmeres. Niemand bekommt sie zu fassen, da sie sich heftig wehren und die anderen Kinder sofort unterstützend eingreifen. Wie diese Vorfälle auf die „richtigen“ Kinder der Stadt einwirken, liest sich zum Teil auch im Tagebuch der 12-jährigen Teresa Otaño, die für ihr Alter Erstaunliches schreibt. Das Ganze ist ja quasi überhaupt ein Tagebuch des namenlosen Sozialarbeiters, der uns hier aufklärt, was damals alles passiert ist.

Immer wieder rätselhaft bleibt auch, wie die Kinder sich auf recht große Entfernungen untereinander verständigen. Agieren sie im gemeinsamen morphogenetischen Feld und fangen sie so die Impulse der anderen Kinder auf? Vieles ist und bleibt im Unklaren, vielleicht macht das gerade den Reiz dieses Romans aus? Er ist auf jeden Fall ungeheuer vielschichtig, so dass man ihn (mindestens) noch einmal lesen müsste, um mehr an Klarheit zu gewinnen.

Fazit: Dieser Roman hebt sich wohltuend ab vom zunehmend literarischen Einheitsbrei. So finde ich ihn besonders empfehlenswert für Leser, die sich für übernatürliche Vorgänge interessieren und für ungewöhnliche Themen, die manchmal „unerträglich seltsam“ rüberkommen (S. 120). Und ich stimme El País zu: „Ein Buch von seltener Schönheit. Intensiv und meisterhaft erzählt.“

Bewertung vom 19.12.2022
Blutmond / Harry Hole Bd.13
Nesbø, Jo

Blutmond / Harry Hole Bd.13


sehr gut

Ein Sugardaddy und viele Parasiten

Wenn Harry Hole ermittelt, ist Spannung angesagt und Ungewöhnliches, so auch hier im neuen, dicken Thriller „Blutmond“.

Schon der Prolog ist so spannend, dass der Leser unbedingt wissen will, wie es weitergeht und wie Harry mit dieser Herausforderung fertig wird. Es ist schon sein 13. Fall und zunächst muss Harry dafür die USA verlassen und zu seiner alten Truppe heimkehren, ins Königreich Norwegen. Zwar schafft es seine Mentorin Kommissarin Katrine Bratt nicht, ihn offiziell wieder in die Mordkommission zu integrieren, aber es wäre nicht Harry, wenn er nicht einen kreativen Weg fände, trotzdem zu ermitteln.

So sucht er sich ein Team zusammen, auf das er sich verlassen kann, denn viel Zeit hat er nicht, sonst wird seine neue Freundin Lucille in USA umgebracht. Deren Kreditvermittler haben ein kurzes Zeitfenster gesetzt, also muss alles schnell gehen. Und ja, viel Geld soll natürlich auch fließen. Das ist die Ausgangsposition für alles.

Harry braucht also jemanden, der polizei-internen Zugang hat, und das ist Truls, der immer Geld braucht. Truls, der korrupte Polizist, macht also schon mal mit. Harry braucht noch jemanden, der sich mit Drogen auskennt und da kommt ihm sein alter Schulfreund Oystein ins Visier und der macht auch mit. Diese ungewöhnliche Truppe tagt im Krankenhauszimmer von Aune, ein von Harry sehr geschätzter Freund und Psychologe, der leider nicht mehr lange zu leben hat. Aunes Bettnachbar, ein ebenfalls schwer kranker Tierarzt, steuert auch hin und wieder Nützliches zur Ermittlung des Serienmörders bei, den sie gemeinsam jagen.

Zwei Frauen wurden zuvor ermordet und bald kommt noch eine dritte hinzu. Schade, die kluge Frau hätte mir in lebendig besser gefallen …. „Sie scannte den Raum. […] Wie oft denken wir, uns verstecken zu können, dabei dünsten wir in Wahrheit alle aus, was wir denken und fühlen, und wer eine Antenne dafür hat, bemerkt das auch.“ (S. 120)

Alle getöteten Frauen sind im Dunstkreis des schwerreichen Sugardaddys und Immobilienmaklers Markus Roed zu finden und der bezahlt auch die utopischen Summen, die Harry zuallererst für Lucille braucht und dann noch für seine Ko-Ermittler.

Nesbo führt uns hier auf 542 Seiten gekonnt an der Nase herum und auf so viele falsche Fährten, bis endlich, endlich beim gekonnten (und echt zu Tränen rührenden) Showdown der Täter zur Strecke gebracht werden kann. Es gibt unzählige Locations: Polizeibüros, das Krankenhaus, die Pathologie, ein abgebranntes Haus, Wälder, Bauernhöfe und natürlich private Wohnungen und Häuser.

Fazit: Bislang sind mir die Stand-Alones von Nesbo lieber. Ich habe zwar diesen Krimi sehr gern gelesen, bin auch konstant am Ball geblieben, aber so ein richtiges Hochgefühl kam bei mir eher nicht auf. Denn Indoktrination kann ich nicht ausstehen, selbst wenn sie überaus zart und leise rüberkommt, deshalb wird ein Stern abgewertet. Und diese ausführlichsten Parasitenbeschreibungen fand ich denn doch äußerst unappetitlich.