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Blümchen
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 163 Bewertungen
Bewertung vom 25.06.2024
Forgotten Garden
Gosling, Sharon

Forgotten Garden


sehr gut

Wohlfühlroman nach Goslings bewährtem Strickmuster

Sharon Goslings Wohlfühlromane haben mich schon zwei Mal begeistert und so wollte ich auch den neuesten Streich der Autorin unbedingt lesen. Doch statt mich zu überraschen, setzte sie in diesem Roman auf Altbewährtes und konnte mich daher nicht mehr ganz so in Begeisterung versetzen wie mit ihren vorherigen Büchern – denn ich hatte das Gefühl, dass es kaum etwas Neues gab.

Da ist eine Protagonistin mit Selbstzweifeln (Luisa), eine neue Chance an einem unverhofften Ort (Collaton im Nordwesten Englands), ein potentieller Love Interest (Lehrer Cas), eine spröde Jugendliche mit Problemen, die im Laufe des Buches zu sich selbst findet (Harper) und eine Gemeinschaft von Menschen, die mit der Zeit zusammenwächst und von gegenseitiger Hilfe und Unterstützung geprägt ist. Mit fast genau den gleichen Zutaten war schon der letzte Roman der Autorin an den Start gegangen und hatte wunderbar funktioniert. Auch diesmal geht das Rezept auf und es entfaltet sich ein Wohlfühlroman, in den man sich fallen lassen kann.

Nur ist es eben nichts Neues mehr, nichts Überraschendes, und ich hatte einfach das Gefühl alles so ähnlich doch schon einmal gelesen zu haben – auch wenn das Thema natürlich ein ganz anderes ist als im letzten Buch und somit trotzdem ein gewisser Unterschied besteht. Aber – um mal metaphorisch zu sprechen: wenn ich Nudeln mit Tomatensoße geliebt habe und jetzt Reis mit Tomatensoße esse, schmeckt es immer noch – aber es bleibt eben auch Tomatensoße und bringt keinen neuen Geschmack…

Deshalb wurden meine Erwartungen doch ein klein wenig enttäuscht, denn ich hatte mir vom neuen Buch auch neue Ideen und eine neue Storyline versprochen – doch alles war recht vorhersehbar. Die Geschichten der Nebenfiguren kamen diesmal etwas kurz für mein Empfinden – es drehte sich doch alles sehr zentriert um Luisa, Cas und Harper.

Das heißt nicht, dass ich das Buch schlecht fand. Es hielt, was es versprach: eine Feel-good-Story mit Gemeinschaftsgefühl und einem kleinen Kribbeln zwischen den Protagonisten. Nette Unterhaltung - nicht mehr und nicht weniger.

Bewertung vom 21.06.2024
Sommerstürme / Season Sisters Bd.2
Helford, Anna

Sommerstürme / Season Sisters Bd.2


sehr gut

Die „Jungferndiebe“

Anna Helford nimmt uns auch im zweiten Teil ihrer Season Sisters-Reihe wieder mit nach England und Wales. In diesem zweiten Roman der Reihe wird Summers Geschichte erzählt. Außerdem gibt es auch hier wieder einen zweiten, historischen Erzählstrang - diesmal mit einem sehr interessanten Hintergrund.

Summer ist Grundschullehrerin und als ein neues Mädchen an ihre Schule kommt, wird sie hellhörig. Denn die kleine Phoebe scheint mit ihrem Vater, einem Musiker, ein sehr unstetes Leben zu führen. Nach Summers eigenen Kindheitserfahrungen ist dies eine Situation, die sie mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Doch wie so oft kommt es anders und Bryan Chapman ist irgendwie doch nicht so ein verantwortungsloser Vater, wie es zunächst den Anschein hatte... Als Bryan sie um Hilfe bei der Aufklärung eines mysteriösen Erbes bittet, lernen Summer und er sich näher kennen - und ergründen gleichzeitig die interessante Geschichte der „Thieves of virgins“.

Mir hat dieser leichte Roman auf zwei Zeitebenen wieder viel Spaß gemacht. Während man bei Summers und Bryans Geschichte aber schnell weiß, wohin der Hase hoppelt und auch nicht wirklich überrascht wird, sieht es im historischen Strang schon anders aus.

Mir war zunächst nicht klar, was es mit der Serie an Kunstdiebstählen auf sich hat. Bei den Beutezügen der mysteriösen Bande verschwindet immer auch ein weibliches Mitglied des Haushalts, sei es die Hausherrin, Tochter oder eine Dienstmagd und wird nie wieder gesehen. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, doch die Idee hinter dieser Bande fand ich wirklich pfiffig und nachvollziehbar. Was ich nicht so nachvollziehbar fand, war die Art und Weise, wie die Bande sich gründete und wie deren erster Coup dargestellt war. Ich kann leider nicht mehr dazu sagen, ohne zu viel zu verraten - das muss man selbst lesen und sich ein Urteil bilden.

Auch die geheimnisvolle Bewohnerin des Mysterious House blieb für mich etwas auf der Strecke - insbesondere die Art, wie am Schluss für ihr weiteres Auskommen gesorgt werden sollte, kam mir etwas an den Haaren herbeigezogen vor - als bräuchte man nur mal schnell eine Idee und alles ist schick... Die genannte Idee ist aus meiner Sicht zum schnellen Geld verdienen aber sehr ungeeignet und zudem noch sehr langwierig bis überhaupt mal Geld fließt, befürchte ich... kurzum, es passte für mich als Lösung nicht wirklich nachvollziehbar in die Geschichte rein.

Die Liebesgeschichte im historischen Teil war mir etwas zu lang gezogen - da habe ich mich schon ab und zu dabei ertappt wie ich die Augen gerollt und mir gewünscht habe, dass endlich mal was voran geht... selbst unter Berücksichtigung der Standesunterschiede und der damaligen Konventionen erschien mir das doch etwas zu weit gestreckt.

Trotz dieser kleinen Ecken und Kanten, die ich beim Lesen dieses Romans gespürt habe, war es doch ein sehr unterhaltsamer Ausflug nach Großbritannien. Insbesondere die Idee hinter den „Thieves of virgins“ fand ich außerordentlich gelungen. Und im Vergleich mit Band 1 mochte ich diesen 2. Teil sogar noch ein bisschen lieber :)

Bewertung vom 19.06.2024
Wildhonig
Picoult, Jodi;Finney Boylan, Jennifer

Wildhonig


ausgezeichnet

Wer will ich sein? Wer kann ich sein?

„Manchmal denke ich an all die seltsamen und wunderbaren Dinge dieser Welt - die lilafarbene Kartoffel, die Venusfliegenfalle, das Schnabeltier... Wenn es unter dem Himmel Raum für alle diese Wunderdinge gibt, könnte da nicht auch Raum für mich sein?“

Lilys Gedanken sind die ganz normalen Überlegungen einer 17jährigen. Wer kämpft in diesem Alter nicht manchmal mit dem Gefühl, ein Igel in einer Welt von Hasen zu sein? Doch Lily trägt ein Geheimnis mit sich herum - sie hat berechtigte Gründe, immer wieder an sich selbst zu zweifeln. Und doch ist da Asher, ihr Freund, der sie abgöttisch liebt.

Doch eines Tages ist Lily tot. Und Asher war derjenige, der sie fand. Nur fand? Oder ist die Geschichte doch ganz anders, als sie den Anschein hat? Schnell wird Asher unterstellt, er habe mit Lilys Tod zu tun. Er wird vor Gericht gestellt. Und nicht einmal seine Mutter weiß noch, ob sie ihrem eigenen Sohn glauben soll, denn er ist nun mal auch der Sohn ihres Ex-Mannes. Und der hat ihr regelmäßig Gewalt angetan...

Dieser Roman hat mich richtig mitfiebern lassen. Einerseits mit Asher, der so überfordert mit der Situation ist, dass er einem einfach nur leid tut - und obwohl man nicht weiß, ob man ihm glauben kann, will man ihm so gern glauben, dass alles so passiert ist, wie er es darstellt.

Andererseits habe ich mit Lily gefühlt, wenn in eingeschobenen Kapiteln ihre Geschichte erzählt wird, und an vielen Stellen auch gelitten. Denn im Laufe des Mordprozesses offenbart sich Lilys Geheimnis: Lily ist ein Transgender-Mädchen. Und ihr Kampf gegen Vorurteile, gegen Alltagshass, gegen ihre Umwelt und manchmal gegen sich selbst ist so gut beschrieben, wie es nur von jemandem kommen kann, der das selbst erlebt hat - Co-Autorin Professor Jennifer Finney Boylan. Da sie selbst eine Trans-Frau ist, kann sie Lilys Wahrnehmungen so gut beschreiben, dass man unwillkürlich in ihren Bann gezogen wird. Für mich als cis-Frau war es faszinierend, die Welt quasi mit Lilys Brille zu sehen. Es war aber auch sehr ernüchternd, denn natürlich gibt es noch mehr als genug Vorurteile und Widerstände, gegen die Trans-Personen ankämpfen müssen.

Doch nicht nur Lily hat eine Geschichte - auch Ashers Mutter Olivia kämpft immer noch mit ihrer Vergangenheit. Olivia war Opfer häuslicher Gewalt in ihrer Ehe und hat nur durch ihren Sohn den Absprung aus der Beziehung geschafft. Auch ihre Wahrnehmung wird nie eindimensional geschildert, sondern immer sehr vielschichtig - wie Gefühle nun mal sind.

Mit diesem Roman ist den beiden Autorinnen deshalb nicht einfach nur ein spannendes Buch gelungen, sondern sie öffnen Augen und Herzen für die Belange von Transgender-Menschen, die viel zu oft von der Gesellschaft ausgestoßen werden. Außerdem stoßen sie erneut die Debatte um Gewalt in Beziehungen an - ohne erhobenen Zeigefinger. Es ist ein vielschichtiges Plädoyer für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Toleranz und deshalb ein Buch, das man in diesem Jahr unbedingt gelesen haben sollte!

Bewertung vom 10.06.2024
Tod auf der Elbe
Goldammer, Frank

Tod auf der Elbe


sehr gut

Er kann auch 19. Jahrhundert!

Mit dem Beginn der neuen Krimi-Reihe um Kriminalrat Gustav Heller ist Frank Goldammer nicht mehr nur der Dresdner Krimiautor für die Zeit ab 1945. Er wagt sich nun zurück bis ins Jahr 1879 und lässt den Großvater seines bisherigen Protagonisten Max Heller ermitteln.

Die Zeit ist geprägt von ersten industriellen Fortschritten, die Gustav Heller fasziniert, aber auch teilweise recht skeptisch zur Kenntnis nimmt. Sein erster Fall hat auch gleich einen technischen Hintergrund: auf einem der neumodischen Dampfschiffe, die auf der Elbe fahren, ist ein Kessel explodiert und hat das Schiff zerstört und auch Menschenleben gefordert. Technisches oder menschliches Versagen? Oder steckt vielleicht etwas ganz anderes dahinter?

Die Zeit des späten 19. Jahrhunderts ist spannend, denn die technischen Fortschritte und auch die Fortschritte in der Kriminalistik lassen sich nicht mehr aufhalten. Diese Zeit des Umbruchs zu beschreiben ist allerdings auch eine ziemlich große Herausforderung, die der Autor aber mit Bravour gemeistert hat. An keiner Stelle hatte ich den Eindruck, etwas sei unlogisch oder der Zeit unangemessen geschildert worden. Ganz im Gegenteil, ich habe es genossen, Gustav Heller bei seinen Ermittlungen zu folgen – denn bei modernen Krimistoffen zwischen Smartphones und digitaler Forensik bleibt kaum noch Raum für die Spürnase oder den Scharfsinn eines Kriminalisten. Doch Gustav Heller hat diese Zeit – oder besser: er muss sie sich nehmen, denn schneller ging es damals eben nicht. Und das ist eigentlich auch mal ganz schön.

Bis in die „3. Reihe“ sind die Nebenfiguren gut gezeichnet und haben Ecken und Kanten. Allen voran Hellers Assistent Schrumm, der mitunter ungewollt für Schmunzler sorgt, aber eigentlich ein so helles Köpfchen ist, dass man Respekt vor ihm haben muss. Auch Hellers Frau Helene, die eine patente und selbstbewusste Frau ist, passt sowohl in die Zeit als auch in ein modernes Frauenbild. Nicht zuletzt spielt auch der sächsische König eine kleine Rolle und diese ist ebenfalls mit einem Augenzwinkern gestaltet.



Dieser erste Band der Reihe war für mich zwar kein atemberaubender Pageturner, aber doch ein wunderbar stimmiger historischer Roman, den ich gern gelesen habe und dem hoffentlich noch so einige Abenteuer für Gustav Heller folgen werden!

Bewertung vom 30.05.2024
Die Blumentöchter Bd.1
Collins, Tessa

Die Blumentöchter Bd.1


ausgezeichnet

Viva la méxico!

Mit der Blumentöchter-Reihe folgt Tessa Collins (Pseudonym der deutschen Autorin Silke Ziegler) dem Stickmuster der überaus erfolgreichen 7-Schwestern-Reihe von Lucinda Riley. Nur sind es hier keine Schwestern, die ihre familiären Wurzeln ergründen wollen, sondern Cousinen. Ausgangspunkt ist die Gärtnerei Blooming Hall in Cornwall, wo Großmutter Rose bis zu ihrem Tod die Fäden in der Hand hielt. Ihre fünf Enkelinnen haben alle auf irgendeine Weise noch „Lücken“ in ihrem Stammbaum, die es zu erforschen gilt.

Den Anfang macht Dalia, deren olivfarbene Haut und dunkle Haare nicht wirklich nach Cornwall zu passen scheinen. Kein Wunder - denn ihr Vater ist Mexikaner. Mehr weiß sie allerdings gar nicht über ihn, denn ihre Mutter konnte ihr dazu nichts erzählen - sie starb bei Dalias Geburt. Ihre Großmutter zog das Mädchen auf und erst nach Roses Tod findet Dalia eine Spur zum mexikanischen Teil ihrer Familie. Doch warum hat die Großmutter ihr diese Spur zeit ihres Lebens verschwiegen? Nach dem Tod der geliebten Großmutter wird Dalias Sehnsucht nach familiärer Zugehörigkeit übermächtig und sie macht sich auf nach Mexiko...

Das bewährte Rezept „junge Frau sucht die Wurzeln ihrer Familie in exotischen Ländern“ geht auch hier voll auf. Vor dem Hintergrund der Maya-Kultur erzählt die Autorin eine spannende Familiengeschichte, die natürlich auch eine gute Prise Romantik beinhaltet. Zwar wirkte die Ausgangssituation mit den fünf Cousinen schon ein wenig konstruiert auf mich, aber was solls - ich wollte mehr über ein exotisches Land lesen, und das konnte ich auf diese Weise!

Dalias Spurensuche war zum Glück weniger konstruiert und es wirkte zumeist nachvollziehbar und natürlich, wie sie Stück für Stück ihrem Vater auf die Spur kommt. Lediglich ihre Ankunft in Mexiko mit dem Abstecher in einen Slum (mehr will ich nicht verraten) empfand ich als etwas übertrieben und teilweise auch nicht ganz logisch. Hätte man sich vorstellen können, dass es tatsächlich so abläuft, wenn eine junge Frau von zwei Kriminellen „gekidnappt“ wird? Da hatte ich meine Zweifel... aber das war nur eine kurze Episode und danach hat mir das Buch wirklich gut gefallen. Man konnte sich fallen lassen in die Beschreibungen des Landes und der Maya-Kultur, man konnte dem Roman auch einiges Wissenswertes darüber entnehmen und hat so nebenher auch gleich eine Art Reise- und Kulturführer in der Hand.
Genau diese Mischung aus „Urlaubsbuch“ und Familiengeschichte lieben die Leser (so schon bei Lucinda Riley) und dieses Erfolgsrezept lässt sich auch hier wunderbar lesen. Für mich die (fast) perfekte Ferien- und Sommerlektüre, mit der man den preiswertesten Mexiko-Urlaub aller Zeiten verbringen kann (oder aber man ist so fasziniert, dass man nach der Lektüre sofort Urlaub dort bucht...). In beiden Fällen ein Gewinn für die Leser :-)

Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächsten „Urlaubsziele“, die in dieser Reihe kommen werden - Island (Teil 2 erscheint Ende Oktober 2024) und Sri Lanka (Teil 3 erscheint im Mai 2025).

Bewertung vom 26.05.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


sehr gut

Die Macht der Gemeinschaft

Mehr oder weniger aus der Not heraus finden Benno, Thea und Juli zusammen. Benno betreibt einen Lebenshof für Tiere und häuft Schulden an, denn bisher hat kein Konzept seinen Bauernhof wirklich tragen können. Doch es ist sein Lebenswerk und er hält daran fest. Zwei Wohnungen hat er ausgebaut auf dem Hof, die Miete soll dazu beitragen, dass Geld in die Kasse kommt. So kommt Thea ins Spiel.

Die Aussteigerin, die über 20 Jahre in Portugal gelebt hat und dort die meiste Zeit als Ziegenhirtin ihr bescheidenes Auskommen hatte, zieht es in ihr Heimatland zurück. Zumal sie gesundheitliche Probleme hat, denen sie in Deutschland besser beizukommen hofft. Die Wohnung auf dem Lebenshof scheint für sie und die beiden Ziegen Clara und Aurelia die beste Option.
Und kaum hat Thea als neue Mieterin den Alltag von Benno aufgemischt, findet er bei einem Spaziergang eine junge Frau, die sich am Sprunggelenk verletzt hat. Juli ist aus persönlichen Gründen auf einer Wanderung nach Amsterdam. Doch nun muss sie notgedrungen auf dem Lebenshof von Benno pausieren, bis ihr Knöchel wieder heil ist.

Es dauert nicht lange, bis Thea und Juli mitbekommen, wie schlimm es um den Hof von Benno bestellt ist. Doch sie erkennen auch, wieviel Herzblut er in sein Lebenswerk gesteckt hat und wie tief er an diesem Ort verwurzelt ist. Also versuchen sie ihm – mal subtil und noch viel öfter weniger subtil – wieder auf die Beine zu helfen. Doch Benno ist gar nicht der Typ, der sich helfen lassen will…

Für mich trägt hauptsächlich Benno dieses Buch, obwohl es auch zu einem großen Teil aus Theas Sicht erzählt ist. Ich mochte Benno sehr und wenn ich die Kapitel aus seiner Sicht gelesen habe, kam mir immer wieder das Bild von Adriano Celentano in „Der gezähmte Widerspenstige“ in den Kopf (die Älteren werden sich vielleicht erinnern…). Benno hat diese Bärbeißigkeit, hinter der sich aber ein Herz aus Gold versteckt. Ich habe ihm gewünscht, dass er es mit der Hilfe der beiden so unterschiedlichen Frauen schafft, seine Existenz zu retten.

Thea und Juli empfand ich als gut gezeichnete Figuren, die zwar sehr verschieden sind (schon allein durch ihr Alter und ihre unterschiedlichen Lebenserfahrungen), aber trotzdem beide auf ihre Art Gutes tun wollen. Und wie es so ist mit dem Karma… wenn man Gutes für andere tut, fällt das Gute letztlich auch auf einen selbst zurück.

Ich habe es genossen, dieses stimmungsvolle Buch zu lesen. Bei Romy Fölck habe ich den Eindruck, dass die Balance zwischen Landschaft, Zwischenmenschlichem und Entwicklung des Plots sehr ausgewogen ist und man deshalb besonders gut durch das Buch schmökern kann. Auch wenn mir die Geschichte an sich nicht als besonders außergewöhnlich in Erinnerung bleiben wird und mir irgendwie ein Tick zum 5-Sterne-Buch fehlte, habe ich den Roman doch sehr genossen und kann ihn weiterempfehlen für alle, die stimmungsvolle Geschichten und gut gezeichnete Charaktere mögen.

Bewertung vom 13.05.2024
Unter dem Moor (eBook, ePUB)
Weber, Tanja

Unter dem Moor (eBook, ePUB)


sehr gut

Drei Frauen – drei Geschichten

Gine, Sigrun und Nina. Drei Frauen in Deutschland, zu unterschiedlichen Zeiten, deren Leben doch ein Stück weit miteinander verbunden sind.

Nina ist Ärztin und der stressige Klinikalltag hat ihr einen Burnout beschert. Sie zieht sich mit ihrer Hündin Ayla für einige Wochen ans Stettiner Haff zurück. Bei ihren ausgedehnten Spaziergängen läuft Ayla weg und gerät in ein altes Tellereisen. Während Nina die Hündin befreit, fallen ihr Knochen auf. Knochen, die ihr als Ärztin nicht so erscheinen, als stammten sie von einem Tier…

Gine wird im Jahr 1936 von Berlin ans Stettiner Haff zum „Landjahr“ geschickt. Die Bedingungen für die jungen Mädchen dort sind hart, die Arbeit ist anstrengend, die Aufsicht streng. Gine muss die Zähne zusammenbeißen, denn Aufgeben ist keine Option. Doch als der Sohn der Gutsbesitzer sie bedrängt, wird die Situation unerträglich…

Sigrun lebt Ende der 1970er Jahre das typische Leben einer jungen Frau in der DDR. Ein kleines Kind, Arbeit im volkseigenen Betrieb, die Ungewissheit, mit wem man offen reden kann. Und dann ist da noch die Schwiegermutter – früher, bis zur Enteignung, eine Gutsherrin – mit ihren psychischen Episoden. Wie lange kann das gut gehen?

Die Geschichten dieser drei Frauen verknüpft Tanja Weber in diesem atmosphärischen Roman. Die Herbststimmung bei Ninas Auszeit ist förmlich mit Händen zu greifen. Aus meiner Sicht gelingt es der Autorin sehr gut, für jede der angesprochenen Zeiten ein passendes Setting zu entwerfen und die Stimmung der jeweiligen Zeit zu transportieren.

Ich muss allerdings zugeben, dass ich auf eine größere Verbindung der Geschichten und Zeitebenen untereinander gehofft hatte. Mir erschien der Zusammenhang dann letztlich doch sehr lose. Hauptsächlich zusammengehalten wird die Story vom Schauplatz, diesem kleinen namenlosen Ort am Stettiner Haff. Auch wenn sich die Frauen des Romans untereinander nie begegnen, sorgt das Setting dafür, dass ihre Geschichten miteinander verbunden sind.

Die Figuren waren meiner Meinung nach gut gezeichnet, ich konnte mich in jede der Frauen hineinfühlen, auch wenn ich nicht alle gleichermaßen sympathisch fand. Aber das ist mit Figuren wohl so wie im richtigen Leben – nicht zu jedem hat man sofort eine besondere Verbindung.

Aufgrund der vordergründigen Geschichte von Nina mit der herbstlichen Atmosphäre hätte ich dieses Buch eigentlich lieber in der passenden Jahreszeit gelesen. Dahin passt es für mich einfach besser. Wen es nicht stört, jetzt in der beginnenden Sommerzeit in eine raue Herbststimmung einzutauchen und wer Romane auf mehreren Zeitebenen mag, der wird an diesem Buch auf jeden Fall seine Freude haben und eine spannende Spurensuche am Stettiner Haff erleben.

Bewertung vom 10.05.2024
Bedrohliche Provence / Commissaire Leclerc Bd.10
Lagrange, Pierre

Bedrohliche Provence / Commissaire Leclerc Bd.10


sehr gut

Politische Verwicklungen im 10.Fall

Der 10. Fall von Albin Leclerc und seinem Mops Tyson hat einen politischen Touch. Angedeutet werden Unstimmigkeiten in der Außenpolitik Frankreichs in Bezug auf frühere französische Kolonien in Afrika. Inwieweit ist Frankreich in Rebellenkriege, und Geiselnahmen verstrickt? Die Zusammenhänge sind komplex und haben mich ein wenig schockiert (ich habe lieber nicht gegoogelt, ob das, was hier zur Sprache kommt, einen realen Hintergrund hat!). Aber Pierre Lagrange alias Sven Koch bereitet die Zusammenhänge in seinem Krimi so auf, dass man sie auch verstehen kann, wenn man keine Affinität zu Politik oder diplomatischen Zusammenhängen hat.

Im Privatleben des Ermittlers im (Un-)Ruhestand geht es mittlerweile ruhiger zu - mir in diesem Band etwas zu ruhig. Denn Albin und seine Familie ist mir mittlerweile so ans Herz gewachsen, dass ich auch immer mit Spannung verfolge, wie sich sein Privatleben entwickelt. Zwar gönne ich Albin die ruhigen Fahrwasser seiner neu geschlossenen Ehe, aber ich freue mich doch auch immer, wenn es in der Familie ein wenig chaotisch zugeht und das mit einem Augenzwinkern erzählt wird. Diesmal wurde ich - und da ist wohl der Klappentext schuld - etwas enttäuscht.

Denn auf dem Buchrücken wird extra erwähnt, dass Albin ja Nachwuchs in Form eines Wurfs Mopswelpen bekommen hat, wofür sein Tyson verantwortlich ist. In der Annahme, die quirligen Welpen würden sein und Castels Privatleben aufmischen, hab ich mich sehr auf das Buch gefreut. Doch außer ein paar Erwähnungen am Rande (die gute Botschaft, dass alle Welpen vermittelt werden konnten), spielen sie leider überhaupt keine Rolle in diesem Buch. Okay, nun kann man sagen, es ist ja auch ein Krimi und kein Hunderoman. Stimmt. Aber es hätte dem Buch aus meiner Sicht die perfekte Mischung aus Kriminalgeschichte und Komödie gegeben.

Trotzdem bin ich natürlich nach wie vor Fan von Albin, wenn auch nach 10 Bänden erkennbar ist, dass die Muster der Bücher sich wiederholen (es passiert ein Verbrechen, Albin findet Mittel und Wege, immer „zufällig“ am Ort des Geschehens aufzutauchen und gerät mit seinen eigenständigen Ermittlungen mit den offziellen Kommissaren Castel und Theroux aneinander, trägt aber immer maßgeblich zum Ermittlungserfolg bei). Die Reihe wird immer einen Platz in meinem Herzen haben, auch wenn ich mir mal einen etwas unkonventionelleren Aufbau wünschen würde, der wieder etwas mehr Pep in die Reihe bringt.

Bewertung vom 05.05.2024
The Hike
Clarke, Lucy

The Hike


sehr gut

Jeder trägt eine Wildnis in sich...

Lucy Clarke hat schon oft bewiesen, dass sie spannende Plots mit mehreren Protagonistinnen schreiben kann. Auch in ihrem neuesten Roman geht es um die Spannung, die von Spannungen erzeugt wird.

Denn zwischen den vier Freundinnen Liz, Helena, Maggie und Joni ist bei weitem nicht alles ausgesprochen, was sie bewegt und ihre Gefühle füreinander beeinflusst. Bei der einsamen Bergtour in der Wildnis Norgwegens brechen dann alte Konflikte auf und gleichzeitig müssen aktuelle Schwierigkeiten der anspruchsvollen Wanderung gemeistert werden.

Während Liz sich seit langem auf die Wanderung freut und sie diese trotz schlechter Wettervorhersage auf jeden Fall durchziehen will, hat Helena ganz andere Sorgen, denn sie hat kurz vor Aufbruch einen Schwangerschaftstest gemacht... Maggie tut sich unheimlich schwer, ihre kleine Tochter für einige Tage allein zu lassen und ist konditionell absolut nicht vorbereitet auf das, was sie bei einer Bergtour erwartet. Sängerin Joni stößt kurzfristig zu den drei anderen Frauen - wie immer mit dem Kopf in den Wolken und einer auf den letzten Drücker in einem Outdoorladen zusammengewürfelten Ausrüstung. Schon die Ausgangssituation birgt also einiges an Konfliktpotential zwischen den Frauen.

Es hat mich in diesem Buch etwas gewundert, dass es doch recht lange dauerte, bis die eigentliche Wanderung startet. Die Autorin verwendet viele Seiten, um die Ausgangssituation zu kreieren und so waren schon mehr als 1/3 des Buches vorbei, als die Damen die ersten Schritte Richtung Blafjell machten...

Das hat der Spannung am Anfang etwas Abbruch getan, auch wenn die danach folgenden Eregnisse dafür wieder entschädigt haben. Das Buch ist ja kein Thriller, sondern wird richtigerweise vom Verlag als „Roman“ bezeichnet - allerdings hat er viele und gute Spannungselemente, so dass ich ihn auch Thrillerfans durchaus empfehlen kann, wenn sie nicht Gänsehaut sofort ab Seite 1 brauchen :)

Noch ein kurzes Wort zum Cover: ich denke, dass damit ein Gleichklang zu „One of the girls“ aus dem letzten Jahr hergestellt werden soll, was mit der Farbwahl weiß-blau auch gelingt. Aber ich finde das Cover trotzdem absolut unpassend... auf den ersten Blick denkt man bei blau-weiß definitiv nicht an Norwegen und um das Bild vom Fjord zu erfassen, muss man schon genauer hinschauen. Das Originalcover der englischen Ausgabe war um so viel gelungener! Dort spürt man schon auf den ersten Blick den düsteren, dichten Wald und die Stimmung des Romans kommt viel besser rüber. Wenn ich mir also etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass in weiteren Auflagen ein passenderes Cover verwendet wird!

Davon abgesehen hat mich Lucy Clarke auch mit diesem Roman wieder gut unterhalten, auch wenn ich zugeben muss, dass er für mich weder an „One of the girls“ noch an mein absolutes Highlight „Der Ozean unserer Erinnerung“ (neu aufgelegt als „The Castaways“) herankommt. Aber er hat Spannung, gute Wendungen und viele Emotionen, die zwischen den Protagonistinnen schwingen. Ein empfehlenswerter Spannungsroman, nicht nur für Wanderfreunde.

Bewertung vom 19.04.2024
Verraten / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.10
Adler-Olsen, Jussi

Verraten / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.10


sehr gut

Ganz schön viel los in diesem Finale!

Seit dem ersten Band verfolge ich die Reihe um Carl Mørck und das Sonderdezernat Q und war deshalb natürlich besonders gespannt auf das große Finale. Ich wurde nicht enttäuscht, bin aber nach dem Lesen auch nicht euphorisiert. Irgendwie hatte ich nicht mit einem Plot gerechnet, in dem Carl zu 80 % im Gefängnis sitzt und zur Untätigkeit verdammt ist.

Die Aufgaben des Ermittelns müssen seine Kollegen Rose, Assad und Gordon übernehmen, auch sein alter Freund Hardy bringt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten ein - geht es doch darum, endlich herauszubekommen, was sich wirklich im sogenannten „Druckluftnagler-Fall“ abgespielt hat, bei dem Hardy schwer verletzt wurde und der frühere Kollege Anker ums Leben gekommen ist.

Die Geschehnisse liegen zwar viele Jahre zurück, doch als bei Carl auf dem Dachboden ein Koffer mit Bargeld und Drogen auftaucht, der damals verschwand, rückt Carl ins Visier der Ermittler aus den eigenen Reihen und findet sich als vermeintlicher Mittäter in Untersuchungshaft wieder.

Im Laufe des umfangreichen Buches wird die Geschichte des damaligen Falls aufgeklärt und die Leser können verfolgen, welche Mächte auch heute noch alles daran setzen, dass die wahren Hintergründe nicht ans Licht kommen. Das klingt nicht nur kompliziert, das ist es auch! Zumindest bei mir entstand im Kopf ein ganz schönes Durcheinander von Namen und Zusammenhängen, nicht nur einmal habe ich bei den vielen handelnden Personen und (früheren) Zusammenhängen den Faden verloren. Deshalb kann ich beim besten Willen nicht sagen, ob es in diesem Roman Logikfehler gibt oder alles komplett sinnvoll aufgebaut ist... ich war das eine oder andere Mal raus.

Vielleicht wollte der Autor ein besonders furioses Finale zaubern - für meine Begriffe wäre etwas weniger hier mehr gewesen.

Besonders gut geschildert fand ich allerdings Carls Eindrücke von der Untersuchungshaft. Wie es auf einen Menschen einwirkt, wie er psychisch leidet, wenn er plötzlich nur noch 8 qm zur Verfügung hat und einmal täglich Hofgang bekommt... das ist bedrückend, aber nachvollziehbar zu lesen.

Ich habe mich sehr gefreut, ein letztes Mal zusammen mit Carl, Rose, Gordon und Assad auf Mörderjagd zu gehen und die liebgewonnenen Charaktere zu begleiten (auch wenn mich der Handlungsstrang mit Assads Sohn etwas verwirrt hat - wofür war der da und warum wird letztlich nicht aufgeklärt, was für seine Wandlung verantwortlich war? Oder habe ich das überlesen?).

Das für mich Beste waren tatsächlich die letzten 20 Seiten, weil mit ihnen die Geschichte von Carl “rund“ wurde und ein schöner Bogen zurück zum ersten Buch geschlagen wurde. Dieses Ende hat mich mit dem (für mich) zu umfangreichen und verschachtelten Finale versöhnt und sorgt dafür, dass ich Carl gern in sein „neues“ Leben nach dem Sonderdezernat Q entlasse.