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anyways
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greifswald

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Insgesamt 267 Bewertungen
Bewertung vom 20.08.2024
Der Salon der kühnen Frauen
Pollard, Clare

Der Salon der kühnen Frauen


gut

Um die hohe Kunst der eleganten Konversation zu pflegen, entwickelten sich im ausgehenden 17.Jahrhundert, im Schatten des Hofes König Ludwig Ludwig XIV., sogenannte literarische Salons. Initiiert wurden sie von oft weiblichen Adligen die in der Regel nur eine klösterliche Ausbildung „genossen“. Sehr schnell erkannten die Damen, dass diese Art der Zusammenkünfte fast wie universitäre Einrichtungen funktionierten und sie somit ihre eigene Bildung um ein Vielfaches im Verborgenen erweitern konnten.
Die spätere Schriftstellerin Marie d'Aulnoys betreibt einen ebensolchen Salon und trifft sich in regelmäßigen Abständen mit intellektuell interessierten Damen der adligen Gesellschaft um sich Geschichten von „Mutter Gans“ (so wurden die mündlich überlieferten Sagen und Märchen in der französischen Bevölkerung genannt) oder auch selbst erdachte Märchen zu erzählen. Doch die Intrigen, Neid, Klatsch und Tratsch machen auch vor diesem Salon nicht halt, denn der Sonnenkönig hat überall seine Spione…

Clare Pollard erzählt in ihrem Roman „Der Salon der kühnen Frauen“ die geschichtliche Entstehung der literarischen Salons in Frankreich anhand der für ihre späteren Feenmärchen bekannten Schriftstellerin Marie d'Aulnoy. Geschickt verbindet sie weitere historische Persönlichkeiten und deren Lebensgeschichte, einige hatten tatsächlich eine Verbindung zu der Adligen, andere wiederum nur dieselben Interessen an Literatur und geistreicher Konversation. Geschickt verwebt sie die oft nur angeschnittenen Märchen mit der Lebensgeschichte der Salonteilnehmerinnen. Hierbei fand ich es zunehmend interessant, wie die Überlieferung der Märchen sich gesamteuropäisch entwickelt hat. Viele Märchen die wir heute aus den Sammlungen der Gebrüder Grimm kennen, haben ihren Ursprung schon in italienischen und französischen und englischen Geschichtensammlungen einige Jahrhunderte vorher. Diese Darstellung, die Beleuchtung des höfischen Lebens unter dem Sonnenkönig, die Beschreibung der Intrigen und Verfolgungen waren allesamt aufschlussreich und unterhaltsam. Gestört haben mich jedoch die für mein Leseempfinden seltsam abrupt eingesetzten Stilwechsel von anspruchsvoller Literatur zu wirklich obszöner Unterhaltungsliteratur. Kultivierte Literatur mit Erotik zu verbinden hat seinen Reiz, hier jedoch übertreibt die Autorin maßlos und bedient sich einer wirklich vulgären Darstellung.

Fazit: Geistreich und vulgär, eine Kombination die man mögen muss.

Bewertung vom 21.12.2022
Blutmond / Harry Hole Bd.13
Nesbø, Jo

Blutmond / Harry Hole Bd.13


sehr gut

Der früher brillante Kriminalermittler Harry Hole hat nach den traumatischen Erlebnissen seines letzten Falles (Messer) Oslo den Rücken gekehrt. Jetzt lebt er mehr recht und schlecht in L.A. um sich seiner großen Leidenschaft zu widmen: dem zu Tode trinken. Doch auch diesmal kommt er nicht weit damit, denn die ältere Kneipenbekanntschaft Lucille braucht dringend seine Hilfe, und da sie Harry ein wenig an seine Mutter erinnert, versucht er Ihr zu helfen. Doch wo soll er neunhundertsechzigtausend Dollar hernehmen?

Zeitgleich ahnt in Oslo seine ehemalige Kollegin Katrine Bratt dass die beiden derzeit verschwundenen Frauen in der Gewalt eines Serientäters sein könnten. Nach dem Auffinden der ersten Leiche ist sie sich ziemlich sicher es mit einem recht perfiden Mörder zu tun zu haben. Auf ihre Idee Harry Hole ausfindig zu machen um ihn um Hilfe zu bitten erhält sie eine klare Absage der Kriminalchefin. Ihre Vorgesetzte empfindet es als Demütigung solch eine abgewrackte Person als Ermittler einzusetzen. Der derzeit einzige Tatverdächtige der angeblich mit beiden Frauen ein Verhältnis hatte, ist ein Multimillionär, dem alle Wege offenstehen und so entscheidet er, dass für die Ermittlung seiner Unschuld nur der Beste infrage kommt. Er lässt Harry in L.A. aufspüren und kann ihn für den Fall doch noch engagieren.

Ich hatte erst so meine Bedenken, dieses Buch zu lesen, denn der Vorgänger war für die Reihe, den Autor und auch der Leserschaft eher ein Desaster. Doch wider Erwarten war ich von den ersten Seiten gefesselt. Jo Nesbø widmet sich in dieser Fortsetzung der Harry-Hole-Reihe neben den üblichen genretypischen Scheußlichkeiten einem weiteren unangenehmen Thema- Parasiten. Jeder hat sie, keiner möchte darüber reden und der Ansatz den der Autor hier beschreibt ist wirklich gruselig. Die Story dazu ist jedoch gut aufgebaut, die Charaktere individuell gezeichnet und es gibt jede Menge Spannungsbögen, knifflige und unerwartete Wendungen und ein actiongeladenes Finale. Bis zum Schluss ist die Frage nach der Identität des Mörders sehr verzwickt. Die Konstellation von Harrys Team, bestehend aus einem koksenden Schulfreund, einem korrupten Polizistenfreund und einem im Hospiz untergebrachten Psychologen birgt bisweilen eine eher unfreiwillige Komik. So ganz der „Alte“ ist Harry jedoch immer noch nicht, er macht auch in diesem Fall viele (unnötige) Fehler, vielleicht ist es aber auch die Absicht des Autors und dem immensen Alkoholkonsum des Protagonisten geschuldet.

Auch wenn „Blutmond“ noch nicht an „Der Schneemann“ zum Beispiel ran reicht, ist dieser Fall nervenzerreißend und actiongeladen mit schlüssiger Story.

Bewertung vom 07.11.2019
Messer / Harry Hole Bd.12
Nesbø, Jo

Messer / Harry Hole Bd.12


weniger gut

Harry ist rückfällig geworden, wie schon so oft. Sein hart erkämpftes Familienleben mit Rakel und Oleg sind Geschichte, seine Dozentenrolle hat er nach dem Vampiristenfall ebenso verloren wie seinen Ermittlerstatus. Also greift er wieder zur Flasche. Nach einer durchzechten Nacht wacht er jedoch mit blutiger Kleidung auf, zu viel Blut um als kleine Kneipenschlägerei durchzugehen.

Lieber Jo Nesbø was war das?
Seit dem ersten Band verschlinge ich die Fälle von Harry Hole, immer in Sorge dass sein Alkoholismus ihn Krankheiten wie Leberzirrhose oder Ösophagusvarizen einbringt. Jedes Mal ist Harry jedoch aufgestanden und hat in einem spannenden, streckenweise komplizierten und actionreichen Fall ermittelt. Das ist hier absolut nicht der Fall. Vielleicht verabschiedet sich Nesbø so langsam von seinem Protagonisten, denn „Messer“ ist nichts weiter als ein schriftstellerisches Medley aus sämtlichen Harry-Hole-Bänden, untermalt von einer wirklich tragischen jedoch völlig unglaubwürdigen Story. Meine Befürchtungen das Harry Hole nach „Durst“ abstürzt haben sich leider vollkommen bestätigt, doch die Art und Weise wie der Autor seinen Helden zum Straucheln bringt ist einfach hanebüchen, denn von Harry’s Intelligenz und seinem brillantem Verstand ist nichts mehr übrig. Er ist ein trauriger Clown der von einer Flasche und von einem Bett ins nächste taumelt. Hier wäre ebenfalls anzumerken , dass die Frauen die Harry in der Zwischenzeit „beglückt“ (er muss sich ja schließlich trösten, nachdem ihn Rakel aus ihm unerfindlichen Gründen rausgeschmissen hat), ihren Verstand auch an den Nagel gehängt haben, denn sie verhalten sich allesamt wie Spätpubertierende die an einer Art Harry-Holle-Virus leiden und die keinerlei Anstalten machen die Konsequenzen ihres Handelns zu erfassen.
Ich bin von diesem Buch schwer enttäuscht, ich habe die ganze Zeit auf eine spektakuläre Wendung gehofft, denn ansonsten ist schon ziemlich früh klar in welche Richtung die Auflösung geht, auch wenn Nesbø das hinter vielen Rückblenden und Verweisen auf frühere Fälle unnötig in die Länge zieht.

Fazit: Ein Held strauchelt und sein Schöpfer ebenso.

Bewertung vom 07.11.2019
Der Fund
Aichner, Bernhard

Der Fund


ausgezeichnet

Der Lebensweg der 53-zig jährigen Rita ist traumatisch und beschwerlich, hat sie von einer aussichtsreichen Schauspielkarriere, über eine Tätigkeit als Krankenschwester bis zur Verkäuferin in einem Supermarkt geführt. Verbittert, jedoch mit noch so einigen verborgenen Lebenswünschen im Kopf packt sie Bananenkarton aus und findet Kokain. Der Anfang vom Ende von Ritas Leben? Denn sie behält den Karton mit 12,5 Kilogramm Heroin, wie sie später anhand ihrer Küchenwaage feststellt, und sie will ihn in Geld umwandeln, denn hier ist ihre letzte Chance auf ein bisschen Glück. Daran glaubt sie ganz fest.


Eigenwillig in seiner Erzählweise, mehr Kriminalroman als Thriller und doch zieht Bernhard Aichner‘s „Der Fund“ in seinen Bann und lässt nicht mehr los. Geschickte Manipulationen des Autors, die Geschichte einer vom Schicksal gebeutelten Frau, die weder aufgesetzt noch allzu rührselig erzählt wird, machen die Verstorbene zur Sympathieträgerin. Als Leser begeht man ebenso wie die Protagonistin viele Fehler in der Grauzone der Legalität. Einfach weil man ihr ein wenig Glück wünscht.
Der Aufbau des Romans, besteht zu großen Teilen aus Dialogen von Ermittler und Zeugen sowie Rückblenden und Konstruktionen der Geschehnisse, teils aus Ritas Sicht, teils aus Sicht des Ermittlers. Der stete Wechsel und die kurzen prägnanten Sätze und Kapitel trugen dazu bei, das ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen konnte und wollte.
Ich möchte nicht allzu viel verraten, jedoch ist dieser Thriller mit Abstand der Beste, den ich in den letzten Monaten lesen durfte.

Bewertung vom 29.10.2019
Die letzte Witwe / Georgia Bd.9
Slaughter, Karin

Die letzte Witwe / Georgia Bd.9


weniger gut

Mitten am Tag wird die anerkannte Wissenschaftlerin Michelle Spivey auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums, im Beisein ihrer elfjährigen Tochter entführt. Zwei Wochen später fehlt von ihr immer noch jede Spur, bis sie ganz plötzlich in der Emory-Universitätsklinik auftaucht. Kurze Zeit später wird der Campus von mehreren Bombenanschlägen erschüttert. Unterdessen verbringen die Gerichtsmedizinerin Sara Linton und ihr Freund Special Agent Will Trent ein paar Tage bei Sarahs Eltern, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Campus leben. Ein Treffen das recht holprig ist, denn Sarahs Mutter ist mit der Lebensführung ihrer Tochter, in Bezug auf Will, nicht ganz einverstanden. Doch dann bebt die Erde, und Sarah und Will wollen als Erstretter vor Ort sein, doch soweit kommen sie gar nicht, eine Massenkarambolage direkt vor der Haustür, zwingt sie schon früh zum Handeln. Einiges an diesem Unfall ist jedoch nicht ganz plausibel. Die Überlebenden Verunfallten verhalten sich merkwürdig und noch ehe Will richtig reagieren kann wird Sarah vor seinen Augen entführt. Verzweifelt versucht er anschließend mit seiner Chefin Amanda und seiner Kollegin Faith, Sarahs Spur aufzunehmen.


Normalerweise würde ich die Meinung von Kathy Reichs und Yrsa Sigurðardóttir sofort teilen, Karin Slaugther war bis zu diesem Buch immer ein Garant für extrem spannende Unterhaltung, gepaart mit einer gewissen erotischen Komponente. All dies fehlt völlig in diesem Buch.
Dabei ist der Anfang recht vielversprechend, die Entführung der Wissenschaftlerin und das nachfolgende Attentat sind spannungstechnisch gut gelungen. Meine ersten Schwierigkeiten im Verständnis bekam ich, als Wills Kolleginnen die Szenerie betraten. Ich konnte deren Handlungsweise überhaupt nicht nachvollziehen, zumal ich auch Schwierigkeiten hatte sie überhaupt ins Bild zu setzen. Da wäre zum einen die Vorgesetzte Amanda, die dem vor allem physisch schwer traumatisierten Will, der nach der Entführung mit Verdacht auf innere Blutungen ins Krankenhaus kommt, einfach eine Aspirin gegen die Schmerzen gibt. Dies würde in der Regel tödlich enden. Faith, Kollegin Nummer 2, konnte ich lange Zeit gar nicht einschätzen, ist sie Agentin, Analystin, Freundin oder sogar Lebensgefährtin von Will? Und so setzt sich das die ganze Zeit fort, Terroristen, Familie, Sektenmitglieder- keiner konnte mich restlos überzeugen. Ich denke die Autorin hat sich diesmal zu viel vorgenommen, rechter Terrorismus, Sektenähnliche Gemeinschaften, Missbrauch jeglicher Art einschließlich Pädophilie, biologische Massenvernichtungswaffen und zwischendrin Romeo und Julia die nicht zu einander finden können. Neben diesem ganzen verwirrenden Plot hat mich die schier maßlose Gewalt, einhergehend mit der detaillierten Darstellung der Gräueltaten auf den menschlichen Körper zunehmend gestört.

Fazit: Zuviel Gewalt in einem nicht ganz logischen Plot.

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Bewertung vom 29.10.2019
Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1
Lodge, Gytha

Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1


gut

In der südenglischen Stadt New Forest verschwand im Sommer 1983 die erst vierzehnjährige Aurora. bei einem Campingausflug im Wald. Keiner der sechs Jugendlichen aus ihrer Clique konnte sich das rätselhafte Verschwinden erklären. Sie alle waren abends zusammen, haben getrunken und gefeiert. Niemandem ist aufgefallen das die jüngste in der Runde nicht mehr in ihrem Schlafsack war. Eine sofortige großangelegte Suchaktion, die mehrere Wochen dauerte, brachte auch keine Erkenntnisse. Über dreißig Jahre später werden die Überreste einer Leiche in jenem Wald gefunden und Detective Chief Inspector Jonah Sheens ahnt sofort um wen es sich bei der Leiche handeln könnte. Er kennt die Clique noch aus seiner Schulzeit, er war nur ein paar Jahrgangstufen über ihnen und er hat aktiv an der Suche nach der Vermissten teilgenommen. Dieser Fall hat ihn nie ganz losgelassen und er ist sich sicher das ein Mitglied die Wahrheit über Auroras Verbleib kennt. Wer lügt, Brett, Connor, Topaz, Benners, Jojo oder Coralie?


Das Krimidebüt der Schriftstellerin Cytha Lodge setzt sich aus zwei, teilweise parallel verlaufenden Erzählsträngen zusammen. Der Erste beinhaltet die eigentliche Ermittlungsarbeit der Polizei und im Anderen werden die letzten Stunden Auroras aus ihrer Sicht geschildert. Ein komplexer Ermittlungsansatz mit einer Vielzahl beteiligter Personen und hier liegt meines Erachtens auch die größte Schwäche des Krimis, es sind zu viele Personen, die Charakterzeichnung gelingt hier nur eher oberflächlich und wird keiner Figur so richtig gerecht. Der Hauptermittler wirkt daher eher ein wenig hilflos und fehl am Platz. Die „Neue“ im Team ist zu moralistisch und die weiteren Mitglieder eher blass. Ich mache mir gerne, anhand der Beschreibungen ein „ Bild“ von allen Beteiligten, im Fall der ermittelnden Beamten waren mir die Skizzierungen zu dürftig um mir die Person auch bildlich vorstellen zu können. Das gelang der Autorin bei den Jugendlichen schon besser, hier hatte ich jedoch das Problem die Jungen aus der Clique zu identifizieren. Mehrmals verwendet die Autorin mal Spitznamen und mal Klarnamen. Ich bin dadurch oft durcheinander gekommen und wusste nicht von wem eigentlich jetzt die Rede ist. Das größte Manko ist jedoch, dass es fast gar keine Spannungsbögen aus meiner Sicht gibt. Also würde ich, bei dem hier vorliegenden Buch, eher von einem Kriminalroman als einem Thriller ausgehen.

Fazit: Ein interessanter Ansatz der noch nicht völlig ausreichend umgesetzt wurde und dennoch glaube ich, dass sich die Autorin steigern wird.

Bewertung vom 29.10.2019
Zimmer 19 / Tom Babylon Bd.2
Raabe, Marc

Zimmer 19 / Tom Babylon Bd.2


ausgezeichnet

„dann weißt du, dass es einen Gott gibt“…“Du hast mich gemacht. Und jetzt sieh, was euch erwartet.“
Mit diesen Worten endet der wohl verstörendste Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale. Die grausame Wahrheit jedoch ist, das dieser Film, in der ein junges Mädchen erst vergewaltigt und dann ermordet wird, kein Produkt eines Filmemachers ist sondern ein Snuff-Porno und das Opfer ist die Tochter des Bürgermeisters. Tom Babylon vom LKA soll unter der Mitarbeit der Psychologin Sita Johanns die Ermittlung übernehmen. Beide stoßen jedoch zu Beginn der Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens. Der Vater des Opfers weigert sich nähere Auskünfte zu geben, Tom’s Vorgesetzte sind diesbezüglich auch keine Hilfe und Sita hat immer wieder Flashbacks in ihre Jugendzeit, sie spürt instinktiv, dass dieser Fall auch mit ihrem eigenen Leben in Verbindung steht.

Neben der Hauptstory verlaufen parallel zwei weitere Geschichten, die die Handlungen im Hauptteil wesentlich beeinflussen.
Die Psychologin Sita steht im Fokus einer dieser Parallelgeschichten. Sitas Jungendzeit wird intensiv beleuchtet, dabei steht ein ganz besonders traumatisches Ereignis im Vordergrund. Auch das Verschwinden von Toms kleiner Schwester greift der Autor im 2. Fall der beiden Ermittler wieder auf. Er setzt sogar eine Doppelgängerin als Zeugin ein, was Tom zwischenzeitlich enorm ablenkt. Trotz dieser Fülle an Erzählsträngen und dem stetigen Wechsel zwischen allen, gelingt es Marc Raabe außerordentlich gut einen temporeichen, spannungsgeladenen und fesselnden Thriller zu kreieren. Ich habe förmlich an den Seiten geklebt.
Eigentlich bin ich kein Fan von ewigen Wiederholungen traumatischer Ereignisse die der Protagonist durch unendlich viele Fortsetzungen schleift, da dies jedoch erst Band zwei einer Thrillerserie ist hoffe ich, dass der Autor spätestens im vierten Band die Wahrheit über den Verbleib von Toms Schwester aufklärt.
Zum Wahrheitsgehalt über die Motivation des Täters bzw. die Hintergründe die zu dieser Tat geführt haben, befürchte ich dass dies nicht nur der Fantasie des Autors entspringt, sondern dass es tatsächlich solche Machen- und Seilschaften gab.

Fazit: Spannungsgeladen und temporeich mit dem dazugehörigem Cliffhanger der neugierig auf Teil drei macht.

Bewertung vom 04.09.2019
Schneewittchensarg / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.7
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Schneewittchensarg / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.7


sehr gut

Zu einem wirklich makabren Fund in einem Museum werden Stina Forss und ihre Vorgesetzte Ingrid Nyström beordert. Die Glasinstallation „Schneewittchensarg“ enthält nicht das original angefertigte gläserne Skelett , wie vom Künstler vorgesehen, sondern ein menschliches, wahrscheinlich das einer jungen Frau, die vor 47 Jahren während ihrer eigenen Hochzeitsfeier bei einer Brautentführung verschwand, davon ist der Ausstellungsleiter und Mann der Verschwundenen überzeugt. Doch wer sollte ihn nach so vielen Jahren so einen üblen Streich spielen und wo war die Leiche all die Jahre? Auf das Team der beiden Ermittlerinnen kommt eine wahrliche Sisyphusarbeit zu, denn ein Verbrechen aufzuklären das vor so langer Zeit fast unbemerkt geschah ist fast aussichtslos.


Verrat, Missgunst, unerfüllte Liebe und Eifersucht gepaart mit der unbedingten Einhaltung traditioneller Werte die kaum Raum für persönliche Entfaltung lässt… all dies machen diesen neuesten Fall von Nyström und Forss aus. Ich bin bei meiner Bewertung jedoch sehr gespalten. Einerseits ist der eigentliche Kriminalfall spannend und verstörend, dabei recht realistisch in der Ermittlungsarbeit dargestellt. Mit der Einblendung des Parallelfalles, den die beiden Ermittlerinnen schon aus den vorangegangenen Büchern mitschleppen, hadere ich. Trotzdem ich den vorherigen Teil gelesen habe, brauchte ich lange um zu verstehen worum es eigentlich geht, dabei taten sich unnötige Längen auf. Beide Protagonistinnen befanden sich in einer ewigen und aussichtslosen Endlosschleife der Vergangenheitsbewältigung die dann in einem für mich abstrusen Show down endete.


Aktuelle Gesellschaftspolitischer Themen und verquere Moralvorstellungen werden durch die Akteure mittels Mono- und Dialoge gespiegelt, so gelingt dem Autorenduo eine wirklichkeitsnahe Darstellung der heutigen politischen Lage in Europa.

Bewertung vom 21.05.2019
Der Patriot
Engman, Pascal

Der Patriot


sehr gut

Hannah Löwenström ist das erste Opfer einer Serie von Gewalttaten an Vertretern der schwedischen Presse. Schon seit einiger Zeit brodeln die sozialen Medien über vor üblen, zornigen Mails, Facebook- und Twitterkommentaren, gerichtet an die Journalisten, die sich allzu positiv über den Zustrom an Flüchtlingen aus der arabischen und afrikanischen Welt äußern. Sie wird nicht das einzige Opfer sein, eine Welle der Gewalt gegen die Presse setzt ein, und schnell wird klar, dass es kein Einzeltäter ist der hier so äußerst brutal agiert. Als die Gewalt in Stockholm eskaliert, betritt ein in seiner Jugend straffällig gewordene und aus dem chilenischen Exil kommende Schwede die Bühne und stellt sich eher zufällig den Tätern in den Weg.


Pascal Engmann’s Thriller „ Der Patriot“ ist ein Debüt mit hochaktueller Thematik. Die Zunahme rechtspopulistischer Gruppierungen in ganz Europa steigt, auch Schweden bleibt hiervon nicht verschont. Als Journalist im „unfreiwilligen Ruhestand“ weiß er wovon und worüber er schreibt ganz genau. Die Reaktionen auf journalistische Beiträge in den sozialen Medien sind erschreckend, wahrscheinlich authentisch und können nicht mehr unter der Verharmlosung „von Netztroll geschrieben“ verstanden werden. Die Darstellung seines eigenen Berufstandes gelingt dem Autor ausgezeichnet. Es gibt jedoch einige Dinge die mich nicht ganz so überzeugen konnten. Beginnend mit einem Zitat aus dem Buch gehe ich darauf ein: „Terroristen meinen, dass die Sünden der Feinde auf die restliche Bevölkerung übergehen können, wenn sie nichts dagegen unternehmen. Aber das wichtigste ist, dass sie die Dinge nur schwarz oder weiß sehen. Alle Menschen sind entweder böse oder gut, es gibt keine Grauzonen“. Engmann spielt mir etwas zu sehr mit der sogenannten „Grauzone“- Gute werden unfreiwillig Böse, Böse oder zu mindestens „Zwielichtige“ werden zu Helden, das kam für mich leider nicht glaubhaft rüber. Ganz besonders habe ich die Aufklärungsarbeit durch staatliche Behörden vermisst, diese werden eher am Rande erwähnt und sind nicht aktiv beteiligt. Dadurch ergeben sich für mich eine Reihe von Ungereimtheiten die den Plot nicht schlüssig erscheinen lassen und den Leser etwas desillusioniert zurücklassen. Für einen Thriller baut sich die Geschichte zudem sehr träge auf, das Leben und die Beweggründe der Hauptakteure (und davon gibt es meiner Meinung nach zu viele) werden akribisch beleuchtet, für das Verständnis nicht schlecht, leider gibt im ersten und zweiten Drittel des Buches dadurch kaum Spannungsbögen. Trotz allem ein beachtenswertes Debüt und ich zolle dem Autor dahingegen Respekt, sich mit diesem Buch seiner Arbeit auf Umwegen, trotz der massiven Bedrohungen gegen ihn und seinen Berufsstand, zu widmen.

Bewertung vom 21.05.2019
Was uns erinnern lässt
Naumann, Kati

Was uns erinnern lässt


ausgezeichnet

Auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen „Lost Places“ durchstreift die Mittdreißigerin Milla den Thüringer Wald in der Nähe des so berühmten Rennsteigs. Bewaffnet mit Lärmspray (für neuangesiedelte Wölfe), Multiwerkzeug mit Messer, Vorhängeschloss, verschiedenen Schraubenziehern, Arbeitshandschuhen, Rettungsdecke und Notladegerät ist sie relativ gut ausgerüstet, denn im ehemaligen Grenzgebiet (Todesstreifen) sind immer noch über dreißigtausend Landminen versteckt. Abseits der Wege durchstreift sie den Wald. Auf einer Anhöhe, in der man weit ins Tal blicken kann, entdeckt sie ein überwuchertes Trümmerfeld. Dachschiefer, Holz und ein paar Ziegel die über die ganze Anhöhe verstreut daliegen. Unter all dem Schutt wird sie fündig. Ihr ganz persönlicher „verlorener Ort“ ist ein Keller, gefüllt mit graviertem Porzellan, Einweckgläsern und alten Schulheften. Beim Durchblättern eines Schulheftes, erfährt Milla, das der Keller zum Hotel Waldeshöh gehört, doch was ist aus dem Haus und seinen Bewohnern geworden? Das lässt Milla keine Ruhe und sie versucht die Verfasserin des Schulheftes ausfindig zu machen. Eine Reise die so einige Überraschungen für sie parat hält.

Was uns erinnern lässt…und ich habe mich an vieles erinnern können und vieles wieder neu entdeckt und interpretiert. Die Autorin Kati Neumann hat einen unglaublich realitätsnahen Roman über das Leben im „Grenzstreifen“ geschrieben ohne anklagend, verurteilend oder pathetisch zu werden, sondern mit einem enormen Einfühlungsvermögen. Stellenweise sind die Schicksale der Zwangsumgesiedelten erschütternd, auf der einen Seite durch die Willkür des Staates des Eigentums beraubt zu werden und auf der anderen Seite durch den Versuch sich ja anzupassen, damit man das kleine Stück Heimat doch vielleicht noch behalten kann. Viele versteckte Schilderungen des Alltags in der DDR sind beim genauen lesen zu entdecken, sei es die Anmeldung auf einen Termin zur Fahrschule (was mitunter schon mal ein paar Jährchen dauern konnte), die Mitgliedschaft im Konsum (hier fehlte mir nur die Erwähnung des Einklebens der Konsummarken, ich sehe meine Oma noch heute am Küchentisch sitzen und das Heftchen ordentlich bekleben), warten auf die Zuteilung eines Autos (Trabbi und Co.) und das ewige Schlange stehen sei es bei Obst& Gemüse, Jeans aus Ungarn, Schokolade u.v.a.m.
Dieses Buch kann ich jedem empfehlen der Interesse an der deutsch-deutschen Vergangenheit zwischen Ende des zweiten Weltkrieges und Wiedervereinigung hat. All diejenigen die diese Zeit bewusst miterlebt haben, werden sich nicht nur, und dafür bin ich der Autorin sehr dankbar, an die negativen Seiten erinnern. Vieles wird man kopfschüttelnd lesen, vergessen wir jedoch nicht, das wir die Dinge damals stellenweise einfach anders beurteilten als jetzt.