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anyways
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greifswald

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Insgesamt 266 Bewertungen
Bewertung vom 27.09.2018
Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
Schwenke, Philipp

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste


ausgezeichnet

Neben Liselotte Welskopf-Heinrichs Triologie um "Die Söhne der großen Bärin" waren es vor allem die Romane von Karl May, insbesondere die Winnetou- Reihe, die meine Kinder- und Jugendzeit begleiteten. War Erstere eine fundierte Wissenschaftlerin, die ihre Romane immer mit Erkenntnissen aus ihrer Arbeit schrieb, musste ich erstaunt feststellen, dass May seine „Reiseberichte“ allesamt erfunden hat, denn er hat Sachsen nie verlassen. Erst war ich irritiert um dann festzustellen dass es ein unglaubliches Können darstellt, so viele Leser weltweit in den Bann zu ziehen (immerhin eine Auflage von 200 Millionen Büchern weltweit). Das hat mich unheimlich fasziniert. Seine Bücher werden noch heute verlegt und noch wichtiger gern gelesen.

„Sie dagegen haben sich nicht nur einen Helden, sondern ein ganzes Leben herbeiphantasiert.“

Philipp Schwenke beleuchtet das Leben eines der größten und auch umstrittensten deutschen Schriftstellers. Wir begeben uns mit Karl May auf seine allererste Reise außerhalb Europas. Dabei wechselt die Szenerie in regelmäßigen Abständen zwischen der Orientreise (um 1899) und seiner Rückkehr (um 1901). Wir erleben die Ambivalenz des Schriftstellers zwischen Realität und alternativer Realität hautnah mit. Schwenke liefert hier auch gleich eine mögliche Erklärung für May’s Nervenzusammenbrüche, die er auf der Orientreise ohne ärztliche Hilfe überstand. Diese Reise sollte in May’s Augen eine Überprüfung der Wirklichkeit mit seinen eigenen Büchern werden. Doch die Realität sieht anders aus und so schafft sich May wieder seine eigenen Welt und Überzeugung, diese wird sein Leben auch zu Hause nachhaltig prägen, denn nicht nur May manipuliert sein Leben uns seine Werke, sondern auch er wird manipuliert. Trotz alledem zolle ich der Person May, Kleinkrimineller mit so einigen Gefängnisaufenthalten, meinen Respekt dafür, dass er, wie kein anderer, unser Bild der Prärie und des Orients geprägt hat. Sehr aufschlussreich für mich waren auch die persönlichen Lebensumstände des Autors, die erste Ehe mit Emma und die Zweite mit Klara, die Angriffe der Presse und die fast hilflosen Erklärungsversuche des Autors, der sich doch zu gerne im Licht der Aufmerksamkeit sonnte.
Fasziniert war ich ebenfalls vom Schreibstil des Autors Schwenke, hat dieser doch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des Karl May, oder zumindest so wie es der Zeit um 1900 entsprochen haben musste.
Ich habe dieses Buch trotz seines Umfanges und der ein oder anderen Länge sehr gerne gelesen und möchte, weil ich ihn so enorm treffend finde, mit dem letzten Satz des Buches meine Rezension beenden: „Und wenn wir auf Karls Reise eines gelernt haben, dann doch dieses: wie wenig es lohnt, sich eine herrlich geratene Überzeugung später durch Tatsachen verderben zu lassen.“

Bewertung vom 26.09.2018
Nie wieder Amore!
Hennig, Tessa

Nie wieder Amore!


ausgezeichnet

Moni hat es geschafft, im Gegensatz zu vielen ihrer Bekannten hat sie das Rentenalter erreicht. Doch nun sitzt sie hier im Seniorenheim, ihr Haus hat sie auf Anraten ihrer Tochter abgegeben, und nun ist die Witwe einsam. Aus dem einen Fenster sieht sie zwar den Park, aus dem anderen Fenster auf den Innenhof und auf unzählige Säcke mit Habseligkeiten verstorbener Bewohner. Da muss man ja trübsinnig werden. Also schwelgt sie in Erinnerungen an vergangene Zeiten, als sie ihre Fotos digitalisieren will. Dabei fällt ihr auch das versteckte Album mit Bildern ihrer ersten großen Liebe in die Hände.
Zeitgleich entrümpeln auf Sizilien, in Taomina, die Italiener Francesca zusammen mit ihrer jüngeren deutschen Freundin und baldigen Geschäftspartnerin Julia, das Haus ihrer Eltern. Beide Frauen wollen eine Sprachschule eröffnen. Doch dazu muss erst einmal der Keller aufgeräumt werden. Francescas Eltern waren Antiquitätenhändler und konnten sich anscheinend von sehr vielen Dingen nicht trennen. Julia findet alte Filmrollen und nachdem ein alter Kinobetreiber gefunden ist, kann man sich den Film mit dem nötigen Equipment ansehen. Beide Frauen sind hingerissen, zeigt der Film doch Privataufnahmen und das wohl schönste Liebespaar aller Zeiten. Wie sich herausstellt ist Moni der weibliche Part in dieser Liebesgeschichte. Julia ist nun bestrebt den Film den rechtmäßigen Besitzern zurück zu geben. Die wie sie inständig hofft, noch leben.

Die Autorin ist mir nicht unbekannt. Ich durfte schon einige Bücher von ihr lesen, und sie haben alle so einige Gemeinsamkeiten: Sie spielen immer vor traumhaften Kulissen. In „Nie wieder Amore“ bietet Sizilien dieses Bühnenbild. Man entdeckt zusammen mit Moni und ihrem Enkel Jan ein wunderschönes Fleckchen Erde, riecht förmlich den Duft der Orangenhaine und kann das Mittelmeer, sowie die prächtigen historischen Altstädte vor seinem geistigen Auge sehen. Kurzum ein schönes Buch, um den Sommer, zu mindestens geistig für ein paar vergnügsame Stunden verlängern. Auch in diesem Buch steht die Familie und die damit verbundenen Gemeinsamkeiten und Gegensätze im Vordergrund. Dabei kann man sich irgendwie in alle hineinversetzen. Ich habe die Frustration der Moni, die mit ihrem Rentnerdasein im Seniorenheim hadert ebenso verstehen können, wie die sehr übervorsorglichen Gebaren ihrer Tochter Tanja. Die Autorin schafft es Alltägliches gut zu verpacken und unterhaltsame Romane mit viel Humor zu kreieren. Ganz zu Anfang beschreibt sie eine Szene im Supermarkt. Protagonistin Moni vergleicht einen Einkaufstag, am ersten Tag der neuen Prospektwerbung mit einem Kriegsgebiet. Wer sich diesen Stress schon einmal angetan hat, kann dies sehr gut nachvollziehen.
Fazit: Eine wunderschöne Familiengeschichte, mit viel Gefühl vor traumhafter Kulisse.

Bewertung vom 14.09.2018
Die Sonnenschwestern
Rees, Tracy

Die Sonnenschwestern


ausgezeichnet

Büroleiterin der Historischen Fakultät an der School of Humanities der Universität of Greather London zu sein, heißt faktisch rund um die Uhr erreichbar zu sein. Seit nun mehr neun Jahren macht die fast vierzigjährige Nora diesen Job und seit mehreren Monaten plagen sie diffuse Ängste, das wird so schlimm, dass sie sich einer Therapeutin anvertraut. Im Laufe ihrer mehrmonatigen Sitzungen krempelt Nora ihr Leben um, als erstes trennt sie sich von ihrem Freund und ganz zum Schluss auch von ihrem Job. Während dieser Zeit kühlt Noras Verhältnis zu ihrer Mutter Jasmine ab. Die beiden waren sonst unzertrennlich, konnten über Sorgen und Probleme der jeweils anderen immer reden, doch nun herrscht eine Art Unverständnis auf beiden Seiten. Als Nora dann auch noch beschließt in dem kleinen Ort Tenby, im Süden von Wales, eine Auszeit zu nehmen ist Jasmine regelrecht geschockt. Was Nora zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht weiß, ist das ihre Mutter in ihrer Teenagerzeit liebend gern in diesem kleinen Ort ihre drei Wochen Ferien verbracht hat. Ungeahnt findet Nora nicht nur einen Ort um ihrer seelischen Verfassung Ruhe zu gönnen, sondern kommt auch einem lange gehütetem Familiengeheimnis auf die Spur.



Tracy Rees ist eine Autorin, die ganz zauberhafte Geschichten erzählen kann. In ihrem neuesten Roman spielt die Handlung auf zwei Zeitebenen. Wir begleiten Nora auf ihrem Weg vom unfreiwilligen Workaholic zur Aussteigerin und parallel dazu den Teenager Chloe (Jasmine) und ihren Sandkastenfreund Llew, die in den fünfziger Jahren die Sommer in Tenby verbrachten. Beide Protagonistinnen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Jede auf ihre ganz spezielle Weise. Ich konnte mich mit den Sorgen und Nöten der jungen Cloe genauso gut identifizieren, wie mit denen der älteren und völlig überarbeiteten Nora. Und ganz ehrlich wer würde nicht von so einem Sabbatical träumen? Ich könnte mir das sehr gut vorstellen. Vielleicht hat mir diese Geschichte auch deshalb so gut gefallen. Etwas was ich selber (leider) nicht tun kann, erlebe ich zu mindestens für ein paar Stunden mit Nora.
Schon im ersten Buch der Autorin „Amy Snow“ habe ich ihren flüssigen und sprachgewaltigen Schreibstil bewundert. Ihre rhetorischen Stilmittel die sie gut und gekonnt einsetzt, gefallen mir sehr. Am schönsten sind jedoch ihre bildhaften Beschreibungen. Ich möchte mal ein Beispiel, stellvertretend für unzählige andere nennen: „Sie saßen am Fenster und blickten hinaus auf den Sand, der die Farbe von Bienenwachs angenommen hatte, und einen Ozean, dessen Wellen aussahen wie ein Haufen matter Schwerter.“


Eine kleine Irritation birgt lediglich der Titel des Buches. Warum dieses ausgerechnet Sonnenschwestern heißt, kann ich nicht nachvollziehen.

Bewertung vom 11.09.2018
Mit der Faust in die Welt schlagen
Rietzschel, Lukas

Mit der Faust in die Welt schlagen


sehr gut

Familie Zschornack hat es geschafft, nur elf Jahre nach der Wende können sie sich den Traum vom eigenen Häuschen erfüllen. Drastische Veränderungen gab es in dieser Zeit. Werke wurden geschlossen, Bewohner die ein Leben lang dort gearbeitet hatten standen nun auf der Straße. Wer das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, konnten auf Umschulungen hoffen. Nachdem der Vater von Tobias und Phillip notgedrungen zwei Umschulungen und Weiterbildungen über sich ergehen lassen musste, weil sein Berufsabschluss nicht anerkannt wurde, ist er jetzt Elektriker und mit dem Gehalt seiner Frau, die als Krankenschwester arbeitet, scheinen sich für die Ostsachsen die blühenden Landschaften tatsächlich zu erfüllen. Ihre beiden Jungs können nun wohlbehütet aufwachsen…
Zehn Jahre später …“ Tobias fragte sich, was zuerst da gewesen war. Die Straßen, die die Orte umgingen und damit leer fegten. Oder die leeren Orte, an denen jeder vorbei fahren wollte?“
Vor den Weihnachtsbäumen saßen keine Familien mehr, nur alte Pärchen vor den Fernsehern.

„Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist ein leises Porträt der Nachwendezeit in den überwiegend ländlichen Gebieten unserer Republik (ich möchte hier nicht den Osten besonders hervorheben, denn auch im Westen gibt es genau dieselben Szenarien). Es sind die vielen kleinen und großen Rückschläge der Bewohner. Althergebrachtes und auch Gewohntes verändert sich innerhalb kürzester Zeit. Strukturen lösen sich auf, Perspektivlosigkeit macht sich breit. In diesem Umfeld wachsen die beiden Jungen heran, sie erleben das Hochwasser bei Dresden, die Anschläge auf das World Trade Center und auch die „Flüchtlingswelle“ 2015. Eine Belastungsprobe, jahrelang wurde ihr kleiner Ort von der Politik vernachlässigt, doch nun ist Geld da um den Flüchtlingen eine Unterkunft zu bieten. Neschwitz sitzt auf einem Pulverfass, denn die Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen und das Gefühl des „Abgehängtseins“ haben sich schon zu tief in der verbliebenen, vorwiegend jungen Bevölkerung breit gemacht. Lukas Rietzschel beschreibt dies auf eine eher nüchterne Art, die weder anklagt noch wertet. Ich habe jedoch lange gebraucht, seinen Schreibstil zu akzeptieren. Ich fand ihn äußerst emotionslos. Eine Anreihung von zumeist kurzen Sätzen und sprunghaften Szenewechseln. Dadurch konnte ich auch gar keine Beziehung zu den Protagonisten aufnehmen, sie waren seltsam farblos. Gestört hat mich auch, das alle Beteiligten irgendwie um den „heißen Brei“ reden. Probleme werden nicht explizit angesprochen und gegeben falls ausdiskutiert, deshalb weiß man als Leser sofort dass die Geschichte nur in einem Desaster enden kann. Genau hier fehlt mir der Tiefgang, das ist mir etwas zu eindimensional. Trotzdem finde ich, ist dem Autor ein wirklich beachtliches Debüt zu einem schwierigen Thema gelungen.

Bewertung vom 11.09.2018
Blutrausch - Er muss töten / Detective Robert Hunter Bd.9
Carter, Chris

Blutrausch - Er muss töten / Detective Robert Hunter Bd.9


ausgezeichnet

Detective Hunter ist mitten in einer Vorlesung, vor nicht weniger als 150 Studenten, als ihn ein Anruf auf dem Diensthandy erreicht. Als Leiter der UV-Einheit des LAPD kann es sich nur um einen neuen Fall handeln und genau darüber wird er informiert. Hastig verlässt er den Hörsaal und begibt sich zum Tatort. Als er dort, zusammen mit seinem Partner Carlos Garcia eintrifft, werden beide von einem Polizisten vorgewarnt… ihnen stehe ein schockierender Anblick vor. Die Grausamkeit des Täters ist selbst für die beiden erfahrenen Ermittler schwer zu ertragen. Im Schlafzimmer des Hauses finden sie eine Leiche vor, der Hände, Füße, Augen und Haut fehlen, dafür sind die Wände mit Blut beschmiert. Mit was für einem bizarren Mörder habe es Hunter und Garcia dieses Mal zu tun? Sie sind jedenfalls sehr überrascht, das innerhalb weniger Stunden das FBI vor der Tür steht und sich diesen Fall schnappen will, nach einigem hin- und her wird aber eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von den Vorgesetzten festgelegt. Die hat durchaus Vorteile, denn das FBI verfügt über wesentlich mehr Ressourcen.

Der 9. Fall für Hunter und Garcia und der Autor Chris Carter weiß, wie er seine Leser bis zur letzten Seite fesseln kann. Er ist für mich einfach ein Garant für gute Spannung und äußersten Nervenkitzel. Einer der wenigen Autoren, deren neue Bücher ich immer unbedingt lesen muss, auch ohne mich vorher weiter zu informieren. Durch seinen beruflichen Werdegang verfügt Carter natürlich über ein hohes Maß an Hintergrundwissen, dieses in einen spannungsreichen und dramatischen Thriller zu verwandeln gelingt dem Autor bei jedem neuen Buch perfekt. „Blutrausch“ besticht durch eine einfallsreiche Story mit verschiedenen Wendungen und meisterhaft gesetzten Spannungsbögen. Besonders gefallen hat mir, dass das Leben des Opfers detailliert (oft in Rückblenden) beschrieben wird. Nur weniges trübt ab und an mein Lesevergnügen, in diesem Buch waren es die allzu stereotyp beschriebenen FBI-Agenten. Klar die Pilotenbrille muss wohl sein, dass Frauen in Führungspositionen aber jedes Mal so äußerst zickig und unbeherrscht sind, sogar oft falsch liegen in ihren Entscheidungen, wage ich zu bezweifeln.

Fazit: Geballte Spannung von einem Meister seines Faches.

Bewertung vom 20.08.2018
Vier Tage in Kabul / Amanda Lund Bd.1
Tell, Anna

Vier Tage in Kabul / Amanda Lund Bd.1


ausgezeichnet

Für die Ausbildung lokaler Sicherheitskräfte wird die schwedische Kriminalkommissarin Amanda Lund nach Nordafghanistan berufen. Nach einem Kampfeinsatz, in dem sie das Leben eines afghanischen Soldaten retten konnte, wird sie von Ihrem Vorgesetzten aus Schweden kontaktiert. Amanda soll umgehend nach Kabul in die dortige schwedische Botschaft reisen: Zwei Diplomaten werden seit ca. 8 Stunden vermisst. In der afghanischen Hauptstadt, in der tagtäglich Bombenattentate, gerade auch auf ausländische Institutionen verübt werden, ein alarmierendes Zeichen. Da alle anderen Unterhändler derzeit durch eigene Einsätze verhindert sind, muss nun Amanda ihre Truppe verlassen um als Unterhändlerin mit den Entführern zu verhandeln. In Kabul angekommen nimmt sie sofort Kontakt zum schwedischen Botschafter auf, und muss feststellen dass dieser über eine Zusammenarbeit nicht gerade erfreut ist. Nur zögerlich gibt er wichtige Informationen preis. Amanda ist sich sicher dass er etwas gravierendes verschweigt. Doch das Zeitfenster, das Amanda zur Rettung der Verschwundenen bleibt, ist äußerst klein.

Anna Tell’s Thriller merkt man sofort an, das hier eine Insiderin schreibt. Detailliert geht sie auf Kampfhandlungen und die Vorbereitung zu diesen ein. Ausführlich werden die Beziehungen zwischen den Afghanen und ihren Ausbildern beschrieben. Ein solches komplexes politisches Geflecht zu durchschauen, wenn man nicht selbst involviert ist, ist nicht ganz leicht. Anna Tell gelingt es jedoch leicht und kann gleichzeitig noch durch ein ebenso verzwicktes Verbrechen die Spannung hochhalten. Immer wieder gibt es Wendungen, und alle Theorien bezüglich des Täters und des Motives müssen vom Leser immer wieder hinterfragt werde.
„Vier Tage in Kabul“ ist ein Thriller der zwar die typische skandinavische Erzählweise (hier insbesondere der gediegene Schreibstil, die gesellschafts- und sozialkritischen Aspekte sowie die große Realitätsnähe)parat hält, sich aber durch eine wirklich fesselnde Story zusätzlich auszeichnet.

Gefallen haben mir die vielen kleinen versteckten Hinweise auf das Leben in dieser umkämpften Region. Die Tatsache, dass man sich nie länger als zwanzig Minuten von seinem Auto entfernen sollte, damit man potentiellen Attentätern keine Chance auf eine Ortung gibt. Ein Leben das ich mir so gar nicht vorstellen kann.


Fazit: Ein fesselndes Debüt, in jeder Hinsicht spannend.

Bewertung vom 17.08.2018
Todeskäfig / Sayer Altair Bd.1
Cooper, Ellison

Todeskäfig / Sayer Altair Bd.1


gut

Offizer Wilson Tooby und sein Partner Mike werden nun schon zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Wochen zu demselben verfallenen Haus gerufen. Beim ersten Mal war es ein Notruf, eine junge Frau bat um Hilfe, beim zweiten Mal ist es ein fauliger Geruch der der Nachbarschaft aufgefallen ist. Vorsichtig erkunden die beiden Polizisten, nach dem Aufbrechen der Tür, das Terrain, als sie in den Keller hinabsteigen wollen explodiert eine Sprengladung.
FBI Special Agent Sayer Altair wird von ihrer Vorgesetzten sofort an den Tatort berufen. Dort angekommen entdeckt sie in dem Keller einen Käfig der von der Decke hängt, in diesem liegt eine Leiche und ein halbverhungerter Hund. Nach der Obduktion der Leiche steht sehr schnell fest das diese qualvoll verhungert und verdurstet ist und das sie die lange verschollene minderjährige Tochter eines Senators ist. Agent Sayer rechnet ab sofort mit enormen Schwierigkeiten bei der Aufklärung des Falles…und sie soll Recht behalten.



Die ersten ca. 150 Seiten des Buches sind enorm spannend, auch wenn mir da schon auffiel, dass die Autorin sich so richtig der üblichen Genre gemäßen Stereotypen zur Skizzierung ihrer Protagonisten bediente. Die Agentin Sayer ist ein Workaholic, die mit enorm wenig Schlaf auskommt, dafür schlechte Ernährungsgewohnheiten hat und (natürlich) die schmerzvollsten persönlichen Schicksalsschlägen erleben musste. Unter ihren Kollegen gibt es die völlig verbohrte und cholerische Chefin, die Nerds aus der Computer- und KTU- Abteilung, den Karrierist usw. Gut gewisse Stereotypen haften Krimis/ Thrillern an, vielleicht auch weil sie sich bewährt haben.
Stark störend fand ich andere Aspekte dieses Thrillers hierauf würde ich gerne ein wenig näher eingehen, deswegen nochmals die:


SPOILERWARNUNG!!!!!!!!!



Ellison Cooper ist promovierte Anthropologin, hat Jura studiert und auch als Mordermittlerin gearbeitet. Alles sehr gute Voraussetzungen um ein solches Buch zu schreiben, doch leider sprang der Spannungsfunke bei mir nicht über, weil alles zu viel und zu stark konstruiert wirkt. Das beginnt in dem Moment wo die Ermittler begreifen dass sie einen Serientäter jagen, der seit zwei Jahrzehnten schon mehrere Mordserien mit unterschiedlicher Tötungsweise vollbracht hat. Jedes Mal wird dafür ein Unschuldiger verurteilt. Überführt werden diese Schuldlosen durch Indizien wie Fingerabdrücke und DNA Spuren. Die allesamt konstruiert werden, es ist sogar von der Herstellung künstlicher menschlicher DNA die Rede, ein Vorgang den man angeblich schon seit zehn Jahren praktiziert. Abstrus wird die Story allerdings als die Autorin sich den Themen „Foetus in foeto" und Teratom annimmt. Ersteres ist ein Phänomen das weltweit kaum hundert Menschen betrifft. Ein sogenannter parasitärer Zwilling. Es entwickeln sich zunächst zwei oder mehr Föten im Mutterleib, von denen dann ein Fötus oder mehrere Föten in den anderen einverleibt werden. Nach der Geburt oder auch noch Jahre später können sie plötzlich Symptome hervorrufen. Teratome sind Tumore die aus „Keimzellhaufen“ aus der Embryonalentwicklung entstehen. Im späteren Leben fangen sie überwiegend in der Bauchhöhle (Eierstöcke, Gehirn) an zu wachsen und können Zähne und Haare enthalten. So wie die Autorin diese medizinischen Fälle darstellt sind sie völlig abstrus. Es wird in einer Szene beschrieben, dass ein Ohr sichtbar unter der Achsel ist, Zähne sichtbar an der Hüfte liegen usw. Allison Cooper hat beide Krankheitsbilder einfach flott zusammengemischt und das ist einfach unglaubwürdig und leider schade, denn die Autorin hat großes Potenzial. Ihr Spannungsaufbau ist perfekt auch erzeugt sie immer wieder Wendungen, die einen als Leser auf der einen Seite zwar verwirren aber gleichzeitig das Interesse steigern.

Bewertung vom 18.07.2018
Hoffnung und Schicksal / Die Charité Bd.1
Schweikert, Ulrike

Hoffnung und Schicksal / Die Charité Bd.1


ausgezeichnet

1710 wird der Grundstein für eines der größten und berühmtesten Krankenhäuser der Welt gelegt. Aus dem ehemaligen Pesthaus wird ein Bürger-Lazarett aus diesem wiederrum entsteht die Charité. Als 1831 die Cholera-Epidemie Berlin erreicht, ruft das die staatliche Gesundheitsfürsorge auf den Plan, und in der Charité werden nicht nur die Toten obduziert, die Erkrankten behandelt sondern auch die Leichen vor den Toren des Krankenhauses bestattet. In dieser Zeit siedelt die Autorin ihre Geschichte um die junge Krankenwärterin Elisabeth an.
Der erste Tag in einem neuen Leben, mit neuer Arbeit und auch Heimstadt. Die junge Elisabeth tritt eine Stelle als Krankenwärterin an der Charité an. Die drei und der junge Subchirurg Heydecker werden in dem imposanten Gebäude herumgeführt. Dort erfahren die vier auch von dem Gerücht, dass einer der Patienten angeblich an der Cholera gestorben sein soll. Eine Erkrankung die vor fast 200 Jahren den sicheren Tod für alle bedeutet die sich mit ihr infizierten. Eine tückische Erkrankung die sich zu einer Epidemie ausweitet, zumal man damals den Erreger nicht kannte und eher vermutete das diese Erkrankung durch Miasmen (schlechte Gerüche) entstehen. Eigens dafür eingestellte Räucherfrauen sollten die Luft von schlechten Gerüchen reinigen.
Das für mich faszinierende an historischen Romanen ist ihr geschichtlicher Wert. Vieles beruht auf Tatsachen, man kann vieles nachlesen und man erfährt einige erstaunliche Sachen. Zum Beispiel, das der Professor Dieffenbach, von dem im Klappentext die Rede ist, nicht nur eine verbriefte historische Persönlichkeit ist, sondern, das dieser auch ein paar Jahre in meiner Heimatstadt studierte. Das die Charité nicht nur eine der ersten und größten Heilstätten der Welt war/ist, sondern das sie ursprünglich als Lehranstalt für Militärärzte diente.
Ulrike Schweikert hat einen fesselnden Roman über die frühe Geschichte der modernen Medizin geschrieben. Einen Roman der die recht grausamen „Heilungsmethoden“ verschiedener Erkrankungen wie Syphilis, Schizophrenie und Wochenbettdepression ebenso wie die oft bahnbrechenden chirurgischen Eingriffe zwar etwas nüchtern aber doch faszinierend genug für mich beschreibt. Die Geschichte ist ganz nah an historische Fakten angelegt, die fiktiven Persönlichkeiten und deren Geschichte unterfüttern diese sehr gut recherchierte Story, und machen sie sehr lesenswert.
Ein Buch das ich kaum aus den Händen legen konnte.

Bewertung vom 16.07.2018
Stille Feinde / Isaiah Quintabe Bd.2
Ide, Joe

Stille Feinde / Isaiah Quintabe Bd.2


gut

Der siebzehnjährige Isaiah muss hilflos mit ansehen, wie sein großer Bruder vom Fahrer eines Honda Accords überfahren wird. Der Fahrer flüchtet und für Isaiah bricht eine Welt zusammen. Acht Jahre später findet er zufällig auf einem Schrottplatz eben jenen Unfallwagen und stellt fest, dass der Fahrer wohl gezielt einen Anschlag auf Marcus verübt haben muss. Trotz dieses traumatischen Erlebnisses und seinen Abbruch der Schulbildung, steht er mit beiden Beinen im Leben. Ein hartes, entbehrungsreiches Leben erst als Dieb und später als Privatermittler für die eher kleinen Fälle. Seine Klienten sind allesamt nicht vermögend sehen sich aber mit Problemen wie Stalking, Mobbing und auch Diebstahl konfrontiert.


Als ich das Cover das erste Mal sah, dachte ich eigentlich einen Roman von Don Winslow vorzufinden. Da habe ich mich getäuscht, doch der Sprachstil und die Art des Autors seine „Geschichte“ zu erzählen sind doch irgendwie ähnlich.
Joe Ide zeichnet nicht das typische Bild von L.A. keine sonnengebräunten Bikinimädchen, keine heißen Schlitten. Nein hier werden die dunklen Seiten gezeigt, die Bandenkriminalität, Drogen- und Spielsucht und zwischendrin Leute die entweder das Eine bekämpfen oder vom Anderen quasi überrollt worden sind.


Der Schreibstil des Autors ist äußerst kompakt und viele Informationen sind sehr geschickt versteckt und genau aus diesem Grund handelt es sich in meinen Augen nicht um einen Thriller , denn es kommt so gut wie gar kein Spannungsaufbau zustande. Die vielen verschiedenen Zeitsprünge, parallel verlaufenden Handlungen und eine ausufernde Anzahl von Personen verhindern einen Spannungsaufbau komplett. Zunehmend hat mich auch die Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung des I.Q. und der Reflektion durch sein Umfeld gestört. Es wird ständig betont wie klug er doch ist, seine Handlungen lassen darauf aber keinesfalls schließen.

Ich habe mir tatsächlich wesentlich mehr von diesem Thriller versprochen.

Bewertung vom 10.07.2018
Das Jahrhundertversprechen / Jahrhundertsturm Trilogie Bd.3
Dübell, Richard

Das Jahrhundertversprechen / Jahrhundertsturm Trilogie Bd.3


ausgezeichnet

Vor achtzig Jahren machte sich Alvin von Briest gezwungener Maßen auf den Weg vom preußischen Gut Briest nach Frankreich, um dort Arbeit zu finden und über die Schmach der nicht Berücksichtigung des Erbes seines Vaters hinwegzukommen. Jetzt kämpft sein Enkel Otto von Briest zusammen mit seiner Frau Hermine, seiner Tochter Luisa und seinem Ziehsohn Max ums Überleben des Gutes und ihrer Selbst in der jungen Weimarer Republik. Neben den alten Feinden, wie der Familie Cramm tauchen auch neue auf. Gefährliche Leute die die große Not der Bevölkerung nach dem Ende des ersten Weltkrieges ausnutzen und diese ganz perfide beginnen gegen einen vermeintlichen Feind zu hetzen…

Diese Trilogie als nur großartig zu bezeichnen wäre untertrieben. Diese Werke müssen erst einmal auf viel dickere Seiten gedruckt werden (ich hatte oft Angst beim umblättern, das ich die eine oder andere Seite einreiße) und dann gehören sie für mich in einen Schuber! Selten hat mich ein Buch und die Geschichte, die es erzählt so unglaublich in seinen Bann gezogen.
In Vorbereitung auf den dritten Band habe ich den ersten (Der Jahrhundertsturm) in meinem Regal entdeckt und angefangen zu lesen, um mich schon ein bisschen mit den Charakteren vertraut zu machen. „Das Jahrhundertversprechen“ kann man jedoch auch ohne die beiden vorherigen Bücher zu kennen, lesen. Richard Dübell gibt immer wieder Hinweise in erklärende Rückblenden. Was mich sofort in den Bann gezogen hat, ist die unglaubliche Dichte an geschichtlichen Fakten die weit über das politische Leben in der Weimarer Republik hinausgehen. Eine unglaubliche Fleißarbeit. Auf der einen Seite die politischen Wirren der damaligen Zeit für den Leser klar und einfach zu erklären und fast wie nebenbei in die Story einfließen zu lassen haben mich genauso fasziniert, wie die Anfänge des Kinofilms und des Motorsports. Ich bin atemlos mit Max die AVUS langgefahren und habe mich mit Luisa hinter den Filmkulissen rumgedrückt. Mühelos verwebt der Autor Wahrheit mit Fiktion. Was ich ihm jedoch sehr hoch anrechne, ist, das er nicht mit einem erhobenen Zeigefinger dasteht, sondern das Wesen, Leiden, Darben und den Hunger nach Leben der deutschen Bevölkerung so gut zeichnet ohne zu bewerten. Als Leser weiß man auf welche Katastrophe die junge Republik zusteuert. Dübell skizziert sie jedoch so, wie ich sie aus den Erzählungen meiner Großeltern (Überlebende des zweiten Weltkrieges) kenne. Mal ganz davon abgesehen dass er seine Protagonisten auch in den typischen Landesdialekten sprechen lässt. Das erhöht ungemein die Authenzität. Neben dem allseits bekannten berlinerisch kommt unter anderem auch der ostpreußische Dialekt vor. Das hat mich sehr an meine Oma erinnert.
Zum Schluss möchte ich nur sagen, kommt diese Trilogie in HC mit einem Schuber (so wie sie es verdient hat) bekommt sie einen Ehrenplatz in meinem Regal.