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Benutzername: 
Chrissie
Wohnort: 
Buchholz

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
12
Bewertung vom 22.03.2024
Annas Lied
Koppel, Benjamin

Annas Lied


ausgezeichnet

Annas Lied - Hannahs Geschichte: Der Jazzmusiker Benjamin Koppel hat mit seinem Roman Annas Lied die Geschichte seiner Tante Anna Koppel aufgeschrieben. Gelungen ist ihm ein Roman, der so wohl die Geschichte einer europäischen jüdischen Familie als auch die ganz persönliche Lebensgeschichte einer nach dem Sinn des Lebens suchenden Frau erzählt.

Hannah Koppelman (Anna Koppel) lebt mit ihrer jüdischen Familie in Kopenhagen. Ihre Eltern haben wie so viele Andere nach dem Ersten Weltkrieg die Heimat Polen verlassen. Eigentlich sollte es nach Amerika gehen. Doch die Zwischenstation Kopenhagen wird dann dauerhaft zum Lebensmittelpunkt. Die Koppelmans leben ein traditionell jüdisch geprägtes Leben. Religiöse Feste und die große Familie bestimmen das Leben und den Alltag. Hannah wächst in großer Geborgenheit als jüngstes Kind nach drei Söhnen auf. Die Geschwister verbindet die Liebe zur Musik. Die Brüder wagen nicht nur beruflich sondern auch die Liebe betreffend neue Wege. Alle drei heiraten nicht-jüdische Frauen, was Hannahs Mutter jedes Mal verzweifeln lässt. Langsam aber schleichend über die Generationen löst sich die jüdische Kultur auf.
Am Ende lastet auf Hannah das schwere Erbe, sich den Wünschen der Eltern fügen zu müssen. Für Ihr Leben hat das weitreichende Konsequenzen. Ihre große Liebe kann sie nur in ihren Träumen leben, und auch der Wunsch Musikerin zu werden, erfüllt sich für Hannah nicht.

Benjamin Koppel hat ein intensives, zu Herzen gehendes Buch geschrieben. Man spürt beim Lesen die enge Verbundenheit, die er zu der Geschichte hat. Ich empfehle es allen, die gerne Familiengeschichten lesen.

Bewertung vom 12.03.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


ausgezeichnet

Auch in ihrem neuen Roman "Der ehrliche Finder" verschont Lize Spit die Leser und Leserinnen nicht: die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Jungen steuert unerbittlich auf das nicht nur bittere sondern auch grausame Ende zu. Zum Schluss ist nichts mehr, wie es war.

Jimmy und Tristan sind gleichaltrige Jungs. Mit sehr unterschiedlichen Problemen. Jimmy leidet darunter, dass der Vater die Familie verlassen hat und freut sich, in Tristan jemanden gefunden zu haben, mit dem er seine Sammelleidenschaft für Flippos teilen kann. Tristan ist mit seinen Eltern und vielen Geschwistern aus dem Kosovo geflüchtet. Familie Ibrahimi hat in dem belgischen Dorf Bovenmeer Fuß gefasst und eine große Hilfsbereitschaft der Dorfbewohner erfahren. So weit so gut. Bis eines Tages die Ausweisung der Familie Ibrahimi auf dem Tisch liegt. Ab nun wird eine Beklemmung beim Lesen spürbar. Denn Tristan hat einen unheilvollen Plan geschmiedet. Mit einer Heldentat will er seine Familie vor der Ausweisung retten.

Auf einer wahren Geschichte basierend erzählt Liz Spit einerseits in liebevollem Detailreichtum von der Freundschaft zwischen Jimmy und Tristan. Das muss als Trost reichen, denn die Unmenschlichkeit des Realen mutet sie am Ende ebenso zu. Ein lesenswertes Buch!

Bewertung vom 25.02.2024
Krummes Holz
Linhof, Julja

Krummes Holz


ausgezeichnet

"Aus Krummen Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades werden".

Keinen geringeren als Immanuel Kant hat sich die Autorin Julia Linhof für ihr Romandebüt "Krummes Holz" als "Zitatpaten" gewählt.
Ihre Protagonisten Jirka, Malene und Leander sind aus eben diesem krummen Holz gemacht, oder anders: das Leben hat sie ein bisschen "verbogen".
Ein heißer Sommertag und eine öde Landschaft: hier hinein gerät man beim Lesen der ersten Seiten von Krummes Holz. Und bereits hier wird man tief in die Geschichte von Jirka, Leander und Malene hineingezogen.
Jirka kommt das erste Mal nach fünf Jahren im Internat, zurück auf den abgewirtschafteten elterlichen Hof, gelegen in der Einöde zwischen Sauerland und Ruhrgebiet. Sofort kommen die Erinnerungen an die Härte und das Schweigen der Kindheit, die Atmosphäre des Nicht-Willkommensein, an den Tod der Mutter. Jirkas Vater ist verwunden, seine Schwester Malene schweigt wütend und Leander, der Sohn des letzten Verwalters weicht ihm aus. Nur die demente Oma lässt Nähe zu.
Julia Linhof schafft es auf wunderbare Weise, dass man Jirka beim Lesen ganz Nahe kommen kann. Die Rückblenden in die glücklose Kindheit gelingen perfekt und der Bogen, den sie in die Gegenwart spannt, hat mich das Buch kaum aus der Hand legen lassen. Und über allem wabert die Schwüle des Sommers, bis sich ein Gewitter entlädt. Und das darf man gerne auch metaphorisch verstehen.
Am Ende ist das Krumme ein wenig begradigt. Das Schweigen wird gebrochen und Neues ist möglich.
Krummes Holz: ein richtig gutes Buch. Ich freue mich auf weitere Bücher von Julja Linhof und gebe eine ganz große Leseempfehlung.

Bewertung vom 14.04.2023
Keine gute Geschichte
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte


sehr gut

Es klingt fast wie eine Warnung: Sowohl der Titel "Keine gute Geschichte" als auch der erste Satz des Buches "Dies ist keine gute Geschichte" weisen ausdrücklich darauf hin, womit man es bei dem Debütroman der aus dem Ruhrgebiet stammenden Lisa Roy zu tun hat. Kompromisslos legt sie den Finger in die Wunden einer im Brennpunkt lebenden Gesellschaft, womit ihr aus meiner Sicht eine richtig gute Geschichte gelungen ist.

Die in prekären Verhältnissen in Essen-Katernberg aufgewachsene Arielle Freytag hat es geschafft: als Social-Media-Managerin führt sie ein finanziell unabhängiges Leben, ihre Herkunft allerdings möchte sie vergessen. Dies gelingt leider gar nicht, denn Arielles Großmutter benötigt Hilfe, sodass sie nach zwölf Jahren das erste Mal wieder in die Lebenswelt ihrer Kindheit und Jugend zurückkehren muss.
In Arielles Leben gibt es einige Geheimnisse zu lüften. Wer ist ihr Vater? Wohin ist ihre Mutter vor 24 Jahren spurlos verschwunden? Und wie hält man ein Leben in der Trostlosigkeit eines von der Politik vergessenen Stadtteils aus?
Arielle trifft auf Freundinnen aus ihrer Kindheit, für die sie anfangs nur Unverständnis und Überheblichkeit empfinden kann. Je mehr sich die "neue" raue Arielle mit dem mutter- und vaterlosen Kind Arielle von damals anfreundet, desto mehr "gesundet" die Protagonistin.

Am Ende blieb bei mir Ernüchterung, Mitgefühl und irgendwie auch Verständnis für Lisa Roys perfekt belebte Figuren. Hier weiß jemand wirklich Bescheid über das, was er schreibt. Nichts wirkt ausgedacht, alles scheint selbst erlebt zu sein. Auch wenn Roys Sprache oft holzhammermäßig daherkommt, so gehört doch alles genau so. Und: Warnungen vor dieser Geschichte gab es genug...
Lisa Roy: eine Autorin, von der ich sicherlich nicht das letze Mal gelesen habe.

Bewertung vom 30.04.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


ausgezeichnet

Ein Tag im Sommer in Back Woods am Cape Cod, der sich zu einem ganzen Leben, zu dem Leben einer ganzen Familie entfaltet. Und dies mit meisterhaft gestalteten Bildern, das ist die Geschichte von "Der Papierpalast.

Die Autorin Miranda Cowley Heller lässt die 50jährige Elle den vorherigen Abend Revue passieren. Der Abend, an dessen Ende sie ihren Ehemann Peter mit ihrer Jugendliebe Jonas betrogen hat. Nur Sex mit dem besten Freund? So einfach ist es nicht. Wie alles in Elles Leben und dem ihrer weiblichen Vorfahren. Aus dem Rückblick auf den Abend entfaltet die Autorin auf wunderbar erzählerische Art und Weise Elles ganzes Leben. Am Ende eines einzigen Tages versteht nicht nur Elle, sondern auch der Leser/die Leserin versteht. Versteht wie Leben/Biographien zustande kommen, und dass ungeachtet der Tragödien, um die keine Familie herumkommt, es immer weitergeht. So klug der Satz, den Miranda Cowley Heller Elle sagen lässt: "Jede Famile ist auf ihre eigene Weise unglücklich". Überhaupt ist hier ein kluges Buch gelungen, unabhängig von all der Sommerhaus-am-See-Stimmung. Klug, weil es die dunklen Seiten der Familie und des Lebens nicht verschweigt. Kein Leben ist nur hell und schön. Und doch gelingt es, nicht zuletzt immer wieder durch den trockenen Humor von Elles Mutter Walace, dass ein Funken Leichtigkeit hineinkommt.

Für mich ist "Der Papierpalast" ein Highlight in meinem bisherigen Lesejahr. Ein Haus aus Papier, als Übergangslösung geplant, scheint mir ein Gleichnis für das Leben zu sein. Fragil, aber doch standhaft über die Jahrzehnte. Kein Wohlfühl-Roman im klassischen Sinne, und doch entschädigt die Wildheit der Bildsprache, gerade wenn es um die Beschreibung der Natur geht, für alles Schlimme, das man mit Elle tapfer mitleidet. Hätte ich einen Wunsch für eine Buchverfilmung frei, es wäre "Der Papierpalast.

Bewertung vom 06.04.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


weniger gut

Vertrauen von Dror Mishani: Hierauf hatte ich mich sehr gefreut, da mir der Vorgängerband mit dem Titel Drei sehr gut gefiel. Und auch die Leseprobe hatte meine Neugier auf den mittlerweile vierten Band um Inspektor Avi Avraham aus Tel Aviv geweckt. Leider konnte mich der Krimi nicht für sich einnehmen.
In Vertrauen geht es um zwei Fälle, die nebeneinanderher laufen. Während Avraham sich um das rätselhafte Verschwinden eines Touristen aus einem Hotel kümmert, muss seine Kollegin Esti Wahabe herausfinden, was es mit dem vor einem Krankenhaus anonym abgegeben Säugling auf sich hat. In diesem Fall gibt es schnell eine Verdächtige. Und ab da wurde es für mich sehr verworren. Über viele Seiten darf man den inneren Monologen dieser Person folgen. Ich wusste die meiste Zeit nicht, ob sie mir unsympathisch sein soll, oder ob sie ein Opfer irgendeiner Tat in der Vergangenheit war.
Auch der Kommissar kommt mit seinen Ermittlungen nicht recht voran. Ist der tote Tourist nun ein Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes oder nicht? Die Spur führt nach Paris, wo sich dann die Fälle für Avraham kreuzen.
Leider konnte ich den Erzählsträngen über weite Teile des Buches hinweg nicht folgen. Zu viele Namen von mehr oder weniger unwichtigen Personen, zu wenig Bewegung in den Fällen. Die Kapitel, in denen es um das Privatleben des Kommissars geht, haben mir recht gut gefallen. Einem neuen Krimi von Dror Mishani kann ich jedenfalls nach Vertrauen sehr gelassen entgegensehen.

Bewertung vom 09.03.2022
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


sehr gut

Das Leben von Michael Hartung plätschert mehr schlecht als recht vor sich hin. Wenig gewinnbringend betreibt er in Zeiten von Streamingdiensten eine Videothek in Berlin. Aber nicht nur Geldsorgen, sondern auch das kaum vorhandene Verhältnis zu Tochter und Enkelkindern machen Hartung das Leben nicht gerade leicht. Wie gut, dass eines Tages der Journalist Alexander Landmann in seinen Laden kommt, und ihm ein lukratives Geschäft unterbreitet. Landmann seinerseits auf der Suche nach einer Titelblattstory, die ihn beruflich nach vorne bringt, hat alte Stasiakten ausgegraben, in denen ein gewisser Michael Hartung als Fluchthelfer für 126 DDR-Bürger tätig gewesen sein soll. Hartung streitet zuerst ab, doch dann lacht das Geld, und der Held vom Bahnhof Friedrichstraße ist geboren.

Ab da nimmt nicht nur Maxim Leos Buch Fahrt auf, auch das Leben des glücklosen Hartung beginnt sich zu verändern. Immer tiefer gerät er in den Sog der Medien - und damit in den Sumpf der erfundenen Geschichte - bis letztendlich auch der Bundespräsident auf ihn aufmerksam wird. Als Hartung zum Jahrestag des Mauerfalls gar gebeten wird, eine Rede vorm Deutschen Bundestag zu halten, beginnt er die Reißleine zu ziehen.

Amüsant, rasant und witzig beschreibt der Autor die Geschichte des tragischen Helden, der aus meiner Sicht am Ende durch seinen Mut zu einem echten Helden wird. Ein kurzweiliges Buch, dass nicht nur Einblicke in den Medienzirkus gibt, sondern auch Schlaglichter auf Politik, DDR unddas Verhältnis West-Ost wirft. Ich empfehle dieses Buch allen, die beim Lesen gerne schmunzeln und schnelle Szenenwechsel mögen.

Bewertung vom 05.12.2021
Goldenes Gift / Xavier Kieffer Bd.7
Hillenbrand, Tom

Goldenes Gift / Xavier Kieffer Bd.7


gut

Nun ermitteln sie wieder: Xavier Kieffer, seines Zeichen ehemaliger Sternekoch, und Valérie Gabin, die mehr oder weniger beschäftigungslose Verlagserbin des Guide Gabin. Autor Tom Hillenbrand hat mit Goldenes Gift den 7. Band seiner kulinarischen Krimis vorgelegt, und hier geht es actionreich mit einem aktuellen Thema zur Sache.

Der Luxemburger Stadtimker Pol Schneider beliefert nicht nur Kieffers Restaurant Deux Èglise mit seinem Honig, sein scheinbar einträgliches Geschäft mit dem Bienengold macht ihn in der ganzen Stadt bekannt. Als Schneider eines Tages auf dem Dach eines Hochhauses tot aufgefunden wird beginnt nicht nur Kommissarin Lobato zu ermitteln, auch Xavier und Valérie geben alles, um den Fall aufzuklären.

Tom Hillenbrand hat sich in seinem neuen Krimi gleich mehreren aktuellen Themen gewidmet: Honig, Lebensmittelfälschung und auch Genmanipulation werden in Goldenes Gift behandelt. Bücher, in denen es um Bienen geht, sind derzeit sehr im Trend. Hillenbrand allerdings romantisiert nicht und es wird auch nichts beschönigt. Der Handel mit dem Lebensmittel Honig ist dem Profit genauso untergeordnet, wie es in anderen Bereichen üblich ist. Daran können leider auch die vielen Neu-Hobbyimker der letzten Jahre nichts ändern.

Als Leser:in des Krimis wird man mit reichlich Hintergrundwissen versorgt und Hillenbrandt nimmt tatsächlich jede Illusion, die man im Zusammenhang mit Honigproduktion noch hatte. Der Koch und die Journalistin sind ein super Team, was die Ermittlungen angeht. Mir war es an der einer oder anderen Stelle allerdings zu actionreich und auch zu sehr konstruiert. Auch die Ausführungen zu den Möglichkeiten der Genmanipulationen waren mir tatsächlich zu langatmig.

Zum Glück darf man zwischendurch immer mal wieder in Kieffers gemütliches Restaurant in der Luxemburger Altstadt einkehren. Dort finden für mich die Situationen statt, die Hillenbrands kulinarische Krimis bisher den Reiz gegeben haben. Hier geht es international, luxemburgisch und deftig zu. Im nächsten Band von "Xavier Kieffer ermittelt" darf es davon gern wieder mehr sein.

Bewertung vom 01.10.2021
Die letzte Tochter von Versailles
Stachniak, Eva

Die letzte Tochter von Versailles


sehr gut

Eva Stachniak ist eine Meisterin des historischen Romans, und auch in ihrem aktuellen Buch Die letzte Tochter von Versailles erweckt sie eine vergangene Welt kenntnisreich zum Leben.

Frankreich am Vorabend der Französischen Revolution: Die 13jährige Veronique lebt mit ihrer verwitweten Mutter und den Brüdern mehr recht als schlecht vom Verkauf alter Kleider. Das Leben in Paris ist für Nicht-Adelige kein Zuckerschlecken. Wie groß sind daher die Erwartungen der Familie, als das hübsche Mädchen auserwählt wird und in Versailles die Chance erhält, zu Bildung und Wohlstand zu gelangen. Welche Gegenleistung sie erbringen muss, ahnt Veronique allerdings nicht. Auch nicht, dass der polnische Adlige, zu dem sie ins Schloss Versailles gerufen wird, kein anderer als der französische König Louis XV. ist. Dieser lebt selbstherrlich wie seine Vorfahren im Prunkschloss Versailles. Berühmt ist er geworden durch seine langjährige Mätresse Madame Pompadour. Diese ist es auch, die dafür sorgt, dass es Louis nicht langweilig wird. Immer neue, blutjunge Mädchen braucht der absolute Monarch. Und die Pompadour hat mit dem Kammerdiener des Königs ein System entwickelt, damit die Gier des alternden Mannes befriedigt wird. Dazu gehört auch das "Entfernen" der Mädchen, wenn sie nicht mehr gefallen. Veronique wird es nicht anders ergehen. Ein Kind vom König erwartend muss sie das Feld für Andere räumen.

Spannend und detailreich schildert Eva Stachniak im ersten Teil des Buches das Schicksal der schönen Veronique, die am Ende ein Opfer der Machtverhältnisse im royalen Umfeld wird. Man leidet mit ihr und ist mit ihr aufgeregt vor der ersten Begegnung mit Louis. Letztendlich macht es sehr traurig, was ihr widerfahren ist.

Im zweiten Teil des Buches nun geht es um ein weiteres Schicksal einer jungen Frau: Marie-Louise wächst bei unterschiedlichen Pflegefamilien auf, bis sie bei der Hebamme Margot ein echtes Zuhause findet. Als Sie den Anwalt Pierre heiratet, kann sie noch nicht ahnen, dass der Revolutionär am Ende der Französischen Revolution zum Opfer fallen wird. Die Vergangenheit holt Marie-Louise ein, als sie eine alte Witwe in ihren Haushalt aufnimmt und somit das Rätsel ihrer eigenen Herkunft gelöst wird.
Diesen Teil des Buches habe ich nicht so schnell verschlungen, wie die Geschichte um Veronique. Zu langatmig sind die Beschreibungen zB. des Haushalts, den Veronique führt. Auch die politischen Verhältnisse, die ja diese Zeit prägen, werden aus meiner Sicht zu wenig interessant geschildert. Die Autorin verliert sich in Andeutungen rund um die Ereignisse, von denen Marie-Louise und ihr Mann betroffen sind.
Es ist tatsächlich ein markanter Wechsel in der Erzählweise , der zwischen dem ersten und zweiten Teil stattgefunden hat. Ich musste mich da teilweise selber sehr zum Weiterlesen motivieren. Die 4-Sterne-Bewertung gibt es im Prinzip für den ersten Teil, der eine (zum Glück) vergangene Zeit wunderbar zum Leben erweckt hat.

Bewertung vom 28.09.2021
Das letzte Bild
Jonuleit, Anja

Das letzte Bild


ausgezeichnet

Im November 1970 wurde im norwegischen Isdal die verbrannte Leiche einer jungen Frau gefunden. Die Umstände, die zum Tod der Frau geführt haben, konnten nie geklärt werden. Zwar hat die norwegische Polizei den Fall 2016 wieder aufgerollt, und neue ermittlungstechnische Verfahren konnten neue Hinweise geben, doch die genauen Umstände des Todes und die Identität der Frau sind bis heute rätselhaft geblieben. Anja Jonuleit hat sich in Das letzte Bild der Geschichte der namenlosen Frau angenommen und ihr auf überaus spannende Art und Weise ein Leben und letztendlich eine Heimat gegeben.

Die zwei Hauptfiguren des Buches sind Eva und Marguerite. Marguerite verliert als kleines Mädchen in den Wirren des Zweiten Weltkrieges ihre Familie und wird zeitlebens eine Suchende sein. In den Jahren der Nachkriegszeit versucht sie den Spuren ihrer Herkunft nachzuspüren und nach vielen Jahren der Hoffnungslosigkeit ergibt sich eine Reise nach Norwegen, von der sich Marguerite sehr viel verspricht. In Begleitung eines Mannes begibt sie sich in eine Gesellschaft, die sie vermutlich am Ende das Leben kostet.
Eva lebt als Autorin in München und wird eines Tages auf schmerzhafte Weise mit der Vergangenheit hier Familie konfrontiert. Eine Tageszeitung veröffentlich das Foto der Frau aus dem Eistal. Die norwegische Polizei hat die Ermittlungen zu dem 50 Jahre alten Fall wieder aufgenommen und nun ist auch Eva ein Teil der Geschichte. Denn die Ähnlichkeit zwischen ihr und der unbekannten Frau ist so groß, dass Eva schnell aufdeckt, dass es sich hier um eine Verwandte handelt. Und so reist sie nach Norwegen, um Licht ins Dunkel der Angelegenheiten ihrer Familie zu bringen.
Anja Jonuleit beweist große Stärke darin die zwei Erzählstränge miteinander zu verweben. Wie sie die Geschichten von Eva und Marguerite aus unterschiedlichen Zeitebenen aufeinander zu erzählt, bekommt von Kapitel zu Kapitel mehr Tiefe und Spannung. Jonuleit hat umfassend zum Fall der Isdal-Frau recherchiert, wie sie im Anhang des Buches darlegt. Viele lose Enden um den Aufenthalt der Frau in Norwegen haben schon die Polizei vor Rätsel gestellt und die Presse zum Spekulieren veranlasst. Das Verdienst, das sich die Schriftstellerin erworben hat, liegt nun im Konstruieren einer Geschichte, die weit in die deutsche und norwegische Geschichte zurückreicht und somit auch einem Menschen eine Geschichte gegeben hat, die sich so ereignet haben könnte. Und damit ist ihr die Aufmerksamkeit der Leser:innen bis zur letzten Seite gewiss.

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