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Benutzername: 
Chrissie
Wohnort: 
Buchholz

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
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Bewertung vom 06.09.2021
Tod in der Schorfheide
Brandes, Richard

Tod in der Schorfheide


ausgezeichnet

In den stillen Wäldern Brandenburgs offenbaren sich menschliche Abgründe. Ein Verbrechen aus der Vergangenheit lässt die Opfer nicht zur Ruhe kommen. Eine Herausforderung nicht nur für das Ermittlerteam.

Als Kriminalkommissarin Carla Stach zum abgebrannten Forsthaus in die Schorfheide gerufen wird, ist das Ausmaß des Verbrechens, welches hier zu Grunde liegt, für sie und ihr Team noch nicht absehbar. Als dann noch ein junges Mädchen verschwindet und klar wird, dass die beiden Fälle zusammenhängen, beginnt für Carla ein Wettlauf mit der Zeit. Immer tiefer muss sie während der Ermittlungsarbeit in die Vergangenheit des Opfers eintauchen und kommt dabei selbst an ihre Grenzen.

Richard Brandes hat mit Tod in der Schorfheide einen spannungsreichen Krimi geschrieben, der mit Hintergründen aus der Psychologie angereichert ist. Auch der Ort der Handlung ist gut gewählt. Düstere Wälder und einsam gelegene Dörfer lassen eine mystische Stimmung entstehen. Alle Zutaten für einen fesselnden Kriminalroman sind stimmig kombiniert. Besonders gut gefallen haben mir die sehr unterschiedlichen aber authentisch inszenierten Ermittlercharaktere. Man hat es hier mit Polizisten zu tun, die lebensnah und echt in ihrem Umfeld wirken. Tod in der Schorfheide hat mich bis zuletzt in Atem gehalten. Ich freu mich schon riesig auf den neuen Fall, der hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lässt. Brandenburg-Krimis von Richard Brandes: Ein Muss für jede/jeden Liebhaber/in des Genres Regional-Krimi.

Bewertung vom 05.09.2021
Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García
Rinke, Moritz

Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García


ausgezeichnet

Fußball, Lanzarote und Nobelpreisträger: Moritz Rinke bringt in Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García vieles auf wunderbare Weise seine Lieblingsthemen zusammen und macht daraus eine Geschichte, die das Herz wärmt.

Pedro ist stolzer Postbote auf der Kanaren-Insel Lanzarote, und das schon in der dritten Generation. Bereits sein Großvater war im Dienste der staatlichen Post der Königreichs Spanien auf der kargen Vulkaninsel unterwegs. Allerdings hat Pedro ein Problem, dass sein Großvater nicht hatte. Die Menschen schreiben sich nicht mehr soviel Briefe wie früher, was schlecht für den Postboten ist. Mit einem Trick aber kann Pedro die Fahrten mit seiner Diensthonda dem Arbeitgeber glaubhaft machen, da als Nachweis lediglich die Tankquittungen gefordert sind.
Nicht nur die Fahrten über die Insel füllen Pedros Tag, auch die Zeit, die er mit seinem Sohn Miguel verbringt, bereichern sein Leben. Denn Miguels Mutter Carlota hat immer weniger Zeit für Mann und Sohn und so ist Pedro gefordert für Miguel zu sorgen. Leider passiert dann etwas sehr trauriges und Pedro muss sich bald allein im Posthäuschen und in seiner kleinen Welt zurechtfinden. Am Ende wird zwar alles gut, doch bis dahin muss der gutmütige Pedro noch einiges durchstehen, was nicht zuletzt mit der Vergangenheit seiner Familie und der Gegenwart der Insel zu tun hat.

Moritz Rinke hat mich mit seinem neuen Buch komplett begeistern können. Er ist ein wahrhaftiger Meister im Erzählen und seine Figuren sind so von Herzen liebevoll beschrieben, dass das Lesen Vergnügen bereitet neben allem Traurigen im Buch. Im Nachwort widmet Rinke sein Buch auch den 15 Kindern, die 2009 vor der Küste Lanzarotes ertrunken sind. Mehr ist zu diesem Autor nicht zu sagen/zu schreiben. Außer vielleicht, dass noch möglichst viele Bücher folgen mögen.

Bewertung vom 24.06.2021
Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
Green, John

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?


ausgezeichnet

Das Anthropozän ist das das Erdzeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren für Prozesse im Gesamtkontext der Erde geworden ist. Der Klimawandel ist ein bitteres Beispiel dafür, wie unheilbringend das Tun der Menschen sich auf Umwelt und Natur und eben auch auf die Menschheit selber, auswirken kann. Der Glaube an eine Schwarmintelligenz ist leider nur ein Ausdruck der Hilflosigkeit Einzelner. Hoffnung auf Besserung, ohne aktiv etwas ändern zu wollen, ist leider nur eine Beruhigungspille, damit alles so weitergehen kann wie bisher.

Der amerikanische Romanautor John Green hat mit seinem Buch Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen? seiner Hoffnung, dass die Welt noch nicht verloren ist, auf eine besondere Weise Ausdruck verliehen. Seine Fähigkeit kurzweilig über unterschiedlichste Themen zu schreiben, sie von allen Seiten zu beleuchten und am Ende eine Bewertung (die bekannte 5-Sterne-Bewertung) abzugeben, ist eine wunderbar kreative Idee. Was die Essays in seinem Buch so lesenswert macht, ist die sehr persönliche Umgangsweise mit den Themen. Sei es das Kapitel Der Halleysche Komet oder etwa Mein Freund Harvey, immer wird es am Ende persönlich. Man erfährt viel über den warmherzigen Menschen John Green, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Leben zu lieben. Obwohl er, wie wir alle auch - weiß, wie es endet.

John Green hat ein informatives, kurzweiliges, mit Ironie durchsetztes Buch geschrieben, dessen Stärke meiner Meinung nach, die große Warmherzigkeit ist, die den Zeilen entströmt. Ein Buch, dass ich mit Sicherheit häufiger mal zur Hand nehmen werde, denn es ist zeitlos interessant. Vielen Dank John Green. Sie erhalten von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 06.06.2021
Laudatio auf eine kaukasische Kuh
Jodl, Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh


ausgezeichnet

Eine turbulente Komödie, so wäre vielleicht das Label, wenn Angelika Jodls Buch ein Film wäre. Während des Lesens musste ich manchmal an lustige Verwechslungskomödien denken, in denen der eifersüchtige Liebhaber den Rivalen mit gezogener Pistole verfolgt und der wiederum von der Angebeteten verschmäht wird. Aber nein, soviel Unrecht möchte ich diesem Buch mit dem phantasievollen Cover nicht antun. Ich fühlte mich auf jeder Seite wunderbar unterhalten.
Für Medizinstudentin Olga rückt die Erfüllung ihres Traumes in erreichbare Nähe. Bald wird sie Ärztin sein und mit ihrem ebenfalls medizinstudierenden Verlobten Felix ein wunderbares Paar abgeben. Wenn nicht ihre Familie wäre. Die Evgenidous sind georgische Einwanderer mit griechischen Wurzeln. Und sie halten die georgische Kultur auch in der Wahlheimat München hoch. Olga sind sie peinlich. Sie grillen im Park, der Vater ist „Arbeiter“, und sie scheinen in uralten Traditionen stehen geblieben zu sein. Wie soll Olga nur den spröden norddeutschen Felix Van Saan ( es scheint, als wäre dieser Name für Olga das reizvollste an Felix) der Familie vorstellen?
Und dann kommt alles ganz anders. Der Lebenskünstler Jack erscheint auf der Bühne und ab sofort verliert Olga die Kontrolle über ihren Plan. Als dann Olgas Familie zum Verwandtenbesuch nach Georgien reist, beginnt die Geschichte so bunt zu werden wie die Kuh auf dem Buchcover.
Der georgische Teil, so nenne ich diese Kapitel des Buches, sind Angelika Jodl ganz besonders gut gelingen. Mich hat ein großes Interesse für dieses Land gepackt, welches mich vor lauter Vorurteilen nie wirklich interessiert hatte. Ein Fehler, wie sich beim Lesen herausgestellt hat.
In der Heimat zeigt sich die große Stärke von Olgas Familie. Gastfreundschaft, Improvisationstalent und die Fähigkeit, die Wirklichkeit ab und an so zu biegen, wie es passt, haben mich dieses wunderschöne Land zwischen Europa und Asien mit anderen Augen sehen lassen.
Heimat, Wurzeln, Familie und nicht zuletzt die Liebe mit einem wunderbaren Happy End sind die Zutaten für eine bunte Geschichte, die einfach nur schön geschrieben ist. Und es schadet ja nicht, wenn man auch gut unterhalten wird beim Bücherlesen.

Bewertung vom 11.02.2021
Sprich mit mir
Boyle, T. C.

Sprich mit mir


ausgezeichnet

Mein Lesejahr hat mit dem neuen Buch von T.C. Boyle ganz fantastisch begonnen. Zugegebenermaßen ist "Sprich mit mir" mein erster Roman von Boyle und ich bin restlos begeistert.

Der zweijährige Schimpanse Sam lebt in einer Art WG mit Guy, Josh und anderen Betreuern. Umsorgt wie ein Kind ist er Teil einer Gemeinschaft, mit der er lernt, spielt, Fernsehabende verbirgt und feiert. Was Sam allerdings nicht weiß: Er ist ein Forschungsobjekt und dient letztlich nur den wissenschaftlichen Ambitionen seiner Mitbewohner. Guy ist Professor und erforscht in wieweit Schimpansen in der Lage sind, Sprache zu erwerben. Mit Sam hat er bereits einige Berühmtheit erlangt, da er mit ihm in einer Fernsehshow auftrat. Sam hat die Gebärdensprache erlernt und ist in der Lage zum Teil komplexe Sachverhalte zu kommunizieren.
Sam benötigt eine neue Betreuung, und somit kommt die schüchterne Studentin Aimee mit ins Team. Sie baut eine tiefe Beziehung zu dem Schimpansen auf. Am Ende ist sie diejenige, der Sam restlos vertraut.
Mit Aimee kommt sehr viel Gefühl und letztlich auch Dramatik in die Geschichte. Als Sam zu Tierversuchszwecken seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wird, setzt Aimee alles daran ihrem Freund ein Leben im Käfig zu ersparen.
Mich hat die Geschichte von Sam sehr nachdenklich zurückgelassen. Zwar sind die Innenansichten Sams, die Boyle geschickt dadurch beschreibt, dass einzelne Kapitel aus Sams Sicht geschrieben sind, fiktiv, aber es braucht nicht viel Fantasie um sich das Leid eines Tieres in Käfighaltung vorzustellen. Woher auch immer Menschen das Recht nehmen, Experimente mit Tieren durchzuführen, T.C. Boyle stellt dies doch sehr in Frage.
Ein Buch, dass spannend, lustig und traurig zugleich ist.

Bewertung vom 05.09.2020
Ein Sonntag mit Elena
Geda, Fabio

Ein Sonntag mit Elena


ausgezeichnet

Fabio Gedas Buch "Ein Sonntag mit Elena" beginnt sehr melancholisch, sodass sich eine fast langweilige Sonntagsstimmung ausbreitet. Doch es lohnt sich, mit dem Protagonisten durch den Sonntag zu gehen, denn am Ende - so muss es tatsächlich formuliert werden - ist alles gut.
Die Erzählerin der Geschichte ist Guilia. Sie berichtet über die lange zurück liegende Begegnung ihres Vaters mit Elena und deren Sohn Gaston an einem herbstlichen Sonntagnachmittag in Turin. Guilias Vater muss nach dem Tod seiner Frau sein Leben neu ordnen. Da er während seiner beruflichen Tätigkeit als Brückenbauer viel in der Welt unterwegs war und seine Frau sich um Guilia und die zwei weiteren Kinder kümmerte, scheint der Kontakt zu seinen Kindern sehr lose zu sein. Durch einen Zufall lernt er Elena und ihren dreizehnjährigen Sohn kennen. Zu dritt verbringen sie den Nachmittag und freunden sich an. Elena Leben verändert sich dadurch und auch in das Leben von Guilias Vater kommt Bewegung. Die Beziehungen zu seinen Kindern werden enger und erfreulicher.
Für alle, von Fabio Geda sprachlich sehr zart gezeichneten Charaktere der Geschichte, scheint der Sonntag ein Wendepunkt zu sein. Geda schafft es nach und nach zu verdeutlichen, worauf es ankommt, wenn Menschen einander lieben.
Ein wirklich schönes Buch, dass seine Stärke und Kraft erst im letzten Drittel entfaltet.

Bewertung vom 05.09.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


sehr gut

Andreas Wagner hat In seinem Buch „Jahresringe“ Themen wie Naturschutz, Heimatsuche, Familie und Tradition zu einer kurzweiligen Geschichte verarbeitet, die sehr zum Nachdenken anregt.

Das Flüchtlingsmädchen Leonore Klimkeit kommt 1946 in dem kleinen Dorf Lich-Steinstraß an. Nach einer langen Flucht aus dem Osten soll der Ort mit seinen katholischen Bewohnern nun ihre neue Heimat werden. Heimisch wird Leonore, „die Evangelische“, hier nie werden, dafür lehnen die Einheimischen sie auch nach vielen Jahren noch ab. Bis auf den Bäcker Jean Immenrath: bei ihm und seiner Mutter findet sie ein Zuhause. Sogar die Bäckerei darf sie eines Tages übernehmen. Fremd wird Leonore aber immer bleiben, auch als dann ihr Sohn Paul geboren wird, lebt sie weiterhin ihr zurückgezogenes Leben. Einziger Trost für Leonore ist der Wald. Hierhin zieht sie sich immer wieder zurück und fühlt ein bisschen Geborgenheit. Doch unter dem Wald verbirgt sich die begehrte Braunkohle. Leonore wehrt sich lange gegen eine Umsiedlung, doch am Ende muss auch sie den zerstörenden Schaufelradbaggern weichen. Erneut verliert sie ihr Zuhause und die Natur, mit der sie sich verbunden fühlt. Der Raubbau an der Natur schreitet voran und doch arrangieren sich die Menschen damit. Sohn Paul arbeitet für den Energiekonzern und kann dadurch sich und seine Kinder ernähren. Zu großen Konflikten kommt es in der Familie, als sich Pauls Tochter den Umweltschützern anschließt und in ein Protestcamp in den Hambacher Forst zieht.

Einfühlsam und ruhig erzählt, zeigt „Jahresringe“, dass nichts nur schwarz oder weiß ist. Das Menschliche sind die Graustufen und nichts geschieht ohne Grund. Leonores Verlust der Heimat wird an ihre Nachkommen weitergegeben, bis die Enkelgeneration bewusst versucht, sie zu bewahren und die Natur zu schützen. Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Auch weil im letzten Teil viel über die Protestbewegung im Hambacher Forst zu erfahren war.

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