
Ihr erster Roman "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" erschien 1997 im Reclam Verlag. Nur kurz nach der Veröffentlichung schrieb sie ihn zu einem Theaterstück um, das 1999 in Stuttgart Premiere feierte. Die Arbeit am und für das Theater ist seither wichtiger Bestandteil von Bergs Schaffen, das Stück "Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen" (2013) wurde 2014 von der Zeitschrift Theater heute zum "Stück des Jahres" gekürt. Auch zahlreiche weitere Romane hat sie seither veröffentlicht, zuletzt erschienen "Der Mann schläft" (2009), "Vielen Dank für das Leben" (2012) und "Der Tag, als meine Frau einen Mann fand" (2015).Viel Lob gab es beispielsweise von Kritikern für Bergs Roman "Der Mann schläft", eine Liebesgeschichte, die den Widerstreit zwischen einer trocken-zynischen Icherzählerin und der Sehnsucht nach etwas zeigt, was man bei Berg kaum für möglich gehalten hat: der romantischen Liebe. Stellenweise liest sich das Buch wie ein heiterer Liebesroman, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung, indem sich allerdings auch hier wieder die unversöhnliche Haltung der Autorin zeigt, weil bei ihr "Leben Demütigung heißt".Sibylle Bergs Werke wurden in 34 Sprachen übersetzt, für ihre Lesungen kooperiert sie oftmals mit Schauspielern, Musikern und anderen Künstlern. 2016 lief in den deutschen Kinos der Film "Wer hat Angst vor Sibylle Berg?", ein Porträt über die streitbare Autorin.
Andere Zeiten, anderer Blick
1. Januar 2016, Sibylle Berg besucht ihre Familie in Tel Aviv. Die Böller gehen los. Moment mal, denkt sie sich, Böller gibt es nicht zu Neujahr in Israel, zu angespannt ist die Lage. Kurz darauf sieht sie schreiende Menschen und weinende Kinder die Straße entlanglaufen, die sich ducken und in Hauseingänge flüchten. Das ist kein Fest da unter dem Balkon, sondern ein Anschlag. Berg ist in ihrem Leben im Auftrag von Zeitungen und Zeitschriften viel auf Reisen gewesen, der damit verbundene Spaß ist für sie jetzt endgültig vorbei. In ihrem neuen…mehr
Andere Zeiten, anderer Blick
1. Januar 2016, Sibylle Berg besucht ihre Familie in Tel Aviv. Die Böller gehen los. Moment mal, denkt sie sich, Böller gibt es nicht zu Neujahr in Israel, zu angespannt ist die Lage. Kurz darauf sieht sie schreiende Menschen und weinende Kinder die Straße entlanglaufen, die sich ducken und in Hauseingänge flüchten. Das ist kein Fest da unter dem Balkon, sondern ein Anschlag. Berg ist in ihrem Leben im Auftrag von Zeitungen und Zeitschriften viel auf Reisen gewesen, der damit verbundene Spaß ist für sie jetzt endgültig vorbei. In ihrem neuen Buch "Wunderbare Jahre. Als wir noch die Welt bereisten" präsentiert sie insgesamt 19 Texte aus den Jahren 1994 bis zu eben jenem Moment in Tel Aviv über das Reisen. Darunter finden sich Erzählungen, Beobachtungen, Reportagen, ja, auch Texte mit fiktiven Figuren. Sie berichtet einerseits von einer Welt, als die Menschen Fernweh hatten, als das Reisen noch unbeschwert, schön, abenteuerlich und romantisch war, und zeigt andererseits, wie sehr die Welt sich doch bis heute verändert hat.
Wer den Untertitel allerdings allzu wörtlich nimmt und darauf hofft, in dem Buch eine Sammlung zauberhafter Reisereportagen aus einer guten alten Zeit zu finden, kennt die Schriftstellerin und Kolumnistin (Spiegel Online, Zeit-Magazin) schlecht. Natürlich war die Welt früher für Berg - bekannt für ihre konstant schlechte Laune - auch nicht besser. Angstfrei reisen konnte man ohnehin nie, nur haben sich im neuen Jahrtausend noch einmal die Dimensionen verschoben: "Wollen wir wirklich in einer Welt herumfahren, wo der Strand zur Kampfzone wird, der Konzertsaal zum Bunker, wo neben dem Café die Bomben fliegen?", fragt Berg. Um den Unterschied von früher zu heute zu betonen, setzt sie daher hinter jeden Text Postskriptum-Kommentare und zählt auf, was seit ihrem letzten Besuch an jenem Ort Schlimmes passiert ist, welche Anschläge, Unfälle und Katastrophen sich dort seither ereignet haben.
Ob der Besuch eines Flüchtlingslagers im Kosovo, die Reise auf einem Luxusdampfer, ob Schweiz, Italien oder die USA, ob der Besuch der Bayreuther Festspiele oder eine Reise nach Südafrika - die versammelten Texte und Themen sind ganz unterschiedlicher Art. Da ist zum Einen das bekannte Lamentieren Bergs über die Wohlstandsgesellschaft, zum Anderen finden sich in dem Buch aufrüttelnde Erzählungen wie "Mein Leben als Hund", das Schicksal Paruls, die in den Slums von Bangladesch unter der Gewalt ihres Mannes bis zur Unerträglichkeit leiden muss, nur um dann am Ende gegen eine Andere ausgetauscht zu werden.
Dabei konstatiert Berg, dass es der eigene Blick ist, der sich über die Jahre verändert hat - von einem kindlich-jugendlichen zu einem erwachsenen. Es liegt ja auch an einem selbst, die eigene Wahrnehmung stumpft, je mehr man gesehen hat, eben ab: "Die Schönheit macht nichts mehr mit mir, das Meer ist nur Wasser. Die Erinnerung, das einzig Lebendige, Trauerum die Zeit, in der alles Aufregung war." Abwechslungsreich sind die Erzählformen, mancher Text ist eher Literatur als Reisebericht. Als ein Drehbuch gestaltet ist die Erzählung "Italien. Eins. Und ein wunderbarer Film" über einen Mittdreißiger, der in den 1990er-Jahren eine große Nummer in der Medienwelt war, dessen Stern aber untergeht und der noch einmal ein großes Fest für seine Freunde im "goldenen, schweren Herbst" Bellagios geben will, um sich dann umzubringen, was er aber letztendlich nicht schafft.
Es ist dieser Wechsel des Erzählten, der Stimmungen, des Stils und des Blicks von Berg auf ihre Umgebung, der das Buch so lesenswert und überraschend macht. Der Wechsel vom bekannten giftig-polemischem Kommentieren mit sehr ernsthaften, berührenden und aufrüttelnden Momenten.