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Die witzigsten Geschichten passieren im Taxi - und die traurigsten auch"Ich meldete mich auf eine Anzeige, in der nicht nur Taxifahrer, sondern ausdrücklich auch Taxifahrerinnen gesucht wurden. 1983 war es in Stellenanzeigen noch nicht üblich, jedem Beruf auch eine weibliche Endung anzufügen. Man tat es nur, wenn man andeuten wollte, dass man praktisch jeden nahm."Die wunderbar lakonisch erzählte Geschichte einer jungen Frau, der das Leben nichts schenkt und die einen Beruf hat, in dem sie andauernd Leute trifft, denen das Leben erst recht nichts schenkt. Skurril, erbarmungslos, ehrlich bis…mehr

Produktbeschreibung
Die witzigsten Geschichten passieren im Taxi - und die traurigsten auch"Ich meldete mich auf eine Anzeige, in der nicht nur Taxifahrer, sondern ausdrücklich auch Taxifahrerinnen gesucht wurden. 1983 war es in Stellenanzeigen noch nicht üblich, jedem Beruf auch eine weibliche Endung anzufügen. Man tat es nur, wenn man andeuten wollte, dass man praktisch jeden nahm."Die wunderbar lakonisch erzählte Geschichte einer jungen Frau, der das Leben nichts schenkt und die einen Beruf hat, in dem sie andauernd Leute trifft, denen das Leben erst recht nichts schenkt. Skurril, erbarmungslos, ehrlich bis auf die Knochen - und in einer grandios komponierten Lesung von Anneke Kim Sarnau zu einem großen Kabinettstück tragischer Komik verdichtet.
Autorenporträt
Karen Duve, geb. 1961in Hamburg, lebt mit einem Maultier, einem Pferd, einem Esel, zwei Katzen und zwei Hühnern auf dem Lande in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Trackliste
CD 1
1Track 100:11:09
2Track 200:09:01
3Track 300:09:39
4Track 400:08:53
5Track 500:04:01
6Track 600:06:31
7Track 700:08:20
8Track 800:08:07
CD 2
1Track 100:10:45
2Track 200:08:21
3Track 300:05:00
4Track 400:09:17
5Track 500:10:40
6Track 600:09:50
7Track 700:11:50
CD 3
1Track 100:06:15
2Track 200:04:33
3Track 300:07:22
4Track 400:07:07
5Track 500:08:56
6Track 600:06:02
7Track 700:07:04
8Track 800:05:13
9Track 900:07:07
10Track 1000:06:44
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2008

Einmal falsch abgebogen und nie wieder umgekehrt

Mit Karacho in die Lebens-Sackgasse: In ihrem Roman "Taxi" räumt Karen Duve abermals mit dem Vorurteil auf, dass Jungsein ein Freifahrtschein ins Glück ist.

Jugendliche Helden, die am Leben leiden, muten immer besonders tragisch an. Singt doch fast jeder Schlager davon, dass Glück samt seinen Sahnehäubchen "Liebe" und "Erfolg" ein Privileg der Jugend ist. Weswegen es umso bitterer erscheint, dass ausgerechnet die "beste Zeit des Lebens" für viele Heranwachsende nicht zuletzt aufgrund des äußeren Erwartungsdrucks zum Martyrium wird. Denn mit dem Jungsein allein ist es ja noch nicht getan. Man muss sich auch angemessen "jung" verhalten. Und das meint in westlich-kapitalistischen Gesellschaften vor allem: irre viel Spaß am Leben haben. Doch genau damit tun sich Karen Duves heranwachsende Heldinnen in der Regel denkbar schwer.

So bilanzierte schon die namenlose Ich-Erzählerin aus der 1999 erschienenen Kurzgeschichte "Keine Ahnung", nachdem sie gerade ihr Abitur bestanden hatte: "Mir war das Sein schon zu viel, ich wollte nicht auch noch etwas werden." Ein defätistischer Glaubenssatz, den nicht nur die Bulimie-Kranke Martina aus dem "Regenroman" ebenfalls sofort unterschrieben hätte, sondern auch die essgestörte Altersgenossin Anne Strehlau aus dem Nachfolger "Dies ist kein Liebeslied" von 2002, deren Überforderung mit dem "anstrengenden" Jungsein schließlich in 117 Kilogramm Übergewicht mündete.

Die hübsche Abiturientin Alexandra Herwig aus dem neuen Duve-Roman "Taxi" passt nun in dasselbe Heldinnen-Schema einer jungen Frau mit ausgeprägter Ich-Schwäche. Denn wenngleich Alexandra, die sich Alex nennt, mit ihrem Aussehen eigentlich ganz zufrieden ist, lastet doch auch auf ihr die Bürde des Chancenvorteils "Jugend". Weswegen sie (wie schon ihre Vorgängerinnen) wichtige Entscheidungen gern anderen überlässt, vornehmlich Männern.

Dieser Hang zur Selbstentmachtung zeigt sich schon auf der ersten Seite des Romans, wo erzählt wird, dass Alex ihren Eltern zuliebe eine Ausbildung bei einer Versicherung beginnt, sie aber vorzeitig abbricht, um danach zu Fuß von ihrem Wohnort Hamburg aus Richtung München zu laufen. Alex hofft verzweifelt, "dass sich unterwegs irgendetwas ergeben könnte". Doch natürlich ergibt sich nichts. Stattdessen macht der Bruder seiner verunsicherten Schwester nach deren Rückkehr nur noch mehr Zukunftspanik: "Ich hoffe, du weißt, was du zu tun hast, wenn du in der Gosse gelandet bist." Eine Drohung, die ihr den letzten Mut raubt. Alex traut sich endgültig nichts mehr zu, kein Studium, keine gehobene Ausbildung, sondern bewirbt sich kurzerhand als Taxifahrerin. Oder, wie sie in gewohnt unsentimental-lakonischer Duve-Manier begründet: "Drückerkolonne ging nicht, weil ich ja überhaupt kein Durchsetzungsvermögen hatte."

Ähnlich wie schon Anne aus "Dies ist kein Liebeslied", die in einer Hundeleinenfabrik arbeitete, hegt auch Alex eine selbsthasserische Lust an der Kränkung und strebt von vornherein einen niederen Status an. Denn von dort kann man zumindest nicht mehr so tief fallen und weckt keine Erwartungen, die viel unberechenbarer wären als das eigene Scheitern. Was für andere nur ein Übergangsjob ist, wird für Alex deswegen zum Schicksalsschlag, dem sie fatalistisch glaubt ausgeliefert zu sein. "Ich hatte es verratzt", redet sich die junge Taxifahrerin ein, "einmal falsch abgebogen, einmal den falschen Beruf gewählt, einmal den falschen Mann geküsst und dein ganzes Leben war verkorkst." Alex fühlt sich ohnmächtig einem undurchsichtigen und unentrinnbaren Gang der Dinge unterworfen, beruflich wie privat. Dass sie ihren Kollegen Dietrich gar nicht besonders mag, verhindert weder den ersten Kuss, der "höflicherweise" erfolgt, noch fünf gemeinsame Jahre. Auch vom nervigen Taxifahrerkreis aus Möchtegern-Intellektuellen und Hobbykünstlern lässt sich die einzige Frau in der Firma in Beschlag nehmen, die schon bald nur noch "Zwodoppelvier" heißt. (Wie alle Taxifahrer wird Alex nach der Nummer ihres Dienstwagens genannt.)

Mit Rüdiger, einem besonders gehässigen Frauenhasser, der gleichzeitig mit ihr Nachtschichten fährt, streitet sich Alex zwar immer wieder hitzig herum. Ansonsten aber bleibt sie aus lauter Angst vor Enttäuschungen lieber passive Voyeurin ihrer Biographie. Oder um es mit Silvia Plath zu sagen: Duves Ich-Erzählerin verharrt wie gelähmt unter der "Glasglocke", ohne Vision für ihr Leben. Nicht ohne Grund liest Alex in ihrer Freizeit am liebsten Bücher über "große Menschenaffen", bei denen jedes Herdenmitglied von der Gemeinschaft jenen festen Platz zugewiesen bekommt, den sie für sich selbst nicht erkennen kann.

Alex fühlt sich grundsätzlich fehl am Platz, wie "ein einzelner Orang Utan . . . im Schimpansengehege", irgendwie schief in die Welt gebaut, ohne zu wissen, wie sie etwas daran ändern könnte. Ihre education sentimentale verläuft entsprechend exakt umgekehrt zum klassischen Entwicklungsroman. Während der jugendliche Held der Literaturgeschichte traditionell mit großen Erwartungen startet, die rasch an Grenzen stoßen, ist die Jobberin Alex von vornherein so desillusioniert, dass es eigentlich nur noch aufwärtsgehen kann. Dieses Aufwärts nimmt dann seinen Anfang, als Alex in Gestalt des ebenso kleinwüchsigen wie selbstbewussten Psychologiestudenten Marco endlich jemanden trifft, der ihre defätistische Weltsicht wohltuend bricht. "Interessiert dich eigentlich noch etwas anderes außer deiner miesen Laune?", fragt Marco seine neue Bekanntschaft und bringt damit nicht nur die Verweigerungshaltung von Alex auf den Punkt, sondern auch deren rabenschwarze Grundhaltung ins Wanken. Denn natürlich ist der Alltag im Taxi nicht sonderlich geeignet, die ohnehin grau-schwarze Sichtweise der Erzählerin aufzuhellen. Entpuppen sich doch die meisten Fahrgäste als höchst unsympathische, wenn nicht gefährliche Zeitgenossen. Ständig wird Alex von Kunden beschimpft, gemaßregelt, um Geld betrogen, bedroht und schikaniert. Einmal bekommt sie sogar einen Fausthieb ins Gesicht.

Fast alle dieser Anekdoten beruhen auf eigenen Erlebnissen Karen Duves, die selbst dreizehn Jahre lang in Hamburg Taxi gefahren ist, oder stammen aus dem Kreis ihrer ehemaligen Kollegen. Doch in der Reihung wirken diese mehrheitlich trüben Taxi-Episoden etwas ermüdend. Die Autorin hat die Gefahr der drohenden Eintönigkeit offenbar gespürt und begegnet ihr, indem sie die Alltagsepisoden der Diensttouren und die Privatdramen ihrer Heldin einander abwechseln lässt. Karin Duves größte Begabung zeigt sich auch in "Taxi" deutlich: Sie liegt in der pointierten Beschreibung, der genaue Beobachtung vorausgeht: "Der Flur war so trostlos wie die Gehirngänge eines Toten", heißt es etwa, wenn die Erzählerin die Wohnung eines Fahrgastes beschreibt. Ein anderes Mal sagt Alex, als sie eine Affäre mit einem benachbarten Journalisten anfängt, der sich als hyperaktiver Don Juan herausstellt: "Sein Körper schob sich wie ein Sargdeckel über mich." Das sind abgrundtief bittere, treffsichere Sätze.

GISA FUNCK

Karen Duve: "Taxi". Roman. Eichborn Verlag, Berlin 2008. 320 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2008

Ein Käfig mit Ausblick in die Nacht
Nur einer Taxifahrerin glaubt man den Taxifahrerinnen-Roman: „Taxi” von Karen Duve
Mit dem Taxifahren geht es wie mit dem Alkohol: Man kommt leicht rein und schwer raus, und das Ganze ist eine Tragödie, die sich in die Langeweile verschränkt. Karen Duve hat einen dreihundertseitigen Roman darüber geschrieben. Es bedeutet mehr als bloße Neugier, wenn man erst mal herausfinden will, ob sie selbst Taxi gefahren hat. (Sie hat.) Die Bedeutung dieses Buchs, auch seine ästhetische, hängt unmittelbar daran, dass es nicht ausgedacht, sondern der eigenen Erfahrung entwachsen ist.
Das heißt nicht, dass es irgendwie den dokumentarischen Textsorten zuzurechnen wäre. Dokumentationen neigen dazu, das Klischee entweder zu bestätigen oder zu zerstören. Aber beides wird ihm nicht gerecht. Das Entscheidende am Klischee liegt darin, dass ein Außenstehender nicht zu ermessen vermag, was es heißt, dass es stimmt. Der Berufsstand des Taxifahrers ist in besonderer Weise vom Klischee geprägt – kaum ein Fernsehkrimi, in dem die Kunstlederjacke im hellelfenbeinfarbenen Benz nicht wenigstens kurz aufdunkelt. Ja, es gibt hier Raum selbst für das ausdifferenzierende Unterklischee. Was sagt ein arbeitsloser Philosoph zu einem Philosophen, der Arbeit hat? Zum Hauptbahnhof bitte! Man merkt, was für eine entlastende, erheiternde Wirkung von solcher schlagenden Abkürzung des Tatbestands ausgeht. Die Wahrheit der Welt aber besteht in ihrer gnadenlosen Ausführlichkeit. Und darum ist dieser Witz nicht lustig.
Karen Duve hat den taxifahrenden Philosophen zu einer ihrer Hauptfiguren gemacht. Er heißt Rüdiger. Sein riesiger Babyschädel wird von einer Prinz-Heinrich-Mütze bedeckt. Er liest Montherlant, Weininger, Nietzsche und überhaupt alle, in deren Werk das Weib schlecht wegkommt. Seinem Freund Dietrich, taxifahrendem Künstler, ist er hündisch ergeben und erfüllt von Eifersucht, dass der sich jetzt mehr um seine Freundin, die taxifahrende Ich-Erzählerin, kümmert und ihm keine Briefe mehr schreibt. O solche Kleinodien von Briefen! In diesem Universum verkehren Taxifahrer mit Taxifahrern; zusammen sitzen sie in einem Käfig mit Ausblick in die Nacht. Da man einander in den Pausen der Schicht nur schwer entrinnen kann, überhäuft Rüdiger die Erzählerin mit misogynen Sentenzen, die so gehässig wie jämmerlich sind. Sie steckt sie mal besser, mal schlechter weg; aber es ist das Ununterbrochene, das sie zermürbt. Nur im äußersten Notfall lässt sie sich zu der Gegen-Gemeinheit hinreißen, er solle ihr doch mal den Brief zeigen, in dem der Suhrkamp Verlag ihm angeblich die Publikation seiner Aphorismen zugesichert hätte.
„Nachts fahren und tagsüber schlafen, davon versprach ich mir mehr Abenteuer.” Täuscht sie sich darin? Nein, das nicht; bloß als die Abenteuer dann kommen, sind es keine mehr. Anfänglich wundert sie sich, dass von den Kollegen niemand ihre schwungvoll erzählten Storys hören will; aber bald schon stumpft sie selbst ab und begnügt sich ebenfalls auch beim krassesten Zwischenfall mit der achselzuckenden Bemerkung „Dreckhecken”. Dreckhecken, das sind die Fahrgäste. Der Fahrgast ist das Schwein und der Feind als solcher. Die spezielle Anekdote zieht nicht mehr. Und bald schon hört sie selbst genauso teilnahmslos den Abenteuer-Storys des je allerneuesten Kollegen zu, wohl wissend, dass er sie jetzt einfach erzählen muss und bald schon routiniert schweigen wird.
Und noch so ein Witz
Auch dem Leser ergeht es im Fortgang des Buchs ähnlich. Nach etwa einem Drittel beginnt es ihm zu langen mit den zahlungsunfähigen Betrunkenen, die den Wagen vollschweinen, mit der ewigen plumpen Anmache, mit den immer gleichen blöden Fahrgastbemerkungen – ist das denn nicht ein gefährlicher Job für eine junge Frau? –, den schmierigen Zuhältern, den hässlichen Nutten. (Der Roman spielt in Hamburg, die Reeperbahn ist nie weit weg.) „Mensch, die waren vielleicht hässlich (. . .) waren die hässlich! Ich dachte erst, das wäre die Reinigungskolonne, aber nein, das waren die Nutten selbst.” Wenn man es so zitiert, klingt es wie der Witz von vorhin; aber natürlich ist es todtraurig.
Zur Eigenart der Wahrheit gehört es, dass sie nicht aufhört, wenn man genug von ihr hat. Vielmehr nimmt sie erst jetzt die tiefere Form des bleiern Ermüdenden an. Zwölf- und sechzehnstündige Schichten sind die Regel, zwischen November und Februar sieht die Erzählerin praktisch kein Tageslicht und hält es auch später am liebsten mit dicken Vorhängen draußen, denn es schmerzt ihre Augen. Die Frage nach der Freiheit dieses Lebens stellt sich gar nicht. Und auch nicht oder kaum die Frage nach dem Unglück. Es herrscht so machtvoll, dass man es nicht mehr spürt. Mit drei Männern bekommt die Erzählerin es zu tun, mit ihrem Kollegen Dietrich, mit ihrem Nachbarn, dem Journalisten Majewski, und dem alten Schulkameraden Marco, der kurzwüchsig bis zum Zwergenhaften ist. Von allen wird sie mehr oder weniger schlecht behandelt. Marco fesselt sie mit einer Wäscheleine ans Bett, der widerwärtige Macho Majewski befördert sie mit einem Fußtritt aus seinem Sport-BMW. Aber sie scheint es irgendwie kaum zu registrieren, was da mit ihr geschieht. In ihr und um sie ist nicht so sehr Kälte als Leere. Im Italienischen bedeutet „autista” sowohl den Autofahrer als auch den Autisten. Bei Duves Buch beginnt man das Gemeinsame zu begreifen. „Im Grunde war mit jemandem zusammen zu sein nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Wenn ich nicht schlief, arbeitete ich ja ständig.” Das sind furchtbare Sätze, weil die, die sie spricht, ihr Furchtbares nicht merkt. Dass der Leser es merkt, ist das Verdienst der Art, wie Karen Duve schreibt.
Diesem Stil in seiner schnörkellosen Herbheit, von beständigem Grau und doch in den grauen Tönen fein abgestuft wie ein norddeutscher Regentag, wird man wohl am ehesten gerecht, wenn man sagt: dass er ein Gefühl für die Gefühllosigkeit hat. „Natürlich gab es noch viel Schlimmeres, als Taxifahrerin zu sein, mir fiel bloß nichts ein.” Ist das jetzt ein Trost oder eine Verschlimmerung? Jedenfalls stellt es einen ironischen und darin intelligenten Reflex dar. Das Höchste, wozu Intelligenz in dieser Welt befähigt, liegt in der Einsicht, dass sie nichts hilft. Die Erzählerin besteht das Aufnahme-Examen beim Hochbegabtenclub „Mensa”, nur um dort auf junge Männer in unerotischen Pullundern zu stoßen, die es keineswegs zu Ruhm gebracht haben; der Intelligenteste von ihnen allen fährt einen Mittelklassewagen mit dem Kennzeichen „HH - IQ 158”. Wieder einer von diesen traurigen Witzen.
So fährt sie dahin
Nur Karen Duve kann ihn machen, ohne Verrat zu üben. Man glaubt ihr aufs knappe Wort die Länge der Sache. Nur eins glaubt man ihr nicht: das Ende. Ein Fahrgast, Zirkusmensch, Dreckhecke zum Quadrat, hat einen Schimpansen dabei, den er mit der Peitsche züchtigt; die Erzählerin erträgt es nicht, schmeißt den Fahrgast raus, kidnappt den Schimpansen, der ihr dann ins Lenkrad greift und einen Totalschaden auf der Autobahn verursacht; sie verliert ihren Taxi-Führerschein und verlässt das Gewerbe. Romane, sofern sie sich dem Gang der Welt verpflichtet fühlen, hören ja generell nicht gern und nie ganz überzeugend auf, weil die Welt das eben auch nicht tut. Aber das hier ist schon ein besonderer Gewaltakt. Nicht hier liegt die Wahrheit des Buchs, sondern ziemlich genau in der Mitte, beim Auftakt des zweiten Teils, ergreifend und trostlos wie das „So lebte er hin” am Schluss von Büchners „Lenz”: „Und dann waren fünf Jahre um und ich fuhr immer noch Taxi.”BURKHARD MÜLLER
KAREN DUVE: Taxi. Roman. Eichborn Verlag, Berlin 2008. 313 Seiten, 19,95 Euro.
„Nachts fahren und tagsüber schlafen, davon versprach ich mir mehr Abenteuer.” – Ein Taxi im Einsatz in Hamburg Foto: Stefan Haertel
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