Eva Menasse
Audio-CD
Quasikristalle
Lesung. Gekürzte Ausgabe. 573 Min.
Regie: Ebel, Ralf;Gesprochen: Matic, Peter
Nicht lieferbar
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Was wissen wir wirklich über uns selbst? Und was vom anderen?In dreizehn Kapitel zerlegt Eva Menasse die Biografie einer Frau in ihre unterschiedlichen Aspekte, zeigt sie als Mutter und Tochter, als Freundin, Mieterin und Patientin, als flüchtige Bekannte und Geliebte. Zu Beginn ist Xane Molin vierzehn Jahre alt und erlebt mit ihrer besten Freundin einen dramatischen Sommer. Am Ende ist sie Großmutter und versucht, für den Rest ihres Lebenswegs das Steuer noch einmal herumzureißen. Aus dem Mosaik der unterschiedlichen Sichtweisen tritt auf magische Weise ein kühner Roman hervor, der wie ...
Was wissen wir wirklich über uns selbst? Und was vom anderen?
In dreizehn Kapitel zerlegt Eva Menasse die Biografie einer Frau in ihre unterschiedlichen Aspekte, zeigt sie als Mutter und Tochter, als Freundin, Mieterin und Patientin, als flüchtige Bekannte und Geliebte. Zu Beginn ist Xane Molin vierzehn Jahre alt und erlebt mit ihrer besten Freundin einen dramatischen Sommer. Am Ende ist sie Großmutter und versucht, für den Rest ihres Lebenswegs das Steuer noch einmal herumzureißen.
Aus dem Mosaik der unterschiedlichen Sichtweisen tritt auf magische Weise ein kühner Roman hervor, der wie nebenbei die Frage nach Wahrnehmung und Wahrheit stellt.
In dreizehn Kapitel zerlegt Eva Menasse die Biografie einer Frau in ihre unterschiedlichen Aspekte, zeigt sie als Mutter und Tochter, als Freundin, Mieterin und Patientin, als flüchtige Bekannte und Geliebte. Zu Beginn ist Xane Molin vierzehn Jahre alt und erlebt mit ihrer besten Freundin einen dramatischen Sommer. Am Ende ist sie Großmutter und versucht, für den Rest ihres Lebenswegs das Steuer noch einmal herumzureißen.
Aus dem Mosaik der unterschiedlichen Sichtweisen tritt auf magische Weise ein kühner Roman hervor, der wie nebenbei die Frage nach Wahrnehmung und Wahrheit stellt.
Menasse, EvaEva Menasse, geboren 1970 in Wien, begann als Journalistin (profil, FAZ) und debütierte im Jahr 2005 mit dem Familienroman "Vienna". Es folgten Romane und Erzählungen ("Lässliche Todsünden", "Quasikristalle", "Tiere für Fortgeschrittene"), die vielfach ausgezeichnet und übersetzt wurden. Preise (Auswahl): Heinrich-Böll-Preis, Friedrich-Hölderlin-Preis, Jonathan-Swift-Preis, Österreichischer Buchpreis, Mainzer Stadtschreiber-Preis und das Villa-Massimo-Stipendium in Rom. Eva Menasse betätigt sich zunehmend auch als Essayistin und erhielt dafür 2019 den Ludwig-Börne-Preis. Sie lebt seit über 20 Jahren in Berlin.
Matic, PeterPeter Matic, 1937 in Wien geboren, war von 1960 bis 1968 am Theater an der Josefstadt engagiert. Es folgten Stationen in Basel und an den Münchner Kammerspielen, bis er 1972 nach Berlin wechselte, wo er 22 Jahre lang einer der Stars des Schiller Theaters war. Anschließend ging er an das Wiener Burgtheater, wo er bis heute arbeitet. Neben seiner Theater- und Filmarbeit ist Peter Matic ein herausragender Hörbuch- und Synchronsprecher, der u.a. Ben Kingsley seine Stimme leiht. 2001 erhielt er den Albin-Skoda-Ring, die Auszeichnung für »den besten Sprecher unter den Schauspielern des deutschsprachigen Raums«.
Stolze, LenaLena Stolze, geboren in Berlin und aufgewachsen in Wien, arbeitete mit internationalen Regiegrößen wie Michael Haneke, Marleen Gorris und, Michael Verhoeven zusammen. Sie spielte an renommierten deutschsprachigen Bühnen wie dem Wiener Burgtheater, dem Münchner Residenztheater und dem Thalia Theater Hamburg und ist Jurorin der Filmakademie und des Europäischen Filmpreises.
Rotschopf, MichaelMichael Rotschopf wurde bereits während seines Studiums von Claus Peymann an das Wiener Burgtheater geholt und ist seitdem eine feste Größe auf internationalen Bühnen und im Fernsehen. Als Sprecher trat er unter anderem bei der US-Erstaufführung des" Requiem für einen jungen Dichter" in der Carnegie Hall sowie in Paris, London und der Berliner Philharmonie auf.
Matic, PeterPeter Matic, 1937 in Wien geboren, war von 1960 bis 1968 am Theater an der Josefstadt engagiert. Es folgten Stationen in Basel und an den Münchner Kammerspielen, bis er 1972 nach Berlin wechselte, wo er 22 Jahre lang einer der Stars des Schiller Theaters war. Anschließend ging er an das Wiener Burgtheater, wo er bis heute arbeitet. Neben seiner Theater- und Filmarbeit ist Peter Matic ein herausragender Hörbuch- und Synchronsprecher, der u.a. Ben Kingsley seine Stimme leiht. 2001 erhielt er den Albin-Skoda-Ring, die Auszeichnung für »den besten Sprecher unter den Schauspielern des deutschsprachigen Raums«.
Stolze, LenaLena Stolze, geboren in Berlin und aufgewachsen in Wien, arbeitete mit internationalen Regiegrößen wie Michael Haneke, Marleen Gorris und, Michael Verhoeven zusammen. Sie spielte an renommierten deutschsprachigen Bühnen wie dem Wiener Burgtheater, dem Münchner Residenztheater und dem Thalia Theater Hamburg und ist Jurorin der Filmakademie und des Europäischen Filmpreises.
Rotschopf, MichaelMichael Rotschopf wurde bereits während seines Studiums von Claus Peymann an das Wiener Burgtheater geholt und ist seitdem eine feste Größe auf internationalen Bühnen und im Fernsehen. Als Sprecher trat er unter anderem bei der US-Erstaufführung des" Requiem für einen jungen Dichter" in der Carnegie Hall sowie in Paris, London und der Berliner Philharmonie auf.

© Ekko von Schwichow
Produktdetails
- Verlag: Argon Verlag
- Originaltitel: Quasikristalle
- Anzahl: 8 Audio CDs
- Gesamtlaufzeit: 573 Min.
- Erscheinungstermin: 5. März 2013
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783839812365
- Artikelnr.: 36796270
Herstellerkennzeichnung
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Ein Mosaik von einem Menschen
In ihrem neuen Roman "Quasikristalle" zerlegt Eva Menasse eine Frau in erstaunliche Einzelteile
Um den Titel eines Romans zu erklären, muss man meistens nicht besonders weit ausholen. In diesem Fall aber schon, in diesem Fall ist der Titel wichtig, und deshalb geht es zunächst ins spanische Granada.
Wer dort schon einmal die Alhambra besucht hat, dieses Meisterwerk, den Inbegriff islamischer Kunst, wird sie nicht mehr vergessen können, die Mosaike, die man dort sieht. Fünf Kachelvarianten verwendeten die arabischen Künstler, als sie im 13. Jahrhundert die Mosaike legten. Das aber erkennt man bei erster Betrachtung kaum, so harmonisch ist das Bild, das sie zusammengefügt
In ihrem neuen Roman "Quasikristalle" zerlegt Eva Menasse eine Frau in erstaunliche Einzelteile
Um den Titel eines Romans zu erklären, muss man meistens nicht besonders weit ausholen. In diesem Fall aber schon, in diesem Fall ist der Titel wichtig, und deshalb geht es zunächst ins spanische Granada.
Wer dort schon einmal die Alhambra besucht hat, dieses Meisterwerk, den Inbegriff islamischer Kunst, wird sie nicht mehr vergessen können, die Mosaike, die man dort sieht. Fünf Kachelvarianten verwendeten die arabischen Künstler, als sie im 13. Jahrhundert die Mosaike legten. Das aber erkennt man bei erster Betrachtung kaum, so harmonisch ist das Bild, das sie zusammengefügt
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miteinander ergeben. Seit einiger Zeit weiß die Wissenschaft, dass ein ähnliches Phänomen auch in der Natur zu finden ist: Durch ein Elektronenmikroskop erblickte ein israelischer Chemiker vor einigen Jahren eine Struktur, die harmonisch wirkte wie ein Kristall, jedoch keiner sein konnte, da dessen typische Struktur nicht zu sehen war. In Kristallen reihen sich in absoluter Perfektion Atome aneinander, deren Muster sich mit exakter Regelmäßigkeit wiederholt. Nicht so bei dem Stoff unter dem Elektronenmikroskop: Hier gab es keine Wiederholung eines Atommusters, dennoch eine große Harmonie.
Ganz ähnlich also, und damit noch mal kurz zurück nach Granada, wie bei den Mosaiken der Alhambra. Der Forscher nannte seine Entdeckung "Quasikristalle", 2011 wurde ihm dafür der Chemie-Nobelpreis verliehen. Und "Quasikristalle" heißt auch der neue Roman von Eva Menasse. Man sollte den Hintergrund dieses Titels im Kopf behalten, wenn man ihn aufschlägt und nicht mehr aufhören kann zu lesen, weil man das nächste Mosaiksteinchen aufheben will.
Die Frau, um die der Roman kreist, heißt Xane Molin. Wir lernen sie als 14 Jahre alte Schülerin kennen, barfuß, braungebrannt und unbekümmert im Haus und Garten ihrer besten Freundin Judith herumtollend, bei der sie die letzten Ferientage dieses Sommers verbringt - ein dramatisches Ereignis wird den schönen Tagen ein jähes Ende bereiten. Als Nächstes begegnet uns Xane als blutjunge Studentin wieder, sie feiert Partys, bezieht in Wien ihre erste eigene Wohnung, aus der sie irgendwann ihren Verlobten rausschmeißt. Sie geht nach Berlin, heiratet, ist nun Professorengattin, Patchworkmutter und Besitzerin einer aufstrebenden Werbeagentur. Einige Jahre später, mit Ende dreißig, will sie mit Hilfe der Medizin ein Kind bekommen, bevor es endgültig zu spät dafür ist. Sie wird Mutter eines Sohnes, er wächst zu einem Teenager heran. Schließlich, die Kinder sind längst aus dem Haus und haben inzwischen eigene, treffen wir sie als alte Frau wieder, die nach dem Tod ihres Mannes ihrem Leben noch einmal eine neue Richtung geben will. So weit die Kurzversion.
Die Augen der anderen
Tatsächlich breitet Eva Menasse Xane Molins ganzes Leben vor uns aus, und das könnte schrecklich langweilig sein. Ist es aber nicht, denn die Autorin erzählt aus vielen Perspektiven und lässt die Menschen zu Wort kommen, denen Xane in den unterschiedlichen Phasen ihres Lebens begegnet ist. Durch deren Augen lernen wir Xane kennen: durch die Augen eines Angestellten in ihrer Werbeagentur etwa, dem Xane als Chefin gerade die Kündigung nahegelegt hat; durch die Augen der pubertierenden Stieftochter Viola, die überzeugt ist, dass Xane ihren Mann betrügt, eine Affäre hat.
Die Ärztin wiederum, eine Spezialistin für künstliche Befruchtung, zu der Xane wegen ihres unerfüllten Kinderwunsches geht, mag ihre Patientin gern, weil sie ihre Emotionen unter Kontrolle hält. Ganz anders sieht das der Bürgerkriegsflüchtling Nelson, der in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof als Zeuge aussagen soll und der sich, nachdem er ihr zufällig in Berlin begegnet, in Xane verliebt. Sie sei eine Frau, denkt er nach ihrem ersten Treffen, die "beim zweiten und dritten Blick schöner wurde, so dass man sich über den eigenen ersten, den flüchtigen, beinahe zu ärgern begann". Auch der Vermieter von Xanes Wiener Wohnung hat eine Meinung über sein "Molinchen", obwohl er sie nur von kurzen Gesprächen beim Unkrautjäten und von Beobachtungen im Treppenhaus kennt. Er sagt: "Wiedersehen möchte man sie eigentlich nicht mehr."
Eva Menasse wirft nur Schlaglichter auf diese Leute, deren Weg Xane im Laufe ihres Lebens kreuzt. Dennoch treten die Konturen ihres Tun und Denkens dabei so scharf hervor, dass man versteht, warum jeder von ihnen etwas anderes in ihr zu erkennen glaubt und worin die unterschiedlichen Empfindungen und Erwartungen begründet liegen. Sicherlich, die Urteile, die sie fällen, mögen für sich genommen einseitig sein. Falsch aber sind sie nicht. Die Wahrheit, zumindest ein Stück von ihr, schwingt immer mit. Oft kommt sie witzig und federleicht daher, dann wach und bitter.
Und so weiß man nach jeder Episode, die Eva Menasse in einzelne Kapitel gliedert, ein bisschen mehr. Wie Mosaiksteine, die für sich genommen sehr verschieden sind, fügen sich die Beobachtungen zu einem Bild, einem Quasikristall zusammen: daher der Titel. Immer deutlicher wird diese Frau namens Xane Molin in ihm sichtbar. Mit all den liebenswerten Seiten, die sie hat, und mit mindestens genauso vielen Macken. Xane ist sich keineswegs bewusst, dass sie die hat. Wie so viele Menschen verwechselt sie den eigenen Blick auf sich und die Welt mit dem der anderen.
Was wir von uns wissen
Eva Menasse stellt große Fragen in diesem Buch: Was bedeutet man anderen Menschen? Was wissen wir wirklich über uns selbst und was vom anderen? Wie stehen Außendarstellung und Selbstwahrnehmung zueinander? Welches Bild macht sich der andere von uns und wie verändert das seine Reaktion? Welche Begegnungen bleiben haften und verändern uns? Warum mögen uns manche Menschen und warum andere nicht? Aus einer flüchtigen Bekanntschaft kann Freundschaft werden, vielleicht auch Liebe; genauso kann aus einem guten Freund ein Fremder werden, den man irgendwann aus den Augen verliert. Die Erinnerung bleibt jedoch haften. Bewusst oder unbewusst bestimmt sie jede neue Begegnung mit. Und was ist das überhaupt, eine Begegnung?
Wie sehr die eigene Realität und die des anderen auseinanderklaffen können, zeigt am besten die Episode, in der Xane eine Bekannte aus Jugendtagen wiedertrifft. Es ist purer Zufall, Xane, beruflich schon ganz weit oben angekommen, ist auf einer Vernissage, als vor ihr auf der Toilette plötzlich Sally steht, die kleine Schwester von Judith, die Xane lange nicht gesehen hat.
Damals, als sie die letzten Tage des Sommers bei Judith verbrachte, war Sally in ihren Augen nur die nervende kleine Schwester. Jetzt jobbt Sally in Berlin auf Abendveranstaltungen als Kellnerin, ist alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter, von der sie Xane aber nichts erzählt. Denn Xane überfällt Sally mit einer Begeisterung und Hilfsbereitschaft, die auf die Jüngere erdrückend wirkt.
Für Xane, die ihrer Heimatstadt Wien nachtrauert, ist Sally die lang ersehnte beste Freundin. Für Sally hingegen ist Xane eine Spießerin, die nur um sich selbst kreist, die Freundschaften an- und ausknipst, je nachdem, ob sie sich gerade dunkel fühlt oder hell. Sally entfernt sich deshalb wieder von ihr. Jahre später wird sie mit einer anderen Freundin Xanes zusammensitzen und über sie lästern.
Xane Molin ist in gewisser Weise blind für ihre Umgebung. Anders gesagt: Sie sieht nur das, was sie sehen kann, so sehr ist sie in sich gefangen. Hat man das einmal erkannt, stellt man ganz unwillkürlich auch die eigene Wahrnehmung in Frage. Es geht in dem Roman um Xane Molin, letztendlich aber auch um jeden selbst.
KAREN KRÜGER
Eva Menasse: "Quasikristalle". Kiepenheuer & Witsch, 432 Seiten, 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ganz ähnlich also, und damit noch mal kurz zurück nach Granada, wie bei den Mosaiken der Alhambra. Der Forscher nannte seine Entdeckung "Quasikristalle", 2011 wurde ihm dafür der Chemie-Nobelpreis verliehen. Und "Quasikristalle" heißt auch der neue Roman von Eva Menasse. Man sollte den Hintergrund dieses Titels im Kopf behalten, wenn man ihn aufschlägt und nicht mehr aufhören kann zu lesen, weil man das nächste Mosaiksteinchen aufheben will.
Die Frau, um die der Roman kreist, heißt Xane Molin. Wir lernen sie als 14 Jahre alte Schülerin kennen, barfuß, braungebrannt und unbekümmert im Haus und Garten ihrer besten Freundin Judith herumtollend, bei der sie die letzten Ferientage dieses Sommers verbringt - ein dramatisches Ereignis wird den schönen Tagen ein jähes Ende bereiten. Als Nächstes begegnet uns Xane als blutjunge Studentin wieder, sie feiert Partys, bezieht in Wien ihre erste eigene Wohnung, aus der sie irgendwann ihren Verlobten rausschmeißt. Sie geht nach Berlin, heiratet, ist nun Professorengattin, Patchworkmutter und Besitzerin einer aufstrebenden Werbeagentur. Einige Jahre später, mit Ende dreißig, will sie mit Hilfe der Medizin ein Kind bekommen, bevor es endgültig zu spät dafür ist. Sie wird Mutter eines Sohnes, er wächst zu einem Teenager heran. Schließlich, die Kinder sind längst aus dem Haus und haben inzwischen eigene, treffen wir sie als alte Frau wieder, die nach dem Tod ihres Mannes ihrem Leben noch einmal eine neue Richtung geben will. So weit die Kurzversion.
Die Augen der anderen
Tatsächlich breitet Eva Menasse Xane Molins ganzes Leben vor uns aus, und das könnte schrecklich langweilig sein. Ist es aber nicht, denn die Autorin erzählt aus vielen Perspektiven und lässt die Menschen zu Wort kommen, denen Xane in den unterschiedlichen Phasen ihres Lebens begegnet ist. Durch deren Augen lernen wir Xane kennen: durch die Augen eines Angestellten in ihrer Werbeagentur etwa, dem Xane als Chefin gerade die Kündigung nahegelegt hat; durch die Augen der pubertierenden Stieftochter Viola, die überzeugt ist, dass Xane ihren Mann betrügt, eine Affäre hat.
Die Ärztin wiederum, eine Spezialistin für künstliche Befruchtung, zu der Xane wegen ihres unerfüllten Kinderwunsches geht, mag ihre Patientin gern, weil sie ihre Emotionen unter Kontrolle hält. Ganz anders sieht das der Bürgerkriegsflüchtling Nelson, der in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof als Zeuge aussagen soll und der sich, nachdem er ihr zufällig in Berlin begegnet, in Xane verliebt. Sie sei eine Frau, denkt er nach ihrem ersten Treffen, die "beim zweiten und dritten Blick schöner wurde, so dass man sich über den eigenen ersten, den flüchtigen, beinahe zu ärgern begann". Auch der Vermieter von Xanes Wiener Wohnung hat eine Meinung über sein "Molinchen", obwohl er sie nur von kurzen Gesprächen beim Unkrautjäten und von Beobachtungen im Treppenhaus kennt. Er sagt: "Wiedersehen möchte man sie eigentlich nicht mehr."
Eva Menasse wirft nur Schlaglichter auf diese Leute, deren Weg Xane im Laufe ihres Lebens kreuzt. Dennoch treten die Konturen ihres Tun und Denkens dabei so scharf hervor, dass man versteht, warum jeder von ihnen etwas anderes in ihr zu erkennen glaubt und worin die unterschiedlichen Empfindungen und Erwartungen begründet liegen. Sicherlich, die Urteile, die sie fällen, mögen für sich genommen einseitig sein. Falsch aber sind sie nicht. Die Wahrheit, zumindest ein Stück von ihr, schwingt immer mit. Oft kommt sie witzig und federleicht daher, dann wach und bitter.
Und so weiß man nach jeder Episode, die Eva Menasse in einzelne Kapitel gliedert, ein bisschen mehr. Wie Mosaiksteine, die für sich genommen sehr verschieden sind, fügen sich die Beobachtungen zu einem Bild, einem Quasikristall zusammen: daher der Titel. Immer deutlicher wird diese Frau namens Xane Molin in ihm sichtbar. Mit all den liebenswerten Seiten, die sie hat, und mit mindestens genauso vielen Macken. Xane ist sich keineswegs bewusst, dass sie die hat. Wie so viele Menschen verwechselt sie den eigenen Blick auf sich und die Welt mit dem der anderen.
Was wir von uns wissen
Eva Menasse stellt große Fragen in diesem Buch: Was bedeutet man anderen Menschen? Was wissen wir wirklich über uns selbst und was vom anderen? Wie stehen Außendarstellung und Selbstwahrnehmung zueinander? Welches Bild macht sich der andere von uns und wie verändert das seine Reaktion? Welche Begegnungen bleiben haften und verändern uns? Warum mögen uns manche Menschen und warum andere nicht? Aus einer flüchtigen Bekanntschaft kann Freundschaft werden, vielleicht auch Liebe; genauso kann aus einem guten Freund ein Fremder werden, den man irgendwann aus den Augen verliert. Die Erinnerung bleibt jedoch haften. Bewusst oder unbewusst bestimmt sie jede neue Begegnung mit. Und was ist das überhaupt, eine Begegnung?
Wie sehr die eigene Realität und die des anderen auseinanderklaffen können, zeigt am besten die Episode, in der Xane eine Bekannte aus Jugendtagen wiedertrifft. Es ist purer Zufall, Xane, beruflich schon ganz weit oben angekommen, ist auf einer Vernissage, als vor ihr auf der Toilette plötzlich Sally steht, die kleine Schwester von Judith, die Xane lange nicht gesehen hat.
Damals, als sie die letzten Tage des Sommers bei Judith verbrachte, war Sally in ihren Augen nur die nervende kleine Schwester. Jetzt jobbt Sally in Berlin auf Abendveranstaltungen als Kellnerin, ist alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter, von der sie Xane aber nichts erzählt. Denn Xane überfällt Sally mit einer Begeisterung und Hilfsbereitschaft, die auf die Jüngere erdrückend wirkt.
Für Xane, die ihrer Heimatstadt Wien nachtrauert, ist Sally die lang ersehnte beste Freundin. Für Sally hingegen ist Xane eine Spießerin, die nur um sich selbst kreist, die Freundschaften an- und ausknipst, je nachdem, ob sie sich gerade dunkel fühlt oder hell. Sally entfernt sich deshalb wieder von ihr. Jahre später wird sie mit einer anderen Freundin Xanes zusammensitzen und über sie lästern.
Xane Molin ist in gewisser Weise blind für ihre Umgebung. Anders gesagt: Sie sieht nur das, was sie sehen kann, so sehr ist sie in sich gefangen. Hat man das einmal erkannt, stellt man ganz unwillkürlich auch die eigene Wahrnehmung in Frage. Es geht in dem Roman um Xane Molin, letztendlich aber auch um jeden selbst.
KAREN KRÜGER
Eva Menasse: "Quasikristalle". Kiepenheuer & Witsch, 432 Seiten, 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Tim Caspar Boehme berichtet von einer eher durchwachsenen Lektüre: Zwar weckt die strukturelle Gestaltung von Menasses Schilderung eines Lebens aus kapitelweise unterschiedlichen Perspektiven durchaus seine Neugier und das versammelte Figurenensemble - darunter ein selbstzerstörerisch veranlagter Holocaustforscher - ist zuweilen recht wuchtig. Doch stellt sich dem Rezensenten auch bald die Frage nach der Erkenntnis, die er aus dieser "Binnenansicht eines eher geschlossenen Milieus" und den Nöten von Intellektuellen im Alltag ziehen soll: Vieles ist reichlich unspektakulär, findet Boehme, der dann auch noch in Menasses sprachlicher Eleganz die eigentliche Krux des Buches identifiziert: Gerade deren Makellosigkeit unterstreiche die Belanglosigkeit einiger Passagen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Eva Menasse [...] lässt liebende wie ratlose Zeugen erzählen, [...] umkreist, umzingelt, erspürt ihre komplexe Heldin - so wird Quasikristalle zum raffinierten, vielstimmigen Porträt.« stern 20130214
Aus der Perspektive Dritter betrachtete, pointiert formulierte Beobachtung eines Wiener Frauenlebens mit interessanten Wendungen.
Das Hörbuch zu 'Quasikristalle' warf mich um, schockierte mich (wer es liest/hört wird verstehen, auf welches Kapitel ich mich beziehe), becircte mich, …
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Aus der Perspektive Dritter betrachtete, pointiert formulierte Beobachtung eines Wiener Frauenlebens mit interessanten Wendungen.
Das Hörbuch zu 'Quasikristalle' warf mich um, schockierte mich (wer es liest/hört wird verstehen, auf welches Kapitel ich mich beziehe), becircte mich, ließ mich grinsen und seufzend nicken, amüsierte mich, ließ mich den Kopf schütteln und einige Passagen aufgrund der Schönheit der Formulierungen, der Treffsicherheit des Geschilderten mehrfach hören.
Eva Menasse schält Xane Molin und lässt die Hörenden/Lesenden ihres Romans die einzelnen Schichten aus den Erinnerungen, Beobachtungen, Anekdoten, inneren Monologen, Briefen und E-Mails ihrer Freunde, Bekannten, Vermieter, Partner, Liebschaften, ihres Sohns oder ihres Vaters zusammensetzen; jede Schicht eine rein subjektive Wahrnehmung ihres Charakters, ihrer Beweggründe, desses, was diese Frau in ihren Augen auszumachen scheint.
Das fällt bisweilen spöttisch (und wird ganz herrlich durch die Hörbuchsprecherinnen und -sprecher interpretiert) aus, tadelnd, missgünstig, aber auch liebend, mitfühlend und sorgend. Manchmal geheimnisvoll.
Ein einziges Mal lässt Eva Menasse überraschenderweise Xane Molin selbst zu Wort kommen. Letztendlich erhellt sich dadurch des Lesers/Hörers Eindruck aber nur minimal, viel zu sehr ist er schon eingenommen und beeinflusst durch den Blick der sie Umgebenden auf sie.
Ein grandioses Hörerlebnis! Keine Minute zäh oder überkandidelt, jede Spitze sitzt, jede ironische Anspielung, leise Kritik und jede Formulierung ein Genuss!
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Gebundenes Buch
Eva Menasses „kleiner Stern“ (laut Wikipedia die Übersetzung von „Roxane“) ist eigentlich ein großer Stern, von der Natur reichlich beschenkt, mit begehrten Eigenschaften ausgestattet – eine attraktive Frau, die „Berge gebrochener Herzen“ …
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Eva Menasses „kleiner Stern“ (laut Wikipedia die Übersetzung von „Roxane“) ist eigentlich ein großer Stern, von der Natur reichlich beschenkt, mit begehrten Eigenschaften ausgestattet – eine attraktive Frau, die „Berge gebrochener Herzen“ hinterläßt, außerdem erfolgreich im Beruf und in der Ehe, ehrgeizig, „100%ig“, mütterlich und von ihren Freundinnen beneidet, kurzum, irgendwie unwiderstehlich. Sie taucht als Xane in allen 13 Kapiteln auf, manchmal überraschend, manchmal vorhersehbar. Jedes der Kapitel kommt mit einer etwas anderen Sicht auf Xane, jedes für sich leicht lesbar, weil die Verknüpfungen mit den anderen eher lose sind. Aber auch lesenswert? Ich finde ja, fünf davon auf jeden Fall, nämlich 3,4,5,10 und mit Einschränkung auch 11, interessanterweise sind es diese, in denen Xane nicht die beherrschende Figur ist. Am stärksten beeindruckt hat mich Kapitel 5, in dem eine der inzwischen so zahlreichen Reproduktionsfabriken im Mittelpunkt steht. Das Wunschkind lässt auf sich warten, der Gang zur Reproduktion wird dann für viele zur Qual der Wahl; für die eine ist er Endstation Sehnsucht, für die andere das Tor zum Paradies. Frau Menasse erzählt über beide Möglichkeiten, und sie tut es, so scheint mir, mit großer Detailkenntnis und Meisterschaft.
Kapitel 2 fand ich dagegen richtig schlecht, die Hinrichtungsstätte der Juden und das Turteln von Xane und dem Reiseführer (der natürlich Professor ist, es gibt zu viele Professoren in diesem Buch) passen nicht gut zusammen; ich finde, entweder das eine oder das andere, auch wenn es im Leben die absonderlichsten Verbindungen gibt.
Tatsächlich geht es in allen Kapiteln um die Beziehung zwischen Mann und Frau, also vor allem um Xane und ihre Männer, aber auch um Viola, Sally, Krystyna etc. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass ich vieles davon schon einmal oder mehrmals woanders gelesen habe. Das ist nicht schlimm, angesichts des Allerwelts-Themas. Dennoch: Frau Menasse regt an, die jeweilige Szene nochmals vor dem eigenen Hintergrund zu überdenken. Es ist trotzdem nicht der Inhalt, der das Buch heraushebt, sondern es ist ihre Formulierungskunst: die überraschenden Wortzusammenstellungen, ihr spielerischer Umgang mit der deutschen Sprache. Aber hat sie dabei gelegentlich nicht doch etwas übertrieben? Was zum Beispiel ist ein milchiger Blick? ein verrutschtes Lachen? eine übergriffige Hilfsbereitschaft? ein Ich-Ich Geschrei? usw.
Was den Titel betrifft: auf „Quasikristalle“ muß man erst mal kommen, sie war sicher stolz auf ihren ungewöhnlichen Einfall; aber ich finde ihn nicht sonderlich passend, Xanes Leben hat nichts mit Kristallen zu tun, auch nicht im übertragenen Sinn, wie der Klappentext mit zehn Zeilen Text zu suggerieren versucht; der Kristall, egal wie ungeordnet, ist geronnene Substanz, enthält gerade nicht die Dynamik, auf die es Frau Menasse ankommt; die sich etwa in den Abweichungen des Lebens von der Geradlinigkeit manifestiert. Ein bisschen verrutscht, der Kristall. Dennoch: vier Sterne allemal für den kleinen Stern, auch weil mir Evas Portrait so gut gefallen hat.
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Broschiertes Buch
Superfrau mit Macken
Die Rezeption des Romans «Quasikristalle» der österreichischen Schriftstellerin Eva Menasse ist ziemlich konträr. Als Chemie-Nobelpreisträger Daniel Shechtman 1982 die aperiodisch angeordneten Kristalle entdeckte, deren Aufbau von der bis dato …
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Superfrau mit Macken
Die Rezeption des Romans «Quasikristalle» der österreichischen Schriftstellerin Eva Menasse ist ziemlich konträr. Als Chemie-Nobelpreisträger Daniel Shechtman 1982 die aperiodisch angeordneten Kristalle entdeckte, deren Aufbau von der bis dato wissenschaftlich unstrittig als vorgegeben angesehenen, streng symmetrischen Struktur abwich, erntete er zunächst ebenfalls erbitterten Widerspruch. Der Titel des Buches weist auf eine ähnliche Ungeordnetheit hin, auf die Biografie der eher chaotisch veranlagten Protagonistin nämlich, einer gleichwohl toughen Frau, deren turbulentes Leben in dreizehn Kapiteln erzählt wird. Ein Frauenroman also, der dem Thema offensichtlich neue Seiten abgewinnen will.
In den nur lose zusammenhängenden Kapiteln breitet die Autorin das Leben von Roxane Molin in vielen Facetten vor uns aus, beginnend im Backfischalter in einem Wiener Gymnasium. Es ist ein breites Themenspektrum, das in diesem Roman abgedeckt wird, und es ist denn auch der Tod, dem Xane gleich am Anfang begegnet, als ihre Freundin plötzlich stirbt. Wir erleben sie bei einer Exkursion nach Auschwitz, in einer Fernsehdebatte nach einem Kurzfilm von ihr, in der sie vehement Stellung nimmt gegen den latenten Faschismus in Österreich: Sie habe die verlogene Mozartkugel-Seligkeit gründlich satt. In Berlin, wohin sie erbost umsiedelt, betreibt sie eine alternative Marketing-Agentur, landet in einer Patchwork-Familie mit zwei Stieftöchtern, bekommt nach einer In-vitro-Fertilisation endlich auch selbst ein Kind und durchläuft alle Höhen und Tiefen des Ehelebens. Sie lernt irgendwann einen deutlich älteren Mann kennen, Ankläger des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, eine rein platonische Beziehung. Natürlich sind auch Seitensprünge Thema in diesem turbulenten Roman, und auch das knallharte Berufsleben in Xanes kreativer Agentur, wo hymnisches Lob und gnadenloser Rausschmiss durch die Chefin sehr nahe beieinander liegen. Seitensprünge, gescheiterte Ehen, Flucht in den Ashram, schwierige Kinder, Drogenprobleme, Seniorenheim, Pflegemissstand, Sterbehilfe, in Eva Menasses Themenspektrum bleibt kaum ein Phänomen der Jetztzeit ausgespart, von dem Frauen tangiert sind. Sogar Xanes kühner Plan, als Großmutter zurück nach Wien zu gehen und mit dem Rest ihres Lebens in ihrer Heimatstadt noch mal etwas ganz Neues zu wagen, wird am Ende dezent angedeutet.
Angedeutet wird auch Vieles sonst in diesem Roman, die einzelnen Kapitel lassen jedenfalls reichlich Leerraum für eigene Phantasien des Lesers bei dieser großangelegten Suche nach Identität. Die Frau wird als kleines Mädchen, Pubertierende, Freundin, Ehefrau, Mutter, Großmutter, Geliebte, Kameradin, Künstlerin, Hochbegabte, Mitarbeiterin, Chefin und Ärztin gezeigt. Was ist wahr an dem Bild, das wir von uns haben? Mit feinem Gespür für psychische Befindlichkeiten wird hier stimmig ein Panorama heutiger Weiblichkeit aufgezeigt, wie es nur eine weibliche Autorin vermag, aus einer eindeutig femininen Perspektive also. Das wird nicht zuletzt beim Thema Sex deutlich, das hier äußerst diskret umschifft wird, mithin also auch hierbei nur dezente Andeutungen, - was das Ganze etwas betulich wirken lässt, denn auch das gehört nun mal zum Frau-Sein dazu.
Das Erzählte spielt sich weitgehend in einem gehobenen Großstadt-Milieu ab. Eva Menasses Sprache ist elegant, leicht lesbar und überrascht zuweilen mit gekonnten Wortgebilden wie der «halbjüdischen Doppelhelix». Das den Verknüpfungsmustern der «Quasikristalle» ähnelnde narrativem Konzept mit seinen selbständigen, in sich abgeschlossen Kapiteln stellt für den Leser allerdings eine Hürde dar, er findet keinen Erzählfaden, sondern muss die Puzzleteile selbst zusammensetzen. Teilweise entsteht so zuweilen sogar ein sich widersprechendes Bild der Protagonistin, deren Identität zu ergründen, deren Charakter offenzulegen ja die Intention der Autorin gewesen sein dürfte. Ein Manko sicherlich, aber lesenswert ist dieser Roman allemal!
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