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Richard Fords Frank Bascombe ist zurück. Lässiger und berührender hat noch niemand seinen Frieden mit dem Schicksal gemacht. "Ein großes Buch. Sarkastisch, unsentimental, voller Liebe." (Christian Brückner) Richard Fords berühmteste Figur, Frank Bascombe, ist zurück. Und nun, mit 74, wird seine unangefochtene Meisterschaft, auf lässige Weise den Frieden mit sich und dem Leben zu machen, noch einmal extrem gefordert. Sein Sohn Paul, 47, ist krank, ihm bleibt nicht viel Zeit. Eng waren beide nie, doch jetzt verbindet sie die Bereitschaft, sich mit ungelenker Liebe auf das Kommende einzul...
Richard Fords Frank Bascombe ist zurück. Lässiger und berührender hat noch niemand seinen Frieden mit dem Schicksal gemacht. "Ein großes Buch. Sarkastisch, unsentimental, voller Liebe." (Christian Brückner) Richard Fords berühmteste Figur, Frank Bascombe, ist zurück. Und nun, mit 74, wird seine unangefochtene Meisterschaft, auf lässige Weise den Frieden mit sich und dem Leben zu machen, noch einmal extrem gefordert. Sein Sohn Paul, 47, ist krank, ihm bleibt nicht viel Zeit. Eng waren beide nie, doch jetzt verbindet sie die Bereitschaft, sich mit ungelenker Liebe auf das Kommende einzulassen, und ihr Blick für die Komik des Abseitigen. Für ein letztes Abenteuer mieten sie ein Wohnmobil, einmal von Minnesota bis zum Mount Rushmore - der Weg ist das Ziel. Ford, der große Chronist des modernen Amerika, schickt seine Helden auf eine Odyssee durch die scheinbar banalen Attraktionen im Herzen des Landes und zeigt uns mit jeder kleinen Provinzhölle eine neue Facette des amerikanischen Lebens, das wir so gut zu kennen glauben.
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Richard Ford wurde 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und lebt heute in Maine. 1996 erhielt er für seinen Roman Unabhängigkeitstag den Pulitzer Prize und den PEN/Faulkner Award, 2019 den Library of Congress Prize for American Fiction. Bei Hanser Berlin erschienen zuletzt das Porträt seiner Eltern Zwischen ihnen (2017), der Erzählungsband Irische Passagiere (2020) und sein Roman Valentinstag (2023).
Produktdetails
- Verlag: Hanser Berlin
- Seitenzahl: 384
- Erscheinungstermin: 21. August 2023
- Deutsch
- ISBN-13: 9783446278905
- Artikelnr.: 67843624
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Judith von Sternburg ist komplett begeistert von Richard Fords neuem Roman, der die Geschichte des ehemaligen Sportreporters, Schriftstellers und Immobilienagenten und jetzigen Rentners Frank Bascombe und seiner Familie erzählt. Zeit ist die Trump-Ära Beginn 2020, erläutert Sternburg, und Franks Sohn Paul wird sterben. Frank liest weiter Heidegger (und schläft dabei ein) und unternimmt mit dem sterbenden Sohn einen Roadtrip nach Westen zum Mount Rushmore. Bestechend findet Sternburg nicht nur den Ton, den Frank Heibert gekonnt überträgt, sondern auch die vielen Details, die die Spaltung der US-Gesellschaft und den alltäglichen Wahnsinn gut einfangen, wie sie meint.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Bye-bye, Frank!
Der Mann, der niemals aufgab: Richard Ford lässt in "Valentinstag" seinen altgedienten Helden Frank Bascombe nach mehr als dreißig Jahren, fünf Büchern und einigen Turbulenzen nun doch in den Ruhestand gehen.
Von Peter Körte
War denn nicht schon alles vorbei? Hatte sich Frank Bascombe nicht verabschiedet von uns, vor fast zehn Jahren, an Heiligabend, auf einer Straße in Haddam, New Jersey? Und hatte nicht auch Richard Ford, Bascombes Erfinder, angedeutet, dass es vorbei sei mit Frank, der über mehr als drei Jahrzehnte und in vier Büchern von einer Art amerikanischem Jedermann zum Rentner geworden war; noch aktiv als Immobilienmakler, noch immer, trotz abnehmender Erfolgswahrscheinlichkeit,
Der Mann, der niemals aufgab: Richard Ford lässt in "Valentinstag" seinen altgedienten Helden Frank Bascombe nach mehr als dreißig Jahren, fünf Büchern und einigen Turbulenzen nun doch in den Ruhestand gehen.
Von Peter Körte
War denn nicht schon alles vorbei? Hatte sich Frank Bascombe nicht verabschiedet von uns, vor fast zehn Jahren, an Heiligabend, auf einer Straße in Haddam, New Jersey? Und hatte nicht auch Richard Ford, Bascombes Erfinder, angedeutet, dass es vorbei sei mit Frank, der über mehr als drei Jahrzehnte und in vier Büchern von einer Art amerikanischem Jedermann zum Rentner geworden war; noch aktiv als Immobilienmakler, noch immer, trotz abnehmender Erfolgswahrscheinlichkeit,
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keiner Affäre abgeneigt, aber eben auch mit einer überschaubaren Zukunft, wie sie ein Mann von 68 Jahren in der Regel nun mal vor sich hat?
Das war eine Täuschung. Frank ist wieder da. "Valentinstag" heißt der neue Roman. Richard Ford mag diese Konzentration auf Feiertage, Familienfeste, von denen Blicke in die Vergangenheit fallen, wo sich etwas bündelt, die Möglichkeit zunimmt, dass Konflikte eskalieren. In "Sportreporter" (1986) war Ostern, in "Unabhängigkeitstag" (1995) der Fourth of July, "Die Lage des Landes" (2007) spielte an Thanksgiving. Nur "Frank" (2015) - kein Roman, sondern eine Sammlung von vier Novellen - wich davon insofern ab, als hier der Hurrikan Sandy im Oktober 2012 und dessen Folgeschäden das Geschehen prägten.
In "Valentinstag" umfasst die erzählte Zeit ein paar Tage im Februar 2019, bis zum Fest der Liebenden. 74 Jahre alt ist Bascombe inzwischen, er führt ein "einsames Seniorenleben", hat eine Menge hinter sich, ist so redselig wie immer, ein Hobbyphilosoph, der Heidegger liest und ab und zu ein paar Textbrocken zitiert, aber das sollte man nicht zu ernst nehmen. So wie man auch keine Zeit mit der Frage verschwenden sollte, ob Frank nun ein Alter Ego von Richard Ford ist, bloß weil der im nächsten Jahr 80 wird und sich vor vielen Jahren auch mal als Sportreporter versucht hatte, bevor er Romane schrieb.
Auch wer den Ich-Erzähler Frank noch nicht kennt, erfährt schnell seine Passionsgeschichte, hört von überstandenem Prostatakrebs, einem Loch im Herzen, was nicht metaphorisch gemeint ist, einem kleinen Schlaganfall, zwei gescheiterten Ehen, einem früh verstorbenen Sohn. Und, das ist der Kern des Romans, von einem anderen Sohn, der bald sterben wird, weil er unter ALS, der degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, leidet.
Paul ist 47 Jahre, er hat ein "Irgendwie-Leben" gehabt. Hat zuletzt in "Human-Resources-Logistics" gearbeitet, wohinter sich eine Art Security-Job verbirgt, zuvor als Kartentexter bei Hallmark und in einem Laden für Gartenbedarf in Kansas City. Steile Karrieren sehen anders aus. Er ist unverheiratet und kinderlos. Frank sinniert derweil über das Glück, ganz zu Beginn und in einer Art Epilog. Es ist sein altes Motiv, Ford-Leser kennen es, die Frage nach dem guten Leben und warum es nie so richtig geklappt hat damit. Frank war auch nie ein besonders engagierter Vater; wenn es hart wurde, hat seine erste Frau die Dinge in die Hand genommen. Es ist typisch, dass Franks Tochter aus Arizona ihm am Telefon von Pauls Diagnose erzählt, obwohl der mittlerweile in Haddam gestrandete Paul um die Ecke wohnt. Und es ist ziemlich bemerkenswert, wie Frank dann beschließt, sich um Paul zu kümmern.
Es ist also eine Vater-Sohn-Geschichte, nur dass hier die Lebenszeit des Jüngeren abläuft. Und es ist die Geschichte einer letzten Reise, zur womöglich amerikanischsten aller Gedenkstätten, zum Mount Rushmore in South Dakota, zu den monumentalen, in den Fels gesprengten vier Präsidentenköpfen. "Mount Rushmore sehen und sterben", kalauert sich Paul sein Motto zusammen. Überhaupt reden Vater und Sohn viel, vor allem blödeln sie dabei, ergehen sich in kleinen Sprachspielen und verbalen Scharmützeln, hinter denen trotz manchen Einverständnisses und Vertrautheit eine große Sprachlosigkeit lauert.
Ihre Reise beginnt in einer Mayo-Klinik in Minnesota, sie brechen auf in einem Wohnmobil, das "Warmer Wind" heißt und unbewohnbar ist wegen der klirrenden Kälte. Wir treiben dahin in Franks Bewusstseinsstrom, der weitschweifig ist wie gewohnt, auch wenn dieser Roman mit weniger als 400 Seiten deutlich kürzer ausfällt als seine Vorgänger. Neben dem Alltag mit dem hilfsbedürftigen Paul checkt Frank unterwegs immer wieder seine Chancen bei den Frauen.
Er ist gut darin, sich etwas vorzumachen, kalkuliert wie ein Zocker, der trotz aller Rückschläge noch immer an den großen Coup glaubt, ist auch atemberaubend schnell beim Heiratsantrag, weil Betty in ihrem vietnamesischen Massagesalon für 200 Dollar die Sitzung immer so zugewandt war. Da hat sich über die Jahre nicht viel verändert bei ihm.
Während real nichts passiert, läuft seine Vorstellungskraft auf Hochtouren. Und man weiß nie ganz genau, ob er einem leidtun soll, weil ihm die Aussichtslosigkeit so hartnäckig entgeht; oder ob es nervt, weil haltlose kontrafaktische Annahmen ab einem bestimmten Punkt nur noch ermüden.
Richard Ford ist nun auch ein obsessiver Beschreibungskünstler, seine Szenerien sind fotografisch genau, doch es liegt in dieser Plastizität und Detailfreude zugleich eine Ambivalenz. Nicht weil diese Schilderungen nicht gekonnt oder prägnant wären, sondern eher weil sie es manchmal zu sehr sind, weil dann Frank auf einmal wie der Autor eines populärkulturellen Essays redet und gar nicht mehr aufhören will.
Es sind vor allem öffentliche Räume ungehemmten Konsums und umfassender Fürsorge, die der kulturkritische Blick erfasst. Die Mall mit ihren akribisch aufgeführten Kettenläden, in der Frank und Paul an einem Kinobesuch scheitern; die Mayo-Klinik, eine Gesundheitsfabrik, fast ein Themenpark für Patienten, wo Organisation und Service den Tod auszusperren versuchen. Dort hat man sich den "Rätseln des Heilens wie dem Herumbefördern von Menschen verschrieben, was für einen Äther aus keimfreiem Positivismus sorgt, den wir alle inhalieren können". Das klingt wuchtig - aber redet ernsthaft so ein Immobilienmakler im Ruhestand, der gelegentlich Heidegger liest?
Ähnlich geht es zu, wenn die beiden unterwegs in Mitchell, South Dakota den einzigen "Maispalast" dieser Welt besuchen, ein bizarres Gebäude, dem innen wie außen ein Maiskolbendesign aufgezwungen wurde. Eine "kremlartige Hommage an Demeter" nennt Frank das. Nun ja. Und kurz darauf stehen sie dann schon in einem Hotel namens Fawning Buffalo mit einem von Indigenen betriebenen Casino. Noch so eine Mischform aus Mittelstandsvorhölle und Konsumentenparadies, ohne dass sich daraus neue ethnologische Einsichten in seltsame Sitten und Bräuche des Inlands ergäben.
Diese ausladenden Passagen sind nicht ganz ungefährlich, weil sich in ihnen Figurenrede und Autorenhaltung unverkennbar mischen. Weil ein Schwadroneur wie Bascombe auf Dauer dann doch ein bisschen anstrengend wird, müsste sein Erfinder ihn eigentlich eher bremsen. Er tut es aber nicht. Dieser Hang zur Redundanz mag auch damit zu tun haben, dass Frank als Rentner nun eher vom Rand her auf ein Amerika blickt, dessen gesellschaftlichem und ökonomischem Leben er früher durch das Immobiliengeschäft den Puls fühlen konnte.
Die Beobachtungen des Chronisten jedenfalls haben im Vergleich zu den früheren Romanen deutlich an Schärfe verloren. "The Great American Novel", diese hartnäckige und inzwischen ein wenig überlebte Kritikerchimäre, ist "Valentinstag" nun sicher nicht - nachdem Richard Fords Bücher lange Jahre immer wieder als Kandidaten für diesen Titel gehandelt wurden.
Was nun nicht heißt, es fehle diesem Roman an pointierten Einfällen, denkwürdigen Sätzen und gelungenen Szenen. Dazu gehört sicher nicht die detailliert geschilderte Selfiemeute am Mount Rushmore, sondern das, was Paul angesichts der steinernen Präsidenten durch den Kopf geht: "Es ist komplett sinnlos und lächerlich, und es ist super." Oder die Gespräche zwischen Vater und Sohn, dieses permanente uneigentliche Reden, diese Versuche, in der Nähe des Todes etwas miteinander zu klären. "Du bist mein Lieblings-Arschloch, Frank. Weißt du das nicht?" Und Paul sagt in diesem Moment eben nicht wie sonst "Lawrence" zu seinem Vater, sehr frei (und nicht so wahnsinnig lustig) nach Florence Nightingale.
Und da ist umgekehrt der Blick von Frank, der nach einem dreifachen Wodka und ein paar Schuldgefühlen denkt: "Wie kann dieser Mann mein Sohn sein?" Der sich aber sehr bemüht, wenn dieser Sohn sagt: "'Ein tolles Leben hab ich nicht hingelegt, oder, Frank?' Er sieht mich nicht an. 'Nein. Aber du hast dich ordentlich geschlagen.'" Es ist, für beide, alles, was sie miteinander erreichen können, und in diesen Momenten zeigt sich dann auch Fords ganze literarische Größe: zu wissen, was zu viel wäre, was nicht zu seinen Figuren passte, die er über Jahrzehnte so sorgfältig gezeichnet hat und nicht für ein paar sentimentale Effekte verraten wird.
Am Ende, das ist bei einer Krankheit wie ALS kein Spoiler, wird Paul sterben. Da sind wir schon im Epilog, der im Gegensatz zu den elf Kapiteln zuvor im Präteritum erzählt ist. Ein drängendes Präsens am Sterbebett, das passte nicht zu Frank Bascombe. Er war auch gar nicht dabei, aber er hat noch auf Pauls Wunsch einen Zettel geschrieben, den man dem Moribunden vorgelesen hat, mit einer Liste, was gut sei im Leben. Was Glück ist, hat Frank dabei nicht herausgefunden, seine Lebensphilosophie kreist eher um die Abwesenheit von Unglück und die Frage, warum man bestimmte Dinge im Leben nicht getan hat.
Frank Bascombe, wie wir ihn nun über mehr als dreißig Jahre erlebt haben, könnte, wenn der Titel nicht längst für Clint Eastwood reserviert wäre, der Mann sein, der niemals aufgibt. Nicht weil er so mutig, hart und rücksichtslos wäre. Sondern wegen seiner Nehmerqualitäten, wegen dieser Indifferenz tief im Herzen. "Mein Geist schottet sich gegen zu viel Schlechtes ebenso ab wie gegen zu viel Gutes - das war immer mein Problem", sagt er in einem Moment der Selbsterkenntnis, den er als solchen gar nicht begreift.
Es hätte ihm, statt sich mit dem "Laber Rhabarber" von Heidegger zu quälen, vermutlich mehr geholfen, mal den einen oder anderen alten und sehr verständlichen Stoiker zu lesen. Auch mit 74 Jahren ist es dafür nicht zu spät. Er muss uns ja nicht auch noch die Ergebnisse seiner Lektüre mitteilen. Bye-bye, Frank!
Richard Ford: "Valentinstag". Roman. Aus dem Englischen von Frank Heibert. Hanser Berlin, 384 Seiten, 28 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das war eine Täuschung. Frank ist wieder da. "Valentinstag" heißt der neue Roman. Richard Ford mag diese Konzentration auf Feiertage, Familienfeste, von denen Blicke in die Vergangenheit fallen, wo sich etwas bündelt, die Möglichkeit zunimmt, dass Konflikte eskalieren. In "Sportreporter" (1986) war Ostern, in "Unabhängigkeitstag" (1995) der Fourth of July, "Die Lage des Landes" (2007) spielte an Thanksgiving. Nur "Frank" (2015) - kein Roman, sondern eine Sammlung von vier Novellen - wich davon insofern ab, als hier der Hurrikan Sandy im Oktober 2012 und dessen Folgeschäden das Geschehen prägten.
In "Valentinstag" umfasst die erzählte Zeit ein paar Tage im Februar 2019, bis zum Fest der Liebenden. 74 Jahre alt ist Bascombe inzwischen, er führt ein "einsames Seniorenleben", hat eine Menge hinter sich, ist so redselig wie immer, ein Hobbyphilosoph, der Heidegger liest und ab und zu ein paar Textbrocken zitiert, aber das sollte man nicht zu ernst nehmen. So wie man auch keine Zeit mit der Frage verschwenden sollte, ob Frank nun ein Alter Ego von Richard Ford ist, bloß weil der im nächsten Jahr 80 wird und sich vor vielen Jahren auch mal als Sportreporter versucht hatte, bevor er Romane schrieb.
Auch wer den Ich-Erzähler Frank noch nicht kennt, erfährt schnell seine Passionsgeschichte, hört von überstandenem Prostatakrebs, einem Loch im Herzen, was nicht metaphorisch gemeint ist, einem kleinen Schlaganfall, zwei gescheiterten Ehen, einem früh verstorbenen Sohn. Und, das ist der Kern des Romans, von einem anderen Sohn, der bald sterben wird, weil er unter ALS, der degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, leidet.
Paul ist 47 Jahre, er hat ein "Irgendwie-Leben" gehabt. Hat zuletzt in "Human-Resources-Logistics" gearbeitet, wohinter sich eine Art Security-Job verbirgt, zuvor als Kartentexter bei Hallmark und in einem Laden für Gartenbedarf in Kansas City. Steile Karrieren sehen anders aus. Er ist unverheiratet und kinderlos. Frank sinniert derweil über das Glück, ganz zu Beginn und in einer Art Epilog. Es ist sein altes Motiv, Ford-Leser kennen es, die Frage nach dem guten Leben und warum es nie so richtig geklappt hat damit. Frank war auch nie ein besonders engagierter Vater; wenn es hart wurde, hat seine erste Frau die Dinge in die Hand genommen. Es ist typisch, dass Franks Tochter aus Arizona ihm am Telefon von Pauls Diagnose erzählt, obwohl der mittlerweile in Haddam gestrandete Paul um die Ecke wohnt. Und es ist ziemlich bemerkenswert, wie Frank dann beschließt, sich um Paul zu kümmern.
Es ist also eine Vater-Sohn-Geschichte, nur dass hier die Lebenszeit des Jüngeren abläuft. Und es ist die Geschichte einer letzten Reise, zur womöglich amerikanischsten aller Gedenkstätten, zum Mount Rushmore in South Dakota, zu den monumentalen, in den Fels gesprengten vier Präsidentenköpfen. "Mount Rushmore sehen und sterben", kalauert sich Paul sein Motto zusammen. Überhaupt reden Vater und Sohn viel, vor allem blödeln sie dabei, ergehen sich in kleinen Sprachspielen und verbalen Scharmützeln, hinter denen trotz manchen Einverständnisses und Vertrautheit eine große Sprachlosigkeit lauert.
Ihre Reise beginnt in einer Mayo-Klinik in Minnesota, sie brechen auf in einem Wohnmobil, das "Warmer Wind" heißt und unbewohnbar ist wegen der klirrenden Kälte. Wir treiben dahin in Franks Bewusstseinsstrom, der weitschweifig ist wie gewohnt, auch wenn dieser Roman mit weniger als 400 Seiten deutlich kürzer ausfällt als seine Vorgänger. Neben dem Alltag mit dem hilfsbedürftigen Paul checkt Frank unterwegs immer wieder seine Chancen bei den Frauen.
Er ist gut darin, sich etwas vorzumachen, kalkuliert wie ein Zocker, der trotz aller Rückschläge noch immer an den großen Coup glaubt, ist auch atemberaubend schnell beim Heiratsantrag, weil Betty in ihrem vietnamesischen Massagesalon für 200 Dollar die Sitzung immer so zugewandt war. Da hat sich über die Jahre nicht viel verändert bei ihm.
Während real nichts passiert, läuft seine Vorstellungskraft auf Hochtouren. Und man weiß nie ganz genau, ob er einem leidtun soll, weil ihm die Aussichtslosigkeit so hartnäckig entgeht; oder ob es nervt, weil haltlose kontrafaktische Annahmen ab einem bestimmten Punkt nur noch ermüden.
Richard Ford ist nun auch ein obsessiver Beschreibungskünstler, seine Szenerien sind fotografisch genau, doch es liegt in dieser Plastizität und Detailfreude zugleich eine Ambivalenz. Nicht weil diese Schilderungen nicht gekonnt oder prägnant wären, sondern eher weil sie es manchmal zu sehr sind, weil dann Frank auf einmal wie der Autor eines populärkulturellen Essays redet und gar nicht mehr aufhören will.
Es sind vor allem öffentliche Räume ungehemmten Konsums und umfassender Fürsorge, die der kulturkritische Blick erfasst. Die Mall mit ihren akribisch aufgeführten Kettenläden, in der Frank und Paul an einem Kinobesuch scheitern; die Mayo-Klinik, eine Gesundheitsfabrik, fast ein Themenpark für Patienten, wo Organisation und Service den Tod auszusperren versuchen. Dort hat man sich den "Rätseln des Heilens wie dem Herumbefördern von Menschen verschrieben, was für einen Äther aus keimfreiem Positivismus sorgt, den wir alle inhalieren können". Das klingt wuchtig - aber redet ernsthaft so ein Immobilienmakler im Ruhestand, der gelegentlich Heidegger liest?
Ähnlich geht es zu, wenn die beiden unterwegs in Mitchell, South Dakota den einzigen "Maispalast" dieser Welt besuchen, ein bizarres Gebäude, dem innen wie außen ein Maiskolbendesign aufgezwungen wurde. Eine "kremlartige Hommage an Demeter" nennt Frank das. Nun ja. Und kurz darauf stehen sie dann schon in einem Hotel namens Fawning Buffalo mit einem von Indigenen betriebenen Casino. Noch so eine Mischform aus Mittelstandsvorhölle und Konsumentenparadies, ohne dass sich daraus neue ethnologische Einsichten in seltsame Sitten und Bräuche des Inlands ergäben.
Diese ausladenden Passagen sind nicht ganz ungefährlich, weil sich in ihnen Figurenrede und Autorenhaltung unverkennbar mischen. Weil ein Schwadroneur wie Bascombe auf Dauer dann doch ein bisschen anstrengend wird, müsste sein Erfinder ihn eigentlich eher bremsen. Er tut es aber nicht. Dieser Hang zur Redundanz mag auch damit zu tun haben, dass Frank als Rentner nun eher vom Rand her auf ein Amerika blickt, dessen gesellschaftlichem und ökonomischem Leben er früher durch das Immobiliengeschäft den Puls fühlen konnte.
Die Beobachtungen des Chronisten jedenfalls haben im Vergleich zu den früheren Romanen deutlich an Schärfe verloren. "The Great American Novel", diese hartnäckige und inzwischen ein wenig überlebte Kritikerchimäre, ist "Valentinstag" nun sicher nicht - nachdem Richard Fords Bücher lange Jahre immer wieder als Kandidaten für diesen Titel gehandelt wurden.
Was nun nicht heißt, es fehle diesem Roman an pointierten Einfällen, denkwürdigen Sätzen und gelungenen Szenen. Dazu gehört sicher nicht die detailliert geschilderte Selfiemeute am Mount Rushmore, sondern das, was Paul angesichts der steinernen Präsidenten durch den Kopf geht: "Es ist komplett sinnlos und lächerlich, und es ist super." Oder die Gespräche zwischen Vater und Sohn, dieses permanente uneigentliche Reden, diese Versuche, in der Nähe des Todes etwas miteinander zu klären. "Du bist mein Lieblings-Arschloch, Frank. Weißt du das nicht?" Und Paul sagt in diesem Moment eben nicht wie sonst "Lawrence" zu seinem Vater, sehr frei (und nicht so wahnsinnig lustig) nach Florence Nightingale.
Und da ist umgekehrt der Blick von Frank, der nach einem dreifachen Wodka und ein paar Schuldgefühlen denkt: "Wie kann dieser Mann mein Sohn sein?" Der sich aber sehr bemüht, wenn dieser Sohn sagt: "'Ein tolles Leben hab ich nicht hingelegt, oder, Frank?' Er sieht mich nicht an. 'Nein. Aber du hast dich ordentlich geschlagen.'" Es ist, für beide, alles, was sie miteinander erreichen können, und in diesen Momenten zeigt sich dann auch Fords ganze literarische Größe: zu wissen, was zu viel wäre, was nicht zu seinen Figuren passte, die er über Jahrzehnte so sorgfältig gezeichnet hat und nicht für ein paar sentimentale Effekte verraten wird.
Am Ende, das ist bei einer Krankheit wie ALS kein Spoiler, wird Paul sterben. Da sind wir schon im Epilog, der im Gegensatz zu den elf Kapiteln zuvor im Präteritum erzählt ist. Ein drängendes Präsens am Sterbebett, das passte nicht zu Frank Bascombe. Er war auch gar nicht dabei, aber er hat noch auf Pauls Wunsch einen Zettel geschrieben, den man dem Moribunden vorgelesen hat, mit einer Liste, was gut sei im Leben. Was Glück ist, hat Frank dabei nicht herausgefunden, seine Lebensphilosophie kreist eher um die Abwesenheit von Unglück und die Frage, warum man bestimmte Dinge im Leben nicht getan hat.
Frank Bascombe, wie wir ihn nun über mehr als dreißig Jahre erlebt haben, könnte, wenn der Titel nicht längst für Clint Eastwood reserviert wäre, der Mann sein, der niemals aufgibt. Nicht weil er so mutig, hart und rücksichtslos wäre. Sondern wegen seiner Nehmerqualitäten, wegen dieser Indifferenz tief im Herzen. "Mein Geist schottet sich gegen zu viel Schlechtes ebenso ab wie gegen zu viel Gutes - das war immer mein Problem", sagt er in einem Moment der Selbsterkenntnis, den er als solchen gar nicht begreift.
Es hätte ihm, statt sich mit dem "Laber Rhabarber" von Heidegger zu quälen, vermutlich mehr geholfen, mal den einen oder anderen alten und sehr verständlichen Stoiker zu lesen. Auch mit 74 Jahren ist es dafür nicht zu spät. Er muss uns ja nicht auch noch die Ergebnisse seiner Lektüre mitteilen. Bye-bye, Frank!
Richard Ford: "Valentinstag". Roman. Aus dem Englischen von Frank Heibert. Hanser Berlin, 384 Seiten, 28 Euro.
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"In gewohnt subtilem Ton ist Ford ein ebenso kluges wie witziges Porträt der amerikanischen Gegenwart gelungen. ... Ein Stil von lakonischer Schönheit." Andreas Pfeifer, ORF Kulturmontag, 27.11.23 "Ford ist ein Meister der klaren und doch kunstvollen Sätze." Florian Kaindl, Süddeutsche Zeitung, 23.11.23 "Fords Romane sind Meditationen über unsere Sterblichkeit, ... unsere Verhältnisse, unsere Beziehungen... Im Lesen seiner Romane kommen wir uns selbst auf die Schliche und entdecken unser Inneres... Ford ist ein Erzähler, an dem unsere Psyche, unsere Seele wachsen kann: Das Tollste, was Literatur in einem auslösen kann. Klug, intelligent, fantastisch!" Denis Scheck, WDR 3 Mosaik, 13.11.23 "Von Richard Ford lässt man sich gerne stundenlang
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erzählen." Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 07.11.23 "Gleichermaßen herzergreifend wie überraschend lustig. ... Hier zeigt sich Richard Fords erzählerische Brillanz. Er erzählt uns eine anrührende Geschichte von Vater und Sohn. Er zeigt uns zugleich das Amerika der Gegenwart in unzähligen sprechenden Details. ... Pures Leseglück!" Thomas Böhm, rbb radioeins, 02.11.23 "Zu Richard Fords Erzähl-Prinzipien - einem unaufdringlichen Realismus verpflichtet - gehört seit jeher die empathische Auseinandersetzung mit Allerweltsmenschen." Günter Kaindlstorfer, Ö1 ex libris, 29.10.23 "Ford schafft es - bei aller Tragik des menschlichen Lebens immer wieder Schichten von Glück freizulegen. Denn was kann es mehr geben, als den Verlust eines Kindes. ... Doch Ford lässt Bascombe nicht zynisch werden, sondern schreibt über Glück und Liebe." Gilbert Schomaker, Berliner Morgenpost, 28.10.23 "Ein echtes Lesevergnügen, so sarkastisch, unsentimental und humorvoll. ... Ford ist kein Mann der großen Worte und schreibt doch umso eindringlichere Bücher." Tilman Urbach, Bayern 2 Diwan, 08.10.23 "Eine bewegende Vater-Sohn-Geschichte. ... Vor allem am Ende entfaltet der Roman eine emotionale Wucht." Tino Dallmann, mdr Kultur, 04.10.23 "Eine präzise, detailgetreue, fabelhaft beobachtete und darum so anschauliche Zustandsbeschreibung der USA." Christoph Schröder, Deutschlandfunk Büchermarkt, 01.10.23 "Hochspannend zu lesen, manchmal sehr komisch, oft traurig, ein Buch vom Scheitern, vom Trotzdem, vom Tapfer-Sein. Ein Autor, den ich Ihnen unbedingt ans Herz legen möchte." Elke Heidenreich, Spiegel Kultur, 28.09.23 "Frank Bascombe bringt das scheinbar Unbedeutende zum Leuchten. ... Richard Fords Romane zählen zum Besten, was die US-Literatur zu bieten hat." Sebastian Fasthuber, Falter, 26.09.23 "Oft weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. ... Richard Ford ist und bleibt der große Alltagsphilosoph der amerikanischen Literatur." Frank Dietschreit, rbb Kultur, 22.09.23 "Meisterhaft erzählt ... Nun soll es zu Ende sein? ... Nein, man sollte Bascombe keinesfalls abschreiben. Am Ende von 'Valentinstag' ist er bereit, noch einmal aufzubrechen. Solange Richard Ford ihn begleitet, ist Amerika nicht verloren." Peter Kümmel, Die Zeit, 21.09.23 "Richard Ford hat diesen Frank Bascombe, eine der bedeutendsten Figuren der Gegenwartsliteratur, mit viel Individualität, Glaubwürdigkeit und Dringlichkeit ausgestattet. ... Richard Ford ist bei aller Fähigkeit zur Empathie ein unbarmherziger Plotter, der die erzählerische Schraube immer noch eine Umdrehung mehr anzieht. ... Das Leben bleibt hier stets voller Ambivalenzen, Krisen und Überraschungen, guter wie böser." Dirk Knipphals, taz, 02.09.23 "Wie immer bei Richard Ford geht nicht um die großen, pathetischen Gesten, sondern um die kleinen, simplen Dinge des Lebens. ... Als Leser tauchen wir tief ein in amerikanische Lebenswelten mit ... schrägen Orten und skurril-liebenswerten Gestalten. Fords Bücher erzählen immer auch von der Lage des Landes, aber stets auf indirekte Weise, niemals plakativ." Andreas Wirthensohn, WDR 3, 29.08.23 "Ford ist nicht der Mann der großen Worte. Und schreibt doch umso eindringlichere Bücher. ... Es ist dieses ganz normale Leben mit seinen Tücken, dem Fords Bücher ihre besondere Dringlichkeit verdanken." Tilman Urbach, BR24, 26.08.23 "Phänomenal ... Die Lektüre gleicht einer Fahrt im Kajak durch Stromschnellen: erschreckend, unvorhersehbar und aufwühlend. Und herrlich. ... Am Ende der Reise liest man langsamer, weil die existenzielle Ungeschicklichkeit und der schräge Sarkasmus der Bascombes so einnehmend sind. ... Ford beweist, dass das Ende der Literatur noch fern ist." Nils Minkmar, Süddeutsche Zeitung, 23.08.23 "Richard Ford ist ein entspannter Existentialist - diese Perspektive aufs Leben leiht er seinem Helden Frank Bascombe. Eine Melancholie mit Lizenz zum Lachen." Wolfgang Popp, ORF Ö1, 22.08.23 "Wie Frank seinen Sohn auf dieser Odyssee in Richtung Tod begleitet, davon erzählt dieser Roman mit jenem brillanten, oft bittertraurigen Witz, der Ford auszeichnet. ... Ein Buch über Liebe: eine Liebe, in der Frank Bascombe, der so oft versagt zu haben glaubte, beeindruckend besteht. ... Ford ist ein Meister des Unsentimentalen." Bernadette Conrad, SRF 2, 22.08.23 "Frank Bascombe ist eine faszinierende Erzählerfigur. Er bewährt sich als sarkastischer, vor keiner Scheußlichkeit die Augen verschließender Räsoneur des amerikanischen Alltags. ... Ein großer Roman, der schonungslos eine hochbelastende Pflegesituation darstellt und illusionslos die amerikanische Identität auslotet." Wolfgang Schneider, Deutschlandfunk Kultur, 22.08.23 "Richard Ford ist ein obsessiver Beschreibungskünstler, seine Szenerien sind fotografisch genau. ... Fords ganze literarische Größe zeigt sich darin zu wissen, was zu viel wäre, was nicht zu seinen Figuren passte, die er über Jahrzehnte so sorgfältig gezeichnet hat." Peter Körte, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20.08.23 "Ford erzählt unsentimental, lakonisch, ergreifend. Besser kann man nicht über die großen Fragen des Lebens schreiben." Barbara Beer, Kurier, 20.08.23 "Ein todvergnügter Roman, dessen Schlusserkenntnis bereits im Eingangskapitel steht: 'Das Glück entzieht sich immer, bleibt aber das Ziel.'" Sigrid Löffler, SWR 2, 20.08.23 "Die große Aussprache von Vater und Sohn über das Leben und den Tod findet einfach nicht statt: Gerade darum geht es. Und darum: Wie es trotz aller Beschädigungen gelingen kann, ein immerhin halbwegs, was immer das sein mag, gelungenes Leben zu führen." Christian Zaschke, Süddeutsche Zeitung, 19.08.23 "Lakonie ist Franks Habitus, passt ihm angegossen wie seine hoffnungslos generationstypische und daher wieder zeitlos lässige Kluft aus Baumwollhose, kariertem Hemd und Loafern. ... Dass Frank das Himmelfahrtskommandounternehmen der Pilgerfahrt wiederholt, muss man tollkühn nennen - und ebenso gilt das für Fords Entschluss, den abschließenden Roman des Bascombe-Zyklus als Kontrafaktur von 'Unabhängigkeitstag' anzulegen." Patrick Bahners, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.08.23 "Es sind die Kleinigkeiten und Mikro-Beobachtungen, die diesen Roman in seiner Mischung aus Schroffheit, Laberei und Seelenpein zu einem Erlebnis machen." Meike Feßmann, Tagesspiegel,19.08.23 "Ein Roman über das Wesen des Glücks. ... Richard Ford bleibt seiner Hauptfigur treu und setzt sie dem nagenden Zahn der Zeit aus." Erich Demmer, Die Presse, 19.08.23 "Zu Richard Fords Erzähl-Prinzipien - einem unaufdringlichen Realismus verpflichtet - gehört seit jeher die empathische Auseinandersetzung mit Allerweltsmenschen. ... Mit einem deutlich melancholischen Akkord endet Richard Fords fünfbändiger Zyklus über Frank Bascombe, den paradigmatischen Baby-Boomer mit der losen Zunge." Günter Kaindlstorfer, WDR 5, 19.08.23 "Richard Ford ist einer der bedeutendsten lebenden amerikanischen Schriftsteller. Mit seinen Büchern über den Jedermann Frank Bascombe hat er die amerikanische Literatur geprägt. ... Ein Denkmal für eine Generation. ... 'Valentinstag' ist ein großes, trauriges und lustiges Buch." Tobias Rapp, Der Spiegel, 12.08.23
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»Themen wie Altern, Pflege, Trauer und der gesellschaftliche Zustand der USA werden [im Hörbuch] mit trockenem Humor gewürzt, den Christian Brückner in seiner Lesung wunderbar aufgreift.« hr2 Hörbuchbestenliste 20230928
Ans Ende kommen ist schwer
Richard Ford, einer der großen amerikanischen Schriftsteller des 20. Und 21. Jahrhunderts scheint mit „Valentinstag“ der Romanserie um sein Alter Ego Frank Boscombe tatsächlich ein Ende setzen zu wollen. Dass er es dem einst leichtfüßigen …
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Ans Ende kommen ist schwer
Richard Ford, einer der großen amerikanischen Schriftsteller des 20. Und 21. Jahrhunderts scheint mit „Valentinstag“ der Romanserie um sein Alter Ego Frank Boscombe tatsächlich ein Ende setzen zu wollen. Dass er es dem einst leichtfüßigen Protagonisten im hohen Alter so schwer macht, hätte ich nicht gedacht. Der nun mittlerweile über 70jährige Frank, der sich von seinem Seniorendasein in einen Job bei den Hausflüsterern, einer Immobilienfirma mit besonderem Anspruch, als Teilzeitangestellter flüchtet, muss mit einer tragischen Tatsache zurechtkommen. Meine Überschrift ist ein Zitat aus diesem Buch.
Nachdem seine Ex-Frau ebenso verstorben ist wie sein erster Sohn, bekommt nun Franks Sohn Paul die Diagnose ALS. Der Roman beginnt mit Rückblicken, mit Gedanken übers Glücklichsein, mit der Erinnerung an seine Mutter und mit der Behandlung Pauls an einer Mayo-Klinik. Dass die Behandlung von ALS, einer Krankheit, die das gesamte Nervensystem „auffrisst“, nur erleichternden und aufschiebenden Charakter hat, das weiß jeder, die Ärzte, Frank, Paul, auch seine Schwester und natürlich jeder Leser. So werden die kommenden Kapitel eine tour de Force für Frank und Paul. Schon ein misslungener Kinobesuch gerät zu einer anstrengenden Tortur, dann beschließt Frank, mit Paul zum Mount Rushmore zu reisen. Der Weg ist das Ziel, der Weg ist das Glück. Wie die beiden das hinbekommen, lasse ich selbstverständlich offen, aber eines kann ich schreiben, es wird von Seite zu Seite spannender.
Dass sich ein Buch über ALS nicht gerade als leichte Lektüre entpuppt, wird wohl jeder akzeptieren, besonders die Ford-Fans finden in diesem Buch sicher dutzende Aha-Momente, die sich auf Franks und Pauls Vergangenheit beziehen.
Dem Übersetzer Frank Heibert ist ein Kunststück gelungen, die Übersetzung liest sich meiner Meinung nach sogar besser als das Original. Das heißt „Be mine“ und ist schon seit Juni 2023 erhältlich, so auch die recht lange Leseprobe (10 %), die ich nach dem deutschen Buch auch noch gelesen habe. Auch der Titel „Valentinstag“ ist passend gewählt. Heibert hat diesem Buch ein einfühlsames Nachwort gewidmet und auch einige Anmerkungen zu amerikanischen, dem deutschen Leser nicht unbedingt geläufigen Details verfasst. Eigentlich schade, dass diese nicht im laufenden Text mit einer Fußnotennummer versehen sind. Nicht jeder liest zuerst am Ende des Buches das Nachwort, gerade beim gedruckten Buch ist das nachträglich Auffinden der Textstellen, die zu den Anmerkungen passen, nicht so leicht wie in einem e-Book.
Fazit: Richard Fords Schreibstil wird für Ford-Neueinsteiger zuerst etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, aber ich denke, dass sich das Weiterlesen unbedingt lohnt. Für mich gewöhnungsbedürftig war in erster Linie die sehr naturalistische Art, mit der Frank als Vater über seinen schon von der Krankheit schwer gezeichneten Sohn erzählt. Aufgehoben wird das aber vielfach durch ironische Bemerkungen, mit denen der Autor versucht, das Gleichgewicht zwischen Tragik und Komik wieder herzustellen. Die Ironie hat in diesem Buch eindeutig die Oberhand.
Klare Leseempfehlung!
#Valentinstag #NetGalleyDE
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Gebundenes Buch
Ein Kaleidoskop vom Leben und Sterben
Inhalt:
Nachdem er schon seine Ex-Frau und seinen damals neunjährigen Sohn Ralph zu Grabe tragen musste, ist der 74-jährige Frank Bascombe nun dabei, auch seinen zweiten Sohn, Paul, zu verlieren. Dieser leidet an einer aggressiven Form von ALS und …
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Ein Kaleidoskop vom Leben und Sterben
Inhalt:
Nachdem er schon seine Ex-Frau und seinen damals neunjährigen Sohn Ralph zu Grabe tragen musste, ist der 74-jährige Frank Bascombe nun dabei, auch seinen zweiten Sohn, Paul, zu verlieren. Dieser leidet an einer aggressiven Form von ALS und seine verbleibende Lebenserwartung ist sehr gering. Frank und Paul standen sich nie besonders nahe, doch angesichts des Todes versucht Frank alles, um das Ruder noch einmal herumzureißen.
Meine Meinung:
Nachdem ich alle anderen Romane um den Protagonisten Frank Bascombe gelesen habe, musste ich natürlich auch den neuesten und wie ich denke letzten aus dieser Reihe lesen. Leider konnte mich dieses Buch nicht so begeistern wie manch andere aus dieser Serie.
Frank erschien mir hier als Protagonist nicht unbedingt sympathisch, er spricht oft schlecht über und mit seinem todkranken Sohn. Das hätte nicht sein müssen. Ich konnte ja manchmal nachvollziehen, warum er es tut, aber gefallen hat es mir nicht.
Die beiden machen eine Reise mit dem Wohnmobil zum Mount Rushmore - ziemlich unsinnig im Winter und mit ALS im fortgeschrittenen Stadium im Gepäck. Aber gerade darum geht es Frank, etwas Unsinniges zu tun und das gemeinsam. Dabei philosophieren sie über Gott und die Welt und natürlich über die Vereinigten Staaten. Es wird auf ziemlich viele Personen und Orte angespielt, die einem als Nicht-US-Amerikaner nicht unbedingt viel sagen. Dankenswerterweise gibt es am Ende des Buches ein Glossar des Übersetzers. Dieser hat auch in anderer Hinsicht Großes geleistet. Manche Wortneuschöpfungen des Autors waren sicher nicht leicht zu händeln, aber Frank Heibert hat diese Aufgabe wirklich gut gemeistert.
Eigentlich gut gemacht, hat der Roman doch ein paar ziemlich zähe Längen, wenn städtische Umgebungen oder nicht relevante Personen aufs Detaillierteste beschrieben werden und einfach so gar nichts passieren will. Frank ist ein allzu genauer Beobachter, dem auch die kleinste Kleinigkeit nicht entgeht, aber hier wäre weniger einfach mehr gewesen. Zuweilen tritt der Roman ordentlich auf der Stelle und ich musste mich zum Weiterlesen geradezu zwingen.
Die Frank-Bascombe-Serie:
1. Der Sportreporter
2. Unabhängigkeitstag
3. Die Lage des Landes
4. Frank
5. Valentinstag
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MP3-CD
"Valentinstag" ist Richard Fords fünfter Roman über Frank Bascombe und zugleich sein "existenziellster". Seit 30 Jahren dienen ihm US amerikanische Feiertage ("Unabhängigkeitstag", Thanksgiving) dazu, eine Bestandsaufnahme der Nation und seines …
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"Valentinstag" ist Richard Fords fünfter Roman über Frank Bascombe und zugleich sein "existenziellster". Seit 30 Jahren dienen ihm US amerikanische Feiertage ("Unabhängigkeitstag", Thanksgiving) dazu, eine Bestandsaufnahme der Nation und seines Protagonisten zu machen. Der Roman beschreibt die drei Tage von Franks Reise mit seinem an ALS erkrankten Sohn Paul zum Mount Rushmore, die eine letzte Vater-Sohn- Unternehmung sein soll. Dabei reflektiert er die großen Themen Glück, Leben und Tod, die im Kontrast zu den Niederungen US- amerikanischer Vorortsiedlungen im Mittelwesten stehen und eine Unmenge an amerikanischen Anspielungen ("Jimmy-Cagney-Moment", "Abbott-und-Castello-Nr") aus dem Bereich Sport und Kultur enthalten, die für Europäer nicht leicht zu verstehen sind (leider wird erst am Ende des ebooks deutlich, dass es dazu Anmerkungen gibt). Auch erscheint mir die Übersetzung von Frank Heibert manchmal ziemlich bemüht flapsig. So heißt es mehrmals nach Franks Besuchen bei einer vietnamesischen Masseuse : "200 Schleifen in einen Umschlag geflutscht".
Trotz alle dem ein anrührender Roman über einen Vater, der sich bemüht, seinem zum Tode geweihten Sohn beizustehen und und all die Fehler und verpassten Gelegenheiten in einem Vaterleben wieder gut zu machen.
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Gebundenes Buch
Frank Bascombe, dieser amerikanische Durchschnittsmann, ist wieder da. Wie sein Autor, der demnächst 80 Jahre alt wird, ist auch Frank Bascombe gealtert: er ist 74. Franks Leben steht vor einer besonderen Herausforderung. Sein Sohn Ralph ist bereits früh verstorben, die Ehe zerbrach an …
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Frank Bascombe, dieser amerikanische Durchschnittsmann, ist wieder da. Wie sein Autor, der demnächst 80 Jahre alt wird, ist auch Frank Bascombe gealtert: er ist 74. Franks Leben steht vor einer besonderen Herausforderung. Sein Sohn Ralph ist bereits früh verstorben, die Ehe zerbrach an diesem Verlust, und nun begleitet er seinen Sohn Paul, der an der tödlichen Krankheit ALS leidet und bald sterben wird.
Der Plot ist eigentlich schnell erzählt: Vater und Sohn kaufen ein klappriges Wohnmobil und starten eine Tour zu den Absurditäten und Verrücktheiten der USA. Im Mittelpunkt steht dabei der Besuch des Mount Rushmore in Süd-Dakota, der Berg, in den die vier monumentalen Köpfe der Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln und Theodore Roosevelt eingehauen sind. Ein Nationaldenkmal, ein Sinnbild des amerikanischen Selbstverständnisses und der Demokratie. Vater und Sohn sehen den organisatorischen Aufwand, die Parkplätze, die Menschenmassen, die pompöse Zugangsallee, die vielen Andenkenläden, den ganzen Konsum um dieses Denkmal herum, und sie sehen, dass das Denkmal bröckelt.
Diese Feststellung ist typisch für den ganzen Roman: nicht nur das Denkmal, dieser Shrine of Democracy, bröckelt, sondern auch das Land. Ford und sein Protagonist scheinen hier zu verschmelzen, wenn sie sehr genau beobachten und beschreiben. Die Furcht vor Amokschützen in öffentlichen Freiplätzen, der ungebremste Konsum in Einkaufsparadiesen, die Negierung ethnischer Rechte, heruntergekommene und überteuerte Motels, Fast-Food-Ketten, ein Casino, das von Indianern betrieben wird, endlose Straßen, endlose Vororte, touristisch aufgemotzte Orte, ein bizarres Maismuseum, die Mayo-Klinik als perfekt durchorganisierter riesiger Gesundheitspark, der den Tod negiert, und natürlich Trump - das ist der Blick, den Autor + Protagonist dem Leser vermitteln: ein ernüchternder Blick auf ein zerbröckelndes Land.
Das Verhältnis Vater-Sohn war nie das Beste, dennoch beschließt Frank, sich um den Sohn zu kümmern. Er beobachtet die schleichende Verschlechterung von Pauls Zustand, er registriert seine Muskelzuckungen, die zunehmende Muskelschwäche, die zu Stürzen führt, und seine Probleme beim Kauen und Sprechen. Es wäre also Zeit für das große Resümee, das die Klinik empfohlen hat. Und genau das tun sie nicht. Die Beiden reden viel, sie machen Witze, sie pflaumen sich an, aber sie reden nicht über die Dinge, die anstehen: Pauls Sterben und Tod. Aber hinter all den verbalen Spielereien klingt immer Franks tiefe Trauer über die Erkrankung des Sohnes heraus. Und diese verhaltene Mischung aus Tragik und Komik, aus Leid und Ironie macht den Roman anrührend bis zum letzten Satz.
Die Gedanken von Vater und Sohn kreisen um die Frage, woraus ein gutes Leben besteht. „Ein tolles Leben habe ich nicht hingelegt“, sagt der Sohn, und der Vater darauf: „Aber du hast dich ordentlich geschlagen.“ Damit sind sie beide zufrieden. Frank verzichtet darauf, mit dem Schicksal zu hadern und nach dem Warum zu fragen. Er lehnt sich nicht auf, sondern beugt sich und nimmt das Schicksal an, das ihm zugewiesen ist. Die Frage nach dem Glück beantwortet er nüchtern und in Anlehnung an Augustinus so, dass Glück die Abwesenheit von Unglück ist.
Und was ist ein gelungenes Leben? Die Antworten des Vaters auf diese Frage werden dem sterbenden Paul vorgelesen. Der Roman schließt mit dieser tröstlichen Aussage: Nicht alles hat Sinn und Zweck, vieles macht man nicht, obwohl man es machen wollte oder sollte, und auch wenn nicht alles klappt, wie es sollte, hat man trotzdem ein gelungenes Leben geführt.
Der Roman wurde perfekt und kongenial übersetzt von Frank Heibert, Chapeau!! Schade, dass das Nachwort der Print-Ausgabe im Hörbuch nicht enthalten ist!
Ebenso perfekt ist die Einlesung von Christian Brückner, dessen variationsstarke Stimme v. a. in den Dialogen überzeugt.
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