Jochen Schmidt
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Komisch und ernst, detailverliebt und mit dem Blick auf die großen Fragen erzählt Jochen Schmidt von der ewigen Suche nach dem guten Leben. Es ist das letzte Mal, dass Richard Sparka mit seiner Gefährtin Klara und den Kindern Karl und Ricarda nach Schmogrow im Oderbruch fährt. Das Haus, in dem er als Junge seine Ferien verbrachte, wird nach dem Tod der bezaubernd eigenwilligen Besitzer verkauft. Im Gedenken an die endlosen Sommertage, die er hier verbrachte, will Richard seinen ewigen Kampf gegen die Verhässlichung der Welt fortsetzen und forscht dem Glück Schmogrows nach. Doch je tiefer...
Komisch und ernst, detailverliebt und mit dem Blick auf die großen Fragen erzählt Jochen Schmidt von der ewigen Suche nach dem guten Leben. Es ist das letzte Mal, dass Richard Sparka mit seiner Gefährtin Klara und den Kindern Karl und Ricarda nach Schmogrow im Oderbruch fährt. Das Haus, in dem er als Junge seine Ferien verbrachte, wird nach dem Tod der bezaubernd eigenwilligen Besitzer verkauft. Im Gedenken an die endlosen Sommertage, die er hier verbrachte, will Richard seinen ewigen Kampf gegen die Verhässlichung der Welt fortsetzen und forscht dem Glück Schmogrows nach. Doch je tiefer er in die Vergangenheit seines Kindheitsparadieses und der Menschen, die es geschaffen hatten, eintaucht, umso schmerzlicher wird ihm bewusst, dass Idylle und Abgrund nie zu trennen waren, und dass vielleicht gerade darin seine Schönheit liegt.
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Jochen Schmidt ist 1970 in Berlin geboren und lebt dort. Bei C.H.Beck erschienen unter anderem seine Romane "Müller haut uns raus" (2002), "Schneckenmühle" (2013), "Zuckersand" (2017) und "Ein Auftrag für Otto Kwant" (2019). "Phlox" war 2022 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Line Hoven, 1977 in Bonn geboren, ist Comic-Zeichnerin und Illustratorin. Sie veröffentlichte u.a. das Werk "Liebe schaut weg", für das sie beim 13. Internationalen Comic-Salon in Erlangen mit dem ICOM-Preis geehrt wurde. Line Hoven lebt in Hamburg.
Produktdetails
- Verlag: C.H. Beck
- Seitenzahl: 479
- Erscheinungstermin: 11. Juli 2024
- Deutsch
- ISBN-13: 9783406825491
- Artikelnr.: 70920863
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Katharina Teutsch freut sich über den für sie bisher besten Roman von Jochen Schmidt: "Phlox" spielt in dem fiktiven Ort Schmogrow in der DDR, an den sich der Erzähler sehnsüchtig, mit fast proust'schen Qualitäten erinnert, wie die Rezensentin bezeugt. Die ländliche Geschichte überzeugt sie dadurch, dass statt spannungsreicher Handlung Beobachtungen und Assoziationen Vorrang haben und sich entwickeln können. Daneben, so Teutsch, widmet sich der Autor auch der (Kriegs-)Vergangenheit des idyllischen Ortes, die weniger Schönes zum Vorschein bringt. Eine rundum gelungene poetische und reflektierende Erinnerungsreise, resümiert sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Im Combray der späten DDR
Jochen Schmidts Roman "Phlox" ist ein stilistisch herausragendes Kaleidoskop einer ostdeutschen Kindheit und gesamtdeutschen Gegenwart
Schon die Namen in Jochen Schmidts neuem Roman bergen das innere Rätsel der Handlung, in die sie vom Autor auf fast fünfhundert Seiten behutsam eingebettet wurden. "Phlox" ist der Titel des Romans, wobei es sich um eine ebenso wohlriechende wie wohlklingende Pflanze aus der Familie der Sperrkrautgewächse handelt. Man findet sie in "Schmogrow", einem fiktiven Ort im Oderbruch. Hier verbringen die Familie des Erzählers zu Ostzeiten und derselbe Erzähler als junger Familienvater zu Westzeiten endlos dahinschlendernde Sommertage. Gastgeber und Phloxpfleger im
Jochen Schmidts Roman "Phlox" ist ein stilistisch herausragendes Kaleidoskop einer ostdeutschen Kindheit und gesamtdeutschen Gegenwart
Schon die Namen in Jochen Schmidts neuem Roman bergen das innere Rätsel der Handlung, in die sie vom Autor auf fast fünfhundert Seiten behutsam eingebettet wurden. "Phlox" ist der Titel des Romans, wobei es sich um eine ebenso wohlriechende wie wohlklingende Pflanze aus der Familie der Sperrkrautgewächse handelt. Man findet sie in "Schmogrow", einem fiktiven Ort im Oderbruch. Hier verbringen die Familie des Erzählers zu Ostzeiten und derselbe Erzähler als junger Familienvater zu Westzeiten endlos dahinschlendernde Sommertage. Gastgeber und Phloxpfleger im
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Sinne Karl Foersters ("Ein Leben ohne Phlox ist ein Irrtum") ist das Ehepaar "Tatziet", das Jahr für Jahr Feriengäste von diesseits und jenseits der Mauer wiederum in den Mauern eines Gutshauses willkommen heißt. Diese Worttrias aus "Schmogrow", "Tatziet" und "Phlox" erzeugt, auch ohne die Handlung zu kennen, einen satten Akkord - harmonisch genug, um dem Ohr zu schmeicheln, ausreichend dissonant, um sich interessant zu machen. "Schmogrow" ist der Schmelz. "Tatziet" ist die ausgefahrene Kralle. Der "Phlox" schließlich vereint beides, das Weiche und das Widerspenstige.
Und wo wir schon bei den lyrischen Qualitäten des Titels sind. "Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He!", schrieb einst Johann Wolfgang von Goethe. Und mit diesem Weckruf aus berufenem Dichtermund nimmt die Schmogrower Saga ihren Lauf: "Das Zentrum des Gartens bildete der 'Kompositorium' genannte Komposthaufen, zu dem alle Wege führten, man ging gern dorthin, es war immer ein Spaziergang ins Herz der Natur, hier landete alles, was selbst die Hühner verschmähten (einschließlich einer Boccia-Kugel und einer verrosteten Handgranate, die einmal beim Sieben des Komposts gefunden worden waren). Unter dem geheimnisvollen Beistand von allerhand Kleinlebewesen wurde hier aus Küchen- und Gartenabfällen wertvolle Nahrung für die verschiedenen Kulturen. Auf den drei Feldern wurden in Fruchtfolge Kartoffeln, Mais, Sonnenblumen, Bohnen oder 'Wrunken' genannte Rüben angebaut. Manche Gäste schätzten besonders den Spargel, sie spekulierten bei Überraschungsbesuchen, die sie wie zufällig in der Spargelzeit herführten, darauf, zum Mittagessen etwas von diesem etwas anrüchigen Gemüse vorgesetzt zu bekommen. (Frau Tatziet sagte: 'Zum Spargelstechen braucht man junge Augen' und schickte uns Kinder morgens mit Spankörben zu den aufgehäufelten Reihen, Ausschau nach den violetten Spitzen zu halten, die die Krume keck durchstießen und mit einem langen, scharf geschliffenen Buttermesser tief, aber nicht zu tief den Spargel zu schneiden. Später im Jahr würde hier ein Wald zartgrüner Spargelbäumchen mit giftigen Früchten wachsen.)"
Ein ausführliches Zitat an dieser Stelle, denn das Verfahren dieses von der Kritik gerne als Nostalgiker verharmlosten Autors ist der mäandrierende Gedankenstrom à la Proust. Schmogrow, das ist das Combray der späten DDR. Ein Ort, der mit der Kindheit des Erzählers sowie seines Autors verknüpft ist und in ihre ganz eigenen Elysien führt.
Doch wie auch bei Proust, dem Jochen Schmidt vor mehr als zehn Jahren ein hervorragendes Lesetagebuch gewidmet hat, ist das Herumschweifen in den Echoräumen der Kindheit mehr als bloße Reminiszenz. Im Akt des Erinnerns begegnen sich verschiedene Ebenen des Daseins wie im Traum. Einerseits gibt es den Rhythmus der Natur (Fruchtfolge!), andererseits die individuelle Lebensweise der Tatziets (Spargelstechen mit jungen Gästen!). Einerseits wird aus dem Alten die Zukunft gewonnen (Kompost!), andererseits in ihm eine Vergangenheit geborgen, die nicht vergehen will (Boccia-Kugel und Handgranate!).
Mit "Phlox" hat Jochen Schmidt seinen bisher besten Roman geschrieben, weil dieser zwar das Schmidt'sche Prinzip der anteilnehmenden Beobachtung fortsetzt, aber durch den Verzicht auf eine Handlung das Prinzip selbst zur Handlung macht. So liest man "Phlox" als vielschichtige Erzählung über ein Dorf und seine Bewohner, über einen Landstrich und dessen Geschichte, auch über einen Vater im Alter des Autors, der zurückkehrt ins zeitlose Glück seiner Kindheit und dort lernen muss loszulassen.
Ohne Handlung heißt aber keineswegs handlungsarm. Denn der Erzähler chauffiert uns per Assoziationstaxi in eine Vergangenheit mit vielen Zimmern. Hausherr in Schmogrow ist der Lehrer Tatziet, ein gebildeter Generaldilettant, der sich aufs Tüfteln versteht. Die Ferienkinder, die er für seine Konstruktionsvorhaben regelmäßig einspannt, müssen nicht erst von der "Poesie des Provisorischen" überzeugt werden. "Herr Tatziet", heißt es einmal, "zog tiefen Trost aus seinen technischen Tagträumereien. Als er in der letzten Kriegswoche in der Nähe von Mariahilf angeschossen zwei Tage in einem Schützengraben gesteckt hatte, bis ihm eine jüdische Militärärztin der Roten Armee namens 'Katzenellenbogen' das Leben rettete, indem sie seinen linken Arm amputierte, plante er Monate später im ersten Brief aus dem Lazarett an seine Frau (in dem er sich vergnügt als 'Venus von Milo' bezeichnete) die Konstruktion eines 'mit Electricität und Preßluft' ausgestatteten künstlichen Arms, der mit den Füßen zu steuern wäre, und motorisierte Gartengeräte, die er einhändig würde bedienen können ('Nahm die Kugel dir ein Bein / greife rüstig nach der Krücke!')."
Kein Idyll ohne benachbarten locus terribilis. Nicht nur die Seidenraupen, die im Selbstversorger-Garten-Eden schon zu Kriegszeiten gezüchtet wurden, erinnern an die Wehrmachtsoldaten - in dem Fall an ihre Fallschirmseide. Immer mehr nimmt Schmidts Erzähler, der aus früheren Romanen schon bekannte Richard Sparka, auch das Dorfensemble in den Blick. Die Oder, der Grenzfluss als Kriegslinie, ist im Roman Planschbecken und Gefahrenstelle in sich überlagernden Erinnerungsbildern. Herrn Tatziet versetzt das kleinste Stückchen aus dem Uferschlick ragenden Drahts in Angst und Schrecken, war doch in der Nachkriegszeit noch eine Granate explodiert, die von einem Mädchen nur "die Kopfhaut mit roten Haaren" übrig gelassen hatte. "Der Krieg war weit genug entfernt, um mich selbst nicht zu bedrohen", räsoniert der Erzähler einmal. Dennoch sei er so präsent gewesen, "dass er auch auf mein Leben eine Art schmückenden Schicksalsschatten warf".
Doch nicht nur die entfernte Vergangenheit rückt der jüngeren Vergangenheit auf den Leib - was haben die Schmogrower eigentlich im Krieg gemacht? Auch die allerjüngste Vergangenheit drängelt sich ins Bild, und zwar in Gestalt liebloser Fertighäuser, deren Balkonbrüstungen "wie die Wände von Bushaltestellen" aus Glas sind. "Repräsentative Bedürfnisse werden von viel zu großen überflüssigen Freitreppen erfüllt, mit ungeschickt dimensionierten Säulen, die ein protziges Vordach tragen. Die alten, aus Leichtmetall geschweißten und buntlackierten Zäune, die oft ein Sonnenmotiv hatten und sicher aus Resten bestanden, die der Besitzer auf seiner Arbeitsstelle abgestaubt hatte, nehmen sich daneben filigran und verspielt aus." Nichts ist mehr so, wie es war, in Schmogrow. Und vielleicht war alles wie das seltsam meditative Recycling-Paradies der nun abdankenden Tatziet sowieso nur Zwischennutzung. Zwischennutzung im Hinterland der Weltgeschichte.
Sparkas notorische Bedrücktheit, sagt dessen Lebenspartnerin, ermüde sie. Den Kinderbuchtitel "Wer macht Regen und Sonnenschein" liest er selbstverständlich als "Wehrmacht Regen und Sonnenschein". In "Phlox", dieser stilistisch herausragenden "Recherche" im Oderbruch, ist beides auf jeder Seite enthalten. KATHARINA TEUTSCH
Jochen Schmidt: "Phlox". Roman.
Verlag C. H. Beck, München 2022.
479 S., Abb., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und wo wir schon bei den lyrischen Qualitäten des Titels sind. "Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He!", schrieb einst Johann Wolfgang von Goethe. Und mit diesem Weckruf aus berufenem Dichtermund nimmt die Schmogrower Saga ihren Lauf: "Das Zentrum des Gartens bildete der 'Kompositorium' genannte Komposthaufen, zu dem alle Wege führten, man ging gern dorthin, es war immer ein Spaziergang ins Herz der Natur, hier landete alles, was selbst die Hühner verschmähten (einschließlich einer Boccia-Kugel und einer verrosteten Handgranate, die einmal beim Sieben des Komposts gefunden worden waren). Unter dem geheimnisvollen Beistand von allerhand Kleinlebewesen wurde hier aus Küchen- und Gartenabfällen wertvolle Nahrung für die verschiedenen Kulturen. Auf den drei Feldern wurden in Fruchtfolge Kartoffeln, Mais, Sonnenblumen, Bohnen oder 'Wrunken' genannte Rüben angebaut. Manche Gäste schätzten besonders den Spargel, sie spekulierten bei Überraschungsbesuchen, die sie wie zufällig in der Spargelzeit herführten, darauf, zum Mittagessen etwas von diesem etwas anrüchigen Gemüse vorgesetzt zu bekommen. (Frau Tatziet sagte: 'Zum Spargelstechen braucht man junge Augen' und schickte uns Kinder morgens mit Spankörben zu den aufgehäufelten Reihen, Ausschau nach den violetten Spitzen zu halten, die die Krume keck durchstießen und mit einem langen, scharf geschliffenen Buttermesser tief, aber nicht zu tief den Spargel zu schneiden. Später im Jahr würde hier ein Wald zartgrüner Spargelbäumchen mit giftigen Früchten wachsen.)"
Ein ausführliches Zitat an dieser Stelle, denn das Verfahren dieses von der Kritik gerne als Nostalgiker verharmlosten Autors ist der mäandrierende Gedankenstrom à la Proust. Schmogrow, das ist das Combray der späten DDR. Ein Ort, der mit der Kindheit des Erzählers sowie seines Autors verknüpft ist und in ihre ganz eigenen Elysien führt.
Doch wie auch bei Proust, dem Jochen Schmidt vor mehr als zehn Jahren ein hervorragendes Lesetagebuch gewidmet hat, ist das Herumschweifen in den Echoräumen der Kindheit mehr als bloße Reminiszenz. Im Akt des Erinnerns begegnen sich verschiedene Ebenen des Daseins wie im Traum. Einerseits gibt es den Rhythmus der Natur (Fruchtfolge!), andererseits die individuelle Lebensweise der Tatziets (Spargelstechen mit jungen Gästen!). Einerseits wird aus dem Alten die Zukunft gewonnen (Kompost!), andererseits in ihm eine Vergangenheit geborgen, die nicht vergehen will (Boccia-Kugel und Handgranate!).
Mit "Phlox" hat Jochen Schmidt seinen bisher besten Roman geschrieben, weil dieser zwar das Schmidt'sche Prinzip der anteilnehmenden Beobachtung fortsetzt, aber durch den Verzicht auf eine Handlung das Prinzip selbst zur Handlung macht. So liest man "Phlox" als vielschichtige Erzählung über ein Dorf und seine Bewohner, über einen Landstrich und dessen Geschichte, auch über einen Vater im Alter des Autors, der zurückkehrt ins zeitlose Glück seiner Kindheit und dort lernen muss loszulassen.
Ohne Handlung heißt aber keineswegs handlungsarm. Denn der Erzähler chauffiert uns per Assoziationstaxi in eine Vergangenheit mit vielen Zimmern. Hausherr in Schmogrow ist der Lehrer Tatziet, ein gebildeter Generaldilettant, der sich aufs Tüfteln versteht. Die Ferienkinder, die er für seine Konstruktionsvorhaben regelmäßig einspannt, müssen nicht erst von der "Poesie des Provisorischen" überzeugt werden. "Herr Tatziet", heißt es einmal, "zog tiefen Trost aus seinen technischen Tagträumereien. Als er in der letzten Kriegswoche in der Nähe von Mariahilf angeschossen zwei Tage in einem Schützengraben gesteckt hatte, bis ihm eine jüdische Militärärztin der Roten Armee namens 'Katzenellenbogen' das Leben rettete, indem sie seinen linken Arm amputierte, plante er Monate später im ersten Brief aus dem Lazarett an seine Frau (in dem er sich vergnügt als 'Venus von Milo' bezeichnete) die Konstruktion eines 'mit Electricität und Preßluft' ausgestatteten künstlichen Arms, der mit den Füßen zu steuern wäre, und motorisierte Gartengeräte, die er einhändig würde bedienen können ('Nahm die Kugel dir ein Bein / greife rüstig nach der Krücke!')."
Kein Idyll ohne benachbarten locus terribilis. Nicht nur die Seidenraupen, die im Selbstversorger-Garten-Eden schon zu Kriegszeiten gezüchtet wurden, erinnern an die Wehrmachtsoldaten - in dem Fall an ihre Fallschirmseide. Immer mehr nimmt Schmidts Erzähler, der aus früheren Romanen schon bekannte Richard Sparka, auch das Dorfensemble in den Blick. Die Oder, der Grenzfluss als Kriegslinie, ist im Roman Planschbecken und Gefahrenstelle in sich überlagernden Erinnerungsbildern. Herrn Tatziet versetzt das kleinste Stückchen aus dem Uferschlick ragenden Drahts in Angst und Schrecken, war doch in der Nachkriegszeit noch eine Granate explodiert, die von einem Mädchen nur "die Kopfhaut mit roten Haaren" übrig gelassen hatte. "Der Krieg war weit genug entfernt, um mich selbst nicht zu bedrohen", räsoniert der Erzähler einmal. Dennoch sei er so präsent gewesen, "dass er auch auf mein Leben eine Art schmückenden Schicksalsschatten warf".
Doch nicht nur die entfernte Vergangenheit rückt der jüngeren Vergangenheit auf den Leib - was haben die Schmogrower eigentlich im Krieg gemacht? Auch die allerjüngste Vergangenheit drängelt sich ins Bild, und zwar in Gestalt liebloser Fertighäuser, deren Balkonbrüstungen "wie die Wände von Bushaltestellen" aus Glas sind. "Repräsentative Bedürfnisse werden von viel zu großen überflüssigen Freitreppen erfüllt, mit ungeschickt dimensionierten Säulen, die ein protziges Vordach tragen. Die alten, aus Leichtmetall geschweißten und buntlackierten Zäune, die oft ein Sonnenmotiv hatten und sicher aus Resten bestanden, die der Besitzer auf seiner Arbeitsstelle abgestaubt hatte, nehmen sich daneben filigran und verspielt aus." Nichts ist mehr so, wie es war, in Schmogrow. Und vielleicht war alles wie das seltsam meditative Recycling-Paradies der nun abdankenden Tatziet sowieso nur Zwischennutzung. Zwischennutzung im Hinterland der Weltgeschichte.
Sparkas notorische Bedrücktheit, sagt dessen Lebenspartnerin, ermüde sie. Den Kinderbuchtitel "Wer macht Regen und Sonnenschein" liest er selbstverständlich als "Wehrmacht Regen und Sonnenschein". In "Phlox", dieser stilistisch herausragenden "Recherche" im Oderbruch, ist beides auf jeder Seite enthalten. KATHARINA TEUTSCH
Jochen Schmidt: "Phlox". Roman.
Verlag C. H. Beck, München 2022.
479 S., Abb., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Wer der Welt abhanden kommen will, für den hat Jochen Schmidt die schönsten Fluchtrouten. ... Schmidt erprobt den Kindheitsblick, der Welt zum ersten Mal sieht, in langen, metaphernseligen Sätzen. Zugleich schreibt er doch Geschichte, von Krieg und Diktatur, aber überwuchert vom Alltag, und er stellt die große Frage, was Schönheit ist. Eine riesenlange Meditation, die auch die Leser verwandelt."
Süddeutsche Zeitung, Gustav Seibt
"Die grünste Aue fürs autobiografische Erzählen ist seit je die Kindheit. In Jochen Schmidt hat dieses Genre einen deutschen Meister gefunden."
Die ZEIT, Elke Schmitter
"Stilistisch herausragendes Kaleidoskop einer ostdeutschen Kindheit und gesamtdeutschen
Süddeutsche Zeitung, Gustav Seibt
"Die grünste Aue fürs autobiografische Erzählen ist seit je die Kindheit. In Jochen Schmidt hat dieses Genre einen deutschen Meister gefunden."
Die ZEIT, Elke Schmitter
"Stilistisch herausragendes Kaleidoskop einer ostdeutschen Kindheit und gesamtdeutschen
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Gegenwart... Mit 'Phlox' hat Jochen Schmidt seinen bisher besten Roman geschrieben"
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Katharina Teutsch
"Ein Erinnerungsmeister, der seinesgleichen in der deutschen Gegenwartsliteratur sucht."
Deutschlandfunk, Elke Schlinsog
"Eine Erinnerungsreise in den Ort als Kindheitsparadies, als schier unendliches Labyrinth sich gegenseitig überwachsender Geschichten. ... bäuerlicher Lebensweisen und -weisheiten erzählerisch reich instrumentiert entfaltet."
Süddeutsche Zeitung, Harald Eggebrecht
"Jochen Schmidt ist ein Meister feiner Beobachtungen und scharf umschriebener Erkenntnisse.
WDR5, Claudia Cosmo
"total gern gelesen, einerseits mit viel Humor geschrieben, andererseits an die eigene Kindheit erinnert ... hätte einen Shortlistplatz verdient" NDR, Jan Ehlert
"Steht mit seinem neuen Roman 'Phlox' auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. ... Sparkas Selbstversorger-Glück an diesem Ort trägt auch dunkle Züge. Schmidts Buchpreis-Glück hoffentlich nicht!"
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
"Jochen Schmidt bereichert die Landlebenliteratur mit seinem klugen und sehnsüchtigen Roman 'Phlox'."
Berliner Zeitung, Sabine Rohlf
"Führt zurück in jene aufregende Zeit, in der man sein eigenes Land ganz neu entdecken konnte"
Deutschlandfunk Büchermarkt, Carsten Hueck
"Wunderbar. ... Der Autor versteht es virtuos, mit seiner komplexen Sprachkunst Brücken zu schlagen von der Vergangenheit in die Gegenwart, von Schrecken und Schuld zu Kaffee und Kuchen. Hervorragend"
Münchner Merkur
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Katharina Teutsch
"Ein Erinnerungsmeister, der seinesgleichen in der deutschen Gegenwartsliteratur sucht."
Deutschlandfunk, Elke Schlinsog
"Eine Erinnerungsreise in den Ort als Kindheitsparadies, als schier unendliches Labyrinth sich gegenseitig überwachsender Geschichten. ... bäuerlicher Lebensweisen und -weisheiten erzählerisch reich instrumentiert entfaltet."
Süddeutsche Zeitung, Harald Eggebrecht
"Jochen Schmidt ist ein Meister feiner Beobachtungen und scharf umschriebener Erkenntnisse.
WDR5, Claudia Cosmo
"total gern gelesen, einerseits mit viel Humor geschrieben, andererseits an die eigene Kindheit erinnert ... hätte einen Shortlistplatz verdient" NDR, Jan Ehlert
"Steht mit seinem neuen Roman 'Phlox' auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. ... Sparkas Selbstversorger-Glück an diesem Ort trägt auch dunkle Züge. Schmidts Buchpreis-Glück hoffentlich nicht!"
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
"Jochen Schmidt bereichert die Landlebenliteratur mit seinem klugen und sehnsüchtigen Roman 'Phlox'."
Berliner Zeitung, Sabine Rohlf
"Führt zurück in jene aufregende Zeit, in der man sein eigenes Land ganz neu entdecken konnte"
Deutschlandfunk Büchermarkt, Carsten Hueck
"Wunderbar. ... Der Autor versteht es virtuos, mit seiner komplexen Sprachkunst Brücken zu schlagen von der Vergangenheit in die Gegenwart, von Schrecken und Schuld zu Kaffee und Kuchen. Hervorragend"
Münchner Merkur
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Gebundenes Buch
Wir begleiten Schmidts Protagonisten Richard in diesem Roman auf einer Reise in das fiktive Örtchen Schmogrow im Oderbruch, genauer gesagt in das Haus des Ehepaars Taziet. Diese vermieteten jahrzehntelang Zimmer an Feriengäste, und so taucht Richard schon bei der Anfahrt tief in …
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Wir begleiten Schmidts Protagonisten Richard in diesem Roman auf einer Reise in das fiktive Örtchen Schmogrow im Oderbruch, genauer gesagt in das Haus des Ehepaars Taziet. Diese vermieteten jahrzehntelang Zimmer an Feriengäste, und so taucht Richard schon bei der Anfahrt tief in Kindheitserinnerungen ein.
Dies ist sehr unterhaltsam, vor allem wenn der recht eigene Witz durchschimmert, etwa bei der Erklärung, dass heutzutage viel mehr Doppelnamen für den Nachwuchs vergeben würde, da die Paare insgesamt einfach weniger Kinder bekommen. Und Schmidt flicht sehr geschickt geschichtliche Hintergründe ein, fast beiläufig liest man von den Schrecken des zweiten Weltkriegs und den Schattenseiten der DDR-Zeit. Es gibt kluge Gedanken, wie den, dass die Kunst ihre Aufgabe, den menschlichen Körper zu idealisieren, an den Sport verloren hat.
Doch leider habe ich mich über weite Strecken sehr durch den Roman gequält, was vor allem am Schreibstil lag. Schmidt neigt zu schier endlosen Schachtelsätzen, die sich schon mal über knapp eine Seite ziehen können. Er kommt vom Hundertsten ins Tausendste, so dass ich meinen Blick oft suchend zurück zum Satzanfang wenden musste, um das Ende zu verstehen. Einerseits hat das einen gewissen Reiz, denn so funktionieren Erinnerungen ja oft, Bruchstücke tauchen auf und ein Gedanke führt zum nächsten. Aber andererseits ist das als Lektüre wirklich herausfordernd, es hat meine Geduld sehr auf die Probe gestellt. Auch bei Aufzählungen übertreibt der Autor gerne. Wo mir drei oder meinetwegen auch fünf Beispiele für etwas reichen würden, reiht er Dutzende Eigenschaften, Schlagworte oder Satzteile aneinander. Ich fühlte mich durch diese schiere Masse wie erschlagen und hatte manchmal das Gefühl, "vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen". Ähnlich wie bei einem Wimmelbild, bei dem man bei der Betrachtung der unzähligen kleinen Details auch nur schwer die ganze Bildkomposition erfassen kann.
Ein weiteres Detail, an dem ich mich persönlich gestört habe, ist der Gebrauch des Buchtstabens "ß". Mag sein, dass der Autor durch die Rückkehr zur deutschen Schreibweise vor der Reform 1996 auch orthografisch die Reise in die Vergangenheit abbilden wollte - ich kann dem Ganzen nichts abgewinnen und möchte lieber "dass" als "daß" lesen.
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Gebundenes Buch
Als Kind hat Richard alle seine Ferien in Schmorgorow im Oderbruch verbracht. Doch nun ist das Ehepaar, bei dem er und seine Eltern immer gewohnt haben, gestorben, das Haus soll verkauft werden. So fährt Richard mit seiner Partnerin und seinen beiden Kindern ein letztes Mal an jenen Ort, mit …
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Als Kind hat Richard alle seine Ferien in Schmorgorow im Oderbruch verbracht. Doch nun ist das Ehepaar, bei dem er und seine Eltern immer gewohnt haben, gestorben, das Haus soll verkauft werden. So fährt Richard mit seiner Partnerin und seinen beiden Kindern ein letztes Mal an jenen Ort, mit dem ihn so viele Erinnerungen und Eindrücke verbinden.
Wer sich auf „Phlox“ (übrigens nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022) von Jochen Schmidt einlassen möchte, muss vor allem eins: Das Tempo drosseln. Schmidt ist keiner, der gefällig schreibt, er fordert von seinen Lesern Konzentration und Geduld. Nicht durch einen elitären oder trockenen Stil, sondern durch eine Vorliebe für lange Sätze. So bandwurmt er sich gnadenlos durch die 478 Seiten seines Romans, schachtelt, klammert auf und wieder zu, biegt in Nebensätze ab, um erst dann wieder zum Anfang seiner Aussage zurückzukehren, wenn er den unaufmerksamen Leser abgeschüttelt hat.
Und auch an der Handlung kann man sich nicht festhalten, denn es gibt schlichtweg keine. Der ganze Roman besteht aus den oben erwähnten Erinnerungen und Eindrücken aus dem Schmorgorower Leben mehrerer Jahrzehnte. Keine chronologische Ordnung, wenig thematische. In manchen Momenten habe ich mich an einen sehr, sehr langen Diavortrag erinnert gefühlt. Den Diavortrag eines Unbekannten, mit denen einem eigentlich nur das Menschsein verbindet. Eines Unbekannten, der einem alle Dias zeigen will, die ihm je in die Hände gefallen sind, der zu jedem einen langen Vortrag hält und dem die Dias im Vorfeld runtergefallen und durcheinandergeraten sind.
Ein halbes Rätsel sind mir auch die auf dem Cover angekündigten „dunklen Züge“ geblieben. Es dauert fast 200 Seiten, bis man erfährt, dass unser Protagonist depressive Phasen zu kennen scheint. 200 weitere, bis Kriegserinnerungen einen neuen Ton einbringen. Aber den Großteil des Buches habe ich als ausgesprochen idyllisch empfunden, irgendwo zwischen Bullerbü und Tschechow, wenn man bei letzterem die Melancholie abzieht. Die fünfzehn in weiß auf schwarz gehaltenen Vignetten von Line Hoven haben mir zwar gefallen, der symbolische Wert blieb mir aber weitestgehend verborgen. Zwar spricht Schmidt die üblichen Fragen der menschlichen Existenz durchaus an, aber so integriert, dass man kaum dazu kommt, sich ihnen ernsthaft zu widmen.
Ich hoffe, dass der geneigte Leser meiner Rezension bis hierhin durchgehalten hab, denn jetzt kommt der Knaller: Ich bin ein wenig in „Phlox“ verliebt. Ja, ich weiß, was ich bis hierhin geschrieben habe und ja, es ist mir oft schwergefallen, mich zum Weiterlesen zu motivieren und bis zum Ende durchzuhalten. Aber dieses Buch hat unglaublich schöne Momente, die in einem Erinnerungen an winzige Details des eigenen Lebens erwecken, Bilder von Gegenständen aufleben lassen, die ein ganzes Lebensgefühl in sich tragen. Schmidt hat ein großes Talent für Atmosphäre und einen intelligenten Sinn für Humor und Situationskomik. Seine Figuren sind so lebensecht, dass man nicht glauben mag, dass es sie nicht in Wirklichkeit gegeben hat (hat es?). „Phlox“ gelesen zu haben hinterlässt in einem etwas wie ein Glühwürmchen, dessen Leuchten man erst bemerkt, wenn man das Buch geschlossen hat. Und darum, gegen alle Gründe der Vernunft, eine Leseempfehlung aus dem Innersten. Und ein Dankeschön für die erfreuliche Wiederbelebung des ß.
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Gebundenes Buch
Beschreibungswut
Jochen Schmidt ist in Phlox im positiven wie im negativen beschreibungswütig. Mit langen Sätzen und wenig Absätze beschreibt er eine Rückkehr zum Platz der Kindheit und Erinnerungen werden in Gang gesetzt.
Richard Sparka reist mit seiner Familie, also Klara …
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Beschreibungswut
Jochen Schmidt ist in Phlox im positiven wie im negativen beschreibungswütig. Mit langen Sätzen und wenig Absätze beschreibt er eine Rückkehr zum Platz der Kindheit und Erinnerungen werden in Gang gesetzt.
Richard Sparka reist mit seiner Familie, also Klara und den Kindern Karl und Ricarda nach Schmogrow im Oderbruch, wo Richard als Kind oft seine Sommerferien verbracht hat.
Mich beeindruckt, wie Jochen Schmidt eine Gleichzeitigkeit in Szene setzt, zum Beispiel denkt Richard während er fährt daran, wie er als Kind die selbe Strecke auf der Rückbank verbracht hat.
Es entsteht auch ein Bild der Zeit in der DDR wieder, selbst die Zeit davor fließt ein.
Als moralische Instanz galt Richard das inzwischen verstorbene Ehepaar Tatziet, die in Schmogrow lebten.
Der Text ist zum Teil auch verklärend. Ob man sich aber daran stören muss, weiß ich nicht, denn Jochen Schmidt ist nicht naiv und hat eine eigene Art von Humor. Dadurch entsteht Sympathie für den Autor.
Doch was soll man sagen zu diesem Übermaß an Beschreibungen und Betrachtungen? Die Detailverliebtheit ist außerordentlich! Ist wirklich alles wert ausführlich erzählt zu werden?
Für mich persönlich war das Übermaß dann irgendwann doch erreicht.
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