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2 Kundenbewertungen

»Joy Williams ist ein Geschenk.« Bernd Ulrich, Die Zeit Kate flieht - vor der unnachgiebigen Liebe ihres Predigervaters und um ihr Leben zu finden, die Wirklichkeit. An der sonnendurchglühten Golfküste jobbt sie als Kellnerin, schläft mit namenlosen Bekanntschaften. Im Herbst geht sie aufs College und tritt einer Studentinnenverbindung bei. Da ist, lebenszugewandter als sie, die Schar ihrer Mitstudentinnen, da ist ihr einziger Freund Corinthian Brown, der als Nachtwächter in einem schäbigen Zoo arbeitet. Und da ist Grady, ihr Mann. In einem Wohnanhänger im Wald schaffen sich die beiden eine…mehr

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Produktbeschreibung
»Joy Williams ist ein Geschenk.« Bernd Ulrich, Die Zeit Kate flieht - vor der unnachgiebigen Liebe ihres Predigervaters und um ihr Leben zu finden, die Wirklichkeit. An der sonnendurchglühten Golfküste jobbt sie als Kellnerin, schläft mit namenlosen Bekanntschaften. Im Herbst geht sie aufs College und tritt einer Studentinnenverbindung bei. Da ist, lebenszugewandter als sie, die Schar ihrer Mitstudentinnen, da ist ihr einziger Freund Corinthian Brown, der als Nachtwächter in einem schäbigen Zoo arbeitet. Und da ist Grady, ihr Mann. In einem Wohnanhänger im Wald schaffen sich die beiden eine bröckelnde Idylle, während Kate ihr erstes Kind erwartet. Was ist es, das sie ihm dort gesteht? Entkommt sie ihren Erinnerungen? Immer tiefer führen diese Fragen ins labyrinthische Innere eines Romans, der auch Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner dunkel gleißenden Intensität verloren hat. Mit Storieshat Joy Williams im Frühjahr 2023 begeistert. Nun erscheint erstmals in deutscher Übersetzung ihr Debütroman: so fesselnd wie zeitlos in seiner vollkommenen Originalität. »Joy Williams ist die vielleicht bedeutendste Schriftstellerin dieser Zeit. Schwer zu sagen, was schockierender ist: ihre historische Unersetzlichkeit oder ihr Talent.« The New York Times »Der beste Roman des Jahres.« Truman Capote »>In der Gnade< ist mir noch lange nachgegangen.« Jonathan Franzen

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Autorenporträt
Joy Williams, geboren 1944, wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet. Sie hat zwölf Bücher geschrieben, darunter Romane, Kurzgeschichten, Essays, einen Reiseführer. Sie zählt seit Langem zu den nachdrücklichen ökologischen Stimmen in den USA und lebt in Tucson, Arizona und Centennial, Wyoming.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Rezensentin Caroline O. Jebens kann kaum glauben, dass der Debütroman von Joy Williams erst jetzt, rund 50 Jahre nach Erstveröffentlichung, auf Deutsch erscheint. Denn in den USA gilt die Schriftstellerin, insbesondere ihrer Kurzgeschichten wegen, schon lange als Star, wie Jebens mit einem Verweis auf die lange Liste berühmter Fans klarmacht (darunter Truman Capote, Don DeLillo und Bret Easton Ellis). Und auch in ihrem Debütroman zeige Williams ihr herausragendes schriftstellerisches Talent, das für Jebens vor allem in ihrer ganz "eigentümlichen" Sprache liege: Nüchtern, abgeklärt, niemals melancholisch und doch einen Zug ins Transzendentale, Parabelhafte aufweisend, so die Kritikerin, erzähle Williams von einem jungen Paar, das gemeinsam in einem Wohnwagen an einem Waldrand lebt, in einer dystopischen Welt, in der der Sauerstoff knapp und das Leben trist ist - aber trotzdem besser als die missbrauchsgeprägte Kindheit der schwangeren Kate. Beklemmend erzähle der Roman von dieser Vergangenheit und von drohenden Katastrophen, Zeit zum "durchatmen" findet Jebens beim Lesen nicht. Umso eindrücklicher scheint ihr, wie Williams in der Einbindung scheinbar irrelevanter Nebenfiguren einen Balanceakt zwischen kollektiver US-amerikanischer Erfahrung - für die Kritikerin: das Gefangensein - und Vereinzelung meistert und dabei auch noch vom Verhältnis Mensch/Natur erzählt. Sehr treffend übersetzt sei das alles von Julia Wolf.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2024

Eine Leere, die dem Himmel gleicht

Joy Williams ist seit Jahren ein Star der amerikanischen Literatur. Aber erst jetzt erscheint ihr biblisch- dystopischer Debütroman "In der Gnade" auch auf Deutsch.

Es ist eine Landschaft ohne Licht, ohne Sauerstoff, "und der Boden trocknet nie". Die Welt scheint vor einer Sintflut zu stehen, sie wirkt faul und auf sonderbare Weise selbstvergessen, denn hier wächst ja immer noch der Wald, und da schwimmen auch kleine Fische in Pfützen. Es ist eine lebensfeindliche Natur, in der Joy Williams ihr Debüt "In der Gnade" ansiedelt, einen Roman, der vor gut fünfzig Jahren erschienen ist und erst jetzt ins Deutsche übertragen wurde.

In diesem Wald in Florida lebt also Kate mit ihrem Mann Grady in einem Wohnwagen. Dass sie verheiratet sind, weiß niemand, erst recht nicht ihre Schwestern von der wohltönenden Studentinnenverbindung "Omega Omega Omega"; auch dass sie schwanger ist, weiß niemand außer Grady, der wiederum nicht weiß, ob das Kind von ihm ist. Aber das ist auch egal, denn ihm ist es egal, er hat sich dafür entschieden. Sie sind jung und leben dort, in ihrer kleinen Welt, die morbide sein mag, aber in der sie sich zurechtfinden. Es ist kein Paradies, dafür kann hier niemand vertrieben werden. "Ja, na ja, jeder Flecken Erde hat seine dunkle Seite." Auflösen wird er sich, das verrät Kate der Leserin. "Wenn Sie lang genug graben, um Ihren Samen zu versenken, finden Sie unter der Erdkruste eine Leere, die dem Himmel gleicht. Nein, auf lange Sicht ist nichts mit dem Leben vereinbar."

Auf kurze, ein neues Menschenleben lange Sicht vielleicht schon. Und während Kate über das wachsende Leben in ihr nachdenkt, gerät sie unweigerlich in die eigene Kindheit. So sauerstoffarm ihre Gegenwart auch sein mag - sie wirkt weniger erstickend als der kalte Wind New Englands, den sie als Mädchen erlebte. Ihr Vater, ein Priester, hatte sie mit Psalmen konditioniert, Misshandlungen fanden auf verschiedene Weisen in der Familie statt. Der Roman hält hier gekonnt Abstand, indem er von der Icherzählerin ins Auktoriale wechselt. Aus "Daddy", Mutter und ich werden Reverend, Frau, Kind.

Der Priester ist so beängstigend wie die Figur des Harry Powell im amerikanischen Klassiker "Die Nacht des Jägers", in dem die Kinder mit dem Fluss gen Süden fliehen mussten, genau wie Kate es tat. Kate und der Priester sind auch die Einzigen, die aus der Familie überlebt haben. Ihre schwangere, geistig kranke Mutter starb bei einem Autounfall und nahm Kates Schwester mit in den Tod.

Das bessere Leben für Kate ist also das in dem Wohnwagen, und man sollte vorsichtig sein, es zu wörtlich zu nehmen, dass die heute achtzigjährige Schriftstellerin Joy Williams selbst einst in einem solchen Wohnwagen mit ihrem ersten Ehemann (der wie Grady einen Jaguar fuhr) lebte, ein Kind bekam und einen Priester als Vater hatte. Als "exzellente Umstände" für das Schreiben eines Debüts befand Joy Williams vielmehr ihr Leben in den Siebzigern. Später, in großen Abständen, sollten noch drei weitere Romane folgen, zuletzt 2021 "Harrow".

Bis heute ist Williams in den Vereinigten Staaten aber vor allem als Meisterin der Kurzgeschichten berühmt. Es verwundert umso mehr, dass erst letztes Jahr einige davon in "Stories" und nun eben ihr Debüt mit einer so sagenhaften Verspätung auf Deutsch erschienen sind (man will nicht darüber nachdenken, welchen zu einfachen Grund es dafür geben könnte). Julia Wolf hat Williams' eigentümlichen Ton dabei so elegant wie stimmig aus dem Englischen übersetzt. Nur an sehr wenigen Stellen wirkt der Text pathetisch, aber das sind Sprachbilder, die bereits im Original angelegt sind und die vielleicht im Deutschen noch mehr herausstechen.

Der Schriftsteller Dan Kois hat Joy Williams wegen genau dieser Eigentümlichkeit eine "writer's writer's writer" genannt - eine Autorin, auf die sich über die Jahrzehnte verschiedenste Autoren einigen konnten. Truman Capote nannte das Debüt damals den "Roman des Jahres", William H. Gass und Don DeLillo bezeichneten sich als Fans, Bret Easton Ellis fürchtete sich vor ihren Texten, für Harold Brodkey war sie die talentierteste Autorin ihrer Generation, Tao Lin trägt Shirts mit ihrem Konterfei, Karen Russell beneidet sie immer wieder in Essays, und für Raymond Carver war Joy Willams nichts weniger als ein Wunder. Die Liste der Huldigungen geht noch weiter - Williams hat den Kult, für den sie zu uneitel scheint, längst in der ihr eigenen Exzentrik angenommen. Sie taucht stets mit Sonnenbrille auf, und man soll sie nur per Postkarte kontaktieren können.

Dabei entzog die Autorin sich dem, was ihr eine literarische Karriere hätte erleichtern können. Sie lebt nicht in einer der Literaturmetropolen (und ihre Texte spielen meist in Florida, in Maine und Arizona). Sie ließ sich nicht in Genres fassen (man könnte sie im Realismus, Surrealismus, Transzendentalismus verorten). Und auch wenn sich bestimmte Themen bei ihr wiederholen - Natur, immer ähnlich abgeklärte weibliche Figuren -, so existieren die aus sich selbst heraus, nicht als Wiedererkennungseffekt. Es geht bei Williams weder um autofiktionale Auslassungen noch um Traumabearbeitung (wie sie zuletzt so beliebt in der Literatur geworden ist, am besten mit potentieller Erlösung) noch darum, Projektionsflächen zu schaffen. Ihre Figuren sind dafür zu eigen, die Plots zu unvorhersehbar, und als Leserin ist man ständig damit beschäftigt, die eigene Rezeption zu befragen. Auch die Welt von Kate im Debütroman entsteht aus sich selbst heraus - und aus sich selbst heraus erzeugt und formuliert sie eine Sehnsucht.

Williams hat eine sehr genaue Vorstellung davon, was Literatur der Vereinigten Staaten in ihrer Form leisten muss. So beschreibt sie in einer viel zitierten Vorlesung, sie solle "die Rücksichtslosigkeit und Unbarmherzigkeit, die Grotesken und Grausamkeiten" der "amerikanischen Erfahrung" aufsaugen, um dem "glänzenden, weitschweifenden, humoristischen Stil", der heute als amerikanisch gelte, zu entgehen. Aber mehr noch, und das ist vielleicht wichtiger: Literatur in Amerika müsse eine gewisse "kollektive Erfahrung" und gleichzeitig "sprawl and smallness", die Zersiedelung und Kleinheit dieses riesigen Landes, erfassen. Das Kollektive findet sich in ihrem Debütroman dann, wenn eher zufällig wirkenden Figuren Raum gegeben wird - einem Anrufer beim Radio, der Hausmutter der Studentinnenverbindung, einem behandelnden Arzt. Ihre Ängste, Verzweiflungen, Hoffnungen bekommen in kurzen Passagen so detailreich Raum, als wären sie die Hauptfigur, und es wird dennoch so beiläufig von ihnen erzählt, dass eine unaufdringliche Vielstimmigkeit entsteht, die ein hintergründiges amerikanisches Panorama ergibt.

Dabei lässt sich fragen, was die amerikanische Erfahrung eigentlich ausmacht. Es mag naheliegen zu sagen, dass es die Freiheit sei oder das Streben nach ihr. Doch, und das zeigt sich eindrucksvoll in Williams' Debüt, es ist das Gegenstück dazu: das Gefangensein. Als traditionsreiches Thema der amerikanischen Literatur findet es sich bei Williams dann als eine universale Erfahrung - sei es durch Glaube, Geschlecht, Herkunft. Aber eben, darüber hinaus, auch in der Natur, die der Mensch zu unterwerfen versucht, deren Teil er jedoch immer bleibt. Es gebe keine "Verbrechen gegen Gott" mehr, sagt Kate. Nein, "richtig" sei, die "Verbrechen gegen die Natur" zu benennen.

Der Umgang mit der Umwelt wurde später (unter anderem in der Essaysammlung "Ill Nature") zu einem zentralen Thema für Williams. In einem Interview warnte sie, dass Literatur, in der ständig über den Menschen und dessen Menschsein palavert werde, irgendwann verschwinden dürfte, "weil einem davon schlecht wird": "Kulturelle Vielfalt kann niemals die biologische Vielfalt ersetzen." Und so stellte sie bereits in ihrem Debüt den Menschen einen Querschnitt der Fauna gegenüber - von Muscheln, Eidechsen, Haien und Vögeln zu Fischen und Pferden. Williams nutzt die Natur für so treffende wie originelle Sprachbilder, wenn beispielsweise Sheriffs über einen Schwarzen "weich und geräuschlos wie Hunde über eine Scheunen-Ente" herfallen oder eine machthungrige Verbindungsschwester andere aus Gesprächen entlässt "wie Häschen, die einer Falle entkommen sind".

Das Verhältnis von Mensch und Natur ist auf seltsame Weise symmetrisch. Kates guter Freund Corinthian arbeitet in einem Zoo namens "Bryants Beasts", den niemand besucht, weil er von einem Schwarzen geführt wird. Corinthian bemitleidet die eingesperrten unsichtbaren Tiere und beneidet sie gleichzeitig: "Sie haben etwas erreicht, von dem Menschen glauben, es wäre erstrebenswert. Sie können nicht mehr zugrunde gehen." Die Einsamkeit der eingesperrten Tiere spiegelt die Einsamkeit der vermeintlich freien Menschen.

Auch die Freundschaft zu Corinthian bietet ein wenig Halt für Kate (und die Leserin). Dennoch: Man sollte nicht erwarten, auf den gut 330 Seiten einmal erleichtert aufatmen zu dürfen. Der Sauerstoff bleibt knapp. Abtreibungen könnten vollzogen werden, Autounfälle könnten töten oder Raubkatzen angreifen - was geschieht und welche Konsequenz daraus erfolgt, bleibt unvorhersehbar. Williams' Sprache ist dabei hart, nüchtern, satt, dicht, abgeklärt, manchmal ironisch und zart, nie aber melancholisch. Und sie fordert in ihrer biblischen Poesie die volle Aufmerksamkeit.

Der Glaube spielt dabei weniger eine Rolle als die Parabeln, die eine transzendente Ebene eröffnen. Für sie, sagt Williams, entstehe in diesen Bildern eine andere, eigene Sprache. "Es ist nur naheliegend, dass der Wohnwagen vor dem Wald da gewesen ist, aber das wäre absurd", denkt Kate. "Noch so ein Mysterium, wie das Schiff in der Flasche oder wie der Eine in der Offenbarung, der auf dem Thron saß und anzusehen war wie der Stein Jaspis und der Sarder. So viele Rätsel, aber keine Überraschungen."

Gegen Ende beschleicht einen die Erkenntnis, dass die Sintflut schon längst begonnen hat. "Die Wälder bieten keine Erleuchtung. Sie sind eine riesige verriegelte Tür vor Gott." Die Welt selbst ist die Arche, und es gibt aus ihr kein Entkommen. Machtlos bleibt man zurück in der Gewissheit: Joy Williams hat eine Sprache geschaffen, die genau diesen Zustand erfasst. CAROLINE O. JEBENS

Joy Williams: "In der Gnade". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Julia Wolf. dtv, 336 Seiten, 24 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.02.2024

Nicht dein
Schicksal
In der Gegenwartsliteratur sind alle
dauernd traumatisiert. Da kommen
die Romane der amerikanischen
Autorin Joy Williams sehr gelegen.
VON FELIX STEPHAN
Vor zwei Jahren hat die damals noch für den New Yorker tätige Literaturkritikerin Parul Sehgal einmal eine große Kritik über den in der Literatur, im Kino, in den Serien allgegenwärtigen „trauma plot“ geschrieben. Während die „Posttraumatische Belastungsstörung“ auf der Rangliste der am häufigsten diagnostizierten psychischen Störungen Amerikas auf Platz vier vorgerückt sei und erlittene Verletzungen wie Statussymbole vor sich hergetragen würden, habe sich, so Sehgal, der „trauma plot“, zur vorherrschenden Erzählform unserer Gegenwart entwickelt. Der exemplarische Roman der Gattung sei Hanya Yanagiharas „Ein wenig Leben“ und vom klassischen „marriage plot“ des 19. Jahrhunderts unterscheide sich die Form unter anderem dadurch, dass das wichtigste Ereignis im Leben der Figuren nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit liege.
Jetzt hat der kanadische Literaturwissenschaftler Alexander Manshel eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass der „trauma plot“ auch auf den Lektürelisten der literaturwissenschaftlichen Institute der USA die vorherrschende Form geworden ist. Manshel hat mehrere Tausend Lektürelisten ausgewertet, die an amerikanischen Universitäten im Gebrauch sind, und festgestellt, dass die drei am häufigsten unterrichteten Romane „trauma plots“ erzählen, Geschichten von Leuten, die nach einem traumatischen Erlebnis versuchen, ins Leben zurückzufinden. Auf Platz eins liegt Toni Morrisons Roman „Beloved“, auf Platz zwei „Ceremony“ von Leslie Marmon Silko und auf Platz drei der erst 2015 erschienene Roman „The Sympathizer“ von Viet Thanh Nguyen.
Alle drei Autoren gehören Minderheiten an, und ihre Hauptfiguren sind jeweils durch historische Ereignisse traumatisiert, die in den Büchern aus der Perspektive der Opfergruppen erzählt werden: Sklaverei bei Morrison, das Leid der amerikanischen Ureinwohner bei Silko und der Vietnamkrieg bei Nguyen. Als Instrument der Figurenmotivation ist das Trauma in der Gegenwartsliteratur so allgegenwärtig geworden, dass es alle anderen nahezu verdrängt hat. Für Parul Sehgal verbirgt sich darin nun vor allem eine beklagenswerte Erzählverkümmerung, weil ein Trauma eben vor allem eine klinische Diagnose ist, die die Wahrnehmung einer literarischen Figur nicht nur auf ein einziges Ereignis konzentriert, sondern sie darin gewissermaße einsperrt. Die große Frage aller Kunst, wie der menschlichen Existenz ein Sinn abgewonnen werden kann, kann im „trauma plot“ schon deshalb nicht gestellt werden, weil die Figuren eben von ihrem Symptomcluster vollständig determiniert sind. Sie können qua Diagnose nicht viel mehr sein als die Gefäße ihrer Verletzungen.
Wenn man jetzt den Roman „In der Gnade“ der amerikanischen Schriftstellerin Joy Williams liest, kommt es einem deshalb jetzt so vor, als habe jemand das Fenster geöffnet. Im Original ist der Roman erstmals 1973 erschienen, und man kann nicht gerade behaupten, dass er damals übersehen worden wäre. Truman Capote erklärte ihn zu seinem „Roman des Jahres“, die New York Times identifizierte Williams sofort als „Romanautorin ersten Ranges“. Nur die deutsche Öffentlichkeit interessierte sich nie so recht dafür, deshalb erscheint das Buch hier erst jetzt. Es wurde wirklich höchste Zeit.
„In der Gnade“ jedenfalls passt auf den ersten Blick perfekt in das Schema des „trauma plots“: Die Protagonistin Kate ist in einem abgelegenen Dorf in New England aufgewachsen, überwiegend allein mit ihrem Vater in einem leeren Haus, nachdem nacheinander ihre Schwester, ihre Mutter und ihr Bruder gestorben sind. Allein die Szene, in der die vor Schmerz wahnsinnig gewordene Mutter ihrer verbliebenen Tochter erklärt, dass sie die Schwester viel mehr geliebt habe und sie nie werde verwinden können, dass ihr das falsche Kind gestorben sei, würde im Zweifel genügen, das Trauma der Hauptfigur hinreichend zu begründen. Als Studentin verbringt Kate die Sommer dann im Süden der USA, wo sie kellnert und teilnahmslos mit Touristen schläft und es ihr nicht in den Kopf will, „warum Gott jede winzige Schneeflocke unterschiedlich geschaffen hat, aber all diese Männer gleich“.
Dann verliebt sie sich in Grady, einen Jungen vom Land, „dem das verfilzte Haar in die Stirn fällt“, sie heiraten und beziehen einen Wohnwagen, der verlassen im Wald steht, sie waschen sich im Fluss und bestaunen ihre Liebe. Kate bewundert vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der Grady sich in der Welt bewegt. Einmal heißt es, er stelle sich die Zeit „als einen Kumpel und Komplizen“ vor, er sei „ein Schwimmer, der in seinem Element schwimmt. Ich hingegen ... für mich ist die Zeit eine schwarze Taucherglocke aus Stahl, die auf dem Meeresboden verankert ist.“ Dann stirbt auch Grady. Und Kate, von klein auf damit vertraut, dass die, die ihr am nächsten sind, dem Tode geweiht sind, wirkt paralysiert, aber kaum verwundert. Sie fährt mit ihrem Leben fort, die ganze Aufmerksamkeit auf das Kind gerichtet, das in ihrem Bauch heranwächst. Das gesamte Erleben und Bewusstsein dieser Figur ist um vergangene Katastrophen gruppiert, und auch wenn das Wort in den Kritiken damals noch nicht fiel, würde man im Therapieduktus der Gegenwartsliteratur natürlich sagen: Kate ist traumatisiert.
Joy Williams aber begnügt sich nicht mit dem Prisma, die Sinnfrage hat sich durch die Schicksalsschläge nicht einfach erledigt. Wie der Vater von Joy Williams ist auch der Vater von Kate Pastor, sie entwirft ihn als weißhaarigen Mann, der wegen einer Verletzung ein Auge nicht mehr schließen kann und der seine Tochter allumfassend liebt. Von diesem Vater hat Kate ihre Bibelkenntnis, unentwegt sagt sie Zitate vor sich hin. Daraus ergibt sich eine gewisse Freiheit: Die Bibel ist zuerst einmal ein Text, den man interpretieren und auslegen kann, die Deutungshoheit liegt im Zweifel beim Leser. Während der Traumatisierte in seiner klinisch beschädigten Wahrnehmungsweise gefangen ist, kann sich der Bibel-Leser seines eigenen Verstandes bedienen, um sich aus der Unmündigkeit zu befreien. Zwar ist Kate auch in der biblischen Welterzählung verdammt, aber die Katastrophe, die allem Dasein vorangestellt ist, ist mythologisch: die Vertreibung aus dem Paradies. Die Tode ihrer Geschwister, ihrer Mutter, ihres Ehemanns sind in diesem Sinne nur Spiegelungen der ursprünglichen Menschheitskatastrophe. Joy Williams räumt ihrer Hauptfigur die Möglichkeit ein, sich mit den Mitteln der Herzensbildung aus eigener Kraft aus ihrem Verhängnis zu befreien – ein Grad an Freiheit, der einem Trauma-Patienten nicht gegeben ist. Das Schicksal des gebeutelten Menschen ist bei Williams nicht fachkundigen Ärzten überlassen, sondern dem Menschen selbst.
Als die Nachbarn nach der Beerdigung der Mutter und des Bruders einmal das Haus heimsuchen, in dem nur noch Kate und ihr Vater übrig sind, während sie allerlei leblose Ratschläge erteilen und furchtsam die Stille mit Ritualen vollstellen, geht das Mädchen in den zweiten Stock zu seinem Vater, der sich schon zuvor zurückgezogen hatte: „Hoch über ihnen, im verglasten Balkonzimmer, tanzte das Kind mit seinem Vater. Bedächtig und langsam bewegten sie sich über die breiten Piniendielen des länglichen Raums. Sie tanzten zu Bachs Toccata und Fuge in d-Moll, gespielt von Albert Schweitzer. Eine innovative, kühne Musik. Es ist bekannt, dass Bach den Großteil seiner religiösen Musik komponierte, während er sie in den kleinen und großen Kirchen seiner Jugend spielte. Die Musik entstand im Spiel. So wie der Tanz in diesem kalten und endlosen Raum. So wie die beiden Tanzenden.“
Das Grundproblem:
Warum ist alles, und wie
bewegt man sich darin?
Sie traut dem Menschen zu, sich aus seinem Verhängnis zu befreien: die amerikanische Schriftstellerin Joy Williams. Foto: Jimm Roberts / dtv
Joy Williams:
In der Gnade. Roman. Aus dem Amerikanischen von Julia Wolf. Dtv,
München 2024.
336 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Das Dilemma der GenZ, aufgeschrieben vor 35 Jahren, von einer hellwachen Autorin, die man nun endlich entdecken kann. Thomas Hummritzsch Der Freitag 20240411