Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
John Corey Whaley gibt seinem Helden ein zweites Leben – und einen neuen Körper
„Hej, Travis, was bist du für ein Idiot! Auf die Tour bekommst du deine Cate niemals zurück!“, möchte man dem Ich-Erzähler des neuen Romans von John Corey Whaley mehr als einmal zurufen. Gleichzeitig verschlingt man jede Seite von Das zweite Leben des Travis Coates , um zu erfahren, wie diese irrsinnige Geschichte des jungen Autors aus Louisiana endet, mit der er immerhin auf der Shortlist des National Book Awards landete. Und der im vorigen Jahr mit seinem Titel Hier könnte das Ende der Welt sein Aufsehen erregte.
Eigentlich passiert auf den 300 Seiten nichts, was nicht auch in anderen Coming- of-Age-Romanen geschieht. Da versucht ein Heranwachsender Freundschaften zu erhalten und seine große Liebe zurückzuerobern, die er durch ein schier unglaubliches Ereignis verloren hat. Die enorme Verunsicherung des jungen Helden durch dieses Ereignis macht das Buch überaus spannend und wahrhaftig. Und das, obwohl nicht viel mehr geschieht als der Versuch eines völlig überforderten jungen Menschen, mit einer neuen Situation in einer scheinbar bekannten Welt zurechtzukommen.
Das Geschehen, das dem Leiden des jungen Travis vorangeht, ist allerdings eines, das sämtliche Fehleinschätzungen der Wirklichkeit mehr als verständlich macht. Nur durch diesen einen Umstand wird das Buch zum Science-Fiction-Roman: Vor fünf Jahren war Travis unheilbar an Leukämie erkrankt. Er hat sich kurz vor seinem erwartbaren Tod einem bis dato einmaligen medizinischen Experiment zur Verfügung gestellt. In einer Spezialklinik schläferte man den Sechzehnjährigen ein, trennte das gesunde Haupt vom kranken Rumpf und fror den Kopf ein – in der Hoffnung, ihn eines fernen Tages auf einen gesunden Spenderkörper implantieren zu können. Travis 2.0.
Damals nahmen seine Eltern, seine Verwandten, seine Liebste und sein bester Freund schmerzlich Abschied von Travis, mit nicht mehr als einem klitzekleinen Fünkchen Hoffnung, ihn zu ihren Lebzeiten noch einmal zu sehen. Niemand rechnete mit dem medizinisch-technischen Fortschritt in diesem Bereich. Bereits nach fünf Jahren gelang die Operation bei ihm und bei einem Leidensgenossen. Nun ist die Freude der Hinterbliebenen unbeschreiblich, das Medienecho riesengroß. Niemand jedoch scheint richtig zu begreifen, was das für Travis soziale Beziehungen bedeutet. Er glaubt, er habe nur ein paar Augenblicke geschlafen. Nach wie vor ist er der 16-Jährige, der er vor seinem Tod war. Alle anderen Menschen sind um fünf Jahre gealtert. Freunde und Verwandte haben inzwischen mehr oder minder erfolgreich versucht, sich mit Travis Tod abzufinden. Die Eltern, zum Beispiel, scheinen im furchtbaren Zustand permanenten Trauerns und Wartens festzustecken, die Liebste Cate aber hat sich, nach langer Trauerzeit, eben wieder frisch verliebt.
All das beschert den Beteiligten reichlich Missverständnisse. Whaley bedient sich mit enormer Erzählfreude aus diesem Fundus unvermeidlicher Irrtümer, stilsicher (von Andreas Jandl ebenso ins Deutsche übertragen), mit großer Liebe für seine Figuren und mit klarem Blick für das Wesentliche, selbst in kleinen Details. So kann er mit menschlichen Stärken und Schwächen der Betroffenen jonglieren, ohne die Geschichte ins Unglaubwürdige zu ziehen. Trotz der Zerrissenheit des jugendlichen Erzählers stattet Whaley seine Hauptfigur mit leicht sarkastischem Witz und einer Brise hoffnungsschimmernder Selbstironie aus. Und wenn das nicht reicht, dann hat Travis ein paar wirklich beste Freunde, die immer wieder versuchen, ihn und sich selbst zurechtzurücken. Ob das genügt, um das zweite Leben des Travis Coates in akzeptable Bahnen zu bringen? – Die Leser sollten sich auf ein paar Überraschungen gefasst machen. (ab 14 Jahre)
SIGGI SEUSS
John Corey Whaley: Das zweite Leben des Travis Coates. Aus dem Englischen von Andreas Jandl. Hanser 2015. 304 Seiten, 15,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
"Whaley bedient sich mit enormer Erzählfreude aus dem Fundus unvermeidlicher Irrtümer, stilsicher, mit großer Liebe für seine Figuren und mit klarem Blick für das Wesentliche." Siggi Seuss, Süddeutsche Zeitung, 10.03.15
"Ein außergewöhnliches Szenario, ... ein intelligentes Buch, weil Fragen gestellt werden, die uns in einigen Jahrzehnten wirklich beschäftigen könnten." Ulf Cronenberg, Eselsohr, 02.01.17
"John Corey Whaley war Lehrer, ehe er sich fürs Bücherschreiben entschied. Glücklicherweise. Denn der Mann kann erzählen und hat Themen, die Herz und Hirn ansprechen. Authentisch und berührend." Lilo Solcher, Augsburger Allgemeine, 21.11.15