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Die literarische Neuentdeckung bei dtvAls Cassandra Edwards sich zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Judith aufmacht, hat sie vor allem eines im Sinn: die Vermählung zu verhindern. Was will ihre hochmusikalische Schwester mit irgendeinem durchschnittlichen, jungen Arzt - wie hieß er noch? Seinen Namen kann sie sich nicht merken. Kompromisse und Mittelmaß sind ihr ein Gräuel, und radikal sich selbst treu zu bleiben, das ist in ihrer Familie oberstes Familiengebot. - Wird Cassandra auf der Suche nach sich selbst in ihrer symbiotischen Beziehung zu Judith gefangen bleiben? Wird Judith die R...
Die literarische Neuentdeckung bei dtv
Als Cassandra Edwards sich zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Judith aufmacht, hat sie vor allem eines im Sinn: die Vermählung zu verhindern. Was will ihre hochmusikalische Schwester mit irgendeinem durchschnittlichen, jungen Arzt - wie hieß er noch? Seinen Namen kann sie sich nicht merken. Kompromisse und Mittelmaß sind ihr ein Gräuel, und radikal sich selbst treu zu bleiben, das ist in ihrer Familie oberstes Familiengebot. - Wird Cassandra auf der Suche nach sich selbst in ihrer symbiotischen Beziehung zu Judith gefangen bleiben? Wird Judith die Reise ins Unbekannte antreten und sich aus der beklemmenden schwesterlichen Zweisamkeit befreien können? Beiden steht eine existentielle und, wie sich zeigen wird, extrem bedrohliche Herausforderung bevor. - Ein hochintelligenter, witziger, vielschichtiger und scharfzüngiger Roman über Bindung, die Spielarten von Erotik und unsere Suche nach der großen, erfüllenden Liebe, jener Seelenverwandtschaft, die von unserer Einsamkeit eine Brücke zum Anderen schlägt.
Als Cassandra Edwards sich zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Judith aufmacht, hat sie vor allem eines im Sinn: die Vermählung zu verhindern. Was will ihre hochmusikalische Schwester mit irgendeinem durchschnittlichen, jungen Arzt - wie hieß er noch? Seinen Namen kann sie sich nicht merken. Kompromisse und Mittelmaß sind ihr ein Gräuel, und radikal sich selbst treu zu bleiben, das ist in ihrer Familie oberstes Familiengebot. - Wird Cassandra auf der Suche nach sich selbst in ihrer symbiotischen Beziehung zu Judith gefangen bleiben? Wird Judith die Reise ins Unbekannte antreten und sich aus der beklemmenden schwesterlichen Zweisamkeit befreien können? Beiden steht eine existentielle und, wie sich zeigen wird, extrem bedrohliche Herausforderung bevor. - Ein hochintelligenter, witziger, vielschichtiger und scharfzüngiger Roman über Bindung, die Spielarten von Erotik und unsere Suche nach der großen, erfüllenden Liebe, jener Seelenverwandtschaft, die von unserer Einsamkeit eine Brücke zum Anderen schlägt.
Baker, Dorothy
Dorothy Baker (1907 - 1968) stammte aus Montana. Sie studierte in Los Angeles Französische Sprache und erhielt u.a. ein Guggenheim Fellowship. Sie war verheiratet mit dem Dichter Howard Baker, mit dem sie in den Vierzigerjahren auch ein Theaterstück schrieb - von der Zensur bald kassiert. Baker verfasste mehrere Short Storys und Romane. Der Film 'Young Man with a Horn' mit Kirk Douglas, Lauren Bacall und Doris Day geht auf einen ihrer Romane zurück. Dorothy Baker gehört zu den bedeutenden Wiederentdeckungen der NYRB Classics und wird nun endlich auch in Europa gewürdigt.
Dorothy Baker (1907 - 1968) stammte aus Montana. Sie studierte in Los Angeles Französische Sprache und erhielt u.a. ein Guggenheim Fellowship. Sie war verheiratet mit dem Dichter Howard Baker, mit dem sie in den Vierzigerjahren auch ein Theaterstück schrieb - von der Zensur bald kassiert. Baker verfasste mehrere Short Storys und Romane. Der Film 'Young Man with a Horn' mit Kirk Douglas, Lauren Bacall und Doris Day geht auf einen ihrer Romane zurück. Dorothy Baker gehört zu den bedeutenden Wiederentdeckungen der NYRB Classics und wird nun endlich auch in Europa gewürdigt.
Produktdetails
- dtv Literatur
- Verlag: DTV
- Originaltitel: Cassandra at the wedding
- Seitenzahl: 280
- Erscheinungstermin: 17. September 2015
- Deutsch
- Abmessung: 217mm x 143mm x 30mm
- Gewicht: 557g
- ISBN-13: 9783423280594
- ISBN-10: 342328059X
- Artikelnr.: 42649868
Herstellerkennzeichnung
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Zwillinge im gleichen Hochzeitskleid
Die Brautjungfer auf der Selbstmörderbrücke: Dorothy Bakers "Zwei Schwestern"
Äußerlich gleichen sich die Zwillinge aufs Haar, aber ihre Charaktere sind grundverschieden. Cassandra ist extravagant, geistreich, narzisstisch, eine "existentialistische Zen-Marxistin Freud'scher Ausrichtung", die keinen Hehl daraus macht, dass sie Kompromisse und Mittelmaß verachtet. Ganz oder gar nicht, siegen oder untergehen: Das kann bei einer Frau, die zu viele Pillen und Drinks schluckt und nicht nur in ihrer "Rimbaud-Phase" die Marseillaise singt, leicht ins Auge gehen. Ihre Zwillingsschwester Judith ist auch hochbegabt, aber vernünftiger und pragmatischer. Sie hat weder den Ehrgeiz noch die
Die Brautjungfer auf der Selbstmörderbrücke: Dorothy Bakers "Zwei Schwestern"
Äußerlich gleichen sich die Zwillinge aufs Haar, aber ihre Charaktere sind grundverschieden. Cassandra ist extravagant, geistreich, narzisstisch, eine "existentialistische Zen-Marxistin Freud'scher Ausrichtung", die keinen Hehl daraus macht, dass sie Kompromisse und Mittelmaß verachtet. Ganz oder gar nicht, siegen oder untergehen: Das kann bei einer Frau, die zu viele Pillen und Drinks schluckt und nicht nur in ihrer "Rimbaud-Phase" die Marseillaise singt, leicht ins Auge gehen. Ihre Zwillingsschwester Judith ist auch hochbegabt, aber vernünftiger und pragmatischer. Sie hat weder den Ehrgeiz noch die
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Kraft, ständig gegen den Strom zu schwimmen; deshalb wird sie Jack Finch heiraten. Für Cassie ist schon der Gedanke an Mann, Kinder und Familie widerlicher Verrat. Menschen ihres Formats und Talents dürfen "sich nicht unter Wert verkaufen".
Vierundzwanzig Jahre lang fühlten sich die Schwestern nur "gemeinsam vollständig, mit dem Rücken zur Wand, der Wand bitterster Empörung". Wie bei Platons Kugelwesen war keine Hälfte ohne die andere ganz. Dass dieses "uralte Einssein", das gemeinsame "stimmige Leben" gegen die Welt, plötzlich nichts mehr gelten soll, kann Cassandra nicht verwinden: "Es ist nicht einfach, so zu sein wie wir, wir müssen ständig auf irgendwelche Kleinigkeiten achten. Ich habe meiner Ärztin zu erklären versucht, dass es darauf ankommt, unablässig an unserer größtmöglichen Verschiedenheit zu arbeiten, denn erst wenn eine Kluft besteht, kann man sie überbrücken. Und das Überbrücken ist das eigentliche Projekt."
Der Konflikt zwischen einer verliebten Braut und einer Brautjungfer, der dieser Wie-hieß-er-gleich-noch-Kerl instinktiv zuwider ist, lässt sich nicht überbrücken. Cassandra, die klassische Unheilsbotin, warnt und höhnt, schmollt, droht und fleht, und als sie mit Rhetorik, Romantik und kleinen Sabotagetricks nicht mehr weiterkommt, schreckt sie auch vor einem Suizidversuch nicht zurück. Jack, perfekt als Arzt wie als Schwager und Gentleman, rettet ihr das Leben; die Hochzeit findet statt, das Ende bleibt offen. Am Anfang, als Cassandra über die Golden Gate Bridge zur Familienranch fuhr, erschien ihr die Brücke wie ein "leuchtendes Exit-Zeichen in einem überfüllten, stickigen Hörsaal, in dem ich mir, wie so oft, eine nicht eben brillante Vorlesung anhören muss. Aber natürlich können nicht alle Vorlesungen brillant sein; man kann sie über sich ergehen lassen und das Nützliche daraus ziehen, und wenn das Exit-Zeichen funkelt und lockt, kann man sie ignorieren." Auf der Rückfahrt nach Berkeley wirft Cassandra Ballast in Gestalt eines weißen Söckchens von der Selbstmörderbrücke und schwört: "Lehn dich nicht an. Richte dich auf. Finde einen Weg."
"Cassandra at the Wedding" erschien 1962, drei Jahre später zum ersten Mal auf Deutsch, aber dass dieser vor Witz und Intelligenz funkelnde Roman über die Trennung zweier siamesisch aneinandergefesselten Zwillinge über fünfzig Jahre alt ist, sieht man höchstens daran, dass Ferngespräche hier noch vermittelt werden und ein Bikini als "unerhört mediterraner" Badeanzug gilt. Cassandra mit ihrem aus Verzweiflung und Übermut, Männerhass und Lebensangst gespeisten flapsigen Sarkasmus wirkt manchmal wie eine Schwester von Sylvia Plath und Ingeborg Bachmann. Dorothy Baker (1907-1968), die Frau des Schriftstellers Howard Baker, war zu ihrer Zeit nicht ganz unbekannt. "Young Man With a Horn" (1938), ihr Roman über den Jazzmusiker Bix Beiderbecke, wurde mit Kirk Douglas und Lauren Bacall verfilmt. "Trio", ihr zweiter Roman über eine lesbische Dreiecksbeziehung, provozierte 1943 einen Skandal, als christliche Moralisten die Absetzung einer Theaterfassung am Broadway erzwangen. "Cassandra at the Wedding" war dann noch einmal ein Achtungserfolg, aber das war Baker zu wenig. Sie war "nicht gut genug", um zu den Besten zu gehören, und so hatte sie für ihre "sogenannte Karriere" nur Geringschätzung übrig. Bakers Verachtung für die Konventionen, Tabus und Klischees der normalen "Dumpfbacken", ihre Bewunderung der labilen Wunderkinder, frankophilen Rebellen und Neurotikerinnen, die sich arrogant über die "rohen Dummheiten dieser Welt" erheben, kam in den fünfziger Jahren noch nicht so gut an.
Anders als die meisten der in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckten amerikanischen Autoren aus der Zeit - John Cheever, James Salter, Richard Yates, Paula Fox, zuletzt Alfred Hayes - hadert Baker auch nicht groß mit dem American Way of Life. Die Edwards genießen auf ihrem großbürgerlichen Anwesen in den Bergen, fern von der Tristesse der Suburbs mit ihren Cocktailpartys, flüchtigen Affären und gescheiterten Illusionen, die Errungenschaften der Konsumkultur ohne Scham und Schuldgefühle. Man ist sich selbst genug zwischen Pool und Klavier, Bibliothek und Hausbar; der Arzt im Haus, Champagner und eine Portion Zynismus ersetzen die Analytikerin. Cassandra und Judith teilen sich einen Bösendorfer-Flügel und einen exklusiven Riley-Sportwagen. Dass sie, unabhängig voneinander, das gleiche schlicht-elegante Kleid aus weißer Seide für die Hochzeit kauften, ist allerdings eine Katastrophe: Die Zwillinge wollten sich immer individuell unterscheiden, aber nicht mal beim Shoppen sind sie "einzeln und verschieden". Baker setzt die Symbolik von Kleidern, Möbeln und Sprache mit diskreter Raffinesse und Formbewusstsein bis ins Detail ein; die Übersetzerin Kathrin Razum meistert den Tonfall und die exquisiten Wortspiele mit großer Bravour.
Manches an dem Roman ist wohl autobiographisch grundiert; so sollen die beiden Baker-Töchter für die Zwillinge Pate gestanden haben. Der Vater ist, ähnlich wie Howard Baker, ein früh emeritierter Philosophieprofessor, der seine Weltverachtung in Hennessy und kultiviertem Stoizismus ertränkt; seine Frau Jane, eine berühmte unkonventionelle Schriftstellerin, ist auch drei Jahre nach ihrem Tod immer noch das Zentrum der Familie. Die vornehm-fröhliche Großmutter kümmert sich um die Außenbeziehungen der Familie, und das ist auch nötig. Alle Edwards glauben nämlich, anders und besser als die anderen zu sein: gebildeter, geschmackvoller, europäischer. "Glaub's mir einfach - wir sind etwas Besonderes", sagt Cassandra einmal. "Wir fangen an zu leben, wo bei anderen die Vorstellungskraft versagt." Dorothy Baker teilte vielleicht diesen Hochmut, aber man kann es ihr nicht verdenken. Nur wenige können so elegant und virtuos mit Worten, klassischen Zitaten, freudianischen und mythologischen Symbolen spielen und gleichzeitig rühren und fesseln.
MARTIN HALTER
Dorothy Baker:
"Zwei Schwestern". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Kathrin Razum.
Mit einem Nachwort von Peter Cameron. dtv Verlagsgesellschaft, München 2015. 281 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vierundzwanzig Jahre lang fühlten sich die Schwestern nur "gemeinsam vollständig, mit dem Rücken zur Wand, der Wand bitterster Empörung". Wie bei Platons Kugelwesen war keine Hälfte ohne die andere ganz. Dass dieses "uralte Einssein", das gemeinsame "stimmige Leben" gegen die Welt, plötzlich nichts mehr gelten soll, kann Cassandra nicht verwinden: "Es ist nicht einfach, so zu sein wie wir, wir müssen ständig auf irgendwelche Kleinigkeiten achten. Ich habe meiner Ärztin zu erklären versucht, dass es darauf ankommt, unablässig an unserer größtmöglichen Verschiedenheit zu arbeiten, denn erst wenn eine Kluft besteht, kann man sie überbrücken. Und das Überbrücken ist das eigentliche Projekt."
Der Konflikt zwischen einer verliebten Braut und einer Brautjungfer, der dieser Wie-hieß-er-gleich-noch-Kerl instinktiv zuwider ist, lässt sich nicht überbrücken. Cassandra, die klassische Unheilsbotin, warnt und höhnt, schmollt, droht und fleht, und als sie mit Rhetorik, Romantik und kleinen Sabotagetricks nicht mehr weiterkommt, schreckt sie auch vor einem Suizidversuch nicht zurück. Jack, perfekt als Arzt wie als Schwager und Gentleman, rettet ihr das Leben; die Hochzeit findet statt, das Ende bleibt offen. Am Anfang, als Cassandra über die Golden Gate Bridge zur Familienranch fuhr, erschien ihr die Brücke wie ein "leuchtendes Exit-Zeichen in einem überfüllten, stickigen Hörsaal, in dem ich mir, wie so oft, eine nicht eben brillante Vorlesung anhören muss. Aber natürlich können nicht alle Vorlesungen brillant sein; man kann sie über sich ergehen lassen und das Nützliche daraus ziehen, und wenn das Exit-Zeichen funkelt und lockt, kann man sie ignorieren." Auf der Rückfahrt nach Berkeley wirft Cassandra Ballast in Gestalt eines weißen Söckchens von der Selbstmörderbrücke und schwört: "Lehn dich nicht an. Richte dich auf. Finde einen Weg."
"Cassandra at the Wedding" erschien 1962, drei Jahre später zum ersten Mal auf Deutsch, aber dass dieser vor Witz und Intelligenz funkelnde Roman über die Trennung zweier siamesisch aneinandergefesselten Zwillinge über fünfzig Jahre alt ist, sieht man höchstens daran, dass Ferngespräche hier noch vermittelt werden und ein Bikini als "unerhört mediterraner" Badeanzug gilt. Cassandra mit ihrem aus Verzweiflung und Übermut, Männerhass und Lebensangst gespeisten flapsigen Sarkasmus wirkt manchmal wie eine Schwester von Sylvia Plath und Ingeborg Bachmann. Dorothy Baker (1907-1968), die Frau des Schriftstellers Howard Baker, war zu ihrer Zeit nicht ganz unbekannt. "Young Man With a Horn" (1938), ihr Roman über den Jazzmusiker Bix Beiderbecke, wurde mit Kirk Douglas und Lauren Bacall verfilmt. "Trio", ihr zweiter Roman über eine lesbische Dreiecksbeziehung, provozierte 1943 einen Skandal, als christliche Moralisten die Absetzung einer Theaterfassung am Broadway erzwangen. "Cassandra at the Wedding" war dann noch einmal ein Achtungserfolg, aber das war Baker zu wenig. Sie war "nicht gut genug", um zu den Besten zu gehören, und so hatte sie für ihre "sogenannte Karriere" nur Geringschätzung übrig. Bakers Verachtung für die Konventionen, Tabus und Klischees der normalen "Dumpfbacken", ihre Bewunderung der labilen Wunderkinder, frankophilen Rebellen und Neurotikerinnen, die sich arrogant über die "rohen Dummheiten dieser Welt" erheben, kam in den fünfziger Jahren noch nicht so gut an.
Anders als die meisten der in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckten amerikanischen Autoren aus der Zeit - John Cheever, James Salter, Richard Yates, Paula Fox, zuletzt Alfred Hayes - hadert Baker auch nicht groß mit dem American Way of Life. Die Edwards genießen auf ihrem großbürgerlichen Anwesen in den Bergen, fern von der Tristesse der Suburbs mit ihren Cocktailpartys, flüchtigen Affären und gescheiterten Illusionen, die Errungenschaften der Konsumkultur ohne Scham und Schuldgefühle. Man ist sich selbst genug zwischen Pool und Klavier, Bibliothek und Hausbar; der Arzt im Haus, Champagner und eine Portion Zynismus ersetzen die Analytikerin. Cassandra und Judith teilen sich einen Bösendorfer-Flügel und einen exklusiven Riley-Sportwagen. Dass sie, unabhängig voneinander, das gleiche schlicht-elegante Kleid aus weißer Seide für die Hochzeit kauften, ist allerdings eine Katastrophe: Die Zwillinge wollten sich immer individuell unterscheiden, aber nicht mal beim Shoppen sind sie "einzeln und verschieden". Baker setzt die Symbolik von Kleidern, Möbeln und Sprache mit diskreter Raffinesse und Formbewusstsein bis ins Detail ein; die Übersetzerin Kathrin Razum meistert den Tonfall und die exquisiten Wortspiele mit großer Bravour.
Manches an dem Roman ist wohl autobiographisch grundiert; so sollen die beiden Baker-Töchter für die Zwillinge Pate gestanden haben. Der Vater ist, ähnlich wie Howard Baker, ein früh emeritierter Philosophieprofessor, der seine Weltverachtung in Hennessy und kultiviertem Stoizismus ertränkt; seine Frau Jane, eine berühmte unkonventionelle Schriftstellerin, ist auch drei Jahre nach ihrem Tod immer noch das Zentrum der Familie. Die vornehm-fröhliche Großmutter kümmert sich um die Außenbeziehungen der Familie, und das ist auch nötig. Alle Edwards glauben nämlich, anders und besser als die anderen zu sein: gebildeter, geschmackvoller, europäischer. "Glaub's mir einfach - wir sind etwas Besonderes", sagt Cassandra einmal. "Wir fangen an zu leben, wo bei anderen die Vorstellungskraft versagt." Dorothy Baker teilte vielleicht diesen Hochmut, aber man kann es ihr nicht verdenken. Nur wenige können so elegant und virtuos mit Worten, klassischen Zitaten, freudianischen und mythologischen Symbolen spielen und gleichzeitig rühren und fesseln.
MARTIN HALTER
Dorothy Baker:
"Zwei Schwestern". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Kathrin Razum.
Mit einem Nachwort von Peter Cameron. dtv Verlagsgesellschaft, München 2015. 281 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein vielschichtiger und provozierender Roman."
Brigitte Siegmund, buch aktuell 31.08.2015
Brigitte Siegmund, buch aktuell 31.08.2015
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Für Rezensent Ulrich Greiner ist Dorothy Bakers erstmals 1962 erschienener Roman "Zwei Schwestern" eine fulminante Entdeckung. Schon allein Bakers kluger und feinsinniger Erzählton, der zudem von Kathrin Razum grandios übersetzt worden sei, zieht den Kritiker in den Bann. Vor allem aber fasziniert ihn die Geschichte um die Zwillinge Judy und Cassie, die nicht nur ein großes Seelendrama entfalte, sondern von der Autorin auf brillante Weise zu einem komödiantischen Ende geführt werde. Baker gelingt es Ironie und Pathos, Witz und Ernst virtuos miteinander zu verbinden, lobt der Kritiker, der sich kaum genug über die Wiederentdeckung dieses intelligenten Adoleszenzdramas freuen kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Die 24jährige Cassandra Edwards hat keine Lust, zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Judith zu fahren, die bereits vor 9 Monaten den gemeinsamen Studienort Berkeley verließ und nun wieder aufgetaucht ist - mit einem Ehemann im Schlepptau, irgendeinem durchschnittlichen Arzt, der - davon …
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Die 24jährige Cassandra Edwards hat keine Lust, zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Judith zu fahren, die bereits vor 9 Monaten den gemeinsamen Studienort Berkeley verließ und nun wieder aufgetaucht ist - mit einem Ehemann im Schlepptau, irgendeinem durchschnittlichen Arzt, der - davon ist Cassie, wie sie genannt wird, überzeugt - ihrer hochmusikalischen und empfindsamen Schwester nicht das Wasser reichen kann, auch wenn sie ihn noch gar nicht getroffen hat.
Eine Rückkehr an die Stätte ihrer Jugend, das Wiedersehen der beiden Schwestern nach der für sie unglaublich langen Zeit - das klingt nach einem ruhigen, ereignislosen Plot, ist jedoch alles andere als das. Was zunächst sich ähnlich einem Theaterstück - einem echten Drama zwar, aber eher einem ruhigen Stück für Stück aufbaut, sich nacheinander entwickelt, daraus wird im letzten Drittel ein wahrer Sturm, sowohl in Bezug auf die Emotionen als auch auf die Ereignisse. Cassie will so Einiges nicht - aber läuft alles so, wie Cassie es will?
Dorothy Baker hat diesen Roman, der jetzt neu ins Deutsche übersetzt wurde, bereits 1962 geschrieben, jetzt ist er sowohl in den Staaten - versehen mit einem Nachwort des nicht unbekannten Autors Peter Cameron - neu herausgegeben worden und ich muss sagen: ein Glück. Dorothy Baker schreibt authentisch, witzig, lakonisch und ergreifend und bringt die Sichtweisen der beiden Schwestern gut zum Ausdruck, denn auch wenn Cassie die hauptsächliche Erzählerin ist, kommt Judith, genannt Judy, ebenfalls zu Wort- und dies alles zusammen ist sehr enthüllend. Das ganze Konstrukt macht deutlich, wo die einzelnen Charaktere eigentlich stehen, was sie treibt, wie die ganze Familie tickt. Ein Roman, der in seiner Dichte, mit seiner Botschaft noch heute überzeugt, auch wenn einige Details wie der neumodische Bikini oder das Anmelden eines Ferngesprächs aus heutiger Sicht in weiter Vergangenheit liegen - doch dies sind Rahmenbedingungen, die nur umso deutlicher machen, dass die geschwisterliche, ja insgesamt die familiäre Dynamik etwas Bleibendes, etwas Ewiges hat
Dem Lesenden offenbart sich ein tiefgehendes und durchaus vielschichtiges Charakterbild vor allem von Cassie, doch auch die Darstellung der anderen Akteure bleibt nicht an der Oberfläche - das Tableau, das sich schließlich als Gesamtbild auftut, ist erschüttert und aufrüttelnd - familienmäßig eben, aber auf eine ganz besondere Art.
Ein Roman, der wie bspw. die von Richard Yates, die ebenfalls posthum neu aufgelegt und teilweise erstmals ins Deutsche übersetzt wurde, in seiner literarischen Qualität zeitlos ist - und den man so schnell nicht vergisst!
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Auf "Zwei Schwestern" von Dorothy Baker war ich ganz besonders gespannt, denn bislang habe ich viele Meinungen gehört, die doch sehr weit auseinander gingen, von daher wollte ich unbedingt herausfinden, wie mir das Buch gefallen wird. Jetzt, nachdem ich das Buch beendet habe, muss ich …
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Auf "Zwei Schwestern" von Dorothy Baker war ich ganz besonders gespannt, denn bislang habe ich viele Meinungen gehört, die doch sehr weit auseinander gingen, von daher wollte ich unbedingt herausfinden, wie mir das Buch gefallen wird. Jetzt, nachdem ich das Buch beendet habe, muss ich dann doch leider sagen, dass ich eher zu den Menschen gehöre, die von dem Buch eher weniger begeistert sind.
Man merkt dem Buch bereits auf den ersten Seiten an, dass es schon viele Jahre auf dem Buckel hat, denn die Autorin ist bereits vor fast fünfzig Jahren verstorben, sodass man schnell merkt, dass die Sprache nicht allzu modern ist. Dies kann man mögen, ich habe mich hierbei allerdings auf etwas vollkommen anderes eingestellt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Schreibstil schlecht ist, denn die Autorin konnte definitiv schreiben, das Problem ist jedoch, dass in der Geschichte meiner Meinung nach viel zu wenig geschehen ist.
Hierbei wird die Geschichte der Zwillingsschwestern Cassandra und Judith erzählt. Während Judith ihr eigenes Leben lebt und in Kürze einen Arzt heiraten möchte, will Cassandra, die Judith am liebsten ständig kontrollieren möchte, die Hochzeit unbedingt verhindern, da sie Judiths zukünftigen Ehemann als unwürdig ansieht. Dabei wird die Geschichte oftmals sehr schonungslos erzählt, nimmt allerdings erst viel zu spät an Fahrt auf.
Mit 280 Seiten ist das Buch noch verhältnismäßig dünn, sodass man eigentlich davon ausgehen darf, dass hier auf wenigen Seiten viel passieren muss, doch dies ist leider nicht der Fall, denn die Geschichte hat durchaus ihre Längen, sodass ich mich häufiger dabei erwischt habe, wie ich immer wieder vorgeblättert habe, um zu schauen, wann das Kapitel zuende ist, was bei mir normalerweise nur sehr, sehr selten vorkommt.
Insgesamt ist "Zwei Schwestern" eine gut durchdachte Geschichte, die allerdings viel zu viele Längen hat und einen recht eigenwilligen Schreibstil besitzt, sodass ich hier nicht immer meinen Spaß mit hatte. Dennoch: Wer ein Fable für Familiengeschichten hat, sollte "Zwei Schwestern" eine Chance geben.
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Das Buch aus dem Jahr 1962 handelt von Cassandra Edwards. Cassandra fährt heim zu ihrer Familie, weil ihre Zwillingsschwester Judith heiratet. Sie kommt mit der Situation nur bedingt zurecht und so kommt es zu kleineren Verwicklungen.
Das Buch ist in drei Abschnitten geschrieben, erst aus …
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Das Buch aus dem Jahr 1962 handelt von Cassandra Edwards. Cassandra fährt heim zu ihrer Familie, weil ihre Zwillingsschwester Judith heiratet. Sie kommt mit der Situation nur bedingt zurecht und so kommt es zu kleineren Verwicklungen.
Das Buch ist in drei Abschnitten geschrieben, erst aus der Sicht Cassandras, dann aus Judiths Sicht um am Ende wieder zu Cassandra zurück zu kommen. Der Autorin, welche bereits im Jahre 1968 verstorben ist, gelingt es einen tiefen Blick in die Charaktere zu vermitteln.
Die Handlung ist nicht gerade umfangreich, sondern das Buch lebt vom Schreib- und Erzählstil der Autorin. Dieser ist recht weitschweifig, blumig und benötigt nur wenig Handlung. Was an Handlung zu kurz kommt, wird durch die detaillierte Beschreibung der Protagonisten, vor allem Cassandras wettgemacht.
Fazit: Ein ungewöhnliches Buch, das kleinere Längen hat und vor allem durch den Schreibstil überzeugt, somit vier Sterne.
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