Konrad H. Jarausch
Gebundenes Buch
Zerrissene Leben
Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter
Übersetzung: Bertram, Thomas
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Konrad Jarausch schreibt eine neue deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts: im Spiegel der Lebensgeschichten von über 80 Zeitzeugen. Geboren während der Weimarer Republik, hat diese Generation den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg erlebt, aber auch die Nachkriegszeit - in BRD oder DDR - und die Wiedervereinigung. Es sind sehr verschiedene Lebensläufe, gebrochene Biografien: von glühenden Nazis bis zu jüdischen Holocaust-Opfern, von politischen Wendehälsen bis zu unpolitischen Zeitgenossen. Darunter sind bekannte Namen wie Joachim Fest, Fritz Stern, Dorothee Sölle oder Ruth ...
Konrad Jarausch schreibt eine neue deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts: im Spiegel der Lebensgeschichten von über 80 Zeitzeugen. Geboren während der Weimarer Republik, hat diese Generation den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg erlebt, aber auch die Nachkriegszeit - in BRD oder DDR - und die Wiedervereinigung. Es sind sehr verschiedene Lebensläufe, gebrochene Biografien: von glühenden Nazis bis zu jüdischen Holocaust-Opfern, von politischen Wendehälsen bis zu unpolitischen Zeitgenossen. Darunter sind bekannte Namen wie Joachim Fest, Fritz Stern, Dorothee Sölle oder Ruth Klüger ebenso wie gänzlich unbekannte. Wie haben diese »ganz normalen Deutschen« das 20. Jahrhundert erlebt, erlitten und verarbeitet?
Jarausch erzählt die Geschichte einer Generation. Und er tut dies auf eine besondere Art und Weise, indem er aus ihren Geschichten in vielen Mosaiksteinchen eine kollektive Biografie des 20. Jahrhunderts entstehen lässt.
Jarausch erzählt die Geschichte einer Generation. Und er tut dies auf eine besondere Art und Weise, indem er aus ihren Geschichten in vielen Mosaiksteinchen eine kollektive Biografie des 20. Jahrhunderts entstehen lässt.
Konrad Jarausch, geb. 1941, ist Lurcy Professor of European Civilization an der University of North Carolina in Chapel Hill. Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte führten ihn wiederholt nach Deutschland (Saarbrücken, Göttingen, Leipzig, Potsdam und FU Berlin). Von 1998 bis 2006 leitete er zusammen mit Christoph Kleßmann bzw. Martin Sabrow das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam. Rund 50 Bücher zur deutschen und europäischen Geschichte hat er publiziert, zuletzt: Aus der Asche. Eine neue Geschichte Europas im 20. Jahrhundert.
Produktdetails
- Verlag: WBG Theiss
- Originaltitel: Broken Lives
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 456
- Erscheinungstermin: September 2018
- Deutsch
- Abmessung: 236mm x 167mm x 40mm
- Gewicht: 793g
- ISBN-13: 9783806237870
- ISBN-10: 3806237875
- Artikelnr.: 52421090
Herstellerkennzeichnung
Herder Verlag GmbH
Hermann-Herder-Str. 4
79104 Freiburg
kundenservice@herder.de
»Alle, die den Zweiten Weltkrieg bewusst erlebt haben, sind sich einig, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Die Angehörigen jener Jahrgänge [...] werden nicht mehr lange Zeit haben, ihre Kindheitserlebnisse weiterzugeben. Deshalb ist die Arbeit von Konrad H. Jarausch, die sich in seinem Buch "Zerrissene Leben" nachlesen lässt, gar nicht hoch genug zu bewerten. Dank einer klugen Strukturierung wird aus den autobiografischen Schilderungen das spannend zu lesende Mosaik eines kollektiven Gedächtnisses... « Südkurier »Die gut 80 geschilderten Biografien bieten eine neue Perspektive auf die letzten 100 Jahre.« P.M. History »Das Buch kann für alle geschichtlich Interessierten wärmstens empfohlen werden: Der kühne Zeitzeugenansatz macht die
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Lektüre durchweg spannend und wie von nebenbei wird man durch nahezu 100 Jahre deutsche Geschichte geführt.« Politische Studien »Zerrissene Leben stützt sich auf die Lebenserinnerungen 'ganz normaler Deutscher' und bietet seinen Lesern eine umfassende Schilderung der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, deren Schwerpunkt auf dem Alltagsleben liegt und die neues Licht auf große Fragen wirft. Ein kühnes, auf der ganzen Linie geglücktes Experiment.« Prof. Dr. Jürgen Kocka, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung »Wie haben Deutsche, welche die schlimmsten Tage des Dritten Reiches und die besten Zeiten Nachkriegsdeutschlands erlebten, versucht, ihre eigene Vergangenheit zu verstehen? In Zerrissene Leben beantwortet der angesehene Historiker Konrad Jarausch diese Frage durch Erschließung einer Vielzahl persönlicher Lebenserinnerungen von Deutschen, die in den 1920er-Jahren geboren wurden. Dabei analysiert er zugleich einfühlsam den komplexen Prozess der Aufzeichnung von Erinnerungen an vergangene Ereignisse.« Prof. Norman M. Naimark, Stanford University »Vermittels der Zeugnisse Dutzender Deutscher, die sich bemühten, ihr Leben und die Zeiten, in denen sie lebten, zu verstehen, erhellt Jarausch die Möglichkeiten der Geschichtswissenschaft und der Erforschung des eigenen Bewusstseins. Eine sehr bewegende Darstellung der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts.« Prof. Peter Fritzsche, University of Illinois »Mit außerordentlicher Kunstfertigkeit verwebt Konrad Jarausch die Erinnerungen von Deutschen, die zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und Hitlers Aufstieg zur Macht geboren wurden, zu einer eindrucksvollen Darstellung der Erinnerungen, Erlebnisse und Erfahrungen einer ganzen Generation. Es ist eine Geschichte der Brüche, Risse und inneren Wandlungen, erzählt mit echtem historischen Einfühlungsvermögen.« Prof. Nicholas Stargardt, Oxford University »Indem er sein Augenmerk auf Deutsche richtet, die in den 1920er-Jahren geboren wurden, veranlasst Jarausch uns, gründlich darüber nachzudenken, wie Menschen die Schnittstellen zwischen bedeutenden historischen Ereignissen und ihren eigenen Biografien erleben. Dieses Buch ist eine ungeheure Leistung - umfassend und gelehrt, dennoch unprätentiös und eine wunderbare Lektüre.« Elizabeth Heinemann, University of Iowa »... Epochale Abschnitte des 20. Jahrhunderts, die hier aus sehr persönlicher Sicht betrachtet werden und Zeitgeschichte eindringlich erlebbar machen.« lebensart »Durch die vielen Facetten des Erlebens im und nicht zuletzt nach dem Krieg wird das Buch von Jarausch zu einer bemerkenswerten Lektüre.« Damals »Das Buch kann für alle geschichtlich Interessierten wärmstens empfohlen werden: Der kühne Zeitzeugenansatz macht die Lektüre durchweg spannend und wie von nebenbei wird man durch nahezu 100 Jahre deutsche Geschichte geführt.« (Pol. Studien 484) »Es ist schon erstaunlich, wie es Jarausch gelingt, aus vielen kleinen Mosaiksteinen ein höchst vielfältiges Bild einer Generation und deren Sicht des Geschehens im politischen Großen und im persönlichen Kleinen zu entwerfen.« (Badische Zeitung)
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Wenn man sich das 20. Jahrhundert in Deutschland anschaut, dann stellt man eine Aneinanderreihung dramatischer Ereignisse, schwerer Zeiten und drastischer Veränderungen fest. Speziell wer in den 1920er Jahren geboren wurde, musste erkennen, dass das Leben nicht so verlief, wie erwartet oder …
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Wenn man sich das 20. Jahrhundert in Deutschland anschaut, dann stellt man eine Aneinanderreihung dramatischer Ereignisse, schwerer Zeiten und drastischer Veränderungen fest. Speziell wer in den 1920er Jahren geboren wurde, musste erkennen, dass das Leben nicht so verlief, wie erwartet oder erhofft.
Für dieses Buch hat Konrad Jarausch rund 80 Autobiographien von Weimarer Geburtsjahrgängen ausgewertet. Das Besondere dabei: Es handelt sich nicht um die Lebenserinnerungen von Promis, sondern um die ganz normaler Menschen, was einen Blick auf das Alltagsleben erlaubt. Zudem, und fast noch wichtiger: Es sind praktisch sämtliche Bevölkerungsgruppen vertreten. Männer, Frauen, Arbeiter, Bürger, Arme und Reiche. Es finden sich Katholiken, Protestanten und Juden, Bewohner des Westens, der Ostgebiete oder aus Berlin. Speziell in der Nazizeit konnte man die Menschen in Täter, Opfer und Zuschauer unterteilen, entsprechend liest man auch von HJ-Führern und BDM-Mädels, von Widerständlern, Emigranten und Flüchtlingen, Überlebenden des Todesmarschs und SS-Tätern in Auschwitz. Das beeindruckende Ergebnis dieser Aufarbeitung ist eine kollektive Biographie, die gerade durch ihre vielen Perspektiven ein gutes Gesamtbild liefert.
Gemeinsam mit den verschiedenen Protagonisten erlebt der Leser eine Kindheit in der Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise und den Aufstieg der Nazis, eine Jugend in Kriegsjahren und das Leben der Erwachsenen in der Nachkriegszeit. Doch geht es noch weiter, da die Autobiographien in den 1990er Jahren geschrieben wurden, umfassen sie auch Wiederaufbau, Beginn der Demokratie, Neuorientierung, die DDR und das SED-Regime, kalten Krieg, Mauerbau und –fall und die Wiedervereinigung.
Nun muss man Erinnerungen, gerade wenn viele Jahre vergangen sind, mit ein wenig Vorsicht genießen. Einiges wurde vergessen oder verdrängt, es gibt Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen, subjektive und selektive Darstellungen. Auch hier zeigt sich wieder der Vorteil der kollektiven Biographie, die solche Schwachstellen relativiert. Die Schilderungen stellten nicht wenige Autoren vor das Problem, positive Erinnerungen, wie z.B. schöne Zeiten in der HJ mit den schlimmen Folgen zusammenzubringen. Immer wieder zeigt sich Desillusionierung, weil das, woran man geglaubt hat, falsch war.
»Ich erkannte, dass ich dem Bösen die Treue gehalten hatte.«
Viele Erinnerungen schildern großes Leid, das ist ungemein intensiv und berührend zu lesen. Für einige Passagen habe ich ziemlich lange gebraucht, weil ich nicht einfach weiterlesen konnte, sondern das Gelesene erst man durchdenken musste.
Ein nicht unerheblicher Teil des Buchs befasst sich mit der DDR-Geschichte, hier erinnert sich ein Ostdeutscher beispielsweise an ein Leben »von Diktatur zu Diktatur«. Auch dieser Teil wird gründlich aufgearbeitet und von vielen Seiten beleuchtet. Ergänzt um diverse geschichtliche Infos wird aus vielen individuellen Erzählungen von Überleben und Neuanfang, Erinnern und Vergessen, eine große Geschichte. Eine Reihe eingestreuter, teils privater, Fotos intensiviert den Gesamteindruck noch weiter. Im umfangreichen Anhang finden sich zu den einzelnen Autoren Kurzbiographien.
In fast jeder deutschen Familie gibt es Geschichten über zerrüttete oder verlorene Leben, die Vielfalt der Erzählungen macht eine Identifikation möglich. Meine Familie gehörte zur Arbeiterklasse und wenn ich die entsprechenden Passagen lese, frage ich mich, was ich getan hätte. Wäre ich mutig genug zum Widerstand gewesen oder hätte ich konzentriert auf die eigene Armut und das eigene Überleben die wahren Opfer übersehen, verdrängt oder nicht wahrgenommen? Ich weiß es nicht und niemand, der nicht in dieser Situation war, kann das wirklich wissen. Aber wichtig für unser aller Zukunft ist es, sich immer wieder mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, damit sich solche schrecklichen Ereignisse nicht wiederholen.
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Konrad H. Jarauschs kollektive Biographie „Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter“ ist im September 2018 bei wbg Theiss erschienen und umfasst 455 Seiten.
In seinem Sachbuch beschreibt Konrad Jarausch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand von …
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Konrad H. Jarauschs kollektive Biographie „Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter“ ist im September 2018 bei wbg Theiss erschienen und umfasst 455 Seiten.
In seinem Sachbuch beschreibt Konrad Jarausch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand von 80 Biographien von Männern und Frauen, die in der Weimarer Republik geboren wurden, Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und den Wiederaufbau in Ost und West miterlebt haben, um dann ihren Ruhestand in einem wiedervereinigten Deutschland zu verbringen. Dabei stehen weniger die großen geschichtlichen Ereignisse im Mittelpunkt, sondern viel mehr individuelle Erlebnisse, die allerdings einander bedingen. So vereinigt er die Einzelschicksale zu einer großen kollektiven Biographie, die ein vielfältiges, aber dennoch in vielen Bereichen einheitliches Bild dieser Zeit ergeben.
Gerahmt werden die Biographien von einer Einführung, in der der Autor seine Arbeitsweise und Intention darstellt, und einem umfassenden Anhang mit Kurzbiographien der Protagonisten, Fußnoten, Quellenangaben und einem Register.
Bei der Darstellung der der Biographien geht der Verfasser chronologisch vor: Vom Kaiserreich über die Weimarer Republik schlägt er einen Bogen zu Kriegs- und Nachkriegszeit über die Entwicklung im getrennten Deutschland bis hin zur wiedervereinigten Bundesrepublik, wobei er in der Nachkriegszeit Ost und West getrennt betrachtet. Die einzelnen Biographien werden so nicht zusammenhängend dargestellt, sondern im jeweiligen geschichtlichen Kontext.
Zwar kommen in diesem Werk auch bekannte Persönlichkeiten wie Joachim Fest, Dorothee Sölle, Fritz Stern oder Carola Stern oder Opfer der beiden großen deutschen Diktaturen zu Wort, größtenteils handelt es sich jedoch um ganz normale deutsche Durchschnittsbürger. Wie sie mit und in der Geschichte gelebt haben, wie sie ihre Mitschuld an der großen Katastrophe erlebt und reflektiert haben, steht im Zentrum dieses Buches. Dabei stößt der Leser auf alle möglichen Facetten des Lebens und Wege, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Somit präsentiert sich dem Leser ein eindrückliches Bild der deutschen Geschichte anhand von Individuen. Lobend sei erwähnt, dass auch die Frage nach Schuld und Wiedergutmachung (soweit sie denn möglich ist) nicht zu kurz kommt. Am Ende ergibt sich das Bild eines Deutschlands, das durchaus fähig war und ist, Konsequenzen aus seiner Geschichte zu ziehen.
Die Sprache ist eingängig, sachlich und gut zu lesen. Selbst bei Darstellungen wie den nationalsozialistischen KZs verzichtet der Herausgeber auf reißerische oder grausame Formulierungen. Bilddokumente illustrieren und verdeutlichen das Geschriebene.
Insgesamt präsentiert sich hier ein sehr lesenswerten Buch: Die letzten der in der Weimarer Republik Geborenen, die unser Land so sehr geprägt haben, sterben nach und nach. Mündliche Berichte und Erzählungen werden seltener. Erinnerungen gehen verloren, lediglich nackte geschichtliche Daten überdauern. Daher bedarf es eines solchen Buches, Erinnerungen präsent zu halten – erstrecht vor dem Hintergrund deutscher Geschichte, von der sich immer mehr Menschen zu distanzieren versuchen. Mich selber hat das Buch sehr zum Nachdenken angeregt, obwohl ich selber noch viele Zeitzeugen kennenlernen durfte und vieles von dem, was ich von ihnen gehört habe, wiedererkannte. Allen, denen dieses nicht widerfahren ist, kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.
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Konrad Jarausch hat mit "Zerrissene Leben" ein eher ungewöhnliches Geschichtsbuch gegen das Vergessen vorgelegt, das die Schnittstellen "normaler" Menschen mit der "großen Geschichte" beschreibt, und so etwas wie eine "kollektive Biografie" der in …
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Konrad Jarausch hat mit "Zerrissene Leben" ein eher ungewöhnliches Geschichtsbuch gegen das Vergessen vorgelegt, das die Schnittstellen "normaler" Menschen mit der "großen Geschichte" beschreibt, und so etwas wie eine "kollektive Biografie" der in der Weimarer Zeit Geborenen liefert.
Der Aufbau des Buches ist chronologisch, wobei der Autor eine Erklärung über seine Herangehensweise und Intention voranstellt. Die Erzählung wird fortlaufend von den Originalzitaten aus den Zeitzeugenberichten untermauert, es gibt einen umfangreichen Anhang mit der Kurzbiografie von 65 Zeitzeugen.
Die Sprache von Jarausch ist dabei an die Zielgruppe all derer angepasst, die sich für Geschichte interessieren und, vielleicht mangels Biografien in der eigenen Familie, Lust auf Zeitzeugenberichte haben. Er kann sehr verständlich und gut lesbar formulieren, durch die ständig eingestreuten Zitate ist das Buch lebendig, und das "trockene", oft ernste Thema dennoch locker zu lesen.
Die Kernfrage des Autors ist: "Wie haben die ganz normalen Deutschen das 20.Jh. "erlebt", "erlitten" und vor allem auch "verarbeitet"?" Entspricht die offizielle deutsche Erinnerungskultur der der Zeitzeugen, sind Alle Opfer, oder gibt es doch Unterschiede, die in der Erinnerung nicht verwischt werden dürfen?
Die Herangehensweise und die Absichten des Autos gefallen mir gut, er wird nicht müde zu betonen, dass so eine "kollektive Biografie" immer auf subjektiv-selektiven, tendenziösen, rechtfertigenden, durch die Erinnerung verzerrten Berichten beruht, die aber durch die Vielfalt der ausgewählten Zeitzeugen und die hohe Menge an Berichten auf ihren Wahrheitsgehalt abgeglichen und in spürbar kritischer Distanz wiedergegeben wurden. Deutlicher Schwerpunkt des Jahrhunderts ist dabei die Nazizeit, weil sie bis heute Auswirkung auf unsere Gesellschaft hat und die befragten Zeitzeugen in besonderer Weise geprägt hat. Jarausch berücksichtigt dabei auch den wichtigen Unterschied in der Entwicklung der beiden deutschen Staaten, und beschreibt streckenweise die gesellschaftsspezifisch unterschiedlichen Erfahrungen von Frauen und Männern separat, vor allem im Krieg. Es gelingt ihm dabei gut, einen stimmigen Gesamtbericht über den Verlauf des Jahrhunderts zu geben, und die "große Geschichte" auf das herunterzubrechen, was normale Menschen darin erleben. Und das auch einem Laien gut vorstellbar zu machen.
Ein bisschen enttäuscht hat mich kaum neue Aspekte kennengelernt zu haben. Das mag aber der Tatsache geschuldet sein, dass ich mich schon mehrfach mit dem Jahrhundert beschäftigt habe, und auch noch Gelegenheit hatte, selbst mit Zeitzeugen zu kommunizieren.
Auch ist das Buch so bemüht, eine breite Palette an Zeitzeugen zu befragen (Opfer, Täter, Mitläufer, Prominente wie einfache Arbeiter etc.), dass es mir schwer fiel, mich mit einzelnen Personen derart zu identifizieren, dass ich emotional besonders berührt wurde. Das mag allein an der schieren Vielzahl der Protagonisten, die in ständigem Wechsel zitiert werden, liegen, so dass man kaum eine Gesamtsicht über einzelne Lebensverläufe bekommt. Zumindest musste ich immer wieder zum Personenregister blättern, um keine Lebensberichte durcheinander zu werfen.
Vielleicht wäre über das Herausheben von typischen Verläufen (1Täter, 1Opfer, 1Mitläufer genauer) ein leichterer Zugang für den Leser und auch eine vertiefte Sicht der jeweiligen Biografien möglich gewesen.
Für mich blieb es ein wenig zu sehr bei der "Übersicht", ich hätte mir eine vertiefte Darstellung und Kommentierung von Einzelschicksalen gewünscht.
Dennoch kann das Buch vielleicht Menschen erreichen, die sich sonst mit historischen Büchern schwertun. Es ist keine Sekunde langweilig darin zu lesen, und gibt Laien einen guten Eindruck dieses wichtigen Jahrhunderts.
Zu einer guten kritischen Erinnerungskultur in der Gegenwart ist es in jedem Fall ein guter, wichtiger Beitrag!
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