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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 992 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2024
Im Grunde gut
Bregman, Rutger

Im Grunde gut


sehr gut

»Dass Menschen von Natur aus egoistisch, panisch und aggressiv sind, ist ein hartnäckiger Mythos. Der Biologe Frans de Waal spricht deshalb von einer „Fassadentheorie“. Die Zivilisation wäre demnach eine dünne Fassade, die beim geringsten Anlass einstürzen würde. Die Geschichte lehrt uns aber das genaue Gegenteil: Gerade, wenn Bomben vom Himmel fallen oder Deiche brechen, kommt das Beste in uns zum Vorschein.«

Nach einer Katastrophe bricht das völlige Chaos aus, Menschen kehren zu ihren niedrigsten Instinkten zurück, plündern, morden, vergewaltigen – das ist es doch, was allgemein geglaubt wird, nicht zuletzt unterstützt durch passende Darstellungen in Spielfilmen. Tatsächlich jedoch konnte das Disaster Research Center nach Auswertung von 700 Feldstudien belegen, dass Menschen sich gegenseitig helfen, sich unterstützen und beistehen. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, die von dem Autor gut wissenschaftlich belegt aufgeführt werden, um dem Leser zu einem positiveren Bild des Menschen zu verhelfen.

Es war mein 28jähriger Sohn, dem dieses Buch beim Stöbern im Buchladen ins Auge sprang. Wie viele andere junge Menschen auch sorgt er sich um die Zukunft und leidet unter der täglichen Flut von negativen Schlagzeilen. Er nahm von der Lektüre einige positive Gedanken mit – danach sehnte ich mich auch. Neben dem Klimawandel schockiert mich vor allem das stete Ansteigen des Rechtsradikalismus, wir steuern auf eine geschichtliche Wiederholung hin, nur dass der 3. Weltkrieg noch zusätzlich durch extreme Wetterereignisse ausgeschmückt sein wird.

Ich habe das Buch dann auch sehr gern gelesen, in 18 Kapiteln stellt Rutger Bregman interessante Fakten vor, die einem helfen können, nicht am Menschen zu verzweifeln. Alles ist gründlich durch Quellenangaben belegt und wirkt gut und umfangreich recherchiert. Vieles war mir tatsächlich neu, so hatte ich zum Beispiel noch nie von dem echten Herrn der Fliegen gehört, einem realen Ereignis, bei dem eine Gruppe Kinder auf einer einsamen Südseeinsel strandeten und dort bis zu ihrer Rettung über ein Jahr allein lebten, mit einem vollkommen anderen Verlauf als in dem Buchklassiker. Gebannt las ich auch, wie das Stanford-Prison-Experiment manipuliert wurde und verfolgte die Geschichte zweier Brüder, die in Südafrika einen Bürgerkrieg verhinderten.

Der Autor nimmt den Leser mit auf eine Reise durch seine Entwicklungsgeschichte, zeigt auf, dass der Mensch eigentlich gut ist und wann und wodurch es mit ihm „schiefging“. Dabei werden Schwächen deutlich, die Mächtige und solche, die es werden wollen, gerne und leider oft erfolgreich ausnutzen. Sehr einleuchtend empfand ich den geschilderten Nocebo-Effekt, bei dem man etwas Schlechtes annimmt und dies dadurch heraufbeschwört. Bekannt ist das Gegenstück zum Placebo-Effekt aus der Medizin, der Autor stellt nun die These auf, dass ein negatives Menschenbild ebenfalls ein Nocebo ist. Man glaubt zum Beispiel, dass bestimmte Menschen schlecht sind, behandelt sie entsprechend und bekommt ein passendes Resultat. Das lässt sich leider immer wieder beobachten.

Ich muss gestehen, dass mir dieser Blick auf ein neues Menschenbild gut gefiel. Er machte ein bisschen Hoffnung und sorgte durch die guten Beispiele für ein angenehm warmes Gefühl im Bauch. Gern werde ich mich auch an einigen der zum Schluss aufgeführten Lebensregeln versuchen, zum Beispiel im Zweifelsfall erst einmal vom Guten auszugehen. Und ich will auch versuchen, einen Menschen zu verstehen, für den ich kein Verständnis habe. Ganz so viel Glauben an die Menschheit wie der Autor kann ich allerdings nicht aufbringen.

Fazit: Dieser Blick auf ein neues Menschenbild gefiel mir gut, machte ein wenig Hoffnung.

»In Notsituationen kommt das Beste im Menschen zum Vorschein. Ich kenne keine andere soziologische Erkenntnis, die gleichermaßen sicher belegt ist und dennoch gänzlich ignoriert wird.«

Bewertung vom 26.08.2024
Mordseekrabben / Thies Detlefsen Bd.2
Koch, Krischan

Mordseekrabben / Thies Detlefsen Bd.2


gut

»Komm, Thies, hör auf, nich schon wieder Selbstmordattentäter.«
»Klaas! Überleg doch mal! – Palermo! – Mafia!«
»Komm, Thies, der hat ne Pizzeria auf Föhr, oder so.«
»Alles nur Tarnung. Dat is einer von der Mafia. Ganz klar!«

Die Aufregung um den letzten Mord in Fredenbüll (176 Einwohner) hat sich längst gelegt und wieder einmal muss Polizeiobermeister Thies Detlefsen befürchten, dass seine Ein-Mann-Wache dem Rotstift zum Opfer fällt. Jedes potentielle Verbrechen käme ihm daher ganz recht! Doch nun ist zunächst einmal Urlaub angesagt, zusammen mit Ehefrau Heike und den Zwillingen geht es nach Amrum. Als Heike dort gleich am ersten Urlaubstag einen Toten im Zimmer vorfindet, stürzt Thies sich begeistert in die Arbeit und freut sich auf die toughe Kollegin Nicole von der Mordkommission in Kiel.

Die Leiche ist zur großen Überraschung aller plötzlich verschwunden. Dafür tauchen kurz danach weitere Tote auf. Für Arbeit ist also gesorgt und zudem darf sich Thies nun auch noch mit einer Ehekrise herumschlagen.

Ich mag Küstenkrimis, gern auch unterhaltsame. Der erste Band der Reihe konnte mich nicht richtig überzeugen, ich wollte ihr aber noch eine zweite Chance geben. Die Ausgangssituation fand ich auch witzig, dazu gefielen mir einzelne Charaktere sehr, beispielsweise konnte ich herzhaft darüber lachen, wie sich ein Mafioso an einem stoischen Friesen die Zähne ausbeißt. Alles in allem wurde das Buch aber für mich zu albern und zu chaotisch. Das war weder ein ordentlicher Krimi noch wurde ich durchgehend gut unterhalten.

Fazit: Nicht meine Reihe, ist einfach zu albern, um mich durchgehend gut zu unterhalten.

Bewertung vom 23.08.2024
Wenn die Nacht verstummt / Kate Burkholder Bd.3
Castillo, Linda

Wenn die Nacht verstummt / Kate Burkholder Bd.3


ausgezeichnet

»Pickles und ich stoßen die Türen auf und laufen durch den Schneematsch zu dem Jungen, der mitten auf der Straße steht. Er wirkt verloren und verängstigt und trägt trotz der Kälte keine Jacke. Sein flachkrempiger Hut und die Hosenträger sagen mir, dass er amisch ist. … Er ist ungefähr zwölf Jahre alt, bis auf die Knochen nass und wird von einem Weinkrampf geschüttelt.«

Schon seit einiger Zeit häufen sich im beschaulichen Painters Mill die Hassdelikte gegen die Mitglieder einer kleinen Amisch-Gemeinde. Da werden Schafe abgeschlachtet, ein Buggy mit einer Schwangeren in den Graben gedrängt, ein junger Mann an ein Wagenrad gefesselt und verprügelt. Doch in dieser Nacht scheint eine neue Eskalationsstufe erreicht worden zu sein, in der Güllegrube eines Farmhauses liegen drei Tote, Vater, Mutter und ein Onkel. Vier Kinder sind nun Waisen. Zutiefst erschüttert nimmt Polizeichefin Kate Burkholder, unterstützt von John Tomasetti, die Ermittlungen auf…

Wow, war das spannend! Zum Glück las ich das Buch im Urlaub, denn ich mochte es nicht aus der Hand legen. Die Gewalttaten gegen die Amischen machen einfach sprachlos und wütend. Wer steckt hinter diesen Verbrechen? Und gehört der Mord an der Familie zu der Serie oder gibt es hier möglicherweise einen eigenen, unabhängigen Hintergrund?

Deutlich wird, wie groß die Kluft zwischen Amischen und den „Engländern“ ist. Auf beiden Seiten gibt es Vorurteile, es mangelt an Vertrauen. Dass die Amischen am liebsten unter sich bleiben und nicht einmal bereit sind, wegen eines an ihnen verübten Verbrechens Anzeige zu erstatten oder die Ermittlungen vernünftig zu unterstützen, erschwert die Arbeit von Kate und John zusätzlich.
Kate, die selber in ihrer Kindheit und Jugend amisch war, hat großes Verständnis und Einfühlungsvermögen, stößt aber regelmäßig an ihre Grenzen.

Der Fall hält Überraschungen bereit, ist spannend aufgebaut und wird schlüssig aufgelöst. Obwohl einem bei der Auflösung erneut die Haare zu Berge stehen können.

Fazit: Sehr spannend, dieser Fall lässt einen nicht kalt. Ich verfolge die Reihe auf jeden Fall weiter.

Bewertung vom 23.08.2024
Für eine schlechte Überraschung gut (eBook, ePUB)
Paasilinna, Arto

Für eine schlechte Überraschung gut (eBook, ePUB)


gut

»Du bleibst als Fallschirmjäger in Finnland, hältst Kontakt mit den Partisaneneinheiten, spionierst, agitierst … dürfte ja kein Problem für dich sein, du kannst gut Finnisch.«

Februar 1942. Zwei russische Soldaten sind mit klarem Auftrag unterwegs, der Pilot Savolenko soll den Fallschirmjäger Kunitsin an Bord eines Schlachtflugzeugs über die finnische Grenze bringen, damit dieser dort spionieren kann.
Natürlich geht einiges schief, die beiden müssen notlanden und sich abenteuerlich durch die Wildnis schlagen. Dabei kommt es zu manch überraschenden Begegnungen und Ereignissen, die – wie so oft bei Paasilinna – vor allem eins sind: sehr skurril.

Ich bin ein großer Fan des Autors und freute mich sehr, noch ein mir bislang unbekanntes Buch von ihm lesen zu können. Sämtliche anderen Bücher, die auf Deutsch übersetzt wurden, stehen bereits in meinem Regal. Dieses hier wird danebenstehen, obwohl es mich nicht so begeisterte, wie viele andere Werke von ihm. Möglicherweise lag das an dem doch sehr ernsten Hintergrund der Handlung.

Das Kriegsszenario ist wie erwartet düster, doch die skurrilen, oft sehr schwarz beschriebenen Situationen, haben trotzdem Unterhaltungswert. Deutlich werden aber einige Punkte betont, Besonderheiten, die (nicht nur) in Kriegszeiten gelten: Immer gibt es Menschen, die von den Notlagen anderer profitieren. Und es ist so viel leichter, aus dem Flugzeug heraus durch den Abwurf einer Bombe Menschen zu töten, als dies Auge in Auge und von Hand zu tun.

Die Protagonisten wirken mit all ihren Fehlern, Schwächen und guten Seiten sehr menschlich und gern habe ich sie bei ihrem Abenteuer begleitet.

Fazit: Skurril und schwarz wie immer bei Paasilinna, der ernste Hintergrund dämpfte bei mir den Unterhaltungswert.

»Die Räuber überleben den Krieg die Guten gehen drauf.«

Bewertung vom 23.08.2024
Muschelkäfer morden nicht
Wilkes, Johannes

Muschelkäfer morden nicht


sehr gut

»Das schätzte Mütze an dem Inselpolizisten. Wie allen Ostfriesen fehlte ihm jede Aufgeregtheit. Mütze war überzeugt, würde eine schwere Sturmflut angekündigt, der Sturm schon an allen Giebeln rütteln und die ersten Schindeln Richtung Festland fliegen, die Insulaner würden zunächst eine Kanne Tee aufsetzen.«

Ein Urlaub ohne Leiche sollte es diesmal werden, zwei Wochen einfach nur Entspannung auf der wunderschönen Insel Spiekeroog für Kommissar Mütze und seinen Freund Karl-Dieter. Es geht auch gut los, mit strahlendem Sommerwetter und guter Laune. Doch schon am ersten Tag wird ein Vogelkundler und Fotograf tot angespült, vermutlich bei einem Badeunfall ertrunken. Doch Mütze hat mal wieder so ein Bauchgefühl, dass irgendetwas mit dem vermeintlichen Unfall nicht stimmt.
Tatsächlich finden sich in Kürze Anhaltspunkte, die seinen Verdacht bestätigen und gemeinsam mit Inselpolizist Ahsen macht er sich an die Arbeit.

Währenddessen hat Karl-Dieter ebenfalls alle Hände voll zu tun. Er springt als Babysitter für eine junge Mutter in Nöten ein und hofft inständig, dass er Mütze dadurch endlich für ein Leben mit Kind begeistern kann.

Ich habe mich sehr gefreut, den nächsten Fall für Mütze und Karl-Dieter zu lesen. Umso mehr, als dieser Fall auch auf Spiekeroog spielt. Bei meinen Besuchen dort habe ich die Insel stets als Ort des Friedens empfunden, aber offenbar tobt das Verbrechen auch hier ;-)

Wie immer habe ich es genossen, bekannte Straßen, Orte, Cafés usw. im Buch anzutreffen. Der Autor muss die Insel sehr mögen, so liebevoll, wir er sie (völlig zutreffend) beschreibt.

Wie immer ist der Krimi cosy und die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten spielt eine große Rolle. Der Fall selbst ist ungewöhnlich und kreativ, das hat mir gefallen. Der Showdown wirkt ein bisschen zu dramatisch, aber aufgrund des Unterhaltungswerts kann ich darüber hinwegsehen.

Fazit: Inselfeeling, ein Baby und ein ungewöhnlicher Fall. Auch dieser Band gefiel mir sehr und gern verfolge ich die Reihe weiter.

Bewertung vom 23.08.2024
Strandkorb 513
Wilkes, Johannes

Strandkorb 513


sehr gut

»War nicht alles bloß reiner Zufall? Hatte der Strandkorbmann tatsächlich nur ein Nickerchen gehalten und Frau Nordersiel sich eigenhändig vom Acker gemacht? Oder gab es ein geheimes Band, eine Verbindung zwischen den beiden für Spiekeroog so untypischen Ereignissen?«

Eigentlich wollten Mütze und Karl-Dieter diesmal nur zwei Wochen Urlaub auf Spiekeroog verbringen. Während Karl-Dieter hofft, seinen Freund in dieser entspannten Situation endlich für seinen Kinderwunsch begeistern zu können, fängt der urlaubende Kommissar schon noch wenigen Tagen an, sich zu langweilen.
Bei dem Toten, den Karl-Dieter an einem stürmischen Tag im Strandkorb 513 entdeckt zu haben glaubt, konnte er sich noch zurückhalten. Schließlich war der Korb leer und ordnungsgemäß verschlossen, als er ihn sich ansehen wollte. Doch als kurz danach eine weitere Tote am Strand gefunden wird, meldet sich Mützes Bauchgefühl. Etwas ist nicht in Ordnung auf dieser malerischen Insel. Und da Inselpolizist Ahrens größte Leistung die Aufklärung eines Bollerwagen-Diebstahls gewesen ist, stürzt sich Mütze in die Arbeit. Natürlich und zu seinem Leidwesen unterstützt von seinem Freund und einigen rüstigen Seniorinnen aus Bottrop…

Ich mag diese Reihe, obwohl sie mehr Privates bringt, als ich normalerweise bei einem Krimi gern lese. Der Krimi ist wie erwartet cosy, aber trotzdem wird Spannung aufgebaut und der Fall gut gelöst. Den Schauplatz Spiekeroog liebe ich und freute mich über die häufigen detaillierten Beschreibungen der Örtlichkeiten, Lokale und Sehenswürdigkeiten. Und was die beiden Protagonisten angeht: die haben sich einfach in mein Herz geschlichen und obwohl Mütze gern den Coolen gibt, glaube ich, dass sich Karl-Dieter irgendwann durchsetzen wird. Vielleicht im nächsten Band? Ich lese weiter.

Fazit: Viel Privates, trotzdem ist der Krimi gelungen und die Spiekeroog-Atmosphäre einfach großartig!

P.S. Ich las diesen Krimi übrigens auf Spiekeroog. Natürlich habe ich auch Strandkorb 513 einer genauen Inspektion unterzogen ;-)

Bewertung vom 23.08.2024
Ein Zesel zieht ein / Grimm und Möhrchen Bd.1
Schneider, Stephanie

Ein Zesel zieht ein / Grimm und Möhrchen Bd.1


ausgezeichnet

»Ich bin ein Zesel. Ein bisschen Esel und ein bisschen Zebra. Von jedem etwas und von beiden das Beste.«

Buchhändler Grimm staunt nicht schlecht, als eines Tages plötzlich ein kleiner Zesel namens Möhrchen in seinem Laden steht. Der kleine Kerl wirbelt das Leben von Grimm gründlich durcheinander, aber der ist einfach nur glücklich, denn nun ist er nicht mehr allein. Und mit ansteckender Lebensfreude sorgt das gestreifte Grautierchen dafür, dass auch Grimms Lebens wieder wunderschön wird.

Was für ein wundervolles, warmherziges und lustiges Buch ist das! Jede einzelne Seite sprudelt nur so von zuckersüßen Einfällen, witzigen Wortspielen und liebevollen, farbenfrohen Illustrationen.

Die 13 Kapitel erzählen jeweils eine kleine Geschichte, da geht es mal um Freundschaft, mal um vergessene Worte, mal fliegen Grimm und Möhrchen mit einer selbstgebauten Rakete ins All oder sie erleben die verschiedenen Jahreszeiten.

Jedes Kapitel umfasst ca. 7-10 Seiten und eignet sich perfekt als Gutenachtgeschichte, zum Vor- und Selberlesen. Sehr süß fand ich auch die beiden Lesebändchen, eins weiß und eins schwarz, perfekt für ein Zeselbuch.

Fazit: Warmherzig, lustig und voller Wortwitz – ein wunderbares Buch. Ich möchte gern noch mehr darüber lesen, wie Grimm und Möhrchen Hand in Huf durchs Leben gehen.

Bewertung vom 02.08.2024
Schottensterben / Hebriden Krimi Bd.2
Tyrie, Gordon

Schottensterben / Hebriden Krimi Bd.2


sehr gut

»Heißt das, du hältst dicht? Keine Bullen?«
»Die haben hier nichts zu suchen. Außerdem wissen wir ja noch gar nicht, wie McKechnie überhaupt zu Tode kam. … Irgendwie finden wir das schon noch heraus.«

Gigha, eine kleine Hebrideninsel, nach einer stürmischen Nacht im Februar. Eine am Strand angespülte Leiche sorgt für Unruhe. Der Tote war keiner von ihnen, das ist den Inselbewohnern schnell klar, und ebenso klar ist, dass niemand die Polizei einschalten will. So etwas klärt man auf Gigha allein, die Polizei würde sonst nur merken, dass der ein oder andere der 160 Insulaner so seine Geheimnisse hat…

Zu Beginn tat ich mich mit dem Buch etwas schwer. Der Stil ist leicht und angenehm zu lesen, daran lag es nicht, aber ich bin eine recht konservative Krimi-Leserin und bevorzuge es normalerweise, wenn sich Ermittler (Profis oder Amateure) um eine ordentliche Aufklärung eines Verbrechens bemühen. Das ist hier aber eindeutig nicht der Fall.

Die Protagonisten haben alle etwas zu verbergen und jedem ist in erster Linie daran gelegen, dass sein jeweiliges Geheimnis nicht ans Licht kommt. Manche wirken dabei reichlich skurril, die meisten von ihnen machten auf mich trotzdem einen sympathischen Eindruck. Als Antagonistin kommt eine englische Touristin daher, wie ihr im Laufe der Handlung mitgespielt wird, verursachte bei mir mächtig Schadenfreude. Überhaupt ist das Buch reichlich schwarz, da gibt es keinen pietätvollen Umgang mit Toten und ein Auftragskiller im Ruhestand erfreute mich mit seiner selbstverfassten Typologie von Leichen.

Und dann ist da noch Thin Lizzy. Die schottische Hochlandkuh mag fast niemanden, ist eigentlich ein Eigenbrötler, im Lauf der Handlung jedoch schwer verliebt. Ihre Gedanken, die sich außer mit den eigenen Befindlichkeiten mit dem eigenartigen Benehmen der Menschen befassen, sind sehr unterhaltsam und einige ihrer Aktionen urkomisch.

Fazit: Nach kleinen Startschwierigkeiten entwickelte sich das Buch überraschend positiv. Mich hat dieser unkonventionelle, reichlich schwarze Krimi gut unterhalten. Und natürlich liebe ich Lizzy!

»Wer wollte dem Schicksal in Gestalt eines Hochlandrinds im Wege stehen?«

Bewertung vom 31.07.2024
Mord im Revue-Palast
Heuvel, Dick van den; Waal, Simon de

Mord im Revue-Palast


gut

»Van Ledden Hulsebosch dachte nach. Eigentlich bekamen sie eine ganz besondere Chance: in aller Ruhe an einem echten Mordfall zu arbeiten. In aller Ruhe, weil niemand wusste, womit sie sich gerade beschäftigten. Die ultimative Gelegenheit zu demonstrieren, wie eine kriminalistische Untersuchung eigentlich ablaufen musste.«

Amsterdam, 1928. Nur widerwillig begleitet Apotheker Van Ledden Hulsebosch seine Haushälterin zu einer Revue, viel lieber würde der selbsternannte Kriminalist seinen Forschungen zu modernen Ermittlungsmethoden nachgehen. Als jedoch während der Vorführung der Conférencier von einem plötzlich herabstürzenden Gerüst erschlagen wird, bedauert er seine Anwesenheit nicht mehr. Eindeutig hat jemand den Absturz herbeigeführt, eindeutig war das hier Mord, da ist sich der Hobby-Detektiv sicher! Und als die Polizei den Vorfall als bedauerlichen Unfall abtun will, sieht Van Ledden Hulsebosch seine große Chance zu beweisen, was mit fortschrittlichen Methoden erreicht werden kann. Gemeinsam mit dem jungen Inspektor Jonathan Saltet, der sich ebenfalls stetig über die Rückständigkeit seiner Vorgesetzten ärgert, macht er sich an die Arbeit…

An diesem Krimi reizten mich zwei Dinge besonders. Zum einen ist einer der Autoren vom Fach, selbst Kriminalkommissar in Amsterdam und bei niederländischen Film- und Fernsehproduktionen gern konsultierter Experte und zum anderen gab es den Protagonisten wirklich, C. J. van Ledden Hulsebosch war der erste forensische Spurenuntersucher der Niederlande, entwickelte moderne Techniken und wurde als Berater und Ausbilder der Polizei hinzugezogen. In der Presse nannte man ihn damals den „Sherlock Holmes von Amsterdam“.

Der Start ins Buch gefiel mir auch sehr, der eigenwillige Charakter des Van Ledden Hulsebosch entlockte mir mehr als einmal ein Schmunzeln und erinnerte auch mehrfach an den berühmtesten aller Detektive. Zudem finde ich es reizvoll zu lesen, wie man sich damals bemühte, neue Untersuchungsmethoden zu entwickeln, selbst Tatortfotos waren noch keine Selbstverständlichkeit.

Der Fall wird ebenfalls interessant aufgebaut, Spuren in verschiedene Richtungen verfolgt. Bis kurz vor Schluss fühlte ich mich sehr gut unterhalten, leider wirkte die Auflösung dann aber für mein Empfinden zu konstruiert. Könnte ich halbe Punkte vergeben, würde dieser Krimi von mir 3,5 Sterne erhalten.

Fazit: Der Start war klasse und sehr unterhaltsam, leider jedoch wirkte die Auflösung konstruiert.

Bewertung vom 26.07.2024
Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1


sehr gut

»Wir haben also alle miteinander einem Mord beigewohnt. Was an sich schon mal fabelhaft ist.«

Sie sind wahrlich nicht mehr die Jüngsten, die Mitglieder des Donnerstagsmordclubs, aber zum alten Eisen gehören sie noch lange nicht. Und auch wenn das Leben in der Luxus-Seniorenresidenz einen angenehm ruhigen Lebensabend verspricht, kann man diesen noch mit Nützlichem füllen, wie zum Beispiel der Aufklärung von Morden.

Ganz ehrlich, als ich diesen ersten Band der Reihe um einen speziellen Ermittlerclub im Alter zwischen 75 und 80 Jahren begann, hatte ich mit einem eher gemütlichen Buch gerechnet. Tatsächlich sind die Senioren aber mächtig auf Zack und das schlägt sich auch im Stil nieder. Ich hatte schon nach wenigen Seiten Elizabeth, Joyce, Ron und Ibrahim in mein Herz geschlossen und freute mich über ihr selbstbewusstes und cleveres Auftreten.

Sie haben auch ordentlich was zu tun. Eigentlich waren sie noch dabei, einen heimlich entwendeten Cold Case der Polizei durchzuarbeiten, als in ihrer unmittelbaren Umgebung ein Mord geschieht. Schwer begeistert machen sich die vier an die Arbeit, nicht immer zur Freude der Profis von der Polizei. Wobei ich sehr angenehm fand, dass diese hier nicht so minderbegabt rüberkommen, wie das bei anderen Büchern oft der Fall ist. Gewissermaßen liefern sich die Ermittlerteams einen Wettstreit, bei dem zwischendurch sogar ein Austausch stattfindet. Vor allem Elizabeth, die dank ihrer früheren Tätigkeit als Geheimagentin immer jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, hat regelmäßig einen Wissensvorsprung.

Die Morde (es bleibt natürlich nicht bei einem) sind verzwickt, werden aber ordentlich aufgelöst. Es gab falsche Fährten, Bezüge zur Vergangenheit, Potential zum Mitermitteln und zusätzlich zu den Clubmitgliedern weitere interessante Charaktere. Ich fühlte mich sehr gut unterhalten und werde die Reihe weiterverfolgen.

Fazit: Diese Senioren haben es wirklich drauf. Sehr cool, sehr britisch und ein großes Krimivergnügen.