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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2011

Von der Kunst, die
Theorie zu nutzen
Die Griechenlandkrise macht es deutlich: Geldwertstabilität braucht ein perfektes Zusammenspiel von Poli-tik und ordnungstheoretischem Wissen. Dass das nicht einfach ist, haben uns die bisherigen Lösungsversuche gezeigt. Und so bezeichnet der Kölner Ökonom Hans Willgerodt die Wirtschaftspolitik zu Recht als „Kunstlehre“: Die Kunst, aus dem Wissen brauchbare Erkenntnisse für die Praxis zu ziehen. Der Band mit Aufsätzen Willgerodts dokumentiert, wie dies konkret aussehen kann.
Willgerodt gehört zur zweiten Generation der ordnungspolitischen Schule, die auf die Entfaltung persönlicher Freiheit und auf die Begrenzung privater und staatlicher Machtentfaltung gegründet war. Bei der Orientierung an ethischen, christlichen Grundsätzen ist sich jeder seiner Verantwortung für das allgemeine Wohl bewusst, ohne sich selbst dabei zu schaden. Ehrlichkeit zahlt sich für den Einzelnen aus, weil er als verlässlicher Verhandlungspartner gilt. Dabei kann die Wirtschafts- und Sozialpolitik kein Ersatz für individuelle Moral sein, so betont Willgerodt. Geeignete ordnungspolitische Rahmenbedingungen erlauben es, „den seit Jahrhunderten gepflügten steinigen Acker der christlichen Individualethik aufzulockern“. Das Zurückdrängen des Marktes zugunsten politischer Entscheidungen fördere hingegen nicht die individuelle Moral, weil dann organisierte Gruppen ihre Marktmacht zur Politikbeeinflussung nutzen könnten und so die Moral sinke.
Insbesondere der intervenierende Wohlfahrtsstaat bereite die Unmündigkeit der Bürger vor. Es beginne eine allgemeine Flucht unter die vermeintlich schützenden Fittiche des Staates, wobei der Einzelne versucht sei, sich auf Kosten aller Beitrags- und Steuerzahler zu bereichern. Auch stabiles Geld – und hier könnte die EU sicher lernen – fördereeigenverantwortliches Handeln, weil die Bürger selbst für ihren Lebensabend vorsorgen könnten und nicht auf kollektive Umverteilung angewiesen seien.
Willgerodt sieht die Entwicklung des Geldwertes in der EU skeptisch. Man habe sich zunächst der deutschen Forderung nach Geldwertstabilität gebeugt, weil man die Dominanz der Deutschen Mark brechen wollte. Inzwischen aber habe Deutschland ebenso wie Frankreich solche Forderungen aufgegeben. Die weltweite Finanzkrise habe die Inflationsgefahr in den Hintergrund gerückt – trotz der zur Krisenbekämpfung gigantisch hohen Zusatzliquidität.
Willgerodt sieht sich als Vertreter der „Politischen Ökonomie“, bei der es auch um Ziele und Werte geht, die nüchtern geprüft werden können. Wirtschaft und Politik haben Ziele, hinter denen Werte stehen (es sei denn, dass beides chaotisch gehandhabt werde). Da sich Ökonomen aber eher zurückzögen und sich in mehr oder weniger interessanten Spezialtheorien vergrüben, füllten Vertreter anderer Disziplinen die entsprechenden Wissenslücken. Nicht selten wildere man dann ohne ausreichende volkswirtschaftliche Kenntnisse und mit selbst gefertigtem Jagdgerät in diesem Revier. Zu Recht fordert der Autor daher eine Rückbesinnung der Volkswirtschaftslehre auf die zentralen Gebiete der Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft.
Wer die einen Zeitraum von 60 Jahren umfassenden Aufsätze durchliest, hat ein Dokument wirtschaftspolitischer Zeitgeschichte vor sich, aus dem sich auch ermessen lässt, was der emeritierte Hans Willgerodt für seine Studenten bedeutet hat. Er gab ihnen das Gespür für soziales Handeln in Freiheit und für individuelle Verantwortung. Vor allem aber lehrte er sie denken. Das Buch sollte auch den Studierenden von heute nicht vorenthalten werden.
Indira Gurbaxani
Hans Willgerodt: Werten und Wissen. Beiträge zur Politischen Ökonomie. Verlag Lucius & Lucius, Stuttgart 2011. 462 Seiten.
59 Euro.
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