„Es war einmal …“ So beginnt das „poetisch-düstere Erwachsenenmärchen“ in einer unbestimmten Zeit im fiktiven bayerischen Dorf Moosbruck. Es liegt am Rande eines dunklen toten Waldes, der so dicht ist, dass der Schnee nicht bis auf den Boden dringt. In dem etwas Schreckliches passiert ist. Die
Dorfbewohner schweigen, bekreuzigen und bemühen sich abergläubisch, nicht mit dem Vergangenen in…mehr„Es war einmal …“ So beginnt das „poetisch-düstere Erwachsenenmärchen“ in einer unbestimmten Zeit im fiktiven bayerischen Dorf Moosbruck. Es liegt am Rande eines dunklen toten Waldes, der so dicht ist, dass der Schnee nicht bis auf den Boden dringt. In dem etwas Schreckliches passiert ist. Die Dorfbewohner schweigen, bekreuzigen und bemühen sich abergläubisch, nicht mit dem Vergangenen in Berührung zu kommen.
Viele Protagonist:innen betreten die Bühne und lassen ihren Blick über das Dorf schweifen. Es wird unübersichtlich. Weiß man doch nicht, wer eine Bedeutung für die Geschichte haben wird und wie sie zueinander in Verbindung stehen. Doch bald und immer schärfer richtet sich der Fokus auf Karolina, ihre kleine Tochter Emmi und auf IHN, den KRÄHENJUNGEN, der inzwischen ein Mann ist. Sie sind ANDERS. Vor allem Sam, der Krähenjunge mit den dunklen Augen bringt mit seiner Rückkehr auch düstere Vorahnungen ins Dorf. Ist nicht alles, was bisher an Unheil geschah seine oder die Schuld seiner Familie? Er ist der Einzige, der in dem See, der niemals zufriert, schwimmen geht. Es heißt, der See gebe niemanden, der mit ihm in Berührung kommt, wieder her. Und Karolina? Sie schwimmt auch – und ertrinkt - in seinen dunklen Augen.
„Geh nicht hin, sagen sie, aber hier bist du und du wirst wiederkommen, du weißt es. Der See hat seine Fäden um dich gesponnen, du bist ihm ins Netz gegangen.“ S.14
Und dann geschieht ein Verbrechen. Zwei Polizisten kommen ins Dorf. Beginnen zu ermitteln und sich zu verstricken. Wo ist die Grenze zwischen Gut und Böse? Gibt es sie überhaupt?
„Du tauchst wieder auf, denkst, dass man sie vielleicht doch abstreifen kann, die Dinge. Sich häuten. Aber das Messer, nie ist es scharf genug und alles was bleibt, sind Narben.“ S.46
Sonja Kettenring hat hier einen poetisch und reduziert erzählten Text geschaffen, der Heimatroman, Liebesgeschichte, Krimi und Schauermärchen, in einem ist.
Er erinnert mich an einen dieser dunklen, leisen „Tatort“e, in denen es mehr um das Zeigen archaischer Naturgewalten, zerrütteter Familien und konservativer ländlicher Rückständigkeit geht, als um den Fall.
Es bleibt unkonkret und entwickelt trotzdem einen Sog, dem ich mich irgendwann nicht mehr entziehen kann. Und doch bleib ich wachsam, um nichts zu verpassen. Und am Ende beschleicht mich das Gefühl, nichts geschnallt zu haben. Oder alles. Da bin ich echt unsicher.
Ich finde, es ist ein spannendes Debüt. Sonja Kettenring wird als Informatikerin, die heute als Postbotin arbeitet und „viel lieber Geschichten als Programme“ schreibt, vorgestellt. Was mich sehr neugierig gemacht hat. Es ist eine besondere Geschichte aus einem besonderen Verlag, der seit Februar 2022 am Start ist. „Mit Büchern, die mit den Mitteln des Erzählens politische Prozesse und gesellschaftliche Veränderungen begleiten. Vornehmlich von Frauen, die etwas zu sagen, besser: zu erzählen haben.“ – Verlags-Homepage