Wie wird ein Mann ein Mann? Oder etwas präziser: Wie wird aus dem, was ein Mann werden könnte, schließlich das, wofür sich der Betreffende aufgrund seines Geschlechts hält? Diese Frage beschäftigt den Biologen, Hirnforscher und Bestsellerautor Gerald Hüther in seinem neuen Buch. Die wichtigste Erkenntnis der Hirnforschung lautet: Das menschliche Gehirn ist weitaus formbarer, in seiner inneren Struktur und Organisation anpassungsfähiger, als bisher gedacht. Auch das von Männern. Die Nervenzellen und Netzwerke verknüpfen sich so, wie man sie benutzt. Das gilt vor allem für all das, was man mit besonderer Begeisterung in seinem Leben tut. Was aber ist es, wofür sich schon kleine Jungs, später halbstarke Jugendliche und schließlich die erwachsenen Vertreter des männlichen Geschlechts so ganz besonders begeistern? Und weshalb tun sie das? Warum hat für viele oft gerade das so große Bedeutung, was den Mädchen und Frauen ziemlich schnuppe ist? Männer sind von anderen Motiven geleitet und benutzen deshalb ihr Gehirn auf andere Weise und damit bekommen sie zwangsläufig auch ein anderes Gehirn. Wenn es Männern gelänge, sich nicht an Wettbewerb und Konkurrenz auszurichten, sondern die in ihnen angelegten Potenziale zu entfalten, fände eine Transformation auf dem Weg zur Mannwerdung statt. Dann gäbe es kein schwaches Geschlecht mehr.
The human brain is a much more malleable organ than previously presumed. Nerve cells conjoin as we use them. That is especially true for anything done with particular intensity. That little boys, pubescent adolescents, and the adult representatives of the male gender all are interested in things other than what interests girls and women is necessarily the case in the light of their very different brain structure. This book is interested not so much in the weaknesses of males, but rather in how they are transformed on the path to male adulthood through the use of their innate potentials - and what that means (or could mean) for their brains.
The human brain is a much more malleable organ than previously presumed. Nerve cells conjoin as we use them. That is especially true for anything done with particular intensity. That little boys, pubescent adolescents, and the adult representatives of the male gender all are interested in things other than what interests girls and women is necessarily the case in the light of their very different brain structure. This book is interested not so much in the weaknesses of males, but rather in how they are transformed on the path to male adulthood through the use of their innate potentials - and what that means (or could mean) for their brains.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.12.2009Es bleibt nur das Innen
Gerald Hüther kennt das männliche Gehirn
Der Buchmarkt wird ja derzeit geradezu überschwemmt von Titeln, in denen Männern erklärt wird, warum sie vom Mars sind und so gut zappen, warum ihre Frauen von der Venus kommen, aber schlechter einparken. In einer Zeit maximaler Unsicherheit in den Geschlechterrollen sollen Genetik und Evolutionsgeschichte Halt geben.
Es ist das Verdienst des Hirnforschers Gerald Hüther, in seinen zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern schon immer unterschieden zu haben, was Naturwissenschaft tatsächlich beschreiben kann – und was nicht. Biologie war für Hüther nie ein Weg zur Letztbegründung. So betont er auch in seinem neuen Buch „Männer”, dass Geist und Materie einander auf komplexe Weise wechselseitig bedingen und der Mensch nicht determiniert ist. „Das Gehirn wird so, wie man es benutzt.” Es stellt ein Potential, das sich in Kultur, Erziehung und individuellen Entscheidungen selbst ausgestaltet.
Umso interessanter, von Hüther zu erfahren, was sich biologisch tatsächlich festhalten lässt. Und das läuft auch bei ihm erst mal auf die klassischen Rollenbilder hinaus: Weil Männer – an die sich das Buch weitgehend exklusiv wendet – für die Stabilität einer Art zwar entbehrlich, aber wichtig für ihre Variabilität seien, opfere eine Gesellschaft sie leichter in Kriegen und würden gesellschaftliche Umbrüche eher von ihnen herbeigeführt.
Männer dächten leistungsorientiert und entwickelten besondere Fähigkeiten, weil Frauen unter ihnen wählen, und zwar nach sozialem Status. Genetisch gesehen, sagt Hüther, gebe es im Gehirn keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Allerdings sorge die Testosteron-Ausschüttung dafür, dass Männer von Kindheit an – daher der Untertitel vom „schwachen Geschlecht” – stärkeren emotionalen Halt im Außen brauchten, wenn sie nicht in unterkomplexe Denk- und Gefühlsmuster zurückfallen wollten.
Durch dieses Außen will das Buch den werdenden Mann auf der Suche nach Sicherheit in Erziehung und Kultur begleiten. Da die tradierten Rollenbilder fragwürdig geworden sind, kommt es für Hüther derzeit besonders darauf an, ein „authentischer Mann” zu werden: „Jetzt bleibt nur noch das Innen.” Von der Erziehung fordert er daher, dass sie gegenüber dem Selbsttransformationsprozess des Jungen auf Geborgenheit ebenso ausgelegt sein müsse wie auf Offenheit von vor allem Vätern, die „selbst Suchende sind und Suchende bleiben wollen”.
Aber: Was ist authentisch? Und wonach soll gesucht werden? Nie zuvor in der Geschichte haben Eltern ihre Kinder mehr umsorgt, ihnen mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bereitgestellt. Ein Kind zu erziehen, scheint vielen Paaren da sowieso schon eine schier menschenunmögliche Aufgabe zu sein.
Hüther bestätigt sich selbst: Die Naturwissenschaft kann nicht vom Sein auf das Sollen schließen. Dass sein Buch im Gegensatz zu gängigen Ratgebern darum weiß und dabei trotzdem leicht lesbar ist, macht es zu einer sehr empfehlenswerten Lektüre für alle Männer auf der Suche nach sich selbst. MICHAEL STALLKNECHT
GERALD HÜTHER: Männer. Das schwache Geschlecht und sein Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009. 142 Seiten, 16,90 Euro.
Man sollte nicht vom Sein auf das Sollen schließen
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Gerald Hüther kennt das männliche Gehirn
Der Buchmarkt wird ja derzeit geradezu überschwemmt von Titeln, in denen Männern erklärt wird, warum sie vom Mars sind und so gut zappen, warum ihre Frauen von der Venus kommen, aber schlechter einparken. In einer Zeit maximaler Unsicherheit in den Geschlechterrollen sollen Genetik und Evolutionsgeschichte Halt geben.
Es ist das Verdienst des Hirnforschers Gerald Hüther, in seinen zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern schon immer unterschieden zu haben, was Naturwissenschaft tatsächlich beschreiben kann – und was nicht. Biologie war für Hüther nie ein Weg zur Letztbegründung. So betont er auch in seinem neuen Buch „Männer”, dass Geist und Materie einander auf komplexe Weise wechselseitig bedingen und der Mensch nicht determiniert ist. „Das Gehirn wird so, wie man es benutzt.” Es stellt ein Potential, das sich in Kultur, Erziehung und individuellen Entscheidungen selbst ausgestaltet.
Umso interessanter, von Hüther zu erfahren, was sich biologisch tatsächlich festhalten lässt. Und das läuft auch bei ihm erst mal auf die klassischen Rollenbilder hinaus: Weil Männer – an die sich das Buch weitgehend exklusiv wendet – für die Stabilität einer Art zwar entbehrlich, aber wichtig für ihre Variabilität seien, opfere eine Gesellschaft sie leichter in Kriegen und würden gesellschaftliche Umbrüche eher von ihnen herbeigeführt.
Männer dächten leistungsorientiert und entwickelten besondere Fähigkeiten, weil Frauen unter ihnen wählen, und zwar nach sozialem Status. Genetisch gesehen, sagt Hüther, gebe es im Gehirn keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Allerdings sorge die Testosteron-Ausschüttung dafür, dass Männer von Kindheit an – daher der Untertitel vom „schwachen Geschlecht” – stärkeren emotionalen Halt im Außen brauchten, wenn sie nicht in unterkomplexe Denk- und Gefühlsmuster zurückfallen wollten.
Durch dieses Außen will das Buch den werdenden Mann auf der Suche nach Sicherheit in Erziehung und Kultur begleiten. Da die tradierten Rollenbilder fragwürdig geworden sind, kommt es für Hüther derzeit besonders darauf an, ein „authentischer Mann” zu werden: „Jetzt bleibt nur noch das Innen.” Von der Erziehung fordert er daher, dass sie gegenüber dem Selbsttransformationsprozess des Jungen auf Geborgenheit ebenso ausgelegt sein müsse wie auf Offenheit von vor allem Vätern, die „selbst Suchende sind und Suchende bleiben wollen”.
Aber: Was ist authentisch? Und wonach soll gesucht werden? Nie zuvor in der Geschichte haben Eltern ihre Kinder mehr umsorgt, ihnen mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bereitgestellt. Ein Kind zu erziehen, scheint vielen Paaren da sowieso schon eine schier menschenunmögliche Aufgabe zu sein.
Hüther bestätigt sich selbst: Die Naturwissenschaft kann nicht vom Sein auf das Sollen schließen. Dass sein Buch im Gegensatz zu gängigen Ratgebern darum weiß und dabei trotzdem leicht lesbar ist, macht es zu einer sehr empfehlenswerten Lektüre für alle Männer auf der Suche nach sich selbst. MICHAEL STALLKNECHT
GERALD HÜTHER: Männer. Das schwache Geschlecht und sein Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009. 142 Seiten, 16,90 Euro.
Man sollte nicht vom Sein auf das Sollen schließen
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In einer Zeit, in der die Geschlechterrollen unsicher geworden sind, kann Michael Stallknecht diesen Ratgeber von Hirnforscher Gerald Hüther allen Männern auf dem Weg zur Selbstfindung nur wärmsten empfehlen. Erstmal findet es der Rezensent sehr lobenswert, wie deutlich der Autor macht, dass der Mann nicht allein biologisch determiniert ist, sondern es immer darauf ankommt, was er aus seinem Potential macht und unter welchen Umständen er aufwächst. Deshalb aber fesselt es den Rezensenten besonders zu erfahren, was den Mann denn nun biologisch prägt. Genauso klar mache Hüthers sehr lesbares Buch aber auch, dass Männer aufgrund ihrer genetischen Ausstattung einen "stärkeren emotionalen Halt im Außen" brauchen, um sich komplex entwickeln zu können, erklärt Stallknecht. Dass der Autor nie vergisst, dass der Mann nicht nur naturwissenschaftlich erfasst werden kann, macht dem Rezensenten diesen Ratgeber so wertvoll.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH