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Gerald Hüther kennt das männliche Gehirn
Der Buchmarkt wird ja derzeit geradezu überschwemmt von Titeln, in denen Männern erklärt wird, warum sie vom Mars sind und so gut zappen, warum ihre Frauen von der Venus kommen, aber schlechter einparken. In einer Zeit maximaler Unsicherheit in den Geschlechterrollen sollen Genetik und Evolutionsgeschichte Halt geben.
Es ist das Verdienst des Hirnforschers Gerald Hüther, in seinen zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern schon immer unterschieden zu haben, was Naturwissenschaft tatsächlich beschreiben kann – und was nicht. Biologie war für Hüther nie ein Weg zur Letztbegründung. So betont er auch in seinem neuen Buch „Männer”, dass Geist und Materie einander auf komplexe Weise wechselseitig bedingen und der Mensch nicht determiniert ist. „Das Gehirn wird so, wie man es benutzt.” Es stellt ein Potential, das sich in Kultur, Erziehung und individuellen Entscheidungen selbst ausgestaltet.
Umso interessanter, von Hüther zu erfahren, was sich biologisch tatsächlich festhalten lässt. Und das läuft auch bei ihm erst mal auf die klassischen Rollenbilder hinaus: Weil Männer – an die sich das Buch weitgehend exklusiv wendet – für die Stabilität einer Art zwar entbehrlich, aber wichtig für ihre Variabilität seien, opfere eine Gesellschaft sie leichter in Kriegen und würden gesellschaftliche Umbrüche eher von ihnen herbeigeführt.
Männer dächten leistungsorientiert und entwickelten besondere Fähigkeiten, weil Frauen unter ihnen wählen, und zwar nach sozialem Status. Genetisch gesehen, sagt Hüther, gebe es im Gehirn keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Allerdings sorge die Testosteron-Ausschüttung dafür, dass Männer von Kindheit an – daher der Untertitel vom „schwachen Geschlecht” – stärkeren emotionalen Halt im Außen brauchten, wenn sie nicht in unterkomplexe Denk- und Gefühlsmuster zurückfallen wollten.
Durch dieses Außen will das Buch den werdenden Mann auf der Suche nach Sicherheit in Erziehung und Kultur begleiten. Da die tradierten Rollenbilder fragwürdig geworden sind, kommt es für Hüther derzeit besonders darauf an, ein „authentischer Mann” zu werden: „Jetzt bleibt nur noch das Innen.” Von der Erziehung fordert er daher, dass sie gegenüber dem Selbsttransformationsprozess des Jungen auf Geborgenheit ebenso ausgelegt sein müsse wie auf Offenheit von vor allem Vätern, die „selbst Suchende sind und Suchende bleiben wollen”.
Aber: Was ist authentisch? Und wonach soll gesucht werden? Nie zuvor in der Geschichte haben Eltern ihre Kinder mehr umsorgt, ihnen mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bereitgestellt. Ein Kind zu erziehen, scheint vielen Paaren da sowieso schon eine schier menschenunmögliche Aufgabe zu sein.
Hüther bestätigt sich selbst: Die Naturwissenschaft kann nicht vom Sein auf das Sollen schließen. Dass sein Buch im Gegensatz zu gängigen Ratgebern darum weiß und dabei trotzdem leicht lesbar ist, macht es zu einer sehr empfehlenswerten Lektüre für alle Männer auf der Suche nach sich selbst. MICHAEL STALLKNECHT
GERALD HÜTHER: Männer. Das schwache Geschlecht und sein Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009. 142 Seiten, 16,90 Euro.
Man sollte nicht vom Sein auf das Sollen schließen
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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