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Die Studie stellt das für die Ideengeschichte und die politische Praxis zentrale Konzept der Souveränität infrage. Denn dieses Konzept wird durch die "Ironie der Geschichte" im Grunde obsolet: Das staatliche Gewaltmonopol, so zeigt Daniel Loick anhand der Entwicklung des modernen Souveränitätsbegriffs, schließt immer auch ein Element nicht zu rechtfertigender Gewalt ein. Das gilt selbst für Formen demokratisch oder deliberativ legitimierter Souveränität. Vor dem Hintergrund der realen Umbrüche innerhalb der internationalen politischen Institutionen fragt er nach Möglichkeiten, das Konzept der…mehr

Produktbeschreibung
Die Studie stellt das für die Ideengeschichte und die politische Praxis zentrale Konzept der Souveränität infrage. Denn dieses Konzept wird durch die "Ironie der Geschichte" im Grunde obsolet: Das staatliche Gewaltmonopol, so zeigt Daniel Loick anhand der Entwicklung des modernen Souveränitätsbegriffs, schließt immer auch ein Element nicht zu rechtfertigender Gewalt ein. Das gilt selbst für Formen demokratisch oder deliberativ legitimierter Souveränität. Vor dem Hintergrund der realen Umbrüche innerhalb der internationalen politischen Institutionen fragt er nach Möglichkeiten, das Konzept der Souveränität zu überwinden: Wie lässt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt auf andere Art sichern als mit Mitteln der Gewalt?
Autorenporträt
Daniel Loick, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Frankfurt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2012

Ein Lob des Gewaltmonopols
Europa zerstört gerade die Grundlage seines Erfolgs: Die Idee der Souveränität. Das Chaos droht.

VON RAINER HANK

Wenn ein Räuber mit vorgezogener Pistole hundert Euro fordert, so mag es vernünftig sein, ihm das Geld auszuhändigen. Niemand aber würde sagen, es gebe auch eine moralische Verpflichtung, sich dem Dieb zu ergeben. Wenn aber eine Finanzbeamtin mittels Steuerbescheid die hundert Euro verlangt, besitzt sie dafür eine legitime Befugnis: Wer die Steuerforderungen zu umgehen und Steuern zu hinterziehen versucht, hat daher nicht nur mit fiskalischen, sondern auch mit moralischen Sanktionen zu rechnen. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück machte sich diesen Umstand zunutze, als er die deutsche Kavallerie in die Schweiz schicken wollte, um das Fluchtgeld deutscher Steuersünder zurückzuholen.

Dass der Staat sich Steuern nimmt, ist eine Art erlaubter und moralisch gerechtfertigter Diebstahl, wie schon der mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin wusste. Nicht ohne Grund gestehen wir dem Staat ein Gewaltmonopol zu, während wir in allen anderen Lebensbereichen Gewalt und Monopole ächten. Das Gewaltmonopol gibt dem Staat nicht nur die Berechtigung, sondern zuallererst die Durchsetzungsmöglichkeit, Gewalt zu ächten und Monopole zu zerschlagen. Der Staat schützt die Rechts- und Wettbewerbsordnung und duldet zugleich keinen Wettbewerber neben sich.

Das kann man paradox nennen. Daniel Loick nennt es in seiner vorzüglichen, bei Axel Honneth als Dissertation angefertigten, philosophischen Studie zur "Kritik der Souveränität" eine "ironische" Fügung. So wie ein Reisender, der wegen seiner Flugangst ein Schiff besteigt und ausgerechnet mit diesem Schiff untergeht, Opfer einer Ironie des Schicksals geworden ist, so ist es auch Ironie der Staaten, dass Gewalt nur unterdrückt werden kann gerade durch die höchste denkbare philosophische und verfassungsrechtliche Legitimation der absoluten Gewalt.

Ausdruck dafür ist die neuzeitliche Theorie der Souveränität. Während im Mittelalter ein polykratischer Wettbewerb der Herrschaftsausübung gang und gäbe war - man denke an den Investiturstreit -, entsteht in der Neuzeit die Idee der Souveränität. Erfinder des Begriffs ist Ende des 16. Jahrhunderts der französische Staatstheoretiker Jean Bodin. Seine bis heute klassische Definition in den Six Livres de la République heißt: "Unter der Souveränität ist die dem Staat eignende absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt zu verstehen." In seinem "Leviathan" (1651) hat Thomas Hobbes daraus abgeleitet, dass der Staat, um den Krieg aller gegen alle zu beenden, für sich absolute Macht beanspruchen muss, der Bürger aber auf Macht verzichtet unter der Voraussetzung, dass sein Mitbürger dazu auch bereit ist.

Daniel Loick stört die Ironie der Souveränität so sehr, dass er im letzten Teil seiner nicht genug zu preisenden Arbeit von einer Utopie einer postsouveränen politischen Gemeinschaft schwärmt, in der zwar Recht, aber keine Gewalt mehr herrscht. Für nüchterne Naturen wird es jetzt allzu schwärmerisch.

Statt der Sehnsucht nach gewaltfreier Romantik erzeugt Loicks präzise ideengeschichtliche Rekonstruktion viel eher den höchsten Respekt vor der Errungenschaft der Souveränitätsidee. Europa ist derzeit gerade dabei, diese Erfolgsgeschichte gründlich zu demolieren. Nachdem die Staaten des Euroraums zunächst ihre Institutionen und Verträge zertrümmert haben (Maastricht), verlangen sie jetzt mit dem Fiskalpakt auch noch die Preisgabe nationaler Souveränitätsrechte an diffuse, miteinander im Wettbewerb stehende Kontrollinstanzen (EZB, die Märkte, die EU-Kommission etc.). Ohne Monopol aber wird Gewalt hässlich. Wenn (nationale) Souveränität verschwindet, verfällt Europa ins politische Chaos und in die Anarchie konkurrierender Machtansprüche. Deutsche Verfassungsrichter sind offenbar die Einzigen, die das spüren.

Daniel Loick: Kritik der Souveränität.

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2012, 34,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein Lob des Gewaltmonopols
"Eine vorzügliche philosophische Studie." (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.06.2012)