Versandkostenfrei!
Versandfertig in 1-2 Wochen
Weitere Ausgaben:
PAYBACK Punkte
0 °P sammeln!
Nach seinen Bestsellern »Alles ist erleuchtet« und »Extrem laut und unglaublich nah« wird Jonathan Safran Foers dritter Roman von der Presse als sein bester gelobt. »Hier bin ich« ist ein großer amerikanischer Familienroman, der mit emotionaler und intellektueller Wucht vom Auseinanderbrechen einer jüdischen Familie erzählt.Die Stimmung bei Julia und Jacob Bloch ist angespannt. Der älteste Sohn Sam bemüht sich redlich, von der Schule zu fliegen, Großvater Isaac weigert sich, ins Seniorenheim zu gehen, und der senile Familienhund Argus müsste endlich eingeschläfert werden. Kurz be...
Nach seinen Bestsellern »Alles ist erleuchtet« und »Extrem laut und unglaublich nah« wird Jonathan Safran Foers dritter Roman von der Presse als sein bester gelobt. »Hier bin ich« ist ein großer amerikanischer Familienroman, der mit emotionaler und intellektueller Wucht vom Auseinanderbrechen einer jüdischen Familie erzählt.Die Stimmung bei Julia und Jacob Bloch ist angespannt. Der älteste Sohn Sam bemüht sich redlich, von der Schule zu fliegen, Großvater Isaac weigert sich, ins Seniorenheim zu gehen, und der senile Familienhund Argus müsste endlich eingeschläfert werden. Kurz bevor die gesamte Verwandtschaft aus Israel eintrifft, um Sams Bar Mizwa zu feiern, entdeckt Julia auf dem Handy ihres Mannes unzweideutige Nachrichten an eine andere Frau. Während die Familie Bloch in Washington D.C. auf ein Familiendrama zusteuert, braut sich im Nahen Osten eine Katastrophe mit globalen Folgen zusammen, die Jacob mit der Frage nach seiner jüdischen Identität konfrontiert.Dem US-amerikanischen Schriftsteller Jonathan Safran Foer ist ein großer Familienroman gelungen, der den innersten Kern einer Familie beleuchtet. Seine unverwechselbare Mischung aus emotionaler und intellektueller Schlagkraft, bringt der Bestsellerautor in »Hier bin ich« zur Meisterschaft.Ein cleverer, herrlich komischer Schlagabtausch jagt den nächsten in dieser quirligen jüdischen Familie - fünf ganz eigene Charaktere, die allesamt weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen sind. Jonathan Safran Foers Romane »Alles ist erleuchtet« und »Extrem laut und unglaublich nah« wurden verfilmt und waren große Kritiker- und Publikumserfolge. Auch sein Buch »Tiere essen« wurde ein Bestsellererfolg. Sein Roman »Hier bin ich« wird von der deutschen und der US-amerikanischen Presse als sein bisher bester gefeiert.
Jonathan Safran Foer wurde 1977 geboren und studierte in Princeton Philosophie und Literatur. Seine ersten beiden Romane 'Alles ist erleuchtet' und 'Extrem laut und unglaublich nah' waren sensationelle Erfolge. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet und in 38 Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen sein Roman 'Hier bin ich' (2016) sowie das Sachbuch 'Wir sind das Klima!' (2019). Foer gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Gegenwartsautoren. Er lebt in New York.

Produktdetails
- Fischer Taschenbücher 70120
- Verlag: FISCHER Taschenbuch / S. Fischer Verlag
- Artikelnr. des Verlages: 1022565
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 684
- Erscheinungstermin: 23. Mai 2018
- Deutsch
- Abmessung: 190mm x 125mm x 37mm
- Gewicht: 649g
- ISBN-13: 9783596701209
- ISBN-10: 3596701201
- Artikelnr.: 49539907
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
© BÜCHERmagazin, Katharina Granzin (kgr)
Tempo, Tempo, immer weiter
Extrem ambitioniert und unglaublich brav? Vergessen Sie alles, was Sie über Jonathan Safran Foer zu wissen glauben: Sein Roman "Hier bin ich" fegt alle Vorbehalte weg
Die E-Mails von Natalie Portman und Jonathan Safran Foer", so hieß Mitte Juli ein großer Artikel im "Style Magazine" der "New York Times". Die Schauspielerin und der Schriftsteller hatten am Vorabend der Veröffentlichung "zweier Meilensteine" - wie ihr Regiedebüt und sein erster Roman nach zehn Jahren Pause pathetisch genannt wurden - ihre Postfächer geöffnet und ihre E-Mail-Korrespondenz zum Abdruck freigegeben. "Wie denkst du über Freiheit? Wann wünschst du dir am sehnlichsten, du hättest mehr davon? Wann wünschst du dir am
Extrem ambitioniert und unglaublich brav? Vergessen Sie alles, was Sie über Jonathan Safran Foer zu wissen glauben: Sein Roman "Hier bin ich" fegt alle Vorbehalte weg
Die E-Mails von Natalie Portman und Jonathan Safran Foer", so hieß Mitte Juli ein großer Artikel im "Style Magazine" der "New York Times". Die Schauspielerin und der Schriftsteller hatten am Vorabend der Veröffentlichung "zweier Meilensteine" - wie ihr Regiedebüt und sein erster Roman nach zehn Jahren Pause pathetisch genannt wurden - ihre Postfächer geöffnet und ihre E-Mail-Korrespondenz zum Abdruck freigegeben. "Wie denkst du über Freiheit? Wann wünschst du dir am sehnlichsten, du hättest mehr davon? Wann wünschst du dir am
Mehr anzeigen
sehnlichsten, du hättest weniger?", fragte Foer darin Natalie Portman. Er schrieb ihr: "Es ist fast 6 Uhr morgens. Die Jungs schlafen noch. Ich kann die Meerschweinchen rumoren hören. Die Leute meinen oft, dass Einsamkeit und Schreibblockaden die zwei größten Herausforderungen des Schriftstellerdaseins sind. Tatsächlich aber ist das Schwerste, sich um Meerschweinchen kümmern zu müssen." Und sie, die in Jerusalem geboren wurde, dachte über ihre Herkunft nach: "Ich habe gelernt, dass, wenn man etwas in Israel spielen lässt, selbst wenn es nur die Geschichte der Liebe zwischen einem Jungen und seiner Mutter ist, es als ,mutig' gilt. Oft wünsche ich mir, ich käme aus einem Land, das für alle Menschen harmlos erscheint, ein neutrales, unproblematisches Land. So etwas wie - ,Hi, ich bin Finnin.' Aber ich weiß, dass Israel - der Ort und seine Geschichten - mich beschäftigen wie nichts anderes."
Dazu waren wunderschöne Modefotos mit wenig Mode und viel Natalie Portman zu sehen, die neue Spekulationen darüber entfachten (und natürlich entfachen sollten), ob der E-Mail-Austausch zwischen den beiden vor zwei Jahren Grund für die Trennung von Foer und seiner damaligen Frau, der Schriftstellerin Nicole Krauss, gewesen war. Krauss und Foer waren über Jahre das Vorzeigepaar der New Yorker Literaturszene gewesen und hatten sich auch einigen Spott darüber anhören müssen, wie "wohlerzogen, gescheit, hübsch, stockkonservativ und artig" sie angeblich waren. Foer schrieb in sein Buch: "Für Nicole, meinen Inbegriff von Schönheit". Krauss schrieb in ihres: "Für Jonathan, mein Leben". Aber es hielt nicht ein Leben lang.
Was das mit dem neuen Buch zu tun hat? Jonathan Safran Foers Roman "Hier bin ich", der in dieser Woche in der Übersetzung von Henning Ahrens erscheint, ist ein Trennungsroman. Ein Paar Anfang vierzig hat drei Söhne und genauso viele Gründe, zusammen zu bleiben, wie Gründe, sich zu trennen. So wie Foer und Krauss sich als Paar öffentlich zelebriert haben, kann man da erst mal nicht anders, als an diese beiden zu denken, und fühlt sich nicht gerade wohl dabei. Denn als 2003 "Alles ist erleuchtet" erschien, Foers erster Roman, der von der Reise eines amerikanischen Juden namens Jonathan Safran Foer in die Ukraine erzählte, wo er sich auf die Suche nach dem von den Nazis ausgelöschten Schtetl seines Großvaters machte, waren so gut wie alle hingerissen. Man selbst aber nicht. Es war alles so ambitioniert und richtig und gut erzählt, ein Buch, gegen das man eigentlich gar nichts sagen konnte, das einem in seiner Ambitioniertheit und in der Art und Weise, wie hier jemand alles so furchtbar richtig machte, irgendwie auf die Nerven ging. Beim zweiten Roman, "Extrem laut und unglaublich nah", ging es einem genauso. Nicole-Krauss-Fan wurde man bei der Lektüre ihrer Bücher auch nicht. So ist das manchmal. Da türmen sich Berge von Vorbehalten auf, bevor man die erste Seite eines neuen Romans überhaupt aufgeschlagen hat.
Und dann - peng! - sind sie alle weg. Ist alles, was war, egal, das wirkliche Leben des Autors oder das, was darüber bekannt ist, als Erstes. Es spielt überhaupt keine Rolle mehr, weil nur noch die allernächste Seite zählt und wieder die nächste. Warum muss das jetzt so lange dauern, fragt man sich in der Redaktionskonferenz, weil man viel lieber weiterlesen würde. Man lässt das Fahrrad stehen, um das Buch in der S-Bahn wieder aufzuschlagen, schleppt "Hier bin ich" überall mit hin. Es ist 700 Seiten dick, man fliegt hindurch wie im Rausch.
Der Grund dafür sind die Dialoge und Gespräche. Oder besser: Es ist das Tempo dieser Gespräche, der Witz und die Schlagfertigkeit derer, die hier zu Wort kommen, lauter Helden der Ironie, die nie um eine Pointe verlegen sind, die alle das letzte Wort haben wollen und mit so eigenartigen Phantasien ausgestattet sind, dass jede ihrer Unterhaltungen sich vom Ausgangspunkt radikal entfernt und man sich immer nur wundert, wo man jetzt wieder gelandet ist.
Julia und Jacob Bloch heißen im Roman diejenigen, deren Ehe auf dem Spiel steht, nachdem Julia ein Zweithandy ihres Mannes im Badezimmer findet, dessen Passwort sie mit Hilfe ihres großen Sohns knackt, und auf dem sie dann Sexnachrichten findet, die eindeutig nicht an sie gerichtet sind. Das ist der Auslöser für ein Auseinanderbrechen, das längst begonnen hat. Julia, eine Architektin, und Jacob, Schriftsteller und Script-Schreiber für eine Fernsehshow, haben nie zu den Menschen gezählt, die sich aus Prinzip gegen Konventionen wenden. Sie hätten aber auch nicht erwartet, jemals so konventionell zu werden: Sie kaufen ein zweites Auto (und eine zweite Autoversicherung); machen die Steuererklärung nicht mehr selbst; lassen hin und wieder eine Flasche Wein zurückgehen. Sie bekommen ein Kind; kaufen ein Haus mit Doppelwaschbecken; lassen für ihre Mülltonnen eine Umfassung aus Teakholz bauen; bestellen Vitamine aus Kalifornien und Matratzen aus Schweden; bekommen noch ein Kind; arbeiten noch härter, um die Besten der Gegend bezahlen zu können, die sich um ihre Kinder kümmern, während sie arbeiten. Sie bekommen ein weiteres Kind - und widmen sich ihrem Innenleben getrennt voneinander. Häusliche Nähe wird zu vertrautem Abstand, vertrauter Abstand zu Scham, Scham zu Resignation, Resignation zu Angst, Angst zu Groll, Groll zum Drang, sich selbst zu schützen.
Das mag nach einer Geschichte klingen, die man schon gehört zu haben glaubt. Aber das hat man nicht. Auf keinen Fall so, wie sie hier erzählt wird. Was auch immer Jonathan Safran Foer vorher für Bücher geschrieben hat oder überhaupt gemacht hat im Leben - hier läuft er zur Höchstform auf, weil er das, was diese Familie erschüttert (und den Leser gleich mit), so schnell, schön und bitter erzählt, ohne es auch nur an einer Stelle zu verharmlosen. Es gelingt ihm, weil in dieser Familie, die im Begriff ist, auseinanderzubrechen, ununterbrochen geredet wird und in dieser dokumentierten Rede, die sie alle verbindet, Abneigungen, Stimmungen und Ängste offen daliegen. Das gilt vor allem auch dort, wo die Jungs zu Wort kommen: Benjy, der noch im Kindergarten ist, Max, der zehn ist, und Sam, dessen Bar Mizwa bald gefeiert werden soll, wozu er selbst aber keine Lust hat:
"Da wurde an der Tür geklopft. Nicht an der Tür seines digitalen Heiligtums, sondern an der Zimmertür.
,Verpiss dich, du Arsch.'
,Wie bitte?', sagte seine Mom, öffnete und trat ein.
,Entschuldige', sagte Sam und drehte schnell das iPad um. ,Ich dachte, es wäre Max.'
,Und du findest es richtig, so mit deinem Bruder zu reden?'
,Nein.'
,Oder mit wem auch immer?'
,Nein.'
,Warum tust du es dann?'
,Keine Ahnung.'
,Du solltest kurz darüber nachdenken.'
,Ist heute nicht dein freier Tag?'
,Nein, heute ist nicht mein freier Tag. Heute ist der Tag, an dem ich Dinge erledige, die ich vor mir hergeschoben habe. Zum Beispiel Atmen und Denken. Im Auto kam mir dann der Gedanke, dass wir weiter so tun sollten, als würde die Bar Mizwa stattfinden, obwohl du sie wahrscheinlich torpediert hast. Und zu den vielen, vielen Dingen, die nur ich bedenke, weil ich die Einzige bin, die sich daran erinnert, gehört dein Anzug.'
,Welcher Anzug?'
,Da hast du's.'
,Stimmt, ich habe keinen Anzug.'
,Also müssen wir dir einen Anzug kaufen.'
,Heute?'
,Ja.'
,Muss ich dort sein?'
,Wo?'
,Im Anzug-Laden.'
,Nein, nein, natürlich nicht. Wenn du es einfacher haben willst, kannst du dir aus Makkaroni und Eisstielen einen 3-D-Drucker basteln und dein anatomisches Ebenbild anfertigen, das ich dann an meinem freien Tag zum Anzug-Laden schleppe.'
,Würde es auch die Haftarot für mich sprechen?'"
So geht das die ganze Zeit. "It isn't what it's talking about that makes a book Jewish - it's that the book won't shut up", hat Philip Roth einmal gesagt. Man erkenne ein jüdisches Buch nicht an dem, wovon die Rede ist. Man erkenne es daran, dass es seinen Mund nicht halten kann. Es redet immer weiter. Und genauso kommt es einem hier vor. Jonathan Safran Foer macht keinen Punkt, sondern findet immer noch einen neuen. Man kann lesend gar nicht genug davon bekommen.
Bis etwas passiert, dass größer ist als sie alle: Die Verwandtschaft aus Israel wird erwartet. Sie kommen am Flughafen an, sind erst ein paar Tage zu Besuch in Washington D. C., als ein Erdbeben im Nahen Osten zu einem gewaltigen internationalen Konflikt führt und die Frage, wohin sie gehören und sich zugehörig fühlen wollen, noch einmal ganz anders aufwirft.
Am Ende der Kämpfe steht zwischen Julia und Jacob ein Schweigen, das ihnen neu ist. Es ist nicht das Schweigen des Verbergens und Ablenkens, sondern ein Schweigen, das einen Raum erschafft, der gefüllt werden will. Ob zusammen oder nicht zusammen, wieder zusammen oder mit jemand anderem zusammen, ist bei Jonathan Safran Foer deshalb gar nicht so sehr die Frage. Die Hauptsache ist, dass immer weiter geredet wird.
JULIA ENCKE.
Jonathan Safran Foer: "Hier bin ich". Übersetzt von Henning Ahrens. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 683 Seiten, 26 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dazu waren wunderschöne Modefotos mit wenig Mode und viel Natalie Portman zu sehen, die neue Spekulationen darüber entfachten (und natürlich entfachen sollten), ob der E-Mail-Austausch zwischen den beiden vor zwei Jahren Grund für die Trennung von Foer und seiner damaligen Frau, der Schriftstellerin Nicole Krauss, gewesen war. Krauss und Foer waren über Jahre das Vorzeigepaar der New Yorker Literaturszene gewesen und hatten sich auch einigen Spott darüber anhören müssen, wie "wohlerzogen, gescheit, hübsch, stockkonservativ und artig" sie angeblich waren. Foer schrieb in sein Buch: "Für Nicole, meinen Inbegriff von Schönheit". Krauss schrieb in ihres: "Für Jonathan, mein Leben". Aber es hielt nicht ein Leben lang.
Was das mit dem neuen Buch zu tun hat? Jonathan Safran Foers Roman "Hier bin ich", der in dieser Woche in der Übersetzung von Henning Ahrens erscheint, ist ein Trennungsroman. Ein Paar Anfang vierzig hat drei Söhne und genauso viele Gründe, zusammen zu bleiben, wie Gründe, sich zu trennen. So wie Foer und Krauss sich als Paar öffentlich zelebriert haben, kann man da erst mal nicht anders, als an diese beiden zu denken, und fühlt sich nicht gerade wohl dabei. Denn als 2003 "Alles ist erleuchtet" erschien, Foers erster Roman, der von der Reise eines amerikanischen Juden namens Jonathan Safran Foer in die Ukraine erzählte, wo er sich auf die Suche nach dem von den Nazis ausgelöschten Schtetl seines Großvaters machte, waren so gut wie alle hingerissen. Man selbst aber nicht. Es war alles so ambitioniert und richtig und gut erzählt, ein Buch, gegen das man eigentlich gar nichts sagen konnte, das einem in seiner Ambitioniertheit und in der Art und Weise, wie hier jemand alles so furchtbar richtig machte, irgendwie auf die Nerven ging. Beim zweiten Roman, "Extrem laut und unglaublich nah", ging es einem genauso. Nicole-Krauss-Fan wurde man bei der Lektüre ihrer Bücher auch nicht. So ist das manchmal. Da türmen sich Berge von Vorbehalten auf, bevor man die erste Seite eines neuen Romans überhaupt aufgeschlagen hat.
Und dann - peng! - sind sie alle weg. Ist alles, was war, egal, das wirkliche Leben des Autors oder das, was darüber bekannt ist, als Erstes. Es spielt überhaupt keine Rolle mehr, weil nur noch die allernächste Seite zählt und wieder die nächste. Warum muss das jetzt so lange dauern, fragt man sich in der Redaktionskonferenz, weil man viel lieber weiterlesen würde. Man lässt das Fahrrad stehen, um das Buch in der S-Bahn wieder aufzuschlagen, schleppt "Hier bin ich" überall mit hin. Es ist 700 Seiten dick, man fliegt hindurch wie im Rausch.
Der Grund dafür sind die Dialoge und Gespräche. Oder besser: Es ist das Tempo dieser Gespräche, der Witz und die Schlagfertigkeit derer, die hier zu Wort kommen, lauter Helden der Ironie, die nie um eine Pointe verlegen sind, die alle das letzte Wort haben wollen und mit so eigenartigen Phantasien ausgestattet sind, dass jede ihrer Unterhaltungen sich vom Ausgangspunkt radikal entfernt und man sich immer nur wundert, wo man jetzt wieder gelandet ist.
Julia und Jacob Bloch heißen im Roman diejenigen, deren Ehe auf dem Spiel steht, nachdem Julia ein Zweithandy ihres Mannes im Badezimmer findet, dessen Passwort sie mit Hilfe ihres großen Sohns knackt, und auf dem sie dann Sexnachrichten findet, die eindeutig nicht an sie gerichtet sind. Das ist der Auslöser für ein Auseinanderbrechen, das längst begonnen hat. Julia, eine Architektin, und Jacob, Schriftsteller und Script-Schreiber für eine Fernsehshow, haben nie zu den Menschen gezählt, die sich aus Prinzip gegen Konventionen wenden. Sie hätten aber auch nicht erwartet, jemals so konventionell zu werden: Sie kaufen ein zweites Auto (und eine zweite Autoversicherung); machen die Steuererklärung nicht mehr selbst; lassen hin und wieder eine Flasche Wein zurückgehen. Sie bekommen ein Kind; kaufen ein Haus mit Doppelwaschbecken; lassen für ihre Mülltonnen eine Umfassung aus Teakholz bauen; bestellen Vitamine aus Kalifornien und Matratzen aus Schweden; bekommen noch ein Kind; arbeiten noch härter, um die Besten der Gegend bezahlen zu können, die sich um ihre Kinder kümmern, während sie arbeiten. Sie bekommen ein weiteres Kind - und widmen sich ihrem Innenleben getrennt voneinander. Häusliche Nähe wird zu vertrautem Abstand, vertrauter Abstand zu Scham, Scham zu Resignation, Resignation zu Angst, Angst zu Groll, Groll zum Drang, sich selbst zu schützen.
Das mag nach einer Geschichte klingen, die man schon gehört zu haben glaubt. Aber das hat man nicht. Auf keinen Fall so, wie sie hier erzählt wird. Was auch immer Jonathan Safran Foer vorher für Bücher geschrieben hat oder überhaupt gemacht hat im Leben - hier läuft er zur Höchstform auf, weil er das, was diese Familie erschüttert (und den Leser gleich mit), so schnell, schön und bitter erzählt, ohne es auch nur an einer Stelle zu verharmlosen. Es gelingt ihm, weil in dieser Familie, die im Begriff ist, auseinanderzubrechen, ununterbrochen geredet wird und in dieser dokumentierten Rede, die sie alle verbindet, Abneigungen, Stimmungen und Ängste offen daliegen. Das gilt vor allem auch dort, wo die Jungs zu Wort kommen: Benjy, der noch im Kindergarten ist, Max, der zehn ist, und Sam, dessen Bar Mizwa bald gefeiert werden soll, wozu er selbst aber keine Lust hat:
"Da wurde an der Tür geklopft. Nicht an der Tür seines digitalen Heiligtums, sondern an der Zimmertür.
,Verpiss dich, du Arsch.'
,Wie bitte?', sagte seine Mom, öffnete und trat ein.
,Entschuldige', sagte Sam und drehte schnell das iPad um. ,Ich dachte, es wäre Max.'
,Und du findest es richtig, so mit deinem Bruder zu reden?'
,Nein.'
,Oder mit wem auch immer?'
,Nein.'
,Warum tust du es dann?'
,Keine Ahnung.'
,Du solltest kurz darüber nachdenken.'
,Ist heute nicht dein freier Tag?'
,Nein, heute ist nicht mein freier Tag. Heute ist der Tag, an dem ich Dinge erledige, die ich vor mir hergeschoben habe. Zum Beispiel Atmen und Denken. Im Auto kam mir dann der Gedanke, dass wir weiter so tun sollten, als würde die Bar Mizwa stattfinden, obwohl du sie wahrscheinlich torpediert hast. Und zu den vielen, vielen Dingen, die nur ich bedenke, weil ich die Einzige bin, die sich daran erinnert, gehört dein Anzug.'
,Welcher Anzug?'
,Da hast du's.'
,Stimmt, ich habe keinen Anzug.'
,Also müssen wir dir einen Anzug kaufen.'
,Heute?'
,Ja.'
,Muss ich dort sein?'
,Wo?'
,Im Anzug-Laden.'
,Nein, nein, natürlich nicht. Wenn du es einfacher haben willst, kannst du dir aus Makkaroni und Eisstielen einen 3-D-Drucker basteln und dein anatomisches Ebenbild anfertigen, das ich dann an meinem freien Tag zum Anzug-Laden schleppe.'
,Würde es auch die Haftarot für mich sprechen?'"
So geht das die ganze Zeit. "It isn't what it's talking about that makes a book Jewish - it's that the book won't shut up", hat Philip Roth einmal gesagt. Man erkenne ein jüdisches Buch nicht an dem, wovon die Rede ist. Man erkenne es daran, dass es seinen Mund nicht halten kann. Es redet immer weiter. Und genauso kommt es einem hier vor. Jonathan Safran Foer macht keinen Punkt, sondern findet immer noch einen neuen. Man kann lesend gar nicht genug davon bekommen.
Bis etwas passiert, dass größer ist als sie alle: Die Verwandtschaft aus Israel wird erwartet. Sie kommen am Flughafen an, sind erst ein paar Tage zu Besuch in Washington D. C., als ein Erdbeben im Nahen Osten zu einem gewaltigen internationalen Konflikt führt und die Frage, wohin sie gehören und sich zugehörig fühlen wollen, noch einmal ganz anders aufwirft.
Am Ende der Kämpfe steht zwischen Julia und Jacob ein Schweigen, das ihnen neu ist. Es ist nicht das Schweigen des Verbergens und Ablenkens, sondern ein Schweigen, das einen Raum erschafft, der gefüllt werden will. Ob zusammen oder nicht zusammen, wieder zusammen oder mit jemand anderem zusammen, ist bei Jonathan Safran Foer deshalb gar nicht so sehr die Frage. Die Hauptsache ist, dass immer weiter geredet wird.
JULIA ENCKE.
Jonathan Safran Foer: "Hier bin ich". Übersetzt von Henning Ahrens. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 683 Seiten, 26 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Eine lange Kritik, die Eva Behrendt da verfasst hat. Viel Licht wirft sie aber nicht auf diesen Roman. Vordergründig geht es um einen jüdisch-amerikanischen Schriftsteller, der mit Frau und zwei Kindern in Washington DC lebt und dessen Ehe auseinanderbricht. Und dann gehts um die Weltlage, ein Erdbeben im Nahen Osten. Beide Erzählstränge dienen, wenn man Behrendt richtig liest, vor allem dazu, die Identität des Autors zu schärfen, der ewig unentschlossen, abschweifend, kreisend eine Selbstbestimmung anstrebt. Inwiefern das gelingt, bleibt offen. Aber die totale Konzentration auf das eigene Ich, die Behrendt da beschreibt, klingt in ihrer Rezension doch sehr abtörnend.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Zauberhafte Dialoge, die extrem klug und unglaublich absurd sind. Ein todkomisches Buch.« myself
Gebundenes Buch
Zulassung plus Couch
Wenn eine Karriere als Romancier so fulminant begonnen hat wie die von Jonathan Safran Foer, ist man natürlich neugierig auf Neues aus dessen Feder. Nach elf Jahren ist nun «Hier bin ich» erschienen, sein dritter Roman, zugleich auch sein Opus magnum. Waren …
Mehr
Zulassung plus Couch
Wenn eine Karriere als Romancier so fulminant begonnen hat wie die von Jonathan Safran Foer, ist man natürlich neugierig auf Neues aus dessen Feder. Nach elf Jahren ist nun «Hier bin ich» erschienen, sein dritter Roman, zugleich auch sein Opus magnum. Waren die ersten beiden Romane aus einer kindlichen Perspektive erzählt, so ist es hier die eines jüdischen Mannes aus der US-Hauptstadt Washington, der eine Trennung von seiner Frau durchlebt. Die sich ankündigende Scheidung ist eingebettet in ein aufgeklärt liberales, jüdisches Lebensumfeld der Familie, das zwischen Amerika und Israel oszillierend allgegenwärtig ist und die innere Geschichte einer Entfremdung sogar weitgehend überlagert, den Trennungsroman zu einem jüdischen Sittenbild ausweitet. An seine einstigen literarischen Erfolge als junger postmoderner Schriftsteller, soviel sei hier schon gesagt, kann der US-Amerikaner, der vor zwei Jahren selbst geschieden wurde, damit allerdings nicht anknüpfen.
Julia Bloch, Architektin von Beruf, findet zufällig ein zweites Handy ihres Mannes. Nachdem ihr ältester Sohn das Passwort geknackt hat, entdeckt sie darauf dessen abstoßend vulgäre SMS-Korrespondenz mit einer Kollegin. Jakob Bloch, der Scripts für eine Fernsehshow schreibt, initiiert durch diesen drögen Verbalsex mit einer Frau, die er niemals angerührt hat, ungewollt einen Prozess der Entfremdung, welcher für das Ehepaar und die drei heranwachsenden Söhne in einem Auseinanderbrechen ihrer bis dato intakten, unkonventionellen Familie endet. Diese soziale Krise spiegelt sich in einer politischen Katastrophe für den Staat Israel, das Land wird durch ein verheerendes Erdbeben schwer getroffen, was seine feindlichen Nachbarn dazu ermuntert, die Gunst der Stunde zu nutzen und den solcherart angeschlagenen Erzfeind nun auch noch mit Krieg zu überziehen. Als der israelische Premierminister alle waffenfähigen Juden in der Diaspora zur Rückkehr nach Israel auffordert, entschließt sich Jakob spontan, dem Aufruf zu folgen. Er, der noch nie ein Held war, versagt aber auch hier, verharrt letztendlich kleinlaut doch lieber in seiner gutbürgerlichen amerikanischen Existenz. Ihm wird am Ende sogar das Einschläfern seines alten, inkontinenten Hundes zu einer Entscheidung, die ihn fast überfordert.
Ein jüdisches Buch, hat Philip Roth einmal geäußert, erkenne man nicht an dem, wovon die Rede ist, sondern daran, dass es immer weiter redet, ohne Ende. Insoweit ist dieser sprachverliebte Roman jüdisch durch und durch, zudem erschließt sich sein Inhalt größtenteils in seinen geradezu slapstickartigen Dialogen, Geschwätz mit oft pingpongartig wechselnden Kurzsätzen, bei denen die Antwort auf eine Frage oft in der erstaunten Wiederholung der Frage selbst besteht. Besonders die temporeichen Gespräche mit den frühreifen Söhnen sind amüsant, verlieren sich nicht selten aber abschweifend auch völlig ins Leere. Bei alldem erfährt der Leser en passant so einiges vom American Way of Life in der heutigen Zeit, da wird völlig tabulos Gott und die Welt hinterfragt. An einer Stelle antwortet Jakob entnervt, aber schlagfertig auf Vorhaltungen seiner Frau, seinen psychischen Zustand betreffend: «Du solltest dir wirklich eine Zulassung und eine Couch besorgen».
Der Roman einer Midlife-Crisis weist schon durch den Titel auf die verzweifelte Sinnsuche des Helden hin. Und das Judentum wiederum, wie es die aufgeklärte Familie Bloch lebt, sei nicht religiös motiviert, erfahren wir Leser, sondern sei lediglich Brauchtum, man fühle sich einfach als Jude. Gleichwohl lauschen die sonst so vorlauten Blochs andächtig der grandiosen Trauerrede des Rabbis bei der Beerdigung des Urgroßvaters, für mich übrigens die stärkste und zudem geistreichste Passage im ganzen Roman. Flott geschrieben, ironisch Distanz haltend, ist dieser dickleibige Roman zweier Krisen durchaus lesenswert, auch wenn er teilweise allzu geschwätzig erscheint und philosophisch zuweilen schlicht Nonsens verbreitet.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für