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Im Herbst 2016 ist Daniel ein Jahrhundert alt. Elisabeth, Anfang 30, kennt ihn von früher, der Nachbar hat sie als Kind mit der Kunst bekannt gemacht. Jetzt besucht sie ihn im Altersheim, liest ihm Bücher vor und fragt sich, was die Zukunft bringen mag. Denn England hat einen historischen Sommer hinter sich, die Nation ist gespalten, Angst macht sich breit. Der erste Roman aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett erzählt von einer Welt, die immer abgeschotteter und exklusiver wird, über das Wesen von Reichtum und Wert, über die Bedeutung der Ernte. Und er erzählt vom Altern, von der Zeit und ...
Im Herbst 2016 ist Daniel ein Jahrhundert alt. Elisabeth, Anfang 30, kennt ihn von früher, der Nachbar hat sie als Kind mit der Kunst bekannt gemacht. Jetzt besucht sie ihn im Altersheim, liest ihm Bücher vor und fragt sich, was die Zukunft bringen mag. Denn England hat einen historischen Sommer hinter sich, die Nation ist gespalten, Angst macht sich breit. Der erste Roman aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett erzählt von einer Welt, die immer abgeschotteter und exklusiver wird, über das Wesen von Reichtum und Wert, über die Bedeutung der Ernte. Und er erzählt vom Altern, von der Zeit und von der Liebe. Von uns.
Ali Smith wurde 1962 in Inverness in Schottland geboren und lebt in Cambridge. Sie hat mehrere Romane und Erzählbände veröffentlicht und zahlreiche Preise erhalten. Sie ist Mitglied der Royal Society of Literature und wurde 2015 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt. Ihr Roman 'Beides sein' wurde 2014 ausgezeichnet mit dem Costa Novel Award, dem Saltire Society Literary Book of the Year Award, dem Goldsmiths Prize und 2015 mit dem Baileys Women's Prize for Fiction. Mit 'Herbst' kam die Autorin 2017 zum vierten Mal auf die Shortlist des Man Booker Prize sowie auf Platz 6 der SWR-Bestenliste, für 'Sommer' erhielt sie den George Orwell Prize. 2022 wurde Ali Smith mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: Luchterhand Literaturverlag
- Originaltitel: Autumn
- Deutsche Erstausgabe
- Seitenzahl: 272
- Erscheinungstermin: 21. Oktober 2019
- Deutsch
- Abmessung: 223mm x 145mm x 29mm
- Gewicht: 473g
- ISBN-13: 9783630875781
- ISBN-10: 3630875785
- Artikelnr.: 55689335
Herstellerkennzeichnung
Luchterhand Literaturvlg.
Neumarkter Str. 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Johannes Kaiser hält Ali Smiths neuen Roman für ein "Juwel britischer Literatur". Berührend und poetisch findet er, wie die Autorin das Sterben eines Mannes aus Sicht seiner viel jüngeren Lebensfreundin schildert. Dass Smith Aktuelles, wie die Brexit-Debatte oder das Erstarken rassistischer Tendenzen in Großbritannien auf bissige Weise mit in den Text einbindet, gefällt Kaiser gut. Wortspiele, farbige Bilder, Shakespeare-Bezüge und eine gelungene Übersetzung runden den insgesamt positiven Eindruck ab, den Kaiser von diesem Roman bekommt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ein Zaun wächst hoch
Mehr als ein Brexit-Roman: Ali Smiths "Herbst" erzählt von der Schönheit eines gelebten Lebens im Angesicht der Verunsicherung.
Von Elena Witzeck
Zwei Leben. Eines, das auf sein Ende zugeht und von der Erinnerung zehrt. Eines, das gerade so richtig loslegen könnte, frei und fertig für die Welt, das aber die Last der Zukunft trägt und mitverfolgen muss, wie aus einer Gesellschaft der Freigeister eine voller Niedertracht und Egoismus wird, wie die Pedanterie von Behörden das Dasein bestimmt. Es gibt nur einen Raum, in dem sie gemeinsam vorwärts- und zurückblicken können, wo ihre Erinnerungen ineinanderschwappen und das Erspürte genauso viel Raum bekommt wie das tatsächlich Erlebte: das
Mehr als ein Brexit-Roman: Ali Smiths "Herbst" erzählt von der Schönheit eines gelebten Lebens im Angesicht der Verunsicherung.
Von Elena Witzeck
Zwei Leben. Eines, das auf sein Ende zugeht und von der Erinnerung zehrt. Eines, das gerade so richtig loslegen könnte, frei und fertig für die Welt, das aber die Last der Zukunft trägt und mitverfolgen muss, wie aus einer Gesellschaft der Freigeister eine voller Niedertracht und Egoismus wird, wie die Pedanterie von Behörden das Dasein bestimmt. Es gibt nur einen Raum, in dem sie gemeinsam vorwärts- und zurückblicken können, wo ihre Erinnerungen ineinanderschwappen und das Erspürte genauso viel Raum bekommt wie das tatsächlich Erlebte: das
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Krankenzimmer des Alten.
Mr Gluck wird Elisabeths Nachbar, als sie, zehn Jahre alt, mit ihrer Mutter umzieht. Es heißt, er sei uralt, aber wie er die Beine unterschlägt, am Kanal entlangspaziert und sich seiner Uhr mit einem gezielten Wurf entledigt, nur weil ihm danach ist, wie er Geschichten entwirft - all das lässt sein wahres Alter erahnen. Er lenkt Elisabeths Blick von der überforderten Mutter auf Literatur und Kunst, die er ihr beschreibt, und er zeigt ihr ein erträglicheres Bild der Welt. "Niemand sprach wie Daniel. Niemand schwieg wie Daniel."
Aber man kann diese Geschichte von Ali Smith, der in Cambridge lebenden schottischen Autorin, nicht anhand ihrer äußeren Handlung begreifen. "Herbst" ist keine Erzählung mit Ursprung und Ziel, keine merkwürdige Liebes- oder Coming-of-Age-Geschichte und viel mehr als ein "Brexit-Roman" - dieses neue Genre britischer Literatur, das die Leute lesen, um zu verstehen, was ihnen im Alltag unerklärlich bleibt, ein Begriff, der es natürlich auch auf den Klappentext von "Herbst" geschafft hat, jetzt, wo der Roman auf Deutsch erschienen ist.
Der Sommer, in dem das Vereinigte Königreich für den Austritt aus der EU stimmte, scheint lange her. Es war der Sommer 2016, als Smith begann, an einem größeren Projekt zu arbeiten. Vier Bücher in vier Jahren, ein Jahreszeitenquartett. "Herbst" ist der erste Band, und dass er erst jetzt (in behutsamer Übersetzung von Silvia Morawetz) auf Deutsch vorliegt, nachdem auf Englisch schon zwei weitere Bände erschienen sind, Regierungen ausgewechselt, ungezählte neue Brexit-Szenarien in Umlauf gebracht und wieder verworfen wurden, könnte man nachlässig nennen, denn immerhin heißt es bei Smith: "Im ganzen Land fanden die Leute, sie hätten das Richtige und andere hätten das Falsche getan." Da werden Unterhausabgeordnete umgebracht, da bemerkt die Protagonistin, es sei "das Ende des Gesprächs", und überlegt, wann genau sich alle geändert haben und wie lange das schon so geht. Lange.
Aber dann ist man wieder froh, diesen Roman nicht 2016 gelesen zu haben, in der Verwirrung der ersten Zeit, und überhaupt, bis man verstanden hat, wer da wann spricht und träumt, wo die Zeit den alten Mann und die mittellose Kunstgeschichtsdozentin wieder zusammenführt, ist man schon fast bei der Hälfte des Romans angelangt. Smith spielt mit den Zeitebenen, mit dem inneren Erleben. Ihre Beschreibungen der gesellschaftlichen Spaltung haben immer wieder etwas dystopisch Überzeichnetes: Spanische Urlauber werden, gerade am Flughafen gelandet, lautstark beschimpft und zur Umkehr aufgefordert. Ist das die Welt der Abschottung, die uns erwartet? Oder das Anstehen am Postamt, der Wahnsinn der Brexit-Bürokraten: Weil ihre Augen zu klein sind und ihr Kopf die falsche Form hat, erlebt Elisabeth kafkaeske Szenen, wartet Monate auf ihren Pass. Und an der Grenze wächst der Maschendrahtzaun.
Ali Smith stand schon viermal auf der Shortlist des Man Booker Prize. Das hat mit der Kraft ihrer Sprache zu tun, mit einem Denken in Bildern und Refrains, in Satzfragmenten, das die Unruhe ihrer Protagonisten beschreibt. "Don Juan. Momentan. Blödian. Lebensbahn. Veteran im Liebeswahn. Zu profan. Mein lieber Schwan": Wie ein alter Mensch mit geschlossenen Augen sein Leben durchforstet, wie er seine Jugend zurückholt und die Frau, die ihn nie erhörte, die vergessene und nun von Smith wiederentdeckte Pop-Art-Künstlerin Pauline Boty, die früh an Krebs starb, wie sich alles in seinem Kopf verwebt und trotz äußerer Verunsicherung ein bestechend schönes Bild entsteht, das ist große Schreibkunst.
Man kann den Brexit literarisch verhandeln, Anlass gibt es genug. Man kann aber auch über das, was uns zusammenhält, schreiben und das, was uns trennt, in einer Chronik unserer Zeit und damit mehr sagen. Momentan schreibt Smith an "Summer", dem Finale des Jahreszeitenquartetts, angekündigt für Sommer 2020.
Ali Smith: "Herbst". Roman.
Aus dem Englischen von Silvia Morawetz.
Luchterhand Literaturverlag, München 2019.
272 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mr Gluck wird Elisabeths Nachbar, als sie, zehn Jahre alt, mit ihrer Mutter umzieht. Es heißt, er sei uralt, aber wie er die Beine unterschlägt, am Kanal entlangspaziert und sich seiner Uhr mit einem gezielten Wurf entledigt, nur weil ihm danach ist, wie er Geschichten entwirft - all das lässt sein wahres Alter erahnen. Er lenkt Elisabeths Blick von der überforderten Mutter auf Literatur und Kunst, die er ihr beschreibt, und er zeigt ihr ein erträglicheres Bild der Welt. "Niemand sprach wie Daniel. Niemand schwieg wie Daniel."
Aber man kann diese Geschichte von Ali Smith, der in Cambridge lebenden schottischen Autorin, nicht anhand ihrer äußeren Handlung begreifen. "Herbst" ist keine Erzählung mit Ursprung und Ziel, keine merkwürdige Liebes- oder Coming-of-Age-Geschichte und viel mehr als ein "Brexit-Roman" - dieses neue Genre britischer Literatur, das die Leute lesen, um zu verstehen, was ihnen im Alltag unerklärlich bleibt, ein Begriff, der es natürlich auch auf den Klappentext von "Herbst" geschafft hat, jetzt, wo der Roman auf Deutsch erschienen ist.
Der Sommer, in dem das Vereinigte Königreich für den Austritt aus der EU stimmte, scheint lange her. Es war der Sommer 2016, als Smith begann, an einem größeren Projekt zu arbeiten. Vier Bücher in vier Jahren, ein Jahreszeitenquartett. "Herbst" ist der erste Band, und dass er erst jetzt (in behutsamer Übersetzung von Silvia Morawetz) auf Deutsch vorliegt, nachdem auf Englisch schon zwei weitere Bände erschienen sind, Regierungen ausgewechselt, ungezählte neue Brexit-Szenarien in Umlauf gebracht und wieder verworfen wurden, könnte man nachlässig nennen, denn immerhin heißt es bei Smith: "Im ganzen Land fanden die Leute, sie hätten das Richtige und andere hätten das Falsche getan." Da werden Unterhausabgeordnete umgebracht, da bemerkt die Protagonistin, es sei "das Ende des Gesprächs", und überlegt, wann genau sich alle geändert haben und wie lange das schon so geht. Lange.
Aber dann ist man wieder froh, diesen Roman nicht 2016 gelesen zu haben, in der Verwirrung der ersten Zeit, und überhaupt, bis man verstanden hat, wer da wann spricht und träumt, wo die Zeit den alten Mann und die mittellose Kunstgeschichtsdozentin wieder zusammenführt, ist man schon fast bei der Hälfte des Romans angelangt. Smith spielt mit den Zeitebenen, mit dem inneren Erleben. Ihre Beschreibungen der gesellschaftlichen Spaltung haben immer wieder etwas dystopisch Überzeichnetes: Spanische Urlauber werden, gerade am Flughafen gelandet, lautstark beschimpft und zur Umkehr aufgefordert. Ist das die Welt der Abschottung, die uns erwartet? Oder das Anstehen am Postamt, der Wahnsinn der Brexit-Bürokraten: Weil ihre Augen zu klein sind und ihr Kopf die falsche Form hat, erlebt Elisabeth kafkaeske Szenen, wartet Monate auf ihren Pass. Und an der Grenze wächst der Maschendrahtzaun.
Ali Smith stand schon viermal auf der Shortlist des Man Booker Prize. Das hat mit der Kraft ihrer Sprache zu tun, mit einem Denken in Bildern und Refrains, in Satzfragmenten, das die Unruhe ihrer Protagonisten beschreibt. "Don Juan. Momentan. Blödian. Lebensbahn. Veteran im Liebeswahn. Zu profan. Mein lieber Schwan": Wie ein alter Mensch mit geschlossenen Augen sein Leben durchforstet, wie er seine Jugend zurückholt und die Frau, die ihn nie erhörte, die vergessene und nun von Smith wiederentdeckte Pop-Art-Künstlerin Pauline Boty, die früh an Krebs starb, wie sich alles in seinem Kopf verwebt und trotz äußerer Verunsicherung ein bestechend schönes Bild entsteht, das ist große Schreibkunst.
Man kann den Brexit literarisch verhandeln, Anlass gibt es genug. Man kann aber auch über das, was uns zusammenhält, schreiben und das, was uns trennt, in einer Chronik unserer Zeit und damit mehr sagen. Momentan schreibt Smith an "Summer", dem Finale des Jahreszeitenquartetts, angekündigt für Sommer 2020.
Ali Smith: "Herbst". Roman.
Aus dem Englischen von Silvia Morawetz.
Luchterhand Literaturverlag, München 2019.
272 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ali Smith findet prächtige, farbmächtige Bilder für den Zustand ihrer Protagonisten. Ein berührendes, umwerfendes Juwel britischer Literatur, beeindruckend übersetzt von Silvia Morawetz.« Johannes Kaiser / Deutschlandfunk Kultur
Ein Quartett der Jahreszeiten soll es werden. Und mit „Herbst“ macht Ali Smith den Anfang („Winter“ und „Spring“ liegen bereits im Original vor). Der Roman ist eine aktuelle Zustandsbeschreibung nach dem Brexit-Votum. Aber nicht nur. Es ist auch eine Geschichte …
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Ein Quartett der Jahreszeiten soll es werden. Und mit „Herbst“ macht Ali Smith den Anfang („Winter“ und „Spring“ liegen bereits im Original vor). Der Roman ist eine aktuelle Zustandsbeschreibung nach dem Brexit-Votum. Aber nicht nur. Es ist auch eine Geschichte über die Vergänglichkeit.
Im Pflegeheim begleitet Elisabeth ihren ehemaligen Nachbarn Daniel, mittlerweile 101 Jahre alt, in seinen letzten Tagen. Vertrauter, Vaterersatz und Mentor, ein wichtiger Mensch für die junge Aushilfsdozentin, der ihr die Magie der Bücher offenbarte und sie zu eigenständigem Denken anleitete. Doch nun ist seine Lebenszeit abgelaufen, er liegt im Sterben. Die Sonne schickt ihre letzten Strahlen, Vergangenes mäandert durch seine Gedanken.
Rückblenden in die Kriegszeit (Daniel ist Jude), aber auch die Faszination Elisabeths für die feministischen Pop-Art Künstlerin Pauline Boty (und ihren Bezug zu Christine Keeler) schaffen eine Einheit, verbinden Daniels und Elisabeths driftende Gedanken.
Elisabeths Erinnerungen an ihre Kindheit werden unterbrochen von Reflexionen über die Veränderungen in ihrem Heimatland nach dem Referendum. Die Spaltung der Gesellschaft, das Oben und Unten, Arm und Reich, der Hass, der offen zur Schau gestellte Rassismus. Und das ist es auch, was uns Ali Smith zu sagen hat, hier liegt ihr Schwerpunkt.
Sie schreibt direkt, aber auch anrührend und poetisch, spielt mit Worten, schildert aber auch Situationen wie z.B. die Pass-Beantragung im Postamt mittels Check & Send, die in ihrer Absurdität an einen Sketch von Monty Python erinnern.
Ali Smith ist eine der großen britischen Gegenwartsautorinnen und schafft es in „Herbst“ auf brillante Weise, die gesellschaftspolitischen Veränderungen nach dem Referendum literarisch zu verarbeiten. Und wenn Sie bei der Fülle von Neuerscheinungen, die Großbritannien nach den Post Brexit beschreiben, nur einen Roman zu diesem Thema lesen wollen, greifen Sie zu „Herbst“. Besser geht es nicht!
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Was liest du demnächst?
Als erster Band einer lange schon geplanten Jahreszeiten-Tetralogie der schottischen Schriftstellerin Ali Smith, der im Original 2016 erschien, wurde kürzlich der Roman «Herbst» auch in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Während der …
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Was liest du demnächst?
Als erster Band einer lange schon geplanten Jahreszeiten-Tetralogie der schottischen Schriftstellerin Ali Smith, der im Original 2016 erschien, wurde kürzlich der Roman «Herbst» auch in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Während der Arbeiten an dem Buch wurde in Großbritannien über den Austritt aus der EU abgestimmt, seither ist das Land unversöhnlich in Befürworter und Gegner der EU-Mitgliedschaft gespalten. In Echtzeit quasi hat die Autorin diese seit dem knappen Votum vergiftete Stimmung in ihren Roman eingebaut. Nun aber gleich von einem Brexit-Roman zu sprechen, wie verschiedentlich geschehen, ist allerdings Nonsens, es sind kaum mehr als zwei Seiten, die sich diesem Thema wirklich explizit widmen. Verglichen mit der euphorischen Aufnahme des Romans in Großbritannien ist die Rezeption in Deutschland, trotz positiver Kritiken, bisher jedoch recht verhalten.
Daniel Gluck, 101 Jahre alt, dämmert in einem Pflegeheim dem Tod entgegen. Am Bett des ehemaligen Schlagerkomponisten sitzt tagtäglich die 32jährige Elizabeth Demand, in prekären Verhältnissen lebende Aushilfsdozentin für Kunstgeschichte, für die Daniel als Kind eine Art Vaterersatz war. Er wohnte im Nachbarhaus, hat sich rührend um sie gekümmert und war später ihr Mentor auf dem Weg ins Erwachsenenleben. «Was liest du gerade?» war die Standardformel, mit der Daniel die ohne Vater aufwachsende Nachbarstochter begrüßt hat. Er hat sie damals zum Lesen animiert, stundenlang mit ihr diskutiert und sie zu kritischem Denken angeleitet, sie waren beste Freunde trotz des Altersunterschieds von fast siebzig Jahren. Mit ihren Besuchen am Sterbebett will sie ihm jetzt einiges von dem zurückgeben, was er einst so selbstlos für sie als Heranwachsende getan hat. Neben der sensibilisierten Fähigkeit zur Wahrnehmung hat er vor allem ihr Selbstbewusstsein gestärkt und sie zu größtmöglicher Eigenständigkeit animiert als Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes, gelungenes Leben.
«Was liest du gerade?» ist mehr als eine Begrüßungsformel zwischen den Beiden, es ist geradezu der Schlüssel für diesen Roman. Denn für die nur biologisch, nicht mental ungleichen Freunde sind Bücher der Code für die Rätsel des Lebens, sie erschließen viele Geheimnisse und eignen sich ideal dazu, reale Probleme zu verbildlichen und Lösungsansätze aufzuzeigen bei ihren philosophischen Diskursen. Zudem gibt es intertextuelle Bezüge zuhauf, wie in anderen Werken von Ali Smith vor allem natürlich auf Shakespeare. Hier aber sehr ausführlich auch auf die viel zu früh verstorbene Malerin Pauline Boty, die nach mehr als 30 Jahren erst als feministische Pop-Art-Künstlerin wiederentdeckt wurde. Und sie wiederum wurde durch ein Aktfoto von Christine Keeler, juristischer Mittelpunkt der Profumo-Affäre, künstlerisch zu einem Trompe-l’œil inspiriert. Die «Metamorphosen» von Ovid dienen hier als Vorlage für eine Erzählung, in der die Verwandlung auf vielerlei Art thematisiert wird, alles befindet sich im Fluss, einzige Konstante ist die permanente Veränderung.
Erzählt wird dieses beeindruckende Plädoyer für mehr Menschlichkeit in einer ausgesprochen poetischen Sprache, die jedoch recht artifiziell wirkt und daher gewöhnungsbedürftig ist. Es ist deshalb sicher nicht leicht, Zugang zu diesem Roman zu finden, der thematisch die berührende Freundschaft eines extrem ungleichen Paares der feindseligen Spaltung der britischen Gesellschaft gegenüberstellt und beides durch die versöhnende Kraft der Kunst zu relativieren versucht. In meist kurzen Kapiteln werden viele Erzählschnipsel meist zusammenhanglos aneinander gereiht, eine stringente Handlung fehlt völlig. In Form von übermütigem Wortwitz, der erfreulicherweise auch die kongeniale deutsche Übersetzung bereichert, kommt der typisch britische Humor nicht zu kurz, wobei insbesondere eine absurde, an Monty Python erinnernde Episode um ein nicht vorschriftsmäßiges Passfoto die Lachmuskeln strapaziert. Was lesen Sie, was liest du demnächst?
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Broschiertes Buch
Elisabeth kennt Daniel von früher. Er ist ein Jahrhundert alt, sie erst Anfang dreißig.
Sie besucht ihn im Altersheim, liest ihm Bücher vor und fragt sich, was noch so in der Zukunft liegt.
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So einfach lässt sich das Buch gar nicht rezensieren. Bitte nicht falsch …
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Elisabeth kennt Daniel von früher. Er ist ein Jahrhundert alt, sie erst Anfang dreißig.
Sie besucht ihn im Altersheim, liest ihm Bücher vor und fragt sich, was noch so in der Zukunft liegt.
.
So einfach lässt sich das Buch gar nicht rezensieren. Bitte nicht falsch verstehen.
Das Buch war super, aber es ist so viel passiert, dass man nicht so ganz weiß, wie man es zusammenfassen soll.
Smith’s Schreibstil hat sich von Seite zu Seite immer ein wenig verändert, was das Buch anspruchsvoll, aber auch interessant zu lesen machte. (Das führte allerdings auch dazu, dass ich manche Seiten zweimal lesen musste.)
Dieser Schreibstil macht das Buch, ich will nicht sagen abenteuerlich, aber ein passenderes Wort als adventurous finde ich in dem Zusammenhang nicht.
Ihre Erzählungen sind kreativ, anspruchsvoll, klug und haben einem das Herz nebenbei einfach mal brechen lassen.
Es ist bizarr, es hat was magisches, es hat schon fast was poetisches.
Es ist fesselnd, es ist unbeschreiblich schön, es zeigt eine andere Sicht auf die Liebe des Lebens.
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