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Wie bestimmend ist Sexualität und Biologie für unser Leben? Wie gehen wir mit Verlangen, Lust, Fehlbarkeit, Sehnsucht und Liebe um? Davon erzählt Sara Johnsen mit psychologischem Feingefühl in diesem ungewöhnlichen, spannenden, großen Roman. "Pure Pleasure" ist der Name des Instituts zur Befriedigung sexueller Wünsche, das Lizz und ihr Ehemann Boje gegründet haben, und der Name ist Programm: Mithilfe modernster Technik erleben die Kunden körperliche Sensationen, die sie bisher nicht kannten. Das Institut floriert, Lizz und Boje verdienen gut, aber auch wenn sie sich im teuersten Viertel der…mehr

Produktbeschreibung
Wie bestimmend ist Sexualität und Biologie für unser Leben? Wie gehen wir mit Verlangen, Lust, Fehlbarkeit, Sehnsucht und Liebe um? Davon erzählt Sara Johnsen mit psychologischem Feingefühl in diesem ungewöhnlichen, spannenden, großen Roman. "Pure Pleasure" ist der Name des Instituts zur Befriedigung sexueller Wünsche, das Lizz und ihr Ehemann Boje gegründet haben, und der Name ist Programm: Mithilfe modernster Technik erleben die Kunden körperliche Sensationen, die sie bisher nicht kannten. Das Institut floriert, Lizz und Boje verdienen gut, aber auch wenn sie sich im teuersten Viertel der Stadt ein Haus kaufen, sie bleiben Außenseiter. Ihre Tochter findet keinen Anschluss, die Nachbarn wollen mit ihnen nichts zu tun haben. Lizz leidet darunter und das führt zunehmend zu Konflikten in ihrer Ehe. Eines Tages kommt ein junger Mann in das Institut, der Lizz damit konfrontiert, dass er eine persönliche Betreuung wünscht, was nach den Regeln der Ethikkommission, der das Institut untersteht, strikt verboten ist. Lizz wehrt das ab, aber als sie feststellt, dass der Mann ein Muttermal an der gleichen Stelle hat wie das Kind, das sie vor vielen Jahren als Leihmutter ausgetragen hat, ist es um ihre Professionalität geschehen. Sie wird von Erinnerungen überschwemmt und von der Sehnsucht nach diesem Sohn, die sie seitdem immer begleitet hat. Er wäre heute im gleichen Alter wie dieser junge Mann, der ihr jetzt gegenübersteht. Ist er es?
Autorenporträt
Sara Johnsen, geb. 1970 in Oslo, ist eine der bedeutenden Filmemacherinnen und Drehbuchautorinnen Skandinaviens, ihr Film Vinterkyss war 2005 Norwegens Beitrag für den Auslands-Oscar. Ihre TV-Serie »21. Juli« über die Alltagsheld:innen nach dem Terroranschlag 2011 in Norwegen wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. »Für Dancing Boy« ist nach »White Man« (2009) (deutsch: mare Verlag 2013) der lang erwartete Roman, mit dem sie zur Literatur zurückkehrt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2023

Wenn mich eins nicht anmacht, dann irgendwelche Menschen
In Sara Johnsens Roman "Für Dancing Boy" sehnt sich eine Leihmutter nach ihrem Kind, während sie ein virtuelles Bordell betreibt

Dystopien sind eine unangenehme Sache. Das gilt auch für das Norwegen der nahen Zukunft, in dem Sara Johnsens Roman "Für Dancing Boy" spielt. Die Demokratische Vereinigungspartei, die vor vielen Jahren im Chaos der ständigen Pandemiewellen und Umweltkatastrophen an die Macht kam, trägt die Demokratie nur noch im Namen. Sie herrscht in einer technokratischen Diktatur, die ihre linksgrüne Ideologie mithilfe eines Ethikrats und eines Werteministeriums umsetzt.

Verstörenderweise gibt es wenig Kritik. Mehr als ein Häuflein Outdoor-Fans, das gegen die Abriegelung immer neuer Landschaften protestiert, ist nicht zu sehen. Aus den Lehrern, die einst ihre Stimme gegen die Regelwut der Regierung erhoben, sind resigniert murmelnde Alte geworden. Das System läuft stabil, und die Systemfrage scheint schon deshalb niemand zu stellen, weil die Gründe für den totalitären Umweltschutz, die Identitätspolitik oder die Maßnahmen des Instituts für Bevölkerungspolitikswachstum im Kern für gut und wichtig befunden werden. Viele Schüler tragen Regenbogenjacken als Zeichen von "Gleichheit und Inklusion".

Mitten in der Hauptstadt, in einem Industriegebäude am Akerselva, befindet sich in diesem Norwegen der Entspannungstempel "Pure Pleasure" - eine privat betriebene, aber bald mit den Millionen eines staatlichen Innovationspreises geförderte "Orgasmerie".

Sexuelle Phantasien lassen sich hier mithilfe "virtueller Realitäten" auf dem Weg vom Büro nach Hause ausleben: "Alles, was wir hier haben, ist genehmigt, keine Menschen oder anderen Lebewesen wurden missbraucht oder in ihrer Würde verletzt, es sind Animationen in 3D, aber mit Duft und Geschmack." Elektroden an empfindsamen Stellen lösen aus, was die männliche wie weibliche Kundschaft ersehnt.

Und die kommt reichlich, um aus einer Vielzahl von VR-Programmen wie "Sauna" oder "Au Pair" zu wählen. Auch Schmerz- und Todesangst-Erfahrungen werden geboten, bei einem Babyprogramm ahmen die Sensoren am Bauch das Körpergefühl vom Wickeltisch nach, in "Völlerei" darf vor der Orgie noch geschlemmt werden, und wer genug zahlt, kann auch exklusive Sonderanfertigungen in Auftrag geben. "Kriegen Sie das hin? Astlöcher vielleicht?", fragt ein einbeiniger Mann, dem das aktuelle Programm "Natur" nicht ausreicht: "Wenn mich eins nicht anmacht, dann irgendwelche Menschen."

Der Kunde heißt Sigurd, und mit ihm beginnt die Geschichte, die Sara Johnsen (bekannt durch den Thriller "White Man") in ihrem Roman "Für Dancing Boy" aus der Perspektive der Geschäftsinhaberin Lizzy erzählt. Eine Geschichte über den Körper, die Biologie und das, was Liebe ohne biologische Bezüge bedeutet. Mit sehr direkten Beschreibungen von Sex und Verlangen.

Der "Dancing Boy" verweist dabei auf ein Baby, das die Erzählerin Lizzy einst im Rahmen eines Leihmutterprogramms gebar - nicht aus ganz freien Stücken (sie wurde über ein Schulfach namens "Menschen, Verantwortung und Körper" geschickt infiltriert), aber ohne Vergewaltigung wie in Margaret Atwoods "Report der Magd" oder die zwielichtigen Machenschaften, von denen Sofi Oksanens Ukraine-Roman "Hundepark" erzählte.

Der Wohlfahrtsstaat der Zukunft versucht seinen Leihmüttern die Sache so angenehm wie möglich zu machen. Sie sollen spüren, dass sie der Gesellschaft einen großen Dienst leisten, weil viele Frauen durch die Impfungen der Pandemie unfruchtbar wurden und die Geburtsrate dramatisch einknickte. Den Rest macht das Geld.

Die Trennung von dem Baby, das sie seit dem Ultraschall ihren "Dancing Boy" nannte, war für Lizzy trotzdem ein Schock. Heute hat sie zwar ein eigenes, "auf die gute altmodische Art" mit ihrem Partner und Kompagnon Boje gezeugtes Kind. Aber die Sehnsucht nach dem Jungen beherrscht alle Gedanken. Immer wieder glaubt sie in Kunden ihr Kind zu erkennen.

Der einbeinige Kunde Sigurd, der im "Pure Pleasure" eine Sonderanfertigung bestellt, aber eigentlich auf echten Sex mit der maskulinen und von einer Lippenspalte gezeichneten Lizzy zu hoffen scheint, nutzt diese Sehnsucht aus. Er tarnt sich mit einem falschen Muttermal als "Dancing Boy" und bringt Lizzy zum Bruch der staatlichen Regeln, die für den Betrieb einer "Orgasmerie" gelten. Sie treffen sich außerhalb des Geschäfts, um in der freien Natur Szenen für Sigurds Programm zu filmen.

Die Erzählerin, die schnell erregbar ist und Sexualität als "unkontrollierbares Kraftfeld" erlebt, lässt zugleich ihr Leben Revue passieren. Das erste Baby als Leihmutter, das zweite und dritte, die Ehe mit einem homosexuellen Christen und das Glück mit Boje und Teenie-Töchterchen Thelma - alles kommt auf den Tisch.

Sprachlich geht es in "Dancing Boy" eher pragmatisch zu, und das dystopische Zukunftsbild bleibt enttäuschend dünn. Sara Johnsen arbeitet fürs Fernsehen. Das merkt man dem Buch an: zu wenig Ausschmückung, zu viel Dialog.

Es hagelt Schlagworte, die vielsagend wirken, aber kaum diskutiert werden. Bei Schockszenen wie dem sexuellen Missbrauch Lizzys als Kind, der Schilderung einer Abtreibung und den Leichen einiger Flüchtlinge, die beim Zaunbau für das nächste Naturschutzgebiet gefunden werden, weiß man nicht recht, ob sich Johnsen der Drastik der fast beiläufigen Einwürfe bewusst ist.

Wenn dieses Buch lesenswert ist, dann als Körper-Roman und Chronologie einer Affäre, als "Staunen über Menschen und ihre Sexualität", die weder "in Paragraphen gezwängt" noch "systematisiert" werden kann, als Parabel zur virtuellen Realität und satirisch angespitztes Spiel mit Themen einer Gegenwart, in der sehr viel nur um Mensch und Natur und menschliche Natur zu kreisen scheint. MATTHIAS HANNEMANN

Sara Johnsen:

"Für Dancing Boy". Roman.

Aus dem Norwegischen von Anja Lerz. Verlag Antje Kunstmann, München 2023. 344 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Spannend ist an diesem dystopischen Roman von Sara Johnsen vor allem, wie er mit den Themen Körper und Sexualität umgeht, findet Rezensent Matthias Hanneman. Angesiedelt in einem Norwegen der Zukunft, totalitär regiert von einer Partei "links-grüner"-Prägung, dreht sich die Handlung um ein Bordell der besonderen Art und dessen Besitzerin Lizzy: Jegliche Art sexueller Fantasie, auch die seltsamste, lässt sich hier mittels Virtual Reality umsetzen, lesen wir. In einem Kunden ihres Etablissements meint Lizzy ihr erstes Kind zu erkennen, von dem sie sich gezwungenermaßen trennen musste, informiert der Kritiker. Ein bisschen mehr Handlung, dafür weniger Dialog, hätte dem Roman gutgetan, meint Hanneman. Etwas irritiert ist er auch von den drastischen Gewaltszenen, die manchmal geradezu beiläufig eingestreut werden. Beeindruckt ist der Rezensent aber davon, wie direkt, auch sprachlich, im Roman mit Sexualität umgegangen wird, die hier als Parabel auf das Freiheitsstreben des Menschen erscheint.

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