Reinhard Kaiser-Mühlecker
Gebundenes Buch
Fremde Seele, dunkler Wald
Roman. Nominiert für die Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2016
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Reinhard Kaiser-Mühlecker schreibt die Geschichte zweier Brüder und ihrer Heimat in Oberösterreich - ein mit biblischer Wucht erzählter Roman um Missverständnisse, Tötungen, Familientragödien und Befreiungsversuche.Alexander kehrt von seinem Auslandseinsatz als Soldat internationaler Truppen in die Heimat zurück. Seine Unruhe treibt ihn bald wieder fort. Sein jüngerer Bruder Jakob führt unterdessen den elterlichen Hof. Als sich sein Freund aufhängt, wird Jakob die Schuldgefühle nicht mehr los. Der Vater fabuliert von phantastischen Geschäftsideen, während er heimlich Stück für ...
Reinhard Kaiser-Mühlecker schreibt die Geschichte zweier Brüder und ihrer Heimat in Oberösterreich - ein mit biblischer Wucht erzählter Roman um Missverständnisse, Tötungen, Familientragödien und Befreiungsversuche.
Alexander kehrt von seinem Auslandseinsatz als Soldat internationaler Truppen in die Heimat zurück. Seine Unruhe treibt ihn bald wieder fort. Sein jüngerer Bruder Jakob führt unterdessen den elterlichen Hof. Als sich sein Freund aufhängt, wird Jakob die Schuldgefühle nicht mehr los. Der Vater fabuliert von phantastischen Geschäftsideen, während er heimlich Stück für Stück des Ackerlandes verkaufen muss. Mit großer poetischer Ruhe und Kraft erzählt Reinhard Kaiser-Mühlecker von den Menschen, die durch Verwandtschaft, Gerede, Mord und religiöse Sehnsüchte aneinander gebunden sind. Es ist die Geschichte zweier Brüder, die dieser Welt zu entkommen versuchen - eine zeitlose und berührende Geschichte von zwei Menschen, die nach Rettung suchen.
Alexander kehrt von seinem Auslandseinsatz als Soldat internationaler Truppen in die Heimat zurück. Seine Unruhe treibt ihn bald wieder fort. Sein jüngerer Bruder Jakob führt unterdessen den elterlichen Hof. Als sich sein Freund aufhängt, wird Jakob die Schuldgefühle nicht mehr los. Der Vater fabuliert von phantastischen Geschäftsideen, während er heimlich Stück für Stück des Ackerlandes verkaufen muss. Mit großer poetischer Ruhe und Kraft erzählt Reinhard Kaiser-Mühlecker von den Menschen, die durch Verwandtschaft, Gerede, Mord und religiöse Sehnsüchte aneinander gebunden sind. Es ist die Geschichte zweier Brüder, die dieser Welt zu entkommen versuchen - eine zeitlose und berührende Geschichte von zwei Menschen, die nach Rettung suchen.
Kaiser-Mühlecker, Reinhard
Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs in Eberstalzell, Oberösterreich, auf. Er studierte Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien. »Ich sehe es als eine Art Verpflichtung an, die Welt, die ich kenne, erfahrbar zu machen - einem, der sie nicht kennt.« Sein Debütroman 'Der lange Gang über die Stationen' erschien 2008, es folgten die Romane 'Magdalenaberg' (2009), 'Wiedersehen in Fiumicino' (2011), 'Roter Flieder' (2012) und 'Schwarzer Flieder' (2014) sowie 'Zeichnungen. Drei Erzählungen' (2015). Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung, dem Kunstpreis Berlin, dem Österreichischen Staatspreis und dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Der Roman 'Fremde Seele, dunkler Wald' (2016) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Siegfried Lenz formulierte zum Werk Kaiser-Mühleckers: »Es ist wunderbar, wie Sie schreiben«, und Peter Handke: »Zwischen Stifter und Hamsun sind Sie ein Dritter.« Im Frühjahr 2019 erschien der neue Roman von Reinhard Kaiser-Mühlecker, 'Enteignung'.Literaturpreise:Comburg-Stipendium 2015Adalbert-Stifter-Stipendium 2014Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2014Österreichischer Staatspreis outstanding artist award 2013Kunstpreis Berlin für Literatur 2013Buch.Preis 2009Stipendium des Literarischen Colloqiums Berlin 2009 Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf 2009Österreichisches Staatsstipendium für Literatur 2008Hermann-Lenz-Stipendium 2008 Stipendium des Herrenhauses Edenkoben 2007Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung 2007Werkstattstipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung 2006
Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs in Eberstalzell, Oberösterreich, auf. Er studierte Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien. »Ich sehe es als eine Art Verpflichtung an, die Welt, die ich kenne, erfahrbar zu machen - einem, der sie nicht kennt.« Sein Debütroman 'Der lange Gang über die Stationen' erschien 2008, es folgten die Romane 'Magdalenaberg' (2009), 'Wiedersehen in Fiumicino' (2011), 'Roter Flieder' (2012) und 'Schwarzer Flieder' (2014) sowie 'Zeichnungen. Drei Erzählungen' (2015). Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung, dem Kunstpreis Berlin, dem Österreichischen Staatspreis und dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Der Roman 'Fremde Seele, dunkler Wald' (2016) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Siegfried Lenz formulierte zum Werk Kaiser-Mühleckers: »Es ist wunderbar, wie Sie schreiben«, und Peter Handke: »Zwischen Stifter und Hamsun sind Sie ein Dritter.« Im Frühjahr 2019 erschien der neue Roman von Reinhard Kaiser-Mühlecker, 'Enteignung'.Literaturpreise:Comburg-Stipendium 2015Adalbert-Stifter-Stipendium 2014Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2014Österreichischer Staatspreis outstanding artist award 2013Kunstpreis Berlin für Literatur 2013Buch.Preis 2009Stipendium des Literarischen Colloqiums Berlin 2009 Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf 2009Österreichisches Staatsstipendium für Literatur 2008Hermann-Lenz-Stipendium 2008 Stipendium des Herrenhauses Edenkoben 2007Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung 2007Werkstattstipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung 2006
Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- 3. Aufl.
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 23. August 2016
- Deutsch
- Abmessung: 209mm x 134mm x 27mm
- Gewicht: 419g
- ISBN-13: 9783100024282
- ISBN-10: 3100024281
- Artikelnr.: 44956383
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Tim Caspar Boehme möchte nicht tauschen mit der dysfunktionalen Familie in ihrem Elend, in dieser österreichischen Ödnis, die Reinhard Kaiser-Mühlecker laut Boehme dramaturgisch geschickt pointiert und mit Ruhe- und Spannungsmomenten schildert. Allerdings ahnt er, dass er auch nicht allzu weit davon entfernt ist. Weit mehr als ein Familienroman um zwei Brüder auf dem elterlichen Hof scheint dem Rezensenten der Text zu sein, weil der Autor darin das Leben an sich als Gefängnis reflektiert. Die altertümliche Sprache, die er dazu wählt, findet Boehme passend, und die nüchterne Bildlichkeit, die nur zuweilen poetisch wird, lässt ihn ganz nah an das Personal heran.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Manch Schatten liegt auf dieser alten Welt
Leere Transzendenz: In "Fremde Seele, dunkler Wald" seziert Reinhard Kaiser-Mühlecker die brüchige Harmonie von Dorf, Wald und Wiese und lässt seine Helden komfortabel in der Moderne stranden.
Irgendwie, irgendwo, irgendwann sind im Erzählkosmos von Reinhard Kaiser-Mühlecker keine Füllsel, sondern die oft einzigen Vektoren für das Innenleben seiner Figuren. Diese Helden fahren nicht auf Feuerrädern Richtung Zukunft durch die Nacht. Sie baumeln im Unbestimmten zwischen einer Vergangenheit, die nicht vergehen soll, über der aber schon ein halb verwester Geruch liegt, und einer Gegenwart, die sich nicht einstellen will. Die in wenigen Strichen gesetzten modernen Elemente sind
Leere Transzendenz: In "Fremde Seele, dunkler Wald" seziert Reinhard Kaiser-Mühlecker die brüchige Harmonie von Dorf, Wald und Wiese und lässt seine Helden komfortabel in der Moderne stranden.
Irgendwie, irgendwo, irgendwann sind im Erzählkosmos von Reinhard Kaiser-Mühlecker keine Füllsel, sondern die oft einzigen Vektoren für das Innenleben seiner Figuren. Diese Helden fahren nicht auf Feuerrädern Richtung Zukunft durch die Nacht. Sie baumeln im Unbestimmten zwischen einer Vergangenheit, die nicht vergehen soll, über der aber schon ein halb verwester Geruch liegt, und einer Gegenwart, die sich nicht einstellen will. Die in wenigen Strichen gesetzten modernen Elemente sind
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hier in einer aparten Alltäglichkeit aufgehoben, die Archaisches, Ländliches hervortreten lässt. Als wollte der Autor sagen: Es gibt diese zeitfremde Erfahrung auch, und es ist eine Frage der Beharrlichkeit, sie ohne idyllisierende Züge glaubhaft zu machen. "Salz flog vom Streuteller am Heck des Lastwagens durch orange flackerndes Licht auf die Straße und zerfraß den Schnee."
In seinem neuen Roman "Fremde Seele, dunkler Wald", mit dem er jetzt auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises gelangt ist, bleibt Kaiser-Mühlecker diesem Schema treu und setzt die Welt konsequent in Fragezeichen. Anfangs gerät dies holprig. Die unablässige Selbstbefragung der Protagonisten und der verschwenderische Gebrauch von Auslassungspunkten erzeugen einen Nachhall, den das Erzählte noch nicht trägt. Dann entfaltet der gediegene, aber nicht biedere Tonfall seinen gewohnten Sog.
Wie in seinen vorigen Romanen lässt Kaiser-Mühlecker seine Erzählung um die eigene Herkunftswelt, ein Bauernhaus im Oberösterreichischen, gravitieren, in das sich die beiden Protagonisten, Alexander und Jakob Fischer, nach mehr oder minder gescheiterten Versuchen, im Leben Fuß zu fassen, zurückziehen, um es nach längerer (Jakob) oder kürzerer (Alexander) Zeit wieder zu verlassen. Das bäuerliche Idyll ist innerlich porös. Bewohnt wird es von einem verlebten Großvater, der sich auf die selbstsüchtige Verwaltung seines Vermögens beschränkt und der bornierten Großmutter das Regiment überlässt. Der Vater ist ein Phantast, der Haus und Hof verspielt, in der Rolle des Glücksritters aber noch stimmiger wirkt als in der schwindsüchtigen Melancholie nach dem Verlust seiner letzten Spielkarte.
Irgendwann taucht ein fremder Traktor auf dem Feld auf und verbreitet mit ausgelassener Gülle einen beißenden Geruch. Von diesem Moment an weiß der jüngere Jakob, dass die Welt seiner Herkunft verloren ist, die ihm trotz ihres inneren Unfriedens Halt geboten hatte, weil er sie innerlich fremd, als eine Art mittätiger Gast, bewohnt hatte, und weil ihm Felder, Wald und Wiesen immer ein seelisches Naherholungsgebiet geboten hatten. Freilich ist auch dieses von moderner Infrastruktur angefressen, die sich als Riese, der in mächtigen, metallischen Schritten über die naheliegende Autobahn tappt, in Jakobs Tagträume schleicht.
Kaiser-Mühlecker macht die Risse im inneren und äußeren Gefüge der Figuren über kunstvolle Naturbilder und erdige Gerüche erfahrbar, über seiner Erzähllandschaft liegt eine fahles, winterliches Licht. "Am westlichen Ende der Weide, wo das Gelände sanft anstieg, begannen sich Inseln aus Nebel zu bilden, die sich, keine Handbreit über den Halmen, auf irgendeine unnachvollziehbare Art und Weise bewegten, zerflossen und sich zugleich ständig neu formierten - Menschen ähnlich, die ziellos umhergingen, verschwanden, wiederkamen oder wegblieben."
Ziellos im Nebel wandernd, werden Jakob und Alexander von starken Empfindungen jäh ergriffen und verlassen. Ihr Leben folgt mehr Ahndungen, Schicksalslinien als selbstgewählten Zielen, ihren Witterungen folgen sie aber konsequent. Der ältere Alexander entkommt dem bäuerlichen Milieu in ein Stiftsgymnasium, widmet sich später mit gleichem Ernst Militärstudien, an denen er als in der Fremde stationierter Soldat das Interesse verliert, und verstrickt sich in Gelegenheitsbeziehungen. Nach einer verpassten Liebe hebt er die Leere in schmerzvoll-genießerischer Distanz am Comer See auf, mit der Rückkehr in den Militärdienst stellt sich der Aschengeschmack des Alltags wieder ein.
Der etwas handfester angelegte, aber sinnesverwandte Jakob bleibt auf dem Hof zurück, führt ihn, ohne Anerkennung zu finden, bald in Eigenregie. Eine in innerer Distanz geführte und später mit Hass erlebte Beziehung bringt ihn eine Zeit vom Hof, zurückgekehrt fasst er in der alten Welt nicht mehr Fuß. Der Selbstmord eines alten Schulfreundes lässt ihn gerüchteweise zum Verdächtigen werden. Auch sein Bruder wird von den dörflichen Gerüchteküche aus der Ferne sonderbar intrigiert. In der von altchristlichem Schicksalsglauben umwehten Herkunftswelt werden beide von unbestimmten Schuldgefühlen niedergedrückt und können dem bäuerlichen Fatum nicht entfliehen.
Das Eigentümliche ist, dass sie die Entgleisungen aus der Lebensspur nicht als persönliches Versagen, sondern als Zwangsläufigkeit und sogar als Erleichterung erfahren, weil sie ihnen den Rückzug in eine Innenwelt auftun, in der sie sich heimatlicher fühlen. Doch auch die innerlich gewendete Seele will von außen illuminiert werden. Zum zweiten Gravitationspunkt macht Kaiser-Mühlecker eine Sektenführerin, der in der dörflichen Gemeinschaft viel Böses nachgesagt wird. Die milde Erhebung im Sektenkreis schildert Kaiser-Mühlecker nicht als dogmatische Verführung, sondern als legitime Form des zeitlichen Eskapismus, dem sich die Helden in einem distanziert religiösen Bewusstsein hingeben. "Nie sonst im Wachen löste die Zeit sich so auf wie bei langem Warten, nie sonst wurde sie so belanglos. Nie sonst in der Nüchternheit löste man sich so von sich selbst und gelangte in einen Zustand, der nur jenem des spielenden Kindes vergleichbar war."
Ist es noch ein Vorzug, dass Kaiser-Mühlecker dieses Nirwana nicht als verborgen sprudelnden Sinnquell präsentiert, dass er Neues und Altes nicht gegeneinander ausspielt, sondern wie tektonische Platten verschiebt, so wirkt es doch ratlos, wenn er die Brüche am Ende mit einem harmlosen Idyll übermalt, das er seinen Helden wie ein ZDF-Fernsehdrehbuch unterschiebt.
THOMAS THIEL
Reinhard Kaiser-Mühlecker: "Fremde Seele, dunkler Wald". Roman.
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2016. 304 S., geb., 20, - [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In seinem neuen Roman "Fremde Seele, dunkler Wald", mit dem er jetzt auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises gelangt ist, bleibt Kaiser-Mühlecker diesem Schema treu und setzt die Welt konsequent in Fragezeichen. Anfangs gerät dies holprig. Die unablässige Selbstbefragung der Protagonisten und der verschwenderische Gebrauch von Auslassungspunkten erzeugen einen Nachhall, den das Erzählte noch nicht trägt. Dann entfaltet der gediegene, aber nicht biedere Tonfall seinen gewohnten Sog.
Wie in seinen vorigen Romanen lässt Kaiser-Mühlecker seine Erzählung um die eigene Herkunftswelt, ein Bauernhaus im Oberösterreichischen, gravitieren, in das sich die beiden Protagonisten, Alexander und Jakob Fischer, nach mehr oder minder gescheiterten Versuchen, im Leben Fuß zu fassen, zurückziehen, um es nach längerer (Jakob) oder kürzerer (Alexander) Zeit wieder zu verlassen. Das bäuerliche Idyll ist innerlich porös. Bewohnt wird es von einem verlebten Großvater, der sich auf die selbstsüchtige Verwaltung seines Vermögens beschränkt und der bornierten Großmutter das Regiment überlässt. Der Vater ist ein Phantast, der Haus und Hof verspielt, in der Rolle des Glücksritters aber noch stimmiger wirkt als in der schwindsüchtigen Melancholie nach dem Verlust seiner letzten Spielkarte.
Irgendwann taucht ein fremder Traktor auf dem Feld auf und verbreitet mit ausgelassener Gülle einen beißenden Geruch. Von diesem Moment an weiß der jüngere Jakob, dass die Welt seiner Herkunft verloren ist, die ihm trotz ihres inneren Unfriedens Halt geboten hatte, weil er sie innerlich fremd, als eine Art mittätiger Gast, bewohnt hatte, und weil ihm Felder, Wald und Wiesen immer ein seelisches Naherholungsgebiet geboten hatten. Freilich ist auch dieses von moderner Infrastruktur angefressen, die sich als Riese, der in mächtigen, metallischen Schritten über die naheliegende Autobahn tappt, in Jakobs Tagträume schleicht.
Kaiser-Mühlecker macht die Risse im inneren und äußeren Gefüge der Figuren über kunstvolle Naturbilder und erdige Gerüche erfahrbar, über seiner Erzähllandschaft liegt eine fahles, winterliches Licht. "Am westlichen Ende der Weide, wo das Gelände sanft anstieg, begannen sich Inseln aus Nebel zu bilden, die sich, keine Handbreit über den Halmen, auf irgendeine unnachvollziehbare Art und Weise bewegten, zerflossen und sich zugleich ständig neu formierten - Menschen ähnlich, die ziellos umhergingen, verschwanden, wiederkamen oder wegblieben."
Ziellos im Nebel wandernd, werden Jakob und Alexander von starken Empfindungen jäh ergriffen und verlassen. Ihr Leben folgt mehr Ahndungen, Schicksalslinien als selbstgewählten Zielen, ihren Witterungen folgen sie aber konsequent. Der ältere Alexander entkommt dem bäuerlichen Milieu in ein Stiftsgymnasium, widmet sich später mit gleichem Ernst Militärstudien, an denen er als in der Fremde stationierter Soldat das Interesse verliert, und verstrickt sich in Gelegenheitsbeziehungen. Nach einer verpassten Liebe hebt er die Leere in schmerzvoll-genießerischer Distanz am Comer See auf, mit der Rückkehr in den Militärdienst stellt sich der Aschengeschmack des Alltags wieder ein.
Der etwas handfester angelegte, aber sinnesverwandte Jakob bleibt auf dem Hof zurück, führt ihn, ohne Anerkennung zu finden, bald in Eigenregie. Eine in innerer Distanz geführte und später mit Hass erlebte Beziehung bringt ihn eine Zeit vom Hof, zurückgekehrt fasst er in der alten Welt nicht mehr Fuß. Der Selbstmord eines alten Schulfreundes lässt ihn gerüchteweise zum Verdächtigen werden. Auch sein Bruder wird von den dörflichen Gerüchteküche aus der Ferne sonderbar intrigiert. In der von altchristlichem Schicksalsglauben umwehten Herkunftswelt werden beide von unbestimmten Schuldgefühlen niedergedrückt und können dem bäuerlichen Fatum nicht entfliehen.
Das Eigentümliche ist, dass sie die Entgleisungen aus der Lebensspur nicht als persönliches Versagen, sondern als Zwangsläufigkeit und sogar als Erleichterung erfahren, weil sie ihnen den Rückzug in eine Innenwelt auftun, in der sie sich heimatlicher fühlen. Doch auch die innerlich gewendete Seele will von außen illuminiert werden. Zum zweiten Gravitationspunkt macht Kaiser-Mühlecker eine Sektenführerin, der in der dörflichen Gemeinschaft viel Böses nachgesagt wird. Die milde Erhebung im Sektenkreis schildert Kaiser-Mühlecker nicht als dogmatische Verführung, sondern als legitime Form des zeitlichen Eskapismus, dem sich die Helden in einem distanziert religiösen Bewusstsein hingeben. "Nie sonst im Wachen löste die Zeit sich so auf wie bei langem Warten, nie sonst wurde sie so belanglos. Nie sonst in der Nüchternheit löste man sich so von sich selbst und gelangte in einen Zustand, der nur jenem des spielenden Kindes vergleichbar war."
Ist es noch ein Vorzug, dass Kaiser-Mühlecker dieses Nirwana nicht als verborgen sprudelnden Sinnquell präsentiert, dass er Neues und Altes nicht gegeneinander ausspielt, sondern wie tektonische Platten verschiebt, so wirkt es doch ratlos, wenn er die Brüche am Ende mit einem harmlosen Idyll übermalt, das er seinen Helden wie ein ZDF-Fernsehdrehbuch unterschiebt.
THOMAS THIEL
Reinhard Kaiser-Mühlecker: "Fremde Seele, dunkler Wald". Roman.
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2016. 304 S., geb., 20, - [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Wie er aus der hilflosen Stummheit, die seine Protagonisten anfällt, Literatur macht, ist virtuos. Christoph Schröder Zeit Online 20160830
Jakob und Alexander wachsen auf einen Bauernhof in Österreich auf. Ihre Schwester geht früh mit ihrem Mann nach Schweden, Alexander zum Militär und Jakob bleibt als Jüngster bei den Eltern und Großeltern zurück. Während der Vater ständig neuen Ideen …
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Jakob und Alexander wachsen auf einen Bauernhof in Österreich auf. Ihre Schwester geht früh mit ihrem Mann nach Schweden, Alexander zum Militär und Jakob bleibt als Jüngster bei den Eltern und Großeltern zurück. Während der Vater ständig neuen Ideen hinterherjagt, wie er das große Geld machen könnte, geht es mit dem Hof vor Jakobs Augen langsam immer weiter bergab.
Beim Lesen von „Fremde Seelen, dunkler Wald“ hatte ich das faszinierende Gefühl, dass eigentlich gar nicht wirklich etwas passiert und mich das Buch überraschenderweise dennoch mitgerissen hat. Die Geschichte lebt von seinen Personen, die alle auf ihre Weise unglaublich tragisch sind, ohne ihre Situation wirklich ändern zu wollen. Jakob hört früh mit der Schule auf und hilft auf dem Hof, bevor seine Freundin schwanger wird und die beiden versuchen, eine Familie zu werden. Als ein guter Freund sich das Leben nimmt, gerät für ihn einiges aus den Fugen, dennoch kommt er im Leben einfach nicht weiter und scheint immer auf der Stelle stehen zu bleiben. Auch sein Bruder Alexander ist nicht wirklich glücklich, nach zahlreichen Affären verliebt er sich endlich, doch die Frau ist verheiratet, die Beziehung hat keine Zukunft und so steckt er fest in einem Stadium aus Sehnsucht und Hoffnungslosigkeit. Obwohl die Geschichte also keinen stringenten Plot zu haben scheint, um den sich alles dreht, ist der Stil des Reinhard Kaiser-Mühlecker sehr flüssig und das Buch lässt sich sehr gut lesen. Man muss sich auf die Figuren und ihre Situationen einlassen, um zu verstehen, dass sie vielleicht für sich gar nicht anders handeln können, als sie es tun. Auch wenn man als Leser manchmal das Gefühl hat, sie vorantreiben zu wollen, damit sie ihr Leben endlich sortieren. Alexander gelingt dies am Ende besser als Jakob oder seiner Schwester Luisa, doch an das angedeutete gute Ende mag man auch bei ihm nicht glauben. Zu viele dunkle Wolken scheinen über den Geschwistern zu hängen.
Mir hat „Fremde Seelen, dunkler Wald“ ausgesprochen gut gefallen, auch wenn mich die Lektüre teilweise ganz anders war, als ich erwartet hatte. Der Schreibstil des Autors hat mich von der ersten Seite an mitgenommen zu seinem Personal, das die ganze Geschichte dominiert. Für mich ein äußerst gelungener Roman.
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Triumph der Langsamkeit
Seine dörfliche Herkunft bildet auch in «Fremde Seele, dunkler Wald», dem sechsten Roman des österreichischen Schriftstellers Reinhard Kaiser-Mühlecker, den Erzählkosmos. Der Titel basiert auf einem Zitat Turgenjews: «Du weißt …
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Triumph der Langsamkeit
Seine dörfliche Herkunft bildet auch in «Fremde Seele, dunkler Wald», dem sechsten Roman des österreichischen Schriftstellers Reinhard Kaiser-Mühlecker, den Erzählkosmos. Der Titel basiert auf einem Zitat Turgenjews: «Du weißt ja, eine fremde Seele ist wie ein dunkler Wald». Womit die Thematik des Romans bereits treffend angedeutet ist: Eine zerrissene bäuerliche Familie in einer drögen Dorfgemeinschaft als Fatum zweier junger Männer, die ihr Leben als Gefängnis empfinden und unbeholfen eine Weltflucht versuchen. Dem üblichen «Heile Welt»-Mythos des Heimatromans setzt der Autor hier seelische Ödnis in idyllischer Landschaft entgegen.
Ankerpunkt der düsteren Geschichte ist ein Bauernhof, in einem abseitigen Tal Oberösterreichs gelegen, über das in großer Höhe eine Autobahnbrücke gespannt ist, deren nicht abreißender Verkehrsstrom den permanenten Kontrast bildet zur dörflichen Ereignislosigkeit. Alexander und Jakob sehen für sich keine Zukunft auf dem im Niedergang befindlichen Hof der Eltern. Der Vater phantasiert von Geschäften, die sich als reine Luftnummern erweisen, vernachlässigt den Hof und verkauft heimlich nach und nach alles Land, am Ende auch das Vieh. Während der dreißigjährige Alexander nach einem religiösen Umweg schließlich Soldat wird und bei einem Blauhelmeinsatz im Kosovo mitwirkt, kann sich der halb so alte Jakob nach der Schule für keinen Beruf entscheiden und führt teilnahmslos den Hof weiter. Beide Brüder haben ein seltsam gestörtes Verhältnis zu Frauen. Alexander hat für einige Zeit eine Affäre mit der Frau seines Chefs, die seiner jedoch irgendwann überdrüssig wird. Seine verpasste große Liebe, wie er im Nachhinein schmerzhaft erkennt. Jakob gerät an Nina, die sehr bald schwanger wird, sie entfremden sich aber schnell und trennen sich ebenfalls. Das Figurenensemble wird ergänzt um einen fragwürdigen Freund Jakobs, der erst seine Nähe sucht und sich dann von ihm abwendet, am Ende sogar Suizid begeht. Der rückwärtsgewandte Großvater ist als Nazi zu Reichtum gekommen und ist finanziell unabhängig vom Hof. Er überrascht die Familie nach seinem Tod, weil er den Nachlass seiner geizigen Frau allein überlässt, die ihn einer rechten Partei vermachen will, womit die Familie endgültig leer ausgeht. Der latente Eskapismus schließlich wird durch die urchristliche Sektenführerin Elvira personifiziert, mit der Alexander früher ein Verhältnis hatte.
Die lähmende Sprachlosigkeit innerhalb der Familie, aber auch der wortkarge Umgang aller anderen Figuren miteinander ist ein typisches Merkmal dieser in Episoden aufgeteilten Erzählung. Über allem Geschehen lastet ein düsterer Schatten, komplementär dazu dominiert in den häufig eingestreuten Naturschilderungen Kälte, Schnee, Nebel, Regen, scharfer Wind. Erzählerisch ist dieser Roman ein Triumph der Langsamkeit, geradezu altväterlich in der Sprache und quasi in Zeitlupe wird hier die Geschichte der missglückten Seelenfluchten als beinahe schon psychopathisches Lehrstück vor dem Leser ausgebreitet. Zu lachen gibt es da rein gar nichts!
«Mir geht’s ja so schlecht!» «Warum geht’s dir so schlecht?» «Weil ich sauf.» «Und warum säufst du?» «Weil’s mir schlecht geht!» Die Lektüre hat mich unwillkürlich an diesen abgedroschenen Scherz erinnert. Beide Brüder sind keinesfalls lebensuntüchtig, sie scheitern nur immer wieder auf wundersame Weise an sich selbst, sie scheinen aus der Zeit gefallen. Weite Teile des Romans werden in Form des Bewusstseinsstroms erzählt, mit Fragezeichen an den Satzenden, und auch Dialoge der blutleeren, wenig sympathischen Figuren finden sich eher selten, es mangelt ihnen zudem entschieden an Empathie. Der auktoriale Erzähler lässt vieles ungesagt in seinem erzählerischen Labyrinth, und auch Plausibilität ist kein narratives Kriterium dieses trübsinnigen Plots. Dass verklausulierte Happy End aber beweist, dass dem Autor seine Geschichte selbst zu elegisch erschien, er hätte diesen Fauxpas sonst sicherlich vermieden.
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Zwei Brüder aus einem kleinen Dorf, der ältere hat es bereits vor einigen Jahren hinter sich gelassen, während der halb so alte 15jährige praktisch im Alleingang den Hof bewirtschaftet. Der Vater ist ständig unterwegs auf der Suche nach neuen lukrativen Geschäften, um …
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Zwei Brüder aus einem kleinen Dorf, der ältere hat es bereits vor einigen Jahren hinter sich gelassen, während der halb so alte 15jährige praktisch im Alleingang den Hof bewirtschaftet. Der Vater ist ständig unterwegs auf der Suche nach neuen lukrativen Geschäften, um seine Geldsorgen zu beenden. Stattdessen verkleinert sich der Hof jedoch nach jedem neuen Versuch, Hektar um Hektar. Und Jakob, dem Jüngeren, bleibt nichts Anderes, als zuzuschauen.
Es ist ein ungemein trostloses Buch, das dem Landleben nichts Positives abgewinnt, zumindest was das Zwischenmenschliche anbelangt. Was die Menschen dort leisten müssen, ist harte Arbeit, die immer schlechter entlohnt wird. Höfe werden verkleinert, verkauft, Landwirte müssen aufgeben, das Leben scheint perspektivlos. Miteinander reden ist den Menschen dort nicht gegeben; wenn man redet, dann eher übereinander, ansonsten schweigt man sich an. Es gibt kein Gemeinschaftsgefühl füreinander, weder bei den Brüdern noch bei den anderen Personen in diesem Buch. Trotz Ehe und Freundschaften sind die Menschen einsam, eine gewisse Zusammengehörigkeit gibt es nur in einer außerkirchlichen Gruppe. Alexander und Jakob brauchen eine geraume Zeit, bis sie erkennen was ihnen fehlt und sie die Eigeninitiative ergreifen. Doch für Andere gibt es keine Rettung mehr.
Alexander gelingt es durch den Besuch einer weiterführenden Schule (worum er sich selbst kümmern musste) dieser Einsamkeit zu entfliehen und landet nach einigen Umwegen bei der Bundeswehr. Und Jakob tritt fast exakt in die Fußspuren seines großen Bruders, ohne sich dessen jedoch bewusst zu sein, sodass zumindest zum Ende hin sich für beide so etwas wie ein Lichtblick zeigt.
Doch warum sollte man so etwas lesen, was einem vermutlich keine allzu guten Gefühle bereitet, eher im Gegenteil? Weil Reinhard Kaiser-Mühlecker eine wunderbare Sprache sein Eigen nennt. Es sind weniger einzelne Sätze, die herausragen, sodass sie das Zitieren wert sind, sondern die Beschreibungen der Gefühle und Gedanken seiner Protagonisten, die so echt sind, dass ich mir sicher bin, manche davon sehr gut zu kennen ;-) Wie Jakob in bestimmten Situationen ein unbändiger Zorn packt, den er jedoch nicht artikulieren kann und will. Wie Mutmaßungen und Interpretationen über andere Menschen angestellt werden, die durch ein Gespräch einfach klargestellt werden könnten. Wie Vermutungen fast Menschen zerstören, ohne dass diese sich wehren können. Es sind Situationen, die vermutlich jede/r kennt und wo ich mich immer wieder dabei erwischte, dass ich vor mich hinmurmelte: 'Jetzt redet doch miteinander!' Eine Aufforderung, die auch im wirklichen Leben beherzigt werden sollte :-)
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