Feindliche Übernahme
Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht
Produktdetails
- Verlag: FinanzBuch Verlag
- Seitenzahl: 495
- Erscheinungstermin: 28. August 2018
- Deutsch
- Abmessung: 222mm x 146mm x 43mm
- Gewicht: 698g
- ISBN-13: 9783959721622
- ISBN-10: 3959721625
- Artikelnr.: 52949076
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Thilo Sarrazin erteilt sich und seinen Lesern die Lizenz, das Wissen über den Islam zu ignorieren: Traut einfach euren Ängsten!
Der Autor Thilo Sarrazin legt Wert auf die Feststellung, eher zufällig an das Thema seines neuen Buchs geraten zu sein: Es habe sich einfach "ergeben", schreibt er gleich im ersten Satz, dass er in den letzten zehn Jahren immer mehr Artikel und Bücher über den Islam gelesen habe. Selbst als er sich nach Erscheinen von "Deutschland schafft sich ab" in der "unvermuteten Rolle eines Islamkritikers" wiederfand, habe er sich damit nicht recht wohl gefühlt. Die Betonung des Ungeplanten mag dem Selbstschutz dienen, um nicht als jemand dazustehen, den
Dabei gebe es nun, wie es an entscheidender Stelle heißt, ein Problem: "Der Durchschnittseuropäer kann sich über das ,Wesen' des Islam naturgemäß kein Bild machen." Die Frage ist: Warum "naturgemäß"? Immerhin gibt es eine Fülle an wissenschaftlichen, literarischen und journalistischen Texten über den Islam, die es jedem erlauben sollte, sich auf allen denkbaren Ebenen über diese Religion zu informieren, von der Entstehung ihrer Traditionen über ihre Kulturgeschichte bis hin zu ihren heutigen politischen Einflüssen und Verwicklungen. Doch der Sinn des Satzes - und des ganzen Buchs - beruht darauf, jenen "Durchschnittseuropäern", als die Sarrazin seine Leser und sich selbst bezeichnet, ein Einverständnis zu unterstellen: dass den Experten nämlich nicht zu trauen sei, dass sie durch die Bank zu den "Beschwichtigern und Verharmlosern" gehörten, die einer Erkenntnis des wirklichen Wesens der Religion im Wege stehen. Ohne diese Voraussetzung wäre es nicht zu verstehen, dass der erklärte Nicht-Fachmann Sarrazin den vielen existierenden Büchern zum Thema noch ein weiteres hinzufügt.
So aber wird die Ahnungslosigkeit zur eigentlichen Qualifikation und Methode dieses Buchs, die über alle Kapitel hinweg in immer neuen Wendungen explizit herausgestellt wird. Ihr Codewort ist "Unvoreingenommenheit". Da macht sich einer für alle anderen Unbelasteten die Mühe, den Koran "von der ersten bis zur letzten Zeile" selber zu lesen und dabei einzig und allein seinem "unmittelbaren Textverständnis" zu folgen, also ohne all die bloß als Verdrehungen erscheinenden Erläuterungen der Experten: "So möchte ich der vorurteilsfreien Sicht eines verständigen Betrachters sine ira et studio möglichst nahekommen." Immer wieder gesteht Sarrazin zu, dass es auch andere Interpretationen als seine gibt, um dann aber gleich anzuschließen, "für den unvoreingenommenen Leser" könne "kein Zweifel bestehen", dass seine Deutung die richtige ist. Wer also zum Beispiel im Koran Barmherzigkeit und Menschenliebe findet, müsse ihn wohl "ziemlich verbiegen und ihn vor allem durch die historisch-kritische Brille betrachten". Er, der Autor, konzentriere sich aber nur auf "unmittelbar beobachtbare Sachverhalte", und zwar "ohne innere Vorbehalte und ohne vorgefasste Meinung".
Wie sich zeigt, ist damit nicht etwa gemeint, dass sich der Autor nur auf Primärquellen bezöge. Er spart in seinem Buch nicht mit bisweilen seitenlangen Zitaten von Kommentaren und Interpretationen anderer, die er, von Jacob Burckhardt bis Mathias Döpfner, einstreut, wann immer sie zu seinen eigenen Ansichten passen. "Unvoreingenommenheit" ist vielmehr die Lizenz dafür, all die Arbeit der Differenzierung, Historisierung und Kontextualisierung nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen, die über die Jahrhunderte hinweg bei der Beschäftigung mit dem Islam geleistet worden ist.
Diese Lizenz erteilt der Autor nicht nur sich selbst, sondern - das ist der womöglich verkaufsfördernde Clou - auch allen "Durchschnittseuropäern", also allen potentiellen Lesern: Traut euren unmittelbaren Intuitionen und Ängsten, ist die Botschaft dieses Buchs, lasst sie euch durch kein historisch-kritisches Wissen relativieren. Alles, was ihr unmittelbar fühlt, stimmt, der Islam als solcher ist genauso aggressiv, kulturlos und frauenfeindlich, wie ihr immer schon dachtet, eure Befürchtung, er überwältige eure Gesellschaft, ist berechtigt, und deshalb ist die Forderung am Ende, "die Einwanderung von Muslimen grundsätzlich" zu unterbinden, nicht monströs, sondern folgerichtig. Wer eben noch des Ressentiments verdächtig war, kann sich jetzt als Hüter der reinen Rationalität vorkommen. Deshalb dürften die fehlenden Kenntnisse auf vielen Feldern, die dem Buch schon von Experten nachgewiesen wurden, seinem Verkaufserfolg kaum schaden.
Es ist jedoch nicht nur die Voreingenommenheit der Expertise, die diese Art Rationalität abzuschütteln versucht. Sarrazin gibt zwar vor, das Desinteresse von Muslimen an westlicher Kultur zu beklagen (Frauen im Hidschab und ihre Männer sehe man "mit Kinderwagen auf den Straßen" oder im KaDeWe, "kaum jedoch in Buchhandlungen, in Museen, in der Oper, in Konzerten oder bei der Besichtigung von Schlössern und Kirchen"). Doch seine eigene Argumentation ist ihrerseits bemerkenswert frei von allen kulturellen Herangehensweisen, die in irgendeiner Weise mit Ungewissheit, Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit zu tun haben. Sowenig er die kulturellen Leistungen des Islams in ihrer Eigenart beachtet, so wenig würdigt er auch, was Europas Kultur an Subtilität, Dialektik und Vielfalt scheinbar gegensätzlicher philosophischer Schulen hervorgebracht hat. Und was auf dem Spiel steht, wenn man hinter das Niveau zurückfällt, das das europäische Rechtsdenken zur Überwindung des permanenten Bürgerkriegs erreicht hat.
Das Toleranzgebot aus Lessings Ringparabel wischt er einfach mit einem Zitat über die Unterschiedlichkeit von Bibel und Koran zur Seite. Respekt vor Religionen wird seiner Ansicht nach ohnehin überbewertet: "Wissenschaftlich gesehen ist jede Religion nichts als ein Aberglaube, der von vielen geteilt wird." Akzeptabel sind für ihn nur Religionen wie das Christentum, die seiner Ansicht nach abstrakt und gleichgültig geworden sind. Als rational geht dagegen nur durch, was messbar ist, also zum Beispiel Bevölkerungszahlen, Intelligenzquotienten und deren Korrelation. Mit diesem vermeintlich Eindeutigkeit herstellenden Maßstab bekommen dann unschuldig durch Statistiken untermauerte Sätze wie dieser etwas Drohendes: "Generell lässt sich beobachten, dass der Zusammenhang zwischen Religiosität und kognitiver Kompetenz tendenziell negativ ist."
Selbstverständlich verstößt es nicht gegen die Religionsfreiheit, Religionen unsinnig und nutzlos zu finden. Eine solche Ansicht zum Maßstab des Staats machen zu wollen, würde allerdings dem fundamentalistischen Versuch ähneln, die eigene Konfession zum allgemeinen Gesetz zu machen. Sarrazin tut das nicht ausdrücklich. Aber die Folgerungen, die er im Namen rationaler Unvoreingenommenheit zieht, laufen auf eine Aufweichung von Asylrecht, Religionsfreiheit und Pluralismus zugunsten einer an kognitiver und sozioökonomischer Optimierung ausgerichteten Technokratie hinaus. Unter der Hand droht so die vermeintlich eindeutige Rede vom Westen, den es zu verteidigen gilt, einen ganz anderen Inhalt zu bekommen - so als gehe es um die Zukunft künstlicher Intelligenzen und nicht das Zusammenleben real existierender Menschen. Die Probleme und Widersprüche, die die gegenwärtige Globalisierung und auch verschiedene Erscheinungsformen des Islams aufwerfen, sind so groß, dass sie nur durch strikteste Differenzierung bewältigt werden können, und nicht durch deren Gegenteil.
MARK SIEMONS
Thilo Sarrazin: "Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht". FBV, 496 Seiten, 24,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Na, ist ja interessant, ein Verriß des neuesten Buchs von Sarrazin. Noch ist das Buch gar nicht erschienen, und Herr Steinmetz gibt eine hoch qualifizierte Kritik ab. Wessen Geschäft Herr Steinmetz wohl betreibt?
DANKE DENNIS für das Lob meiner qualifizierten Kritik; wessen Geschäft ich betreibe? Mein eigenes, d.h. eigenständiges Denken, was mir sagt, dass Sarrazin & Co. mit ihrer Konfrontations-Polemik NICHTS ZUM BESSEREN wenden. Die Masseneinwanderung aus sogenannten „islamischen Ländern“ ist NICHT DEM ISLAM GESCHULDET, sondern der westlichen Kriegs- und Kolonialpolitik in eben diesen Ländern (siehe Michael Lüders) SOWIE der katastrophalen Kanzlerin ANGELA MERKEL - übrigens nachhaltig befördert durch die Verlautbarungen der römisch-katholischen Kirche, deren amtierender JESUITEN-PAPST dazu 2013 auf LAMPEDUSA den Startschuss gab mit einem "Sakralen Populismus", Basler Zeitung 10.07.2013: https://bazonline.ch/ausland/europa/Sakraler-Populismus/story/20592376
Können sie mir erklären wie es zu einem Meinungswandel kommen konnte bezüglich dieser Thematik?
Finis Germania bewerteten sie noch damals positiv mit 5 Sternen und dieses Buch von Thilo Sarrazin das einen Aspekt der kolonisierenden Einwanderung nach Europa und Deutschland beschreibt der von großer Bedeutung ist, da die islamischen Gesellschaften nicht durch die Schule der 60er und 70er Jahren gegangen sind nur mit zwei Sternen.
Ein sehr widersprüchliches Verhalten aber auch irgendwie deutsch.