Jose E. Agualusa
Gebundenes Buch
Eine allgemeine Theorie des Vergessens
Roman
Übersetzung: Kegler, Michael
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Es ist eine fantastische und doch ganz und gar wahre Geschichte: Am Vorabend der angolanischen Revolution mauert sich Ludovica, nachdem sie einen Einbrecher in Notwehr erschossen und auf der Dachterrasse begraben hat, für dreißig Jahre in ihrer Wohnung in einem Hochhaus in Luanda ein. Sie lebt von Gemüse, gefangenen Tauben und von einer Hühnerzucht, die sie auf der Dachterrasse wie durch Zauber beginnt, und bekritzelt die Wände in ihrer ausgedehnten Wohnung mit Tagebuchnotaten und Gedichten. Allmählich setzt sich aus Stimmen, Radioschnipseln und flüchtigen Eindrücken zusammen, was im L...
Es ist eine fantastische und doch ganz und gar wahre Geschichte: Am Vorabend der angolanischen Revolution mauert sich Ludovica, nachdem sie einen Einbrecher in Notwehr erschossen und auf der Dachterrasse begraben hat, für dreißig Jahre in ihrer Wohnung in einem Hochhaus in Luanda ein. Sie lebt von Gemüse, gefangenen Tauben und von einer Hühnerzucht, die sie auf der Dachterrasse wie durch Zauber beginnt, und bekritzelt die Wände in ihrer ausgedehnten Wohnung mit Tagebuchnotaten und Gedichten. Allmählich setzt sich aus Stimmen, Radioschnipseln und flüchtigen Eindrücken zusammen, was im Land geschieht. In den Jahrzehnten, die Ludovica verborgen verbringt, kreuzen sich die Wege von Opfern und Tätern, den Beteiligten an der Revolution, ihren Profiteuren und Feinden. Bis sie alle eines Tages erneut vor der Mauer in dem wieder glanzvollen Apartmenthaus stehen. José Eduardo Agualusa hat mit seinem wunderbaren, dicht und spannend gewobenen Roman, der das Fantastische der Wirklichkeit und eine Art höhere Gerechtigkeit beschwört, unvergessliche Szenen geschaffen, tragisch, komisch, grotesk. Dieser Roman feiert die Kunst des Erzählens selbst.
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José Eduardo Agualusa, 1960 in Huambo/Angola geboren, studierte Agrarwissenschaft und Forstwirtschaft in Lissabon. Seine Gedichte, Erzählungen und Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, für seinen Roman "Ein Stein unter Wasser" (1999) erhielt er den Grande Prémio de Literatura da RTP. Auf Deutsch erschienen die Romane "Die Frauen meines Vaters", "Barroco Tropical" und "Das Lachen des Geckos", für den er 2007 den britischen Independent Foreign Fiction Prize erhielt. "Eine allgemeine Theorie des Vergessens" stand auf der Shortlist des Man Booker International Prize 2016. Agualusa lebt als Schriftsteller und Journalist in Portugal, Angola und Brasilien.
Produktdetails
- Verlag: Beck
- Originaltitel: Teoria Geral do Esquecimento
- Seitenzahl: 197
- Erscheinungstermin: 21. Juli 2017
- Deutsch
- Abmessung: 209mm x 138mm x 20mm
- Gewicht: 311g
- ISBN-13: 9783406713408
- ISBN-10: 3406713408
- Artikelnr.: 48001066
Herstellerkennzeichnung
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Hungern im Haus der Beneideten
José Eduardo Agualusas Roman "Eine allgemeine Theorie des Vergessens"
Luanda, die Hauptstadt der einst portugiesischen Kolonie Angola, führt die jüngste Rangliste der teuersten Städte für ins Ausland entsandte Angestellte an. Die Acht-Millionen-Metropole am Atlantik gilt dank des angolanischen Öl- und Diamantenreichtums als Eldorado des globalen Kapitalismus. Ein Mix aus Hunderten, oft von Chinesen hochgezogenen Wolkenkratzern, Wellblechhütten und einigen Kolonialbauten bestimmt das Stadtbild, dazu Verkehrschaos, Lärm rund um die Uhr, Gestank und ständige Stromausfälle.
"Es ist eine sehr, sehr, sehr aggressive Stadt", sagt José Eduardo Agualusa, einer der bekanntesten
José Eduardo Agualusas Roman "Eine allgemeine Theorie des Vergessens"
Luanda, die Hauptstadt der einst portugiesischen Kolonie Angola, führt die jüngste Rangliste der teuersten Städte für ins Ausland entsandte Angestellte an. Die Acht-Millionen-Metropole am Atlantik gilt dank des angolanischen Öl- und Diamantenreichtums als Eldorado des globalen Kapitalismus. Ein Mix aus Hunderten, oft von Chinesen hochgezogenen Wolkenkratzern, Wellblechhütten und einigen Kolonialbauten bestimmt das Stadtbild, dazu Verkehrschaos, Lärm rund um die Uhr, Gestank und ständige Stromausfälle.
"Es ist eine sehr, sehr, sehr aggressive Stadt", sagt José Eduardo Agualusa, einer der bekanntesten
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lusophonen Schriftsteller, Nachkomme der kolonialen angolanischen Oberschicht aus Portugal, heute zumeist in Lissabon lebend. Aber er fügt hinzu: "Luanda hat eine ganz besondere Energie, eine Kraft, eine Stärke. Hierher kommen Abenteurer aus der ganzen Welt, aber auch Leute vom Land mit ihrer eigenen Mythologie. Es reicht, um auf die Straße zu gehen und mit den Leuten zu sprechen, um unglaubliche Geschichten zu finden."
Eine dieser unglaublichen Geschichten erzählt Agualusa auf beeindruckende Weise in seinem nun auf Deutsch vorliegenden Roman "Eine allgemeine Theorie des Vergessens". Die schüchterne Portugiesin Ludovica (oder Ludo) lebt mit ihrer Schwester und deren Mann im obersten Stockwerk eines eleganten Hochhauses, dem "Haus der Beneideten" in Luanda, als Angola 1975 unabhängig wird. Die drei stehen kurz vor der Ausreise, doch Schwester und Schwager verschwinden plötzlich spurlos. Ludo erschießt in Notwehr einen Einbrecher, den sie anschließend auf der Dachterrasse verscharrt, und mauert die Eingangstür zum Apartment zu. Fortan lebt sie für dreißig Jahre abgeschnitten von der Außenwelt in der Wohnung: Nur der Hund Fantasma leistet ihr bis zu seinem Tod Gesellschaft. Sie versorgt sich zunächst aus den umfangreichen in der Wohnung gelagerten Vorräten, später baut sie auf der Terrasse Gemüse an, stiehlt mit Hilfe eines Seils Hühner von den Nachbarn und fängt Tauben. Gleichwohl ist der Hunger Ludos ständiger Begleiter.
"Die Tage verrinnen wie Flüssigkeit. Ich habe kein Heft mehr, um hineinzuschreiben. Ich habe auch keine Stifte mehr. Ich schreibe mit Kohle die Wände voll. Kurze Verse. Ich spare an Essen, an Wasser, an Feuer und Adjektiven." Das schreibt Ludo tatsächlich an die Wand: Tagebucheinträge und Gedichte. Später notiert sie: "Alle Wände in der Wohnung sind mein Mund." Unten auf den Straßen spielen sich derweil die Dramen des unabhängigen Angolas ab: Bürgerkrieg, Gewalt, Verrat, Korruption, Mangel, Zerfall der öffentlichen Ordnung, geschmeidige ideologische Seitenwechsel, massive soziale Gegensätze, aber auch Menschlichkeit, Solidarität und Liebe.
Diese Dramen erfahren die Leser durch zahlreiche in den Roman eingebaute Nebenstränge und -figuren. Letztere sind allesamt durch Gewalterfahrungen geprägt: die von Opfern, vor allem aber die von Tätern, die Gewalt in der Annahme ausüben, für das Richtige einzustehen. So der Soldat und Geheimdienstoffizier Montes, der portugiesische Söldner exekutieren lässt und abtrünnige "Linksabweichler" ins Gefängnis sperrt. Und am Ende vom Dach fällt, als er versucht, eine Satellitenschüssel zu befestigen. "Der frühere Agent der Staatssicherheit, letzter Repräsentant einer Vergangenheit, an die sich in Angola nur wenige gerne erinnern, war von der Zukunft erschlagen worden; die freie Kommunikation hatte gesiegt, über den Obskurantismus, das Schweigen und die Zensur." Auf Montes' Todesliste steht lange der Journalist Daniel Benchimol, der unter dem Regime verschwundene Personen sucht. Und da ist der Straßenjunge Sabalu, der schließlich in Ludos Wohnung eindringt. Alle Handlungsfäden und Geschichten dieser und anderer Figuren werden in einem fulminanten Finale zusammengefügt.
Agualusa ist ein versierter, stellenweise brillanter, oft lakonischer Erzähler. Und wie nebenbei, auf gleichsam unaufdringliche Weise enthält der Roman nicht nur einen Abriss der nachkolonialen Geschichte Angolas, sondern thematisiert überdies die Tatsache, dass der Bürgerkrieg, der das Land über nahezu drei Jahrzehnte zerrüttete, bis heute nicht aufgearbeitet ist.
Am Ende des Romans sagt Ludo: "Man kann Fehler nicht wiedergutmachen. Vielleicht muss man sie einfach vergessen. Wir sollten das Vergessen üben." Man könnte dies als ein - nicht unproblematisches - Plädoyer für eine Politik des Vergebens und Vergessens lesen. Ist das Vergessen im Titel des Romans etwas, das überwunden oder akzeptiert werden soll? Einfache Antworten liefert das Buch jedenfalls nicht.
ANDREAS ECKERT.
José Eduardo Agualusa: "Eine allgemeine Theorie des Vergessens". Roman.
Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. Verlag C. H. Beck, München 2017. 197 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine dieser unglaublichen Geschichten erzählt Agualusa auf beeindruckende Weise in seinem nun auf Deutsch vorliegenden Roman "Eine allgemeine Theorie des Vergessens". Die schüchterne Portugiesin Ludovica (oder Ludo) lebt mit ihrer Schwester und deren Mann im obersten Stockwerk eines eleganten Hochhauses, dem "Haus der Beneideten" in Luanda, als Angola 1975 unabhängig wird. Die drei stehen kurz vor der Ausreise, doch Schwester und Schwager verschwinden plötzlich spurlos. Ludo erschießt in Notwehr einen Einbrecher, den sie anschließend auf der Dachterrasse verscharrt, und mauert die Eingangstür zum Apartment zu. Fortan lebt sie für dreißig Jahre abgeschnitten von der Außenwelt in der Wohnung: Nur der Hund Fantasma leistet ihr bis zu seinem Tod Gesellschaft. Sie versorgt sich zunächst aus den umfangreichen in der Wohnung gelagerten Vorräten, später baut sie auf der Terrasse Gemüse an, stiehlt mit Hilfe eines Seils Hühner von den Nachbarn und fängt Tauben. Gleichwohl ist der Hunger Ludos ständiger Begleiter.
"Die Tage verrinnen wie Flüssigkeit. Ich habe kein Heft mehr, um hineinzuschreiben. Ich habe auch keine Stifte mehr. Ich schreibe mit Kohle die Wände voll. Kurze Verse. Ich spare an Essen, an Wasser, an Feuer und Adjektiven." Das schreibt Ludo tatsächlich an die Wand: Tagebucheinträge und Gedichte. Später notiert sie: "Alle Wände in der Wohnung sind mein Mund." Unten auf den Straßen spielen sich derweil die Dramen des unabhängigen Angolas ab: Bürgerkrieg, Gewalt, Verrat, Korruption, Mangel, Zerfall der öffentlichen Ordnung, geschmeidige ideologische Seitenwechsel, massive soziale Gegensätze, aber auch Menschlichkeit, Solidarität und Liebe.
Diese Dramen erfahren die Leser durch zahlreiche in den Roman eingebaute Nebenstränge und -figuren. Letztere sind allesamt durch Gewalterfahrungen geprägt: die von Opfern, vor allem aber die von Tätern, die Gewalt in der Annahme ausüben, für das Richtige einzustehen. So der Soldat und Geheimdienstoffizier Montes, der portugiesische Söldner exekutieren lässt und abtrünnige "Linksabweichler" ins Gefängnis sperrt. Und am Ende vom Dach fällt, als er versucht, eine Satellitenschüssel zu befestigen. "Der frühere Agent der Staatssicherheit, letzter Repräsentant einer Vergangenheit, an die sich in Angola nur wenige gerne erinnern, war von der Zukunft erschlagen worden; die freie Kommunikation hatte gesiegt, über den Obskurantismus, das Schweigen und die Zensur." Auf Montes' Todesliste steht lange der Journalist Daniel Benchimol, der unter dem Regime verschwundene Personen sucht. Und da ist der Straßenjunge Sabalu, der schließlich in Ludos Wohnung eindringt. Alle Handlungsfäden und Geschichten dieser und anderer Figuren werden in einem fulminanten Finale zusammengefügt.
Agualusa ist ein versierter, stellenweise brillanter, oft lakonischer Erzähler. Und wie nebenbei, auf gleichsam unaufdringliche Weise enthält der Roman nicht nur einen Abriss der nachkolonialen Geschichte Angolas, sondern thematisiert überdies die Tatsache, dass der Bürgerkrieg, der das Land über nahezu drei Jahrzehnte zerrüttete, bis heute nicht aufgearbeitet ist.
Am Ende des Romans sagt Ludo: "Man kann Fehler nicht wiedergutmachen. Vielleicht muss man sie einfach vergessen. Wir sollten das Vergessen üben." Man könnte dies als ein - nicht unproblematisches - Plädoyer für eine Politik des Vergebens und Vergessens lesen. Ist das Vergessen im Titel des Romans etwas, das überwunden oder akzeptiert werden soll? Einfache Antworten liefert das Buch jedenfalls nicht.
ANDREAS ECKERT.
José Eduardo Agualusa: "Eine allgemeine Theorie des Vergessens". Roman.
Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. Verlag C. H. Beck, München 2017. 197 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein unglaublich gutes Buch."
Helmut Zechner von der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt
"Ein Roman wie ein Film."
Manfred Loimeier, Neues Deutschland, 25. November 2017
"Dank seiner schwerelosen, auf Aussparungen gründenden Prosa gelingt es Agualusa auch, Angola auf die literarische Landkarte zu heben."
Patrick Straumann, Neue Zürcher Zeitung, 25. November 2017
"Ein versierter, stellenweise brillanter, oft lakonischer Erzähler."
Andreas Eckert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06. September 2017
"Verhandelt äußerst humor- und liebevoll [Angolas] intime und kollektive Tragödien."
Elise Graton, taz, 02. September 2017
"Ein Meisterwerk."
Antje Liebsch, Brigitte, September 2017 "Ein Kammerspiel mit überwätigender Panoramaaussicht (...) ein Lektüreereignis."
Katrin Hillgruber, Tagesspiegel, 6. August 2017
"Melancholische Chronik eines Landes, konzentriert erzählt, genussvoll zu lesen und hervorragend ins Deutsche übersetzt."
Holger Ehling, Buchkultur, August/September 2017
Helmut Zechner von der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt
"Ein Roman wie ein Film."
Manfred Loimeier, Neues Deutschland, 25. November 2017
"Dank seiner schwerelosen, auf Aussparungen gründenden Prosa gelingt es Agualusa auch, Angola auf die literarische Landkarte zu heben."
Patrick Straumann, Neue Zürcher Zeitung, 25. November 2017
"Ein versierter, stellenweise brillanter, oft lakonischer Erzähler."
Andreas Eckert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06. September 2017
"Verhandelt äußerst humor- und liebevoll [Angolas] intime und kollektive Tragödien."
Elise Graton, taz, 02. September 2017
"Ein Meisterwerk."
Antje Liebsch, Brigitte, September 2017 "Ein Kammerspiel mit überwätigender Panoramaaussicht (...) ein Lektüreereignis."
Katrin Hillgruber, Tagesspiegel, 6. August 2017
"Melancholische Chronik eines Landes, konzentriert erzählt, genussvoll zu lesen und hervorragend ins Deutsche übersetzt."
Holger Ehling, Buchkultur, August/September 2017
Das Buch "Eine allgemeine Theorie des Vergessens" von José Eduardo Agualusa hat einen Umfang von 197 Seiten und ist bei C.H. Beck erschienen.
In der Ebookausgabe ist das Werk übersichtlich gegliedert und gut zu lesen. Auch als Hardcoverausgabe erhältlich.
Eine …
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Das Buch "Eine allgemeine Theorie des Vergessens" von José Eduardo Agualusa hat einen Umfang von 197 Seiten und ist bei C.H. Beck erschienen.
In der Ebookausgabe ist das Werk übersichtlich gegliedert und gut zu lesen. Auch als Hardcoverausgabe erhältlich.
Eine Geschichte die halb Wahrheit und halb Fiktion entspricht. Ludovica mauert sich am Abend der angolanischen Revolution für dreißig Jahre in ihrer Wohnung eines Hochhauses ein, nachdem sie einen Einbrecher erschossen hat.
Die Sprache des Autors ist sehr nüchtern, dennoch schafft er es mit seinem Schreibstil den Leser in einen Bann zu ziehen. Das Werk ist erschütternd, einfach unglaublich, teilweise grotesk. Eine Revolution nachempfinden zu können, ist schier unmöglich, wenn man so etwas nicht selbst bereits erlebt hat, aber das ein Mensch sich aus Angst tatsächlich dreißig Jahre lang isoliert und einmauert sprengt den Menschenverstand. Wie mag sich Ludovica in all der Zeit gefühlt haben, was ging ihr durch den Kopf, wie war ihr Leben in der Einsamkeit? Sie hat die Entwicklung und das Ende der Revolution nicht mitbekommen. In ihrer Wohnung ist die Zeit stehen geblieben. Durch ein Trauma und durch die Verkettung von mehreren Ereignissen ist das Unfassbare geschehen, was jedem tief traumatisierten Menschen genauso wiederfahren könnte in einer solchen Ausnahmesituation. Die sich selbst eingemauerte Ludovica gab es tatsächlich. Die Geschichte im Buch ist jedoch halbe Fiktion, da der Autor aus den Fakten für sich ein stimmiges Werk mit Worten zauberte. Dies ist ihm sehr gut gelungen. Er hat authentisch Ludovicas Geschichte mit der Revolution, sowie den Beteiligten verknüpft und aus vielen Puzzleteilen ein Bild gezeichnet, welches tatsächlich der Wahrheit nahe kommen könnte. Großartig!
Fazit: Ein unglaublich tiefgehendes, berührendes Buch, welches noch lange in Erinnerung bleibt. Die nüchterne Sprache des Autors, schafft es den Leser zu fesseln. Er verknüpft authentisch Ludovicas Geschichte mit der angolanischen Revolution und den Beteiligten. Wie nah er der Realität mit seinem Werk kommt, vermag ich nicht zu sagen, aber es fühlt sich alles sehr stimmig an. Großartiges Werk!
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Anders als erwartet, dennoch schön
Die Portugiesin Ludovica „Ludo“ zieht zu Ihrer Schwester nach Angola. Doch da bricht nun, 1975, die Revolution aus und Ludos Schwester verlässt mit ihrem Mann das Land. In der darauffolgenden Nacht wird Ludo überfallen. Sie …
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Anders als erwartet, dennoch schön
Die Portugiesin Ludovica „Ludo“ zieht zu Ihrer Schwester nach Angola. Doch da bricht nun, 1975, die Revolution aus und Ludos Schwester verlässt mit ihrem Mann das Land. In der darauffolgenden Nacht wird Ludo überfallen. Sie erschießt den Eindringling und begräbt ihn auf der Dachterrasse. Anschließend verlässt Ludo die Wohnung nicht mehr – für 30 Jahre.
Ich hatte etwas anderes erwartet. Ich dachte es geht um Ludo, die sich selbst einsperrt und der Leser kann miterleben, wie sie die 30 Jahre „Gefangenschaft“ verbringt. Doch (leider) geht es zum Großteil auch um andere Menschen. Ihre Geschichten werden ebenfalls erzählt und am Ende verbindet sich einiges. Diese Geschichten waren auch recht nett. Allerdings hatte ich Probleme mit den Namen. Irgendwie konnte ich mir nie merken, wer wer ist. Und was er nun gemacht hat. Meist konnte man auch erst nach einigen Zeilen eines neuen Kapitels merken, mit wem man es zu tun hat. Leider fand ich die Charaktere nicht sonderlich ausgearbeitet. Eigentlich hat man mehr über ihr Handeln, als über ihr Gefühle, Gedanken und ihren Charakter erfahren. Wirklich hineinversetzen konnte ich mich in keinen der Charaktere, somit konnte auch keine Sympathie entstehen.
Über Angola und seine Revolution habe ich noch nie etwas gehört. Somit war das für mich völliges Neuland. Leider werden hier keine/kaum Hintergrundinformationen vermittelt und so habe ich immer noch keine Ahnung von der Revolution in Angola. Das fand ich etwas schade. Das Wissen muss ich mir nun wohl selbst zusammenrecherchieren.
Der Schreibstil war angenehm und das Lesen viel mir leicht. Der Autor kommt auf den Punkt und schweift nicht ab. Allerdings war stellenweise die wörtliche Rede nicht durch Anführungszeichen und Personenbenennungen markiert, wodurch diese etwas unterging.
Dieser Roman ist von einem leichten afrikanischen Zauber umgeben, auch wenn ich nicht festmachen kann, woran das liegt. Mir hat dieses Buch gefallen, allerdings konnte es mich nicht vom Hocker reißen. Mir hat es etwas an Hintergrundwissen gefehlt und die einzelnen Handlungen waren mir zu verwirrend und verworren, dennoch war es am Ende eine runde Geschichte, so dass ich drei von fünf Sternen vergebe.
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Ludovica, eine etwas schräge und menschenscheue junge Frau, lebt mit ihrer Schwester Odete und ihrem Schwager Orlando in Angola. Als die Revolution ausbricht und der Orlando die Flucht für alle drei plant, wird sie offenbar irgendwie vergessen. Wenige Tage später bedrohen sie …
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Ludovica, eine etwas schräge und menschenscheue junge Frau, lebt mit ihrer Schwester Odete und ihrem Schwager Orlando in Angola. Als die Revolution ausbricht und der Orlando die Flucht für alle drei plant, wird sie offenbar irgendwie vergessen. Wenige Tage später bedrohen sie Männer an der Tür, Orlando habe Diamanten, die er illegal erworben habe, in der Wohnung versteckt. Im Handgemenge tötet Ludovica einen von ihnen. Die Leichte beseitigt sie kurzerhand in einem Beet auf der Dachterrasse und, um nicht weiter von unliebsamen Besuchern gestört zu werden, mauert sie auch noch die Eingangstür zu. Dreißig Jahre wird sie nun im 11. Stock eines Hauses sitzen, sich von Vorräten und kleiner Ernte, sowie Tauben, die sie gelegentlichen einfängt, ernähren. Das Leben in Angola geht derweil seinen Weg, ohne dass sie davon etwas mitbekommt. Einige kommen zu Geld, andere versuchen auf der Straße zu überleben. Doch es kommt der Tag, an dem die Welt plötzlich in Ludovicas selbstgewählte Isolation einbricht.
Der angolanische Autor José Eduardo Agualusa hat ein fantastisches Werk geschaffen, das nicht ganz den typischen europäischen Erzählmustern folgt. Was als Drehbuch für einen Film seinen Anfang nahm, endete in einem wundersamen Roman, der 2016 auf der Shortlist des Man Booker International Prize stand und den angesehenen International Dublin Literary Award 2017 erhielt und sich dort gegen angesehene Autoren wie Margaret Atwood oder Orhan Pamuk durchsetzte.
Im Zentrum der Handlung steht Ludovica, deren Charakter zunächst seltsam bis widersprüchlich erscheint. Einerseits auf die Unterstützung von Schwester und Schwager angewiesen, zeigt sie sich doch pragmatisch-anpackend als es um ihr Überleben geht. Wie sie sich ihre eigene kleine Welt schafft, ist kurios bis bewundernswert. Einfallsreich löst sie ihr Versorgungsproblem, mit wiederkehrenden Strom- und Wasserausfällen geht sie gelassen um. Der Kontakt zur Außenwelt scheint ihr nicht weiter wichtig zu sein, erst als ein Junge in ihre Wohnung eindringt, spricht sie nach dreißig Jahren erstmals wieder mit einem Menschen. Was zu diesem Charakter geführt hat, erfährt man erst gegen Ende des Romans und ihr persönliches Schicksal erscheint nicht ganz in einem anderen Licht, aber doch erklärlich.
Um sie herum konstruiert Agualusa zahlreiche Nebenhandlungen, die ebenfalls von bunter Natur sind und bisweilen fast slapstickartige Züge haben. Ein starker Kontrast zur Isolation, der aber vermutlich das rege Treiben der Hauptstadt sehr gut darstellt. Man trifft Figuren, die Glück haben, andere haben Pech, manche sind clever, wieder andere werden Opfer des Schicksals. Es werden Lügen erzählt und wieder aufgelöst – kurz gesagt: das weltliche Treiben in allen Facetten findet Eingang, ohne dass sich die Logik und Verbindung zur Protagonistin direkt offenbaren würde. Aber hier kommt die Kunst des wahren Erzählers zum Vorschein: Agualusa führt alle noch so verschlungenen Wege zusammen und die Notwendigkeit, diese zunächst nebensächlich erscheinenden Geschichten zu erzählen, wird offenkundig. Eine ganz und gar fantastische Lösung.
Allerdings ist es nicht nur die faszinierende Persönlichkeit Ludovicas und die formvollendete Zusammenführung aller Erzählstränge, die einem beim Lesen begeistert. José Eduardo Agualusa findet treffende Formulierungen, in denen kein Wort zu viel ist und die punktgenau die Realität einfangen. Hier gehört dem Übersetzer Michael Kegler ein großes Lob. Daneben gibt es kurze Szenen, die nur wenige Sätze umfassen, die einem als Leser stocken lassen, ob der unglaublichen Grausamkeit, die sie in sich tragen. An diesem Stellen wir einem besonders bewusst, dass man sich in einem afrikanischen Land aufhält und unsere Werte und Normen vielleicht nicht anwendbar sind. Diese Brüche, die einem zum Nachdenken zwingen, machen den Unterschied zwischen einem unterhaltsamen Buch und bemerkenswerter Literatur.
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