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Kein Mensch ist vor den Momenten sicher, die alles von Grund auf ändernWas würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner Mutter, das rätselhafte Verschwinden seines Vaters. All seine Fragen dazu blieben unbeantwortet, weshalb er noch als Erwachsener vorsichtig tastend durchs Leben geht. Ein melancholischer Eigenbrötler, der sich in einer stillen Existenz eingerichtet hat. Als Johannes in einer alten Kiste auf einen Brief stößt - adressiert an seinen Vater und abgeschickt nur...
Kein Mensch ist vor den Momenten sicher, die alles von Grund auf ändern
Was würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner Mutter, das rätselhafte Verschwinden seines Vaters. All seine Fragen dazu blieben unbeantwortet, weshalb er noch als Erwachsener vorsichtig tastend durchs Leben geht. Ein melancholischer Eigenbrötler, der sich in einer stillen Existenz eingerichtet hat. Als Johannes in einer alten Kiste auf einen Brief stößt - adressiert an seinen Vater und abgeschickt nur wenige Tage, bevor dieser den Sohn wortlos verlassen hatte -, verändert dieser Fund nicht nur seine Zukunft, sondern vor allem seine Vergangenheit als Kind der Vorwende-DDR. Seine Erinnerungen sortieren sich neu und mit ihnen sein Blick auf das eigene Leben.
In eindringlicher Dichte und mit kraftvoller Klarheit erzählt Matthias Jügler von Verlust und Verrat, vom Wert des Erinnerns und den drängenden Fragen einer ganzen Generation. Ein warmherziger, leuchtender Roman von außergewöhnlicher sprachlicher Intensität.
Ausgezeichnet mit dem Klopstock-Preis für neue Literatur 2022 des Landes Sachsen-Anhalt für das literarische Gesamtwerk
Was würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner Mutter, das rätselhafte Verschwinden seines Vaters. All seine Fragen dazu blieben unbeantwortet, weshalb er noch als Erwachsener vorsichtig tastend durchs Leben geht. Ein melancholischer Eigenbrötler, der sich in einer stillen Existenz eingerichtet hat. Als Johannes in einer alten Kiste auf einen Brief stößt - adressiert an seinen Vater und abgeschickt nur wenige Tage, bevor dieser den Sohn wortlos verlassen hatte -, verändert dieser Fund nicht nur seine Zukunft, sondern vor allem seine Vergangenheit als Kind der Vorwende-DDR. Seine Erinnerungen sortieren sich neu und mit ihnen sein Blick auf das eigene Leben.
In eindringlicher Dichte und mit kraftvoller Klarheit erzählt Matthias Jügler von Verlust und Verrat, vom Wert des Erinnerns und den drängenden Fragen einer ganzen Generation. Ein warmherziger, leuchtender Roman von außergewöhnlicher sprachlicher Intensität.
Ausgezeichnet mit dem Klopstock-Preis für neue Literatur 2022 des Landes Sachsen-Anhalt für das literarische Gesamtwerk
Matthias Jügler, geboren 1984 in Halle/Saale, studierte Skandinavistik und Kunstgeschichte in Greifswald sowie Oslo und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Für seine Romane wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2022 mit dem Klopstock-Preis für Literatur des Landes Sachsen-Anhalt, 2024 mit dem Rheingau Literatur Preis. 'Maifliegenzeit' (2024) stand auf der Shortlist des Evangelischen Buchpreises 2025. Jügler lebt in Leipzig, wo er auch als freier Lektor arbeitet.
Produktdetails
- Verlag: Penguin Verlag München
- Originalausgabe
- Seitenzahl: 176
- Erscheinungstermin: 1. März 2021
- Deutsch
- Abmessung: 207mm x 134mm x 22mm
- Gewicht: 286g
- ISBN-13: 9783328601616
- ISBN-10: 3328601619
- Artikelnr.: 60483321
Herstellerkennzeichnung
Penguin Verlag
Neumarkter Straße 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Claudia Ingenhoven ist beeindruckt von Matthias Jüglers Roman nach einer wahren Begebenheit. Das Thema des Buches ist laut Ingenhoven das Nachwirken der Erfahrung von Verrat und Flucht durch die Generationen. Die Geschichte, an der Jügler das exemplifiziert, hat der Autor direkt aus den Archiven der Stasi, erklärt die Rezensenten. Dass der Autor das nicht verdeckt, sondern im Gegenteil den Wortlaut der Dokumente in den Text übernimmt, scheint zu funktionieren. Wie der Ich-Erzähler sich selbst und dem Leser rückblickend auf seine Kindheit und den verschwundenen Vater die Zusammenhänge langsam erschließt, findet Ingenhoven lesenswert.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Nicht einmal in der Datsche war man unbeobachtet
Lähmendes Schweigen: Matthias Jügler erzählt in "Die Verlassenen" vom finsteren Erbe, das die Stasi hinterlassen hat
Gerade einmal 170 Seiten umfasst der Roman "Die Verlassenen" des 1984 in Halle geborenen Matthias Jügler - konsequenterweise, denn nicht alle Leerstellen der ungeheuerlichen Geschichte, die sein Erzähler rekonstruiert, lassen sich rückblickend schließen. Denn es geht nicht um Verdrängtes, sondern um willkürlich Verschleiertes. Was dem Erzähler, einem jungen Mann, der gerade selbst eher widerstrebend eine Familie gegründet hat, geblieben ist, sind die Erinnerungen an schmerzhafte biographische Zäsuren: der frühe Tod der Mutter, das plötzliche, nicht
Lähmendes Schweigen: Matthias Jügler erzählt in "Die Verlassenen" vom finsteren Erbe, das die Stasi hinterlassen hat
Gerade einmal 170 Seiten umfasst der Roman "Die Verlassenen" des 1984 in Halle geborenen Matthias Jügler - konsequenterweise, denn nicht alle Leerstellen der ungeheuerlichen Geschichte, die sein Erzähler rekonstruiert, lassen sich rückblickend schließen. Denn es geht nicht um Verdrängtes, sondern um willkürlich Verschleiertes. Was dem Erzähler, einem jungen Mann, der gerade selbst eher widerstrebend eine Familie gegründet hat, geblieben ist, sind die Erinnerungen an schmerzhafte biographische Zäsuren: der frühe Tod der Mutter, das plötzliche, nicht
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erklärte Verschwinden des Vaters, eines Schriftstellers, einige Jahre darauf, schließlich das Sterben der Großmutter, bei der er nach dem Weggang des Vaters lebte.
Jahrzehnte später wird durch einen Zufallsfund der Verlust der Eltern schlagartig zu einer vollkommen anderen Geschichte. Es beeindruckt nachhaltig, wie Matthias Jügler diese Geschichte ebenso konzise und unaufgeregt wie gleichermaßen eindrücklich und eindringlich zu erzählen versteht. Gebannt folgt man einer sukzessiven Enthüllung, wobei die Spannung, die "Die Verlassenen" grundiert und die durch das Prinzip von Ankündigung und retardierendem Moment intensiviert wird, kein dramaturgischer Selbstzweck ist, sondern vielmehr der Psychologie des Erzählers entspricht, der das, was seiner Familie widerfahren ist, nur stockend begreifen zu können scheint.
An dieser Stelle sei es abgekürzt: Matthias Jügler erzählt von dem gewaltsamen Einbruch einer undemokratischen Politik in die Privatsphäre, von den Machenschaften der Staatssicherheit, die Ideologie nicht nur über das Recht auf Freiheit, sondern auch über die Menschenwürde und das Menschenleben stellte. Und er erzählt damit von einem düsteren Erbe, das die DDR hinterlassen hat und das sich in die Biographien nachfolgender Generationen eingeschrieben hat, umso mehr, je weniger es Gegenstand innerfamiliären und öffentlichen Gesprächs ist. "Die Verlassenen" heißt Jüglers Roman, nicht "Der Verlassene" - der Plural lässt sich als Verweis darauf lesen, dass er keineswegs ein tragisches Einzelschicksal erzählen will, sondern ein symptomatisches, wenngleich drastisches.
Der authentisch anmutenden, aber fiktiven Stasi-Unterlagen und der handschriftlichen Gefälligkeitsbekundungen eines IM, die dem Text eingefügt sind, hätte es gar nicht bedurft als Realitätsversicherung; dennoch versehen sie den Roman mit einer zusätzlichen finsteren Unterspur. Mehr noch leistet das der Dank im Impressum für Bilder und Inspiration, der dem ostdeutschen Künstlerpaar Grita und Mario Götze und deren Tochter gilt.
Matthias Jügler thematisiert aber nicht nur eine Schuld, die jene eines Systems oder dessen unmittelbarer Handlanger ist. Es geht um mehr, um das Gesamtgefüge. Die Gesellschaft, die "Die Verlassenen" in den Blick nimmt, ist bestimmt vom Schweigen - und das in einem ebenso grundsätzlichen wie bleischweren Sinn. Nicht nur geht der Vater des Erzählers, ohne sich je wieder bei seinem Sohn zu melden. Auch die Großmutter, gleichwohl sie sich um den Jungen kümmert und die beiden sich nahe sind, belegt das Verschwinden des Vaters bald mit einem unausgesprochenen Redeverbot, nachdem zunächst noch mehr oder weniger halbherzig von beruflichen Reisen, zu denen dieser gezwungen gewesen sei, gesprochen wird.
Kaum anderes als Schweigen begegnet dem Jungen auch in der Schule, wo zwar alle wissen, dass er ohne Eltern lebt, aber niemand ihn darauf anspricht. Im Englischunterricht, als er die Formel "an elephant in the room" übersetzen soll, wird ihm das Tönende dieser Stummheit zum ersten Mal mit aller Macht bewusst. Dass der Junge sich das Schweigen fortan aneignet, sich abkapselt von seiner Umgebung, mit der ein wirklicher Austausch ohnehin nicht möglich scheint, kann kaum verwundern. Von trauriger Logik wiederum muten die Symptome an, die ihn mehr als ein Jahr nach dem wortlosen Verschwinden des Vaters zu quälen beginnen: Lähmende Müdigkeit und Erschöpfung befallen ihn, der bald kaum mehr das Bett verlassen kann. Die konsultierten Ärzte sind ratlos. Aber welche körperliche Diagnose hätte man finden sollen?
Zu einer der schönsten Episode in Jüglers Roman zählt jene, als der bald Volljährige nach dem Tod der Großmutter zum ersten Mal die Kraft aufbringen kann, an den Sehnsuchtsort seiner Kindheit zurückzukehren: in jene Datsche, in der er mit dem Vater die Sommer verbrachte - nicht wissend, dass das auch der Ort war, an dem seine Eltern sich mit anderen regimekritischen Intellektuellen und Künstlern trafen. Der Traum von einem autarken Leben, autark vor allem von den Verletzungen, die ihm zugefügt wurden, lässt den Jungen Tage voller Energie verbringen: Er streicht das Häuschen, pflanzt Kartoffeln. Der Außenseiter kommt sogar auf die Idee, eine Feier zu seinem achtzehnten Geburtstag zu organisieren. Der Auf- und Ausbruchsversuch scheitert auf ganzer Linie, und das nicht nur, weil die Kartoffeln nicht gedeihen wollen.
Es ist der Zufallsfund - den man womöglich als ein wenig konstruiert bekritteln könnte -, der den Erzähler schließlich zu einer Reise nach Norwegen aufbrechen lässt. Auf wen er dort trifft und ob er sein von Kindheit an aus der Bahn geworfenes Leben wieder wird kalibrieren können, soll an dieser Stelle offenbleiben und einmal mehr zur Lektüre dieses Romans einladen.
WIEBKE POROMBKA
Matthias Jügler: "Die Verlassenen", Roman.
Penguin Verlag, München 2021. 176 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jahrzehnte später wird durch einen Zufallsfund der Verlust der Eltern schlagartig zu einer vollkommen anderen Geschichte. Es beeindruckt nachhaltig, wie Matthias Jügler diese Geschichte ebenso konzise und unaufgeregt wie gleichermaßen eindrücklich und eindringlich zu erzählen versteht. Gebannt folgt man einer sukzessiven Enthüllung, wobei die Spannung, die "Die Verlassenen" grundiert und die durch das Prinzip von Ankündigung und retardierendem Moment intensiviert wird, kein dramaturgischer Selbstzweck ist, sondern vielmehr der Psychologie des Erzählers entspricht, der das, was seiner Familie widerfahren ist, nur stockend begreifen zu können scheint.
An dieser Stelle sei es abgekürzt: Matthias Jügler erzählt von dem gewaltsamen Einbruch einer undemokratischen Politik in die Privatsphäre, von den Machenschaften der Staatssicherheit, die Ideologie nicht nur über das Recht auf Freiheit, sondern auch über die Menschenwürde und das Menschenleben stellte. Und er erzählt damit von einem düsteren Erbe, das die DDR hinterlassen hat und das sich in die Biographien nachfolgender Generationen eingeschrieben hat, umso mehr, je weniger es Gegenstand innerfamiliären und öffentlichen Gesprächs ist. "Die Verlassenen" heißt Jüglers Roman, nicht "Der Verlassene" - der Plural lässt sich als Verweis darauf lesen, dass er keineswegs ein tragisches Einzelschicksal erzählen will, sondern ein symptomatisches, wenngleich drastisches.
Der authentisch anmutenden, aber fiktiven Stasi-Unterlagen und der handschriftlichen Gefälligkeitsbekundungen eines IM, die dem Text eingefügt sind, hätte es gar nicht bedurft als Realitätsversicherung; dennoch versehen sie den Roman mit einer zusätzlichen finsteren Unterspur. Mehr noch leistet das der Dank im Impressum für Bilder und Inspiration, der dem ostdeutschen Künstlerpaar Grita und Mario Götze und deren Tochter gilt.
Matthias Jügler thematisiert aber nicht nur eine Schuld, die jene eines Systems oder dessen unmittelbarer Handlanger ist. Es geht um mehr, um das Gesamtgefüge. Die Gesellschaft, die "Die Verlassenen" in den Blick nimmt, ist bestimmt vom Schweigen - und das in einem ebenso grundsätzlichen wie bleischweren Sinn. Nicht nur geht der Vater des Erzählers, ohne sich je wieder bei seinem Sohn zu melden. Auch die Großmutter, gleichwohl sie sich um den Jungen kümmert und die beiden sich nahe sind, belegt das Verschwinden des Vaters bald mit einem unausgesprochenen Redeverbot, nachdem zunächst noch mehr oder weniger halbherzig von beruflichen Reisen, zu denen dieser gezwungen gewesen sei, gesprochen wird.
Kaum anderes als Schweigen begegnet dem Jungen auch in der Schule, wo zwar alle wissen, dass er ohne Eltern lebt, aber niemand ihn darauf anspricht. Im Englischunterricht, als er die Formel "an elephant in the room" übersetzen soll, wird ihm das Tönende dieser Stummheit zum ersten Mal mit aller Macht bewusst. Dass der Junge sich das Schweigen fortan aneignet, sich abkapselt von seiner Umgebung, mit der ein wirklicher Austausch ohnehin nicht möglich scheint, kann kaum verwundern. Von trauriger Logik wiederum muten die Symptome an, die ihn mehr als ein Jahr nach dem wortlosen Verschwinden des Vaters zu quälen beginnen: Lähmende Müdigkeit und Erschöpfung befallen ihn, der bald kaum mehr das Bett verlassen kann. Die konsultierten Ärzte sind ratlos. Aber welche körperliche Diagnose hätte man finden sollen?
Zu einer der schönsten Episode in Jüglers Roman zählt jene, als der bald Volljährige nach dem Tod der Großmutter zum ersten Mal die Kraft aufbringen kann, an den Sehnsuchtsort seiner Kindheit zurückzukehren: in jene Datsche, in der er mit dem Vater die Sommer verbrachte - nicht wissend, dass das auch der Ort war, an dem seine Eltern sich mit anderen regimekritischen Intellektuellen und Künstlern trafen. Der Traum von einem autarken Leben, autark vor allem von den Verletzungen, die ihm zugefügt wurden, lässt den Jungen Tage voller Energie verbringen: Er streicht das Häuschen, pflanzt Kartoffeln. Der Außenseiter kommt sogar auf die Idee, eine Feier zu seinem achtzehnten Geburtstag zu organisieren. Der Auf- und Ausbruchsversuch scheitert auf ganzer Linie, und das nicht nur, weil die Kartoffeln nicht gedeihen wollen.
Es ist der Zufallsfund - den man womöglich als ein wenig konstruiert bekritteln könnte -, der den Erzähler schließlich zu einer Reise nach Norwegen aufbrechen lässt. Auf wen er dort trifft und ob er sein von Kindheit an aus der Bahn geworfenes Leben wieder wird kalibrieren können, soll an dieser Stelle offenbleiben und einmal mehr zur Lektüre dieses Romans einladen.
WIEBKE POROMBKA
Matthias Jügler: "Die Verlassenen", Roman.
Penguin Verlag, München 2021. 176 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Es beeindruckt nachhaltig, wie Matthias Jügler diese Geschichte ebenso konzise und unaufgeregt wie gleichermaßen eindrücklich und eindringlich zu erzählen versteht.« FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung, Wiebke Porombka
Ist über die DDR nicht eigentlich schon alles erzählt? Vielleicht. Auf mich übt dieses Kapitel der Geschichte dennoch einen gewissen Sog aus, sodass ich Matthias Jüglers Roman „Die Verlassenen“ gar nicht erst auf meinen SuB wandern lassen, sondern gleich gelesen …
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Ist über die DDR nicht eigentlich schon alles erzählt? Vielleicht. Auf mich übt dieses Kapitel der Geschichte dennoch einen gewissen Sog aus, sodass ich Matthias Jüglers Roman „Die Verlassenen“ gar nicht erst auf meinen SuB wandern lassen, sondern gleich gelesen habe.
Johannes wächst bei seinem Vater in Halle auf. Die Mutter ist schon vor einiger Zeit gestorben. Eines Tages bringt ihn sein Vater zu Oma und verschwindet wortlos aus seinem Leben. Als er später einen Brief findet, beginnt er, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die DDR spielt nur eine kleine Rolle, vielmehr geht es um Beziehungen von Menschen.
Matthias Jüglers Schreibstil ist sehr eingängig und entsprechend schnell hatte ich das Buch fertiggelesen. Durch gekonnt eingesetzte Zeitsprünge und dezent gesetzte Hinweise, schafft es der Autor Spannung zu erzeugen und so fiebert man bis zum Schluss der Aufklärung der damaligen Umstände in Johannes‘ Familie hin. Genau hier liegt allerdings für mich die Schwachstelle des Romans, denn mir blieben zu viele Fragen offen.
Auch die Charaktere, allen voran der Protagonist, blieben mir bis zum Schluss sehr unnahbar, sehr diffus, ihre Handlungen an einigen Stellen nicht nachvollziehbar. Dennoch konnte mich das Buch gut unterhalten. Manchmal muss man eben, wie Johannes, mit offenen Fragen leben.
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!ein Lesehighlight 2021!
Klappentext:
„Was würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner Mutter, das rätselhafte Verschwinden seines Vaters. All seine …
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!ein Lesehighlight 2021!
Klappentext:
„Was würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner Mutter, das rätselhafte Verschwinden seines Vaters. All seine Fragen dazu blieben unbeantwortet, weshalb er noch als Erwachsener vorsichtig tastend durchs Leben geht. Ein melancholischer Eigenbrötler, der sich in einer stillen Existenz eingerichtet hat. Als Johannes in einer alten Kiste auf einen Brief stößt – adressiert an seinen Vater und abgeschickt nur wenige Tage, bevor dieser den Sohn wortlos verlassen hatte –, verändert dieser Fund nicht nur seine Zukunft, sondern vor allem seine Vergangenheit als Kind der Vorwende-DDR. Seine Erinnerungen sortieren sich neu und mit ihnen sein Blick auf das eigene Leben.“
Autor Matthias Jügler hat mich mit seiner Geschichte „Die Verlassenen“ ganz tief berührt. Mit seiner punktgenauen Wortwahl und seiner Sprachmelodie ist ihm etwas ganz Großes hiermit gelungen. Die Geschichte um Johannes ist emotional in jeder Weise. Ihn hier kennenzulernen ist ein besonderer Weg, den wir Leser uns erstmal erarbeiten müssen. Wir müssen versuchen ihn mit seiner Art zu verstehen....Wer, wie er und ich, selbst in der DDR groß geworden ist, wird viele Parts in diesem Buch wiederfinden und sich daran erinnern, wie es damals war. Das war ein echter Flashback, den ich so nicht erwartet hätte (hier nur das Beispiel Kindergarten). Die Geschichte um Johannes‘ Vater ist für mich das eigentliche Mysterium und bekommt eine sanfte und bewegende Führung der besonderen Art.
Auch hier finden wir meine liebsten Buchdetails: die Zeilen und Gedanken zwischen den Sätzen, die uns der Autor fein dosiert vor die Füße legt. Johannes‘ Gedankengänge im Hier und Jetzt aber auch die Rückblicke sind extrem feinstimmig, aber auch die Qual nach dem Ungewissem, nach alle den Antworten auf die Fragen die er hat und die nie beantwortet werden. Wir erleben ihn in seiner Welt und erfahren die Hintergründe seiner Welt in einer warmherzigen, leisen Sprache. Hier ist kein Wort zu viel, keine Emotion zu wenig - hier ist alles ganz perfekt abgestimmt!
Ich hatte hiermit ein ganz perfektes und besonderes Leseerlebnis, welches mich noch lange beschäftigen wird. 5 von 5 Sterne
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DDR Nachwehen – eine Aufarbeitung
Dieser schmale Band bring mich ins Schwärmen, denn Matthias Jügler hat einen richtig guten Roman geschrieben. „Die Verlassenen“ ist zwar kein sonderlich einladender Titel und das Sujet der DDR-Aufarbeitung auch nicht innovativ, aber es …
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DDR Nachwehen – eine Aufarbeitung
Dieser schmale Band bring mich ins Schwärmen, denn Matthias Jügler hat einen richtig guten Roman geschrieben. „Die Verlassenen“ ist zwar kein sonderlich einladender Titel und das Sujet der DDR-Aufarbeitung auch nicht innovativ, aber es ist sehr gut umgesetzt und das auf knapp 170 Seiten.
Ein Mosaik, dass sich so nach und nach zusammensetzt zu einem großen Bild. Der Protagonist des Romans ist Johannes, der zu DDR Zeiten groß wird in Halle an der Saale, ungefähr 1994 mit 13 Jahren wird er bei seiner Oma vom Vater zurückgelassen, wo er doch wohl schon mit 5 Jahren seine Mutter verlor. Als Erwachsener fängt er erst an sich Gedanken zu machen und stößt auf Unerhörtes! Natürlich hatte die Stasi ihre Finger im Spiel.
Dies ist eine literarisierte wahre Geschichte, aber nicht die des Autors, sondern einer anderen Familie, die zu DDR-Zeiten von der Stasi überwacht wurden. Matthias Jügler dürfte sie für seinen Roman verwenden und hat es toll umgesetzt. Dieser wahre Hintergrund macht diesen Roman noch erschütternder. Wobei auch noch mal gesagt werden muss, dass die Stasi-Dokumente im Buch auch reine Fiktion sind.
Großartig ist wie der Ich-Erzähler Johannes modellierte. Zunächst ein zurückhaltendes Kind, was wenig hinterfragt und still ist. Dann die Entwicklungskurve mit der Neugier über die eigene Vergangenheit. Sprachlich wird auch viel vom Autor zwischen den Zeilen transportiert. Vieles bleibt ungesagt und dieses großes Schweigen der Beteiligten wird deutlich. Matthias Jügler hat diese erdrückende Stimmung, die wie eine Glocke über dem Text hängt aus meiner Sicht sehr gut beschrieben.
Eine absolute Leseempfehlung!
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