Verena Keßler
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Die Gespenster von Demmin
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Wie sehr bestimmt die Geschichte unsere Gegenwart? Verena Keßlers Debüt über die Haltlosigkeit des Erwachsenwerdens "brummt nur so vor Lebendigkeit. Traurig, witzig, abgründig - Bombe!" Stefanie de VelascoLarry lebt in einer Stadt mit besonderer Geschichte - Ende des Zweiten Weltkriegs fand in Demmin der größte Massensuizid der deutschen Geschichte statt. Für Larry ist ihre Heimatstadt aber vor allem eins: langweilig. Sie will so schnell wie möglich raus in die Welt und Kriegsreporterin werden. Während Larry mit den Unzumutbarkeiten des Erwachsenwerdens kämpft, steht einer alten Frau...
Wie sehr bestimmt die Geschichte unsere Gegenwart? Verena Keßlers Debüt über die Haltlosigkeit des Erwachsenwerdens "brummt nur so vor Lebendigkeit. Traurig, witzig, abgründig - Bombe!" Stefanie de VelascoLarry lebt in einer Stadt mit besonderer Geschichte - Ende des Zweiten Weltkriegs fand in Demmin der größte Massensuizid der deutschen Geschichte statt. Für Larry ist ihre Heimatstadt aber vor allem eins: langweilig. Sie will so schnell wie möglich raus in die Welt und Kriegsreporterin werden. Während Larry mit den Unzumutbarkeiten des Erwachsenwerdens kämpft, steht einer alten Frau der Umzug ins Seniorenheim bevor. Beim Aussortieren ihres Hausstands erinnert sie sich an das Kriegsende in Demmin und trifft eine folgenschwere Entscheidung.Mit Leichtigkeit und Witz erzählt Verena Keßler von Trauer und Einsamkeit, von Freundschaft und der ersten Liebe. Ein Roman über die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen und die Möglichkeit, sie zu überwinden.
Verena Keßler, geboren 1988 in Hamburg, lebt in Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut studierte. Ihr Debütroman Die Gespenster von Demmin wurde für zahlreiche Preise nominiert und mit dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihr bei Hanser Berlin der Roman Eva, für den sie den Literaturpreis "Der zweite Roman" erhielt.
Produktdetails
- Verlag: Hanser Berlin
- Artikelnr. des Verlages: 516/26784
- 6. Aufl.
- Seitenzahl: 240
- Erscheinungstermin: 17. August 2020
- Deutsch
- Abmessung: 130mm x 206mm x 25mm
- Gewicht: 366g
- ISBN-13: 9783446267848
- ISBN-10: 3446267840
- Artikelnr.: 59014448
Herstellerkennzeichnung
Hanser Berlin
Lehrter Straße 57 Haus 4
10557 Berlin
info@hanser.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Nicolas Freund lernt mit Verena Kesslers Debüt die Toten von Demmin kennen. Dass sie nicht fort sind, dass über dem Ort, in dem am Ende des Zweiten Weltkriegs der größte Massensuizid der deutschen Geschichte stattfand, weiterhin eine Trauer liegt, vermittelt ihm der Text mit seiner jugendlichen Protagonistin, die sich auf Spurensuche begibt, zu Themen wie Tod, Schuld und NS-Vergangenheit. Der präpotente Ton der Erzählerin kontrastiert reizvoll die dunkle Seite, die der Text aufschlägt, findet Freund. Dass Kessler weiteren Figuren im Text, einer alten Zeitzeugin der Selbstmorde von Demmin, einem syrischen Flüchtling, so wenig Raum zur Entfaltung gibt, empfindet Freund allerdings als frustrierend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Drückende Stille zwischen den Generationen
Behutsam, schlicht, genau: Verena Keßler debütiert mit dem Roman "Die Gespenster von Demmin"
Der Satz sitzt: "Es nieselt schon wieder, natürlich, wenn ich die Sonne wäre, würde ich auch woanders scheinen." Alles ist an diesem Satz ablesbar: dass die fünfzehnjährige Larissa, die sich selbst "Larry" nennt, schlagfertig ist und kurzen Prozess macht mit ihrer Umgebung, dass diese Umgebung - die Kleinstadt Demmin in Vorpommern - sie anödet und dass sie dort wenig mehr hält als die Erdanziehungskraft, dass also ihre Lebenslust hier kein Zuhause findet. Als sie sich wenig später mit Timo trifft, der die Schule nach der neunten Klasse abgebrochen hat und jetzt bei Netto Paletten
Behutsam, schlicht, genau: Verena Keßler debütiert mit dem Roman "Die Gespenster von Demmin"
Der Satz sitzt: "Es nieselt schon wieder, natürlich, wenn ich die Sonne wäre, würde ich auch woanders scheinen." Alles ist an diesem Satz ablesbar: dass die fünfzehnjährige Larissa, die sich selbst "Larry" nennt, schlagfertig ist und kurzen Prozess macht mit ihrer Umgebung, dass diese Umgebung - die Kleinstadt Demmin in Vorpommern - sie anödet und dass sie dort wenig mehr hält als die Erdanziehungskraft, dass also ihre Lebenslust hier kein Zuhause findet. Als sie sich wenig später mit Timo trifft, der die Schule nach der neunten Klasse abgebrochen hat und jetzt bei Netto Paletten
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leer räumt, fragt sie ihn wie selbstverständlich: "Willst du denn gar nicht weg von hier?"
Demmin, am Zusammenfluss von Peene, Trebel und Tollense gelegen, hält seine Jugend nicht. "Die Menschen gehen alle weg", erzählte der Filmemacher Hans Jürgen Syberberg, der nur wenige Kilometer von Demmin entfernt in Nossendorf lebt, dieser Zeitung im Frühling (F.A.Z. vom 8. Mai): "Das ist das Ende einer lebenden Kommune. Es bleiben die Alten übrig, die Jungen gehen nach der Schule sofort weg. Das ist kein normaler Zustand."
Larry, die Protagonistin in Verena Keßlers Romandebüt "Die Gespenster von Demmin", will auch weg: Kriegsreporterin - das ist ihr Lebensziel. Dafür trainiert sie Tag für Tag, lässt sich kopfabwärts vom Apfelbaum hängen, taucht ihre Hand im Winter in die fast zugefrorene Peene, immer gegen die Stoppuhr, je länger, desto besser. Kriegsreporterin sein, das hat für sie mit Schmerzunempfindlichkeit zu tun, mit einem gestählten Körper, der Folter und Entbehrung aushalten kann, nicht mit politischer Analyse, geistiger Anstrengung oder Empathie.
Larry kann man nichts vormachen: Sie durchschaut die Lebenslügen ihrer Mutter, einer Krankenschwester, die ständig neue Männer ausprobiert. Aber Larry selbst macht anderen etwas vor: das nette Mädchen nämlich, das auf dem Friedhof Müll sammelt, doch nur dann, wenn sie von den alten Frauen, die zur Grabpflege kommen, gesehen wird, weil sie ihr dann einen Fünfer zustecken. Trotzdem wird einem Larry, die manchmal Züge einer Zynikerin trägt, sympathisch, nicht nur in den zärtlichen Dialogen mit ihrem toten Bruder, der 36 Tage vor ihrer Geburt starb, auch in der Anhänglichkeit an ihren Vater wie an ihre Mutter, schließlich an die Freundin Sarina, die ihr als Kind beigebracht hatte, im Freien zu pinkeln.
Keßler kontrastiert diese pubertäre Behauptung von Lebenswillen mit der Vorbereitung der über achtzigjährigen Frau Dohlberg auf das Altersheim und das Sterben. Larry erzählt selbst in der ersten Person, über Frau Dohlberg lesen wir in der dritten. Die Kontrasterzählungen sind scharf gegeneinander geschnitten. Wenn Keßler einen Demminer Parkplatz mit dem Dänischen Bettenlager, Rossmann und Kik beschreibt, hat man Bilder wie aus einem "Tatort" oder einem "Usedom-Krimi" (gern mit unzugänglichen Problemkindern) vor Augen. Das ist alles mit sicherer Hand, klarem Blick, perfektem Timing, schmucklos, stringent und präzise gemacht.
Wie Keßler sich hineindenkt in die Welt einer Fünfzehnjährigen, das zeugt von Empathie und exakter Beobachtung. Die drückende Einsamkeit der Alten fängt sie ohne Kommentar, ohne sprachliche Gefühlsbefehle ein, und nicht weniger drückend macht sich die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen, Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln breit. Da kommen wir auch zu dem Grund, warum die Jungen wegwollen und das Buch "Die Gespenster von Demmin" heißt. Mehrere Sachbücher und der Dokumentarfilm "Über Leben in Demmin" von Martin Farkas haben bereits den Massenselbstmord von mindestens tausend Menschen in der Stadt am Ende des Zweiten Weltkriegs thematisiert, als überwiegend Frauen sich entweder erhängten, die Pulsadern aufschnitten oder gemeinsam mit ihren Kindern in der Peene ertränkten - aus Angst vor Racheakten und Vergewaltigungen durch die einrückende Rote Armee. In knappen Erinnerungsrückblenden fängt Keßler das Kindheitstrauma dieser Tage bei der alten Frau Dohlberg ein.
Durch Schlichtheit und Genauigkeit gelingt Keßler mit diesem Roman-Erstling ein Buch, das schön ist, weil es nicht groß sein will. Das heißt aber auch, dass seine stilistische Perfektion durch Kleinmut erkauft wird: Die Autorin scheut sich davor, in die Debatten der Erinnerungspolitik einzusteigen. Durch die Ich-Perspektive Larrys und die Trauma-Hemmung Frau Dohlbergs schützt sie auch sich selbst vor Reflexionen. Von den "Nazis" und ihrem "Trauermarsch" am 8. Mai grenzt sich Larry durch Desinteresse ab. Deren Motivation und Perspektive interessieren Keßler - anders als den Filmemacher Farkas - nicht. Auch die Frage, ob die Sprachlosigkeit nur mit psychischen Traumata und nicht auch mit politischen Unterlassungen - dem jahrzehntelangen Verhindern, dass die Opfererfahrung der Kinder von 1945 öffentlich Form und Sprache fand - zu tun haben könnte, liegt außerhalb des Horizonts dieses Buches.
Die Hoffnung, die es am Ende aufscheinen lässt, ist die einer ressentimentfreien und empathischen Aneignung von Geschichte, die dazu führen müsste, dass sich Lebensfreude statt der Depression fortpflanzt und dieses Leben in Demmin Geborgenheit findet. Verena Keßler hat diese Aufgabe behutsam formuliert; sie zu lösen wäre zu viel für ein Buch und einen Menschen allein.
JAN BRACHMANN
Verena Keßler:
"Die Gespenster von
Demmin". Roman.
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2020. 240 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Demmin, am Zusammenfluss von Peene, Trebel und Tollense gelegen, hält seine Jugend nicht. "Die Menschen gehen alle weg", erzählte der Filmemacher Hans Jürgen Syberberg, der nur wenige Kilometer von Demmin entfernt in Nossendorf lebt, dieser Zeitung im Frühling (F.A.Z. vom 8. Mai): "Das ist das Ende einer lebenden Kommune. Es bleiben die Alten übrig, die Jungen gehen nach der Schule sofort weg. Das ist kein normaler Zustand."
Larry, die Protagonistin in Verena Keßlers Romandebüt "Die Gespenster von Demmin", will auch weg: Kriegsreporterin - das ist ihr Lebensziel. Dafür trainiert sie Tag für Tag, lässt sich kopfabwärts vom Apfelbaum hängen, taucht ihre Hand im Winter in die fast zugefrorene Peene, immer gegen die Stoppuhr, je länger, desto besser. Kriegsreporterin sein, das hat für sie mit Schmerzunempfindlichkeit zu tun, mit einem gestählten Körper, der Folter und Entbehrung aushalten kann, nicht mit politischer Analyse, geistiger Anstrengung oder Empathie.
Larry kann man nichts vormachen: Sie durchschaut die Lebenslügen ihrer Mutter, einer Krankenschwester, die ständig neue Männer ausprobiert. Aber Larry selbst macht anderen etwas vor: das nette Mädchen nämlich, das auf dem Friedhof Müll sammelt, doch nur dann, wenn sie von den alten Frauen, die zur Grabpflege kommen, gesehen wird, weil sie ihr dann einen Fünfer zustecken. Trotzdem wird einem Larry, die manchmal Züge einer Zynikerin trägt, sympathisch, nicht nur in den zärtlichen Dialogen mit ihrem toten Bruder, der 36 Tage vor ihrer Geburt starb, auch in der Anhänglichkeit an ihren Vater wie an ihre Mutter, schließlich an die Freundin Sarina, die ihr als Kind beigebracht hatte, im Freien zu pinkeln.
Keßler kontrastiert diese pubertäre Behauptung von Lebenswillen mit der Vorbereitung der über achtzigjährigen Frau Dohlberg auf das Altersheim und das Sterben. Larry erzählt selbst in der ersten Person, über Frau Dohlberg lesen wir in der dritten. Die Kontrasterzählungen sind scharf gegeneinander geschnitten. Wenn Keßler einen Demminer Parkplatz mit dem Dänischen Bettenlager, Rossmann und Kik beschreibt, hat man Bilder wie aus einem "Tatort" oder einem "Usedom-Krimi" (gern mit unzugänglichen Problemkindern) vor Augen. Das ist alles mit sicherer Hand, klarem Blick, perfektem Timing, schmucklos, stringent und präzise gemacht.
Wie Keßler sich hineindenkt in die Welt einer Fünfzehnjährigen, das zeugt von Empathie und exakter Beobachtung. Die drückende Einsamkeit der Alten fängt sie ohne Kommentar, ohne sprachliche Gefühlsbefehle ein, und nicht weniger drückend macht sich die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen, Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln breit. Da kommen wir auch zu dem Grund, warum die Jungen wegwollen und das Buch "Die Gespenster von Demmin" heißt. Mehrere Sachbücher und der Dokumentarfilm "Über Leben in Demmin" von Martin Farkas haben bereits den Massenselbstmord von mindestens tausend Menschen in der Stadt am Ende des Zweiten Weltkriegs thematisiert, als überwiegend Frauen sich entweder erhängten, die Pulsadern aufschnitten oder gemeinsam mit ihren Kindern in der Peene ertränkten - aus Angst vor Racheakten und Vergewaltigungen durch die einrückende Rote Armee. In knappen Erinnerungsrückblenden fängt Keßler das Kindheitstrauma dieser Tage bei der alten Frau Dohlberg ein.
Durch Schlichtheit und Genauigkeit gelingt Keßler mit diesem Roman-Erstling ein Buch, das schön ist, weil es nicht groß sein will. Das heißt aber auch, dass seine stilistische Perfektion durch Kleinmut erkauft wird: Die Autorin scheut sich davor, in die Debatten der Erinnerungspolitik einzusteigen. Durch die Ich-Perspektive Larrys und die Trauma-Hemmung Frau Dohlbergs schützt sie auch sich selbst vor Reflexionen. Von den "Nazis" und ihrem "Trauermarsch" am 8. Mai grenzt sich Larry durch Desinteresse ab. Deren Motivation und Perspektive interessieren Keßler - anders als den Filmemacher Farkas - nicht. Auch die Frage, ob die Sprachlosigkeit nur mit psychischen Traumata und nicht auch mit politischen Unterlassungen - dem jahrzehntelangen Verhindern, dass die Opfererfahrung der Kinder von 1945 öffentlich Form und Sprache fand - zu tun haben könnte, liegt außerhalb des Horizonts dieses Buches.
Die Hoffnung, die es am Ende aufscheinen lässt, ist die einer ressentimentfreien und empathischen Aneignung von Geschichte, die dazu führen müsste, dass sich Lebensfreude statt der Depression fortpflanzt und dieses Leben in Demmin Geborgenheit findet. Verena Keßler hat diese Aufgabe behutsam formuliert; sie zu lösen wäre zu viel für ein Buch und einen Menschen allein.
JAN BRACHMANN
Verena Keßler:
"Die Gespenster von
Demmin". Roman.
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2020. 240 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"In seinem Jugendbuchton spricht der Roman trotz loser Enden ganz leise Themen wie Tod, NS-Verbrechen, Schuld, vergehende Zeit und Generationenkonflikte auf emotionaler Ebene an, setzt sie in Beziehung, ohne zu relativieren oder sich in Befindlichkeiten zu verlieren." Nicolas Freund, Süddeutsche Zeitung, 4.2.2021 "Die Stärke des Buchs besteht darin, dass es literarisch überzeugend zeigt, wie die dunkle Vergangenheit das Leben der Menschen bis heute prägt. ... Verena Keßler gelingt es, die Geschichten der beiden Frauen unaufdringlich miteinander in Beziehung zu setzen - die schwere historische Last mit der Leichtfüßigkeit des Teenagerlebens." Felix Münger, SRF 1, 13.12.20 "Das ist alles mit sicherer Hand, klarem Blick, perfektem Timing,
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schmucklos, stringent und präzise gemacht. Wie Keßler sich hineindenkt in die Welt einer Fünfzehnjährigen, das zeugt von Empathie und exakter Beobachtung. ... Durch Schlichtheit und Genauigkeit gelingt Keßler mit diesem Roman-Erstling ein Buch, das schön ist, weil es nicht groß sein will." Jan Brachmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.20 "Die Gespenster von Demmin erzählen von diesem diffusen Unwohlsein, das entsteht, wenn das Gestern auf dem Heute lastet. Verena Keßler gelingt es auf sehr berührende Weise, dieses Gefühl in Sprache zu gießen ... Die Sprache ist so sparsam, Worte und Bilder sind so treffend und wohl dosiert und die Struktur des Romans ist so gut durchdacht, dass einfach alles stimmt." Änne Seidel, Deutschlandfunk Büchermarkt, 20.10.20 "Verena Kessler erzählt auf zart-zupackende Weise, ohne Sentimentalität, ohne Schuldzuschreibungen ... Wie die Autorin erzählerisch und reflektierend das Heute mit dem Gestern verknüpft, ist faszinierend. In einer klaren, fast lakonischen Sprache, in der jedes Wort sitzt, schafft sie gleichzeitig Distanz und Nähe." Bettina Ruczynski, Sächsische Zeitung, 13.10.20 "Mich hat dieser Roman sehr beeindruckt und berührt. ... Verena Keßler schreibt gegen die Verdrängung des Todes an und sie tut das mit einer erheblichen Leichtigkeit. ... Für mich war das einer der wenigen literarischen Lichtblicke in diesem eher tristen Herbst." Thea Dorn, ZDF Literarisches Quartett, 09.10.20 "Ich finde das ein sehr, sehr gutes Debüt. ... Mein Herz schlug sofort für diese Figur, diese Art von völlig unkitschiger Tapferkeit finde ich klasse! ... Das Wissen um das Psychologische zittert in diesem Buch mit einer großartigen Dringlichkeit, die mich sehr berührt hat." Sibylle Lewitscharoff, ZDF Literarisches Quartett, 09.10.20 "Die Menschen werden als Grenzgänger gezeichnet, immer zwischen Leben und möglichem Tod changierend. ... Eigentlich tragisch, aber mit einer großen Liebe zum Überlebenskampf. ... Das Menschliche wird hochgehalten und abgefeiert." Juli Zeh, ZDF Literarisches Quartett, 09.10.20 "'Die Gespenster von Demmin' sind überall im gleichnamigen Debütroman von Verena Keßler: Sie spuken durch Keller und Familien, erschrecken Zeitzeugen und legen sich wie Grauschleier über die Gegenwart. ... Verena Keßlers Roman ist ein Plädoyer dafür, die Geschichte nicht allzu einfach wegzuerinnern." Julia Lorenz, taz, 19.09.20 "Der Roman ist eine beeindruckende Coming-of-Age Story und eine klug komponierte Geschichte von Tod, Trauer und auch Lebensmut - ein echter Wurf!" Natascha Geier, NDR Kulturjournal, 31.08.20 "Der Roman gewinnt Tiefe und Dringlichkeit durch diese makabren Echos aus der Vergangenheit, die immer beklemmender in die Gegenwartsebene des Romans hinein hallen. Ich muss sagen, das ist schon sehr gut gemacht! 'Die Gespenster von Demmin' hätten es mehr als verdient, auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis zu kommen." Sigrid Löffler, Radio Bremen, 30.08.20 "Der schwarze Trauerschwan auf dem Cover ist das Totemtier dieses beeindruckenden Debüts, das ein klassischer Coming-of-Age-Roman ist... Es ist nicht ohne Risiko, kollektive, historische Traumata mit persönlichen Erfahrungen kurzzuschließen, die Toten vom Mai '45 mit dem verstorbenen Bruder und jugendlichen Selbstmordfantasien auch motivisch eng zu verbinden. Verena Keßler gelingt der Spagat mit Leichtigkeit, auch weil sie den Teenager-Sound nicht überzieht." Richard Kämmerlings, Welt am Sonntag, 16.08.20
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Ein eindringlicher Ausnahmeroman. Dülmener Zeitung 20220609
Verena Keßler hat in ihrem ersten Roman „Die Gespenster von Demmin“ eine wenig bekannte historische Episode verarbeite. Denn in Demmin, dem Handlungsort der Geschichte, töteten sich in den ersten Maitagen des Jahres 1945 eine hohe dreistellige Anzahl Einwohner selbst, meist …
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Verena Keßler hat in ihrem ersten Roman „Die Gespenster von Demmin“ eine wenig bekannte historische Episode verarbeite. Denn in Demmin, dem Handlungsort der Geschichte, töteten sich in den ersten Maitagen des Jahres 1945 eine hohe dreistellige Anzahl Einwohner selbst, meist Frauen und ihre Kinder, aus Angst vor den Übergriffen der einmarschierten Rotarmisten.
Larissa Schramm, die sich lieber Larry rufen lässt, ist eine der beiden Protagonistinnen des Romans. Sie ist 15 Jahre alt und eine der etwa 11.000 heutigen Bewohner der Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern. Die zweite Protagonistin, ihre Nachbarin Frau Dohlberg, steht kurz vor dem Umzug in ein Seniorenheim. Sie wohnt seit eh und je in Demmin und hat die Tragödie der letzten Kriegstage miterlebt. Obwohl beide sich viel zu sagen hätten, ergeben die Umstände es nicht, dass die beiden Hauptfiguren sich untereinander über ihr Leben und ihre Wünsche austauschen.
Verena Keßler schreibt ihren Roman in einem unterhaltsamen, leicht lesbaren Stil. Sie versteht es durch ihre Sätze, von denen jeder an genau der Stelle steht an der er benötigt wird, eine Fülle an Emotionen zu transportieren. Beide Handlungsstränge laufen parallel.
Obwohl Larrys Alltag unbeschwert erscheint, bemerkt man bald eine Last auf ihr, die sich im Laufe der Erzählung klärt und ihren Grund in einem schweren Verlust innerhalb ihrer Familie findet. Damit und mit der Geschichte des Orts hängen wahrscheinlich auch Larrys eigenwillige Hobbies zusammen. Bereits in Kindertagen bildete Larry mit ihrer Freundin ein Gespensterjägergespann. Jetzt widmet sie einen Teil ihrer Freizeit einem Training verschiedener Szenarien, in denen sie bis an den Rand ihrer Kräfte und des Erträglichen geht, um sich abzuhärten für ihren späteren Traumberuf als Kriegsreporterin. Dadurch bringt die Autorin eine gehörige Portion Spannung in ihren Roman ein, denn es kommt durch Larrys Übungen zu einigen heiklen Situationen. In einem weiteren Teil ihrer freien Zeit verdient sie sich ein Taschengeld durch die Pflege von Gräbern auf dem nahen Friedhof.
So wie Larry sich darauf vorbereitet, sich in Krisengebieten auf sich allein gestellt, mit wenig Habseligkeiten zurechtzukommen, so plant die Nachbarin von gegenüber ihren Aufenthalt im Heim, der streng geregelt ist mit nur wenigen persönlichen Gegenständen, die sie mitnehmen darf. Mit dem Aussortieren, Wegwerfen und Abgeben ihrer Habe, scheint jedes Mal ein Stück von ihr selbst zu verschwinden, während Larissa an ihrer selbstgesetzten Aufgabe zu wachsen scheint. Verena Keßler nutzt Frau Dohlberg als Figur, um die Schrecken der Vergangenheit ans Licht zu bringen und zu verdeutlichen, warum es zu einem Massenselbstmord in Demmin gekommen ist.
Verena Keßler setzt sich in ihrem Roman „Die Gespenster von Demmin“ mit dem Verlust geliebter Menschen auf einmalige Weise auseinander, indem sie geschickt Gegenwart und Vergangenheit verknüpft. Dennoch gibt sie durch einige amüsante Szenarien ihrer Schilderung immer wieder einen stellenweisen heiteren Unterton. Entsprechend einer typischen Coming-of-Age-Geschichte fehlt es auch nicht an ersten Liebesgefühlen und außerdem Eltern, die nicht der Vorstellung ihres Kindes entsprechen. Der Roman ist tiefgründig, bewegt und hallt nach. Gerne empfehle ich das Buch weiter.
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Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und trainiert schon mal für gewisse Situationen, in die sie …
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Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und trainiert schon mal für gewisse Situationen, in die sie möglicherweise geraten könnte. Vor allem Gefangenschaft inklusive Folter: darauf bereitet man sich wunderbar mit Übungen wie Kopfüber vom Baum hängen oder Waterboarding vor. Fär Einsätze unter schwierigen Bedingungen, bei denen eine gewisse Balance erforderlich, ist ein stundenlanges Auf-dem-Stuhl stehen eine gute Vorbereitung. Unter anderem. Dass ihre Mutter das nicht so sieht und am besten gar nicht mitbekommt, daran hat Larry sich längst gewöhnt. Überhaupt ihre Mutter: sie nervt durch ständig wechselnde Männerbekanntschaften, die den Mädelshaushalt gehörig durcheinander bringen. Wobei sie sich fast danach zurück sehnt: ist doch die neueste Errungenschaft offenbar etwas für länger, wenn nicht für die Ewigkeit: er zieht schon bald mit in den Haushalt ein, ohne dass Larry so richtig gefragt wird.
Ihren Vater sieht sie nur selten, der hat nämlich bereits kurz nach ihrer Geburt die Flucht ergriffen - und das nicht wegen Larry, sondern aus einem wirklich tragischen Grund: Larrys älterer Bruder verunglückte, während ihre Mutter mit ihr schwanger war: eine Tragödie, die auch Larry spürt. Und zwar bereits ihr ganzes Leben lang.
Wobei das Sterben insgesamt eine große Rolle spielt in diesem Roman, der in Demmin angesiedelt ist, einer Stadt, in der vor dem Anrücken der Roten Armee ein Massenselbstmord stattfand: vor allem Frauen mit Kindern ertränken sich im Fluss oder erhängten sich.
Es gibt einen zweiten, wesentlich kürzeren Erzählstrang aus der Sicht einer alten Dame, einer Überlebenden dieser Tragödie. Auch für sie ist der Tod ein lebenslanger Begleiter gewesen.
Auch wenn der Tod über allem schwebt und sozusagen das verbindende Element der beiden Handlungsstränge ist, erzählt Autorin Verena Keßler mit leichter Hand, die jedoch alles andere als oberflächlich wirkt. Im Gegenteil, die junge Autorin offenbart ein Talent, ihr Sujet mit knappen Worten lebendig darzustellen, das seinesgleichen sucht. Sowohl Handlung als auch Setting und Figuren wirken kraftvoll und lebendig. Es bleibt genug Raum für den Leser, um eigene Bilder zu entwickeln. Und auch, um den subtilen Humor, der sich durch den Roman zieht, zu genießen.
Ein großartiger Coming-of-Age-Roman, ebenso eindringlich wie ungewöhnlich. Eine neue Autorin, die zu begeistern vermag - mich jedenfalls!
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Gleich vorneweg: man darf hier keinen historischen Roman erwarten, dafür bieten die 240 Seiten nicht ausreichend Platz. Es ist eine Coming-of-Age in der immer wieder auf die historischen Geschehnisse in Demmin Bezug genommen wird.
Die Geschichte ist Großteils aus Sicht von Larry …
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Gleich vorneweg: man darf hier keinen historischen Roman erwarten, dafür bieten die 240 Seiten nicht ausreichend Platz. Es ist eine Coming-of-Age in der immer wieder auf die historischen Geschehnisse in Demmin Bezug genommen wird.
Die Geschichte ist Großteils aus Sicht von Larry erzählt. Die Teenagerin ist gelangweilt von ihrer Heimatstadt und genervt von den wechselnden Lebensgefährten ihrer Mutter. Für ihren Traum Kriegsreporterin zu werden trainiert sie an ihre Grenzen zu gehen, hängt kopfüber vom Baum oder hält ihr Hände in eiskaltes Wasser. Zwischendrin jobbt sie auf dem Friedhof und schlägt sich mit ganz normalen Teenagerproblemen herum. Die 15-jährige fand ich gut getroffen, phantasievoll und munter schlägt sie sich durchs Leben, ihr leichter Hang zu schwarzem Humor lockert den Roman immer wieder auf.
Der zweite und deutlich kürzere Erzählstrang gehört Larrys betagter Nachbarin, Frau Dohlberg. Immer öfter will der Körper ihr nicht mehr gehorchen und nun steht der Umzug ins Altenheim an. Beim Aussortieren ihrer Besitztümer kommen immer wieder Erinnerungen hoch. Die junge Verwandtschaft kann nicht verstehen was diese Dinge für sie bedeuten und die alte Dame will von sich aus nicht darüber sprechen welche Ereignisse sie mit ganz alltäglichen Dingen wie einem Laken, dem Keller des Hauses oder einem Nadelkissen verbindet. Der Leser erfährt es durch ihre Erinnerungen dennoch nach und nach. Neben Frau Dohlberg hat die Autorin noch weitere Figuren die das Kriegsende und die Selbstmorde in Demmin miterlebt haben in die Geschichte eingeflochten. Auch sie tragen die Geschichten hinter ihren Narben und körperlichen Beeinträchtigungen in ihrem Inneren.
Trotz des schweren Themas liest sich die Geschichte sehr leicht, was vor allem daran liegt, dass der Großteil der Geschichte aus der unbeschwerten Sicht von Larry erzählt ist. Ich würde den Roman als Coming-of-Age Geschichte einordnen. Der historische Massensuizid schwebt dabei über der Stadt, mal ist er präsent, mal rückt er in den Hintergrund. Tiefe historische Exkurse unternimmt die Autorin dabei aber nicht, was ich für ein Jugendbuch absolut in Ordnung finde. Ein Nachwort mit ein paar Worten zu dem geschichtlichen Hintergrund auf dem der Roman basiert hätte ich mir dennoch gewünscht.
Fazit:
Obwohl sich das Buch mit sehr ernsten Themen beschäftigt erzählt Verena Kessler ihre Geschichte bewegend, aber nie schwermütig oder erdrückend. Sie schafft es viel zwischen den Zeilen auszudrücken und erzählt dabei eine Geschichte die nachhallt und noch lange in den Gedanken bleibt.
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