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Juan Guillermos aufregendes und raues Leben spielt sich über den Dächern von Mexiko-City ab. Als sein Bruder stirbt, stürzt auch Juan in einen tiefen Abgrund. Guillermo Arriaga schreibt die epische Geschichte von Schuld und Rache neu - in einer Welt, in der der Tod kein Fremder ist.Juan Guillermo kennt Mexiko-City besser als jeder andere. Mit seinen Freunden streift er durch sein Viertel, gewinnt Mutproben über den Dächern der Stadt und hält die Direktorin der Schule auf Trab. Sein großes Idol dieser unbeschwerten Tage ist sein großer Bruder Carlos. Ein belesener und geschäftstüchtig...
Juan Guillermos aufregendes und raues Leben spielt sich über den Dächern von Mexiko-City ab. Als sein Bruder stirbt, stürzt auch Juan in einen tiefen Abgrund. Guillermo Arriaga schreibt die epische Geschichte von Schuld und Rache neu - in einer Welt, in der der Tod kein Fremder ist.Juan Guillermo kennt Mexiko-City besser als jeder andere. Mit seinen Freunden streift er durch sein Viertel, gewinnt Mutproben über den Dächern der Stadt und hält die Direktorin der Schule auf Trab. Sein großes Idol dieser unbeschwerten Tage ist sein großer Bruder Carlos. Ein belesener und geschäftstüchtiger junger Mann, der für Juan unantastbar zu sein scheint. Dann wird Carlos ermordet und Juan muss sich der grausamen Frage stellen, ob er seinen Tod hätte verhindern können. Er sinnt auf Rache, doch erst die Schicksalsgemeinschaft mit der schönen Chelo und einem gefährlichen Wolf zeigt ihm einen Weg aus dem Strudel von Verzweiflung und Gewalt. Guillermo Arriaga erschafft ein Epos der menschlichen Abgründe, aus dem in dunkelster Nacht die Menschlichkeit hervorbricht.
Guillermo Arriaga, geboren 1958 in Mexiko-Stadt, gehört zu den bedeutendsten Drehbuch- und Buchautoren der Gegenwart. Von ihm stammen die Drehbücher zu der mit mehreren Oscars ausgezeichneten Filmtrilogie Amores Perros, 21 Gramm und Babel. Neben seinen Drehbüchern hat er bislang drei Romane und einen Kurzgeschichtenband veröffentlicht; dieser neue, hier vorliegende Roman markiert einen Höhepunkt in Arriagas Werk.
Produktdetails
- Verlag: Klett-Cotta
- 4. Aufl.
- Seitenzahl: 746
- Erscheinungstermin: 22. Oktober 2018
- Deutsch
- Abmessung: 221mm x 152mm x 48mm
- Gewicht: 950g
- ISBN-13: 9783608961775
- ISBN-10: 3608961771
- Artikelnr.: 52475259
Herstellerkennzeichnung
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© BÜCHERmagazin, Sonja Hartl (sh)
Kann man Wölfe erziehen?
"Amores perros" war noch gar nichts dagegen: In seinem wuchtigen Roman "Der Wilde" verstrickt Guillermo Arriaga die tierische Natur des Menschen mit einer Geschichte Mexikos um 1970.
Von Jan Wiele
Die verwundete Kreatur ist die konstante Größe im Werk von Guillermo Arriaga. Wer auch nur einen Film der sogenannten Todes-Trilogie aus "Amores perros" (2000), "21 Gramm" (2003) und "Babel" (2006) gesehen hat, für die Arriaga die Drehbücher schrieb, wird sich vielleicht schaudernd an Szenen erinnern, in denen sowohl Menschen als auch Tiere so schwer verletzt herumkriechen, dass es kaum anzuschauen ist: ein langes Leiden, das nur wenige überstehen.
Das Symboltier des vorliegenden
"Amores perros" war noch gar nichts dagegen: In seinem wuchtigen Roman "Der Wilde" verstrickt Guillermo Arriaga die tierische Natur des Menschen mit einer Geschichte Mexikos um 1970.
Von Jan Wiele
Die verwundete Kreatur ist die konstante Größe im Werk von Guillermo Arriaga. Wer auch nur einen Film der sogenannten Todes-Trilogie aus "Amores perros" (2000), "21 Gramm" (2003) und "Babel" (2006) gesehen hat, für die Arriaga die Drehbücher schrieb, wird sich vielleicht schaudernd an Szenen erinnern, in denen sowohl Menschen als auch Tiere so schwer verletzt herumkriechen, dass es kaum anzuschauen ist: ein langes Leiden, das nur wenige überstehen.
Das Symboltier des vorliegenden
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Romans "Der Wilde", Arriagas bislang umfangreichstes und vielschichtigstes Werk, wirkt fast wie eine Variation jenes fiesen Kampfhundes aus "Amores perros", der die schwere Verletzung zu Anfang des Films knapp überlebt, dann aber umso stärker zurückkommt und schließlich alle anderen Hunde um ihn herum totbeißt. Hier nun steht ein wildes Tier im Mittelpunkt, das den halben Roman über als Wolfshund gilt - bis schließlich herauskommt, dass es sich sogar um einen reinrassigen Wolf handelt.
Den in der Großstadt als Haustier zu halten, ist an sich schon keine gute Idee, und dann machen seine Besitzer auch noch alles falsch: Sie binden ihn von klein an fest, lassen das auf Interaktion und Autorität angewiesene Tier allein und wecken damit seine Aggressivität. Allen im Radius seiner Kette bekommt das gar nicht gut: Katzen macht er mit einem Biss fertig, so dass der Schädel zerknackt, und einem Automechaniker, der nichtsahnend vorüberläuft, reißt der Wolf den Bizeps aus, so dass der Mann für immer arbeitsunfähig wird. Dessen Rache fruchtet aber nicht: Weder mit Gift noch mit Feuer noch durch ein Gewehr ist das Biest totzukriegen, stattdessen wird der Automechaniker schließlich von einer Nazi-Rockerbande fast totgeschlagen.
Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt, soll das wohl sagen, erst recht nicht in Mexiko City um 1969, jener Zeit, zu der das Buch größtenteils spielt. Das Massaker an Studenten in Tlatelolco vom Oktober 1968, das einmal kurz erwähnt wird, mag für die kriminelle und ruchlos gewalttätige Obrigkeit des Landes zu dieser Zeit einstehen, und an einer anderen Stelle des Romans sagt jemand: "Mexiko ist doch ein einziger Sumpf."
In diesem Sumpf versucht ein Ehepaar mit zwei Söhnen irgendwie anständig zu überleben und den beiden trotz aller Widrigkeiten doch noch menschliche Grundwerte mitzugeben. Der Vater verkauft ein eigentlich dringend benötigtes Auto, um damit eine gute Privatschule zu bezahlen, aber auch dort geht es nicht gerecht zu: Als der jüngere Sohn bei ersten erotischen Erfahrungen mit einer Mitschülerin ertappt wird, die beide gern machen wollten, stellt man ihn als Täter hin und will gleich beide Brüder ob des Vorfalls von der Schule verweisen. Das wird letztlich nur verhindert durch die Hilfe eines Senators, der dem Vater des Mädchens, seinem Konkurrenten, eins auswischen will und stattdessen das Mädchen in einer Schmierkampagne als Flittchen darstellen lässt, was wiederum dazu führt, dass dieses die Schule verlassen muss: Auch die gute Familie kann also nicht umhin, sich böser Mittel zu bedienen. Dass die beiden Brüder bald selbst im Sumpf stecken, scheint in einer solchen Welt unausweichlich - wie tief, erfährt der Leser, der lange an die Gutherzigkeit der beiden glaubt, nur häppchenweise in dieser langen Geschichte.
Während Arriagas Milieustudie über sich durchbeißende Jugendliche, die keinen Weg an der Kriminalität vorbei mehr sehen, an sich nicht besonders originell ist, muss man sagen: Die Art, wie er sie erzählt, ist es durchaus. Überraschend ist zunächst, dass das Schlimmste gleich zu Anfang verraten wird: "Im Laufe der kommenden vier Jahre würden alle sterben. Mein Bruder, meine Eltern, meine Großmutter, die Wellensittiche und King." Von einer "Lawine des Todes", die über die Familie hinwegrollt, ist die Rede. Der hier spricht, ist der jüngere der beiden Söhne. Die Art seines Erzählens mit durcheinandergeratener Chronologie mag man einerseits auf das Trauma des Erlebten zurückführen - sein älterer Bruder wird heimtückisch ermordet, Eltern und Oma wählen den Freitod beziehungsweise sterben vor Gram -, es ist aber, wenn man über die Motivation der Figur hinausblickt auf den Autor, auch eine bewusst an Faulkner und anderen modernen Romanciers orientierte Erzählweise, die trotz des antiklimaktischen Beginns eine Spannung im Leser erzeugt: Der ist erst einmal damit beschäftigt, die Zeitebenen für sich zu ordnen und wird dann, obwohl er schon um die Katastrophe weiß, schrittweise immer wieder überrascht von den grausamen Details, mit denen sie eintritt.
Man könnte auch von einem einkreisenden Erzählen sprechen, denn auf bestimmte Themen kommt Arriaga immer wieder zurück. Es sind vor allem das Tierische in der Natur des Menschen und die Rache. Das Tierische tritt zunächst hervor in einer Art von Fuchsschläue, mit welcher der ältere Bruder Carlos von einem Kleinkriminellen zum Drogenhändler im großen Stil aufsteigt. Er ist von der Polizei nicht zu fassen, weil er immer wieder auf geheimnisvolle Weise entwischt - bis sein eigener Bruder ihn unter Druck ausliefert, was er für immer bereuen wird.
Carlos wird getötet von einer Gruppe religiöser Fanatiker, die "sich als Soldaten Christi betrachteten" und "die katholische Wahrheit verteidigen mussten, wenn nötig mit ihrem Leben". Sie sind gegen Alkohol und Drogen, aber auch gegen Abtreibung und gegen Juden. Wer ihnen im Weg steht, muss Relegation zwischen Prügelstrafe und Tod fürchten. Carlos wird ertränkt in einem Wassertank, der sein Versteck war.
Die Rache wird folglich zum Lebensthema des jüngeren Bruders und Erzählers Juan Guillermo. Lange plant er seine Vergeltung am Anführer der Fanatiker, der sich Humberto nennt. Bei ihrer Vorbereitung wird auch Juan zum Tier, und hier kommt nun ausgiebig der Wolf ins Spiel, den der Junge nach Verlust seiner gesamten Familie bei sich aufnimmt, um ihn zu zähmen. Das Wilde aus dem Buchtitel wird somit mehr und mehr zur Klammer zwischen Hauptfigur und dem Raubtier namens Colmillo ("Fangzahn"), und Arriaga reizt den Vergleich auf mehr als siebenhundert Seiten bis ins Letzte aus - mit dem Ergebnis, dass Juan am Ende gar "wilder als der Wolf" wird.
Mit der Rache ist es indessen nicht ganz so einfach, denn so groß Juans Hass auf den Mörder seines Bruders ist, kann er die grausame Vendetta doch nicht wie gewollt ausführen. Es kommt, auch durch die Liebe einer Frau und die Zuwendung eines väterlichen Freundes, der selbst Waisenkind war, anders.
Mit dem späten Aufleuchten der Gnade ist immerhin ein Unterschied zwischen Mensch und Tier in den Roman eingezogen, der lange fehlte - schließlich töten Wölfe nicht aus Rachegelüsten. Den Text durchzieht allerdings geradezu eine Obsession mit dem Wolf; selbst Jimi Hendrix, den der Erzähler den "langweiligen" Beatles vorzieht, wird als Wolfsmusiker bezeichnet. Ein Großteil des Buches, eigentlich ein zweiter Roman, erzählt die Vorgeschichte des mexikanischen Stadtwolfs, eine Art tierische Familiensaga in Alaska, die nicht ganz frei von Kitsch ist. Die Grundfrage, die sowohl an Juan als auch an Colmillo gestellt wird, lautet: Kann man Wölfe erziehen?
Das Symbolische und Motivische wirkt in Arriagas Roman etwas überdeterminiert, etwa in einer strapazierten Uterus-Metapher und angesichts mancher Wunden und Narben. Er flicht zudem noch viele Fremdtexte ein, darunter solche von Nietzsche, Borges und General von Clausewitz, deren anschließende Übertragung auf die Fabel dem Buch fast didaktische Züge verleiht. Auch lyrische Einsprengsel hat es: Ganz deutlich wollte Arriaga mit diesem Werk mehr als ein Drehbuch liefern, hat es dabei vielleicht übertrieben. Aber so prekär die Analogie zwischen Mensch und Wolf auch ist: Die tierische Beharrlichkeit, mit der Arriaga sie durchspielt und en passant eine Art Sozialgeschichte Mexikos erzählt, hat schon etwas von einem großen Wurf.
Guillermo Arriaga: "Der Wilde". Roman.
Aus dem Spanischen von Matthias Strobel. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2018. 746 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Den in der Großstadt als Haustier zu halten, ist an sich schon keine gute Idee, und dann machen seine Besitzer auch noch alles falsch: Sie binden ihn von klein an fest, lassen das auf Interaktion und Autorität angewiesene Tier allein und wecken damit seine Aggressivität. Allen im Radius seiner Kette bekommt das gar nicht gut: Katzen macht er mit einem Biss fertig, so dass der Schädel zerknackt, und einem Automechaniker, der nichtsahnend vorüberläuft, reißt der Wolf den Bizeps aus, so dass der Mann für immer arbeitsunfähig wird. Dessen Rache fruchtet aber nicht: Weder mit Gift noch mit Feuer noch durch ein Gewehr ist das Biest totzukriegen, stattdessen wird der Automechaniker schließlich von einer Nazi-Rockerbande fast totgeschlagen.
Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt, soll das wohl sagen, erst recht nicht in Mexiko City um 1969, jener Zeit, zu der das Buch größtenteils spielt. Das Massaker an Studenten in Tlatelolco vom Oktober 1968, das einmal kurz erwähnt wird, mag für die kriminelle und ruchlos gewalttätige Obrigkeit des Landes zu dieser Zeit einstehen, und an einer anderen Stelle des Romans sagt jemand: "Mexiko ist doch ein einziger Sumpf."
In diesem Sumpf versucht ein Ehepaar mit zwei Söhnen irgendwie anständig zu überleben und den beiden trotz aller Widrigkeiten doch noch menschliche Grundwerte mitzugeben. Der Vater verkauft ein eigentlich dringend benötigtes Auto, um damit eine gute Privatschule zu bezahlen, aber auch dort geht es nicht gerecht zu: Als der jüngere Sohn bei ersten erotischen Erfahrungen mit einer Mitschülerin ertappt wird, die beide gern machen wollten, stellt man ihn als Täter hin und will gleich beide Brüder ob des Vorfalls von der Schule verweisen. Das wird letztlich nur verhindert durch die Hilfe eines Senators, der dem Vater des Mädchens, seinem Konkurrenten, eins auswischen will und stattdessen das Mädchen in einer Schmierkampagne als Flittchen darstellen lässt, was wiederum dazu führt, dass dieses die Schule verlassen muss: Auch die gute Familie kann also nicht umhin, sich böser Mittel zu bedienen. Dass die beiden Brüder bald selbst im Sumpf stecken, scheint in einer solchen Welt unausweichlich - wie tief, erfährt der Leser, der lange an die Gutherzigkeit der beiden glaubt, nur häppchenweise in dieser langen Geschichte.
Während Arriagas Milieustudie über sich durchbeißende Jugendliche, die keinen Weg an der Kriminalität vorbei mehr sehen, an sich nicht besonders originell ist, muss man sagen: Die Art, wie er sie erzählt, ist es durchaus. Überraschend ist zunächst, dass das Schlimmste gleich zu Anfang verraten wird: "Im Laufe der kommenden vier Jahre würden alle sterben. Mein Bruder, meine Eltern, meine Großmutter, die Wellensittiche und King." Von einer "Lawine des Todes", die über die Familie hinwegrollt, ist die Rede. Der hier spricht, ist der jüngere der beiden Söhne. Die Art seines Erzählens mit durcheinandergeratener Chronologie mag man einerseits auf das Trauma des Erlebten zurückführen - sein älterer Bruder wird heimtückisch ermordet, Eltern und Oma wählen den Freitod beziehungsweise sterben vor Gram -, es ist aber, wenn man über die Motivation der Figur hinausblickt auf den Autor, auch eine bewusst an Faulkner und anderen modernen Romanciers orientierte Erzählweise, die trotz des antiklimaktischen Beginns eine Spannung im Leser erzeugt: Der ist erst einmal damit beschäftigt, die Zeitebenen für sich zu ordnen und wird dann, obwohl er schon um die Katastrophe weiß, schrittweise immer wieder überrascht von den grausamen Details, mit denen sie eintritt.
Man könnte auch von einem einkreisenden Erzählen sprechen, denn auf bestimmte Themen kommt Arriaga immer wieder zurück. Es sind vor allem das Tierische in der Natur des Menschen und die Rache. Das Tierische tritt zunächst hervor in einer Art von Fuchsschläue, mit welcher der ältere Bruder Carlos von einem Kleinkriminellen zum Drogenhändler im großen Stil aufsteigt. Er ist von der Polizei nicht zu fassen, weil er immer wieder auf geheimnisvolle Weise entwischt - bis sein eigener Bruder ihn unter Druck ausliefert, was er für immer bereuen wird.
Carlos wird getötet von einer Gruppe religiöser Fanatiker, die "sich als Soldaten Christi betrachteten" und "die katholische Wahrheit verteidigen mussten, wenn nötig mit ihrem Leben". Sie sind gegen Alkohol und Drogen, aber auch gegen Abtreibung und gegen Juden. Wer ihnen im Weg steht, muss Relegation zwischen Prügelstrafe und Tod fürchten. Carlos wird ertränkt in einem Wassertank, der sein Versteck war.
Die Rache wird folglich zum Lebensthema des jüngeren Bruders und Erzählers Juan Guillermo. Lange plant er seine Vergeltung am Anführer der Fanatiker, der sich Humberto nennt. Bei ihrer Vorbereitung wird auch Juan zum Tier, und hier kommt nun ausgiebig der Wolf ins Spiel, den der Junge nach Verlust seiner gesamten Familie bei sich aufnimmt, um ihn zu zähmen. Das Wilde aus dem Buchtitel wird somit mehr und mehr zur Klammer zwischen Hauptfigur und dem Raubtier namens Colmillo ("Fangzahn"), und Arriaga reizt den Vergleich auf mehr als siebenhundert Seiten bis ins Letzte aus - mit dem Ergebnis, dass Juan am Ende gar "wilder als der Wolf" wird.
Mit der Rache ist es indessen nicht ganz so einfach, denn so groß Juans Hass auf den Mörder seines Bruders ist, kann er die grausame Vendetta doch nicht wie gewollt ausführen. Es kommt, auch durch die Liebe einer Frau und die Zuwendung eines väterlichen Freundes, der selbst Waisenkind war, anders.
Mit dem späten Aufleuchten der Gnade ist immerhin ein Unterschied zwischen Mensch und Tier in den Roman eingezogen, der lange fehlte - schließlich töten Wölfe nicht aus Rachegelüsten. Den Text durchzieht allerdings geradezu eine Obsession mit dem Wolf; selbst Jimi Hendrix, den der Erzähler den "langweiligen" Beatles vorzieht, wird als Wolfsmusiker bezeichnet. Ein Großteil des Buches, eigentlich ein zweiter Roman, erzählt die Vorgeschichte des mexikanischen Stadtwolfs, eine Art tierische Familiensaga in Alaska, die nicht ganz frei von Kitsch ist. Die Grundfrage, die sowohl an Juan als auch an Colmillo gestellt wird, lautet: Kann man Wölfe erziehen?
Das Symbolische und Motivische wirkt in Arriagas Roman etwas überdeterminiert, etwa in einer strapazierten Uterus-Metapher und angesichts mancher Wunden und Narben. Er flicht zudem noch viele Fremdtexte ein, darunter solche von Nietzsche, Borges und General von Clausewitz, deren anschließende Übertragung auf die Fabel dem Buch fast didaktische Züge verleiht. Auch lyrische Einsprengsel hat es: Ganz deutlich wollte Arriaga mit diesem Werk mehr als ein Drehbuch liefern, hat es dabei vielleicht übertrieben. Aber so prekär die Analogie zwischen Mensch und Wolf auch ist: Die tierische Beharrlichkeit, mit der Arriaga sie durchspielt und en passant eine Art Sozialgeschichte Mexikos erzählt, hat schon etwas von einem großen Wurf.
Guillermo Arriaga: "Der Wilde". Roman.
Aus dem Spanischen von Matthias Strobel. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2018. 746 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Temporeich erzählt, kreist die Geschichte des von Schuldgefühlen getriebenen Jugendlichen um die Frage, wie die Toten das Leben prägen. Eine mitreißende Coming-of-Age-Geschichte, die in einem Milieu spielt, in dem viel zu jung gestorben wird.«Heike Karen Ruge, Jungel World, 24.01.2019»Fressen oder gefressen werden, "Der Wilde" taucht in menschliche Abgründe, dort wo animalische Instinkte lauern. Er seziert die Logik der Gewalt, die aus staatlichem Versagen entsteht, aus Armut, aus Ideologie. [...] Ein ständiger Flirt mit dem Abgrund, Zoom auf unsere Ängste. [...] Das Nebeneinander von Grausamkeit und Zärtlichkeit. Arriaga ist der Chronist Mexikos. Ein Roman wie das Land in dem er spielt.«Ronja Mira Dittrich, Kulturzeit,
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17.01.2019»Guillermo Arriaga erschafft eine Geschichte der menschlichen Abgründe, aus denen in dunkelster Nacht die Menschlichkeit hervorbricht.«Stadtzauber Kulturmagazin, Januar/Februar 2019»Ein düsteres, zuweilen tief berührendes Meisterwerk über Freundschaft, Verrat, Gnadenlosigkeit und das Sterben vor der Zeit.«Werner Krause, Kleine Zeitung Graz, 05.01.2019»Der Drehbuchautor Guillermo Arriaga hat mit "Der Wilde" einen Roman geschrieben, der von der ersten Seite an eine enorme Sogwirkung auf den Leser ausübt und ihn über die stramme Länge von knapp 750 Seiten förmlich mitzerrt.«Axel Vits, KommBuch, 18.12.2018»Er zeigt Juan Guillermo als juvenilen Wiedergänger McCarthys Cornelius Suttree aus dessen Roman "Verlorene" auf den Dächern von Mexiko-Stadt -im Zentrum einer Geschichte über die archaische, unbezwingbare Wildheit im Menschen. Das ist stark! Und die Pointe eines gewaltigen Romans, dessen Schöpfer auf sämtliche formalen Regeln pfeift- und stattdessen finster-entschlossen zum letzten Halali bläst.«Peter Henning, Spiegel Online, 17.12.2018»Guillermo Arriaga erzählt grandios von Sex, Mord und Rache in Mexiko.«Bunte, 13.12.2018»ein wirklich packende und lohnende Lektüre«Jörn Pinnow, Literaturkurier, 13.12.2018»Der Epos "Der Wilde" ist packend erzählt. Es verknüpft die schmerzhaften Erlebnisse eines Jugendlichen in Mexiko mit einem Wolf in Kanada«Eva-Christina Meier, TAZ, 03.12.2018»Ein ständiger Flirt mit dem Abgrund [...] Grausamkeit und Zärtlichkeit. Arriaga ist der Chronist Mexikos. Ein Roman wie das Land, in dem er spielt [...] Blut, Dreck und Hoden - ein wuchtiger Roman im Stil des magischen Realismus«Ronja Mira Dittrich, ttt, 02.12.2018»"Amores perros" war noch gar nichts dagegen: In seinem wuchtigen Roman "Der Wilde" verstrickt Guillermo Arriaga die tierische Natur des Menschen mit einer Geschichte Mexikos um 1970«Jan Wiele, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.2018»[...] so prekär die Analogie zwischen Mensch und Wolf auch ist: Die tierische Beharrlichkeit, mit der Arriaga sie durchspielt und en passant eine Art Sozialgeschichte Mexikos erzählt hat schon etwas von einem großen Wurf«Jan Wiele, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.2018»Der Mexikaner Guillermo Arriaga beherrscht nicht nur Drehbuchschreiben. Sein Roman "Der Wilde" ist furios. [...] was für ein Glück für den Leser.«Matthias Schmidt, Stern, 08.11.2018»Kunstvolles Erzählstückwerk. Rasant wechselt Arriaga zwischen Rück- undVorausblenden, Schauplätzen und Textsorten, um die Hintergründe derKatastrophe Stück für Stück zu offenbaren.«Judith Hoffmann, Ö1 - Morgenjournal, 29.10.2018»Romantisch, brutal und lesenswert [...] Wirklich lohnende Lektüre!«Ulrike Sárkány, NDR Kultur, 26.10.2018»"Der Wilde" taucht in die Abgründe der menschlichen Seele.«Dirk Fuhrig, Deutschlandfunk Kultur - Lesart, 22.10.2018
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»Er zeigt Juan Guillermo als juvenilen Wiedergänger McCarthys Cornelius Suttree aus dessen Roman "Verlorene" auf den Dächern von Mexiko-Stadt -im Zentrum einer Geschichte über die archaische, unbezwingbare Wildheit im Menschen. Das ist stark! Und die Pointe eines gewaltigen Romans, dessen Schöpfer auf sämtliche formalen Regeln pfeift- und stattdessen finster-entschlossen zum letzten Halali bläst.« Peter Henning, Spiegel Online, 17.12.2018 Peter Henning SPIEGEL Online 20181217
Der Wilde ist ein imposanter, bemerkenswerter Koloss von Roman, der mich sofort gepackt hat, wie lange kein Buch mehr. Der Roman lässt sich gut lesen, enthält aber ab und zu auch einmal sprachliche Spielereien und kulturwissenschaftlich Ausflüge (z.B. einmal über den …
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Der Wilde ist ein imposanter, bemerkenswerter Koloss von Roman, der mich sofort gepackt hat, wie lange kein Buch mehr. Der Roman lässt sich gut lesen, enthält aber ab und zu auch einmal sprachliche Spielereien und kulturwissenschaftlich Ausflüge (z.B. einmal über den Schriftsteller Martin Luis Guzmann und Pancho Villa), die als Gleichnisse für die Romanhandlungen dienen.
Icherzähler und Protagonist ist der junge Juan, der das Pech hat, sowohl seinen Bruder zu verlieren, der ermordet wurde, als auch seine Eltern, die tödlich verunglücken. Das sind zu viele Schicksalsschläge auf einmal.
Er ist als 17jähriger alleine mit den verbleibenden Haustieren und seiner Wut und Hass auf den Mörder seines Bruders. Gleichzeitig quält ihn Eifersucht, da seine Freundin auch mit anderen Männern schläft. Perfekt ist in diesem Buch niemand, auch Juan schleppt Schuld mit sich.
Juan erzählt seine Kindheit und Jugend in den sechziger/siebziger Jahren ausführlich. Ein Wendepunkt erfolgt, als er einen aggressiven Wolfshund aufnimmt, der sich dann sogar als reinrassiger Wolf entpuppt. Ihn zu zähmen ist ein schwieriger Akt, der auch zu einem Kampf mit seinem eigenen Inneren wird. Es wird eine Geschichte von Rache und Überwindung!
Seine Emotionen sind zwingend geschildert, man kann sich ihnen als Leser nur schwer entziehen.
Eine schöne Idee des Autors ist es, zwischendurch eine Parallelhandlung um einen weiteren Wolf zu erzählen. Da geht es dann auch um die Menschen, die sich mit diesem Wolf auseinandersetzen, zuerst der Inuit Amaruq, später Robert und seine Familie. Schließlich werden beide Handlungsstränge geschickt zusammengeführt.
Guillermo Arriaga ist ein Filmschaffender, der als Drehbuchautor und Regisseur Erfolge hatte. Da wundert es nicht, dass seine wuchtige Sprache bildhaft und eindrucksvoll wirkt.
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Juan Guillermo wird in Mexiko-City der 1960er groß. Doch vom einen auf den anderen Tag ändert sich sein Leben, denn sein Bruder Carlos wird ermordet; die Polizei tut das, was sie am besten kann, nämlich wegsehen. Als auch noch der Rest der Familie unter tragischen Umständen …
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Juan Guillermo wird in Mexiko-City der 1960er groß. Doch vom einen auf den anderen Tag ändert sich sein Leben, denn sein Bruder Carlos wird ermordet; die Polizei tut das, was sie am besten kann, nämlich wegsehen. Als auch noch der Rest der Familie unter tragischen Umständen stirbt, findet sich Juan mit 17 Jahren auf sich alleine gestellt wieder. An seiner Seite die liebeshungrige Chelo und … ein Wolf.
Guillermo Arriaga hat mir mit „Der Wilde“ ein echtes Highlight zum Jahresabschluss beschert. Ein großer Roman, der die großen Themen Verlust, Schuld, Rache, Freundschaft, Liebe… ach eigentlich alle großen Themen des Lebens bekommen ihren Moment. Dabei ist die Geschichte aber mitnichten mainstream, sondern überrascht und überrascht und überrascht. Die Figuren sind spannend, haben Tiefe, sind gleichzeitig frisch und doch uralt. Juan als Hauptfigur hat mir sehr gut gefallen, ein Teenie, der mit den Härten des Lebens konfrontiert wird und über sich hinauswachsen muss (ohne die Heldenattitüde diverser Jugendromane übrigens). Denn hart geht es schon zu, als Leser sollte schon ein bisschen was aushalten können. Arriaga beschreibt die Brutalität genauso akribisch, wie er auch die schönen Seiten sehr ausführlich und detailliert wiedergibt. Mir hat sein Stil sehr gut gefallen. Man muss sich erst ein bisschen einlesen, denn die Handlung wird nicht stur chronologisch wiedergegeben; auch Einschübe in Form kurzer Mythen aus aller Welt, Naturgesetzen, Gedichten uvm. erschweren manchmal den Lesefluss. Einen zweiten kurzen Handlungsstrang kann man erst nach mehreren hundert Seiten einordnen. Doch dieser etwas verschachtelte Aufbau macht den Roman erst recht interessant, und ich habe ihn sehr gerne gelesen. Eine beeindruckende Geschichte, die mich noch eine Weile beschäftigen wird.
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Das Buch spielt in Mexico-City in den sechziger Jahren. Juan Guillermo ist siebzehn, als er in recht kurzer Zeit seine ganze Familie verliert. Besonders der Tod seines Bruders Carlos, der ermordet wurde, nimmt ihn mit, denn die Polizei ist nicht an der Aufklärung interessiert. Juan will Rache. …
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Das Buch spielt in Mexico-City in den sechziger Jahren. Juan Guillermo ist siebzehn, als er in recht kurzer Zeit seine ganze Familie verliert. Besonders der Tod seines Bruders Carlos, der ermordet wurde, nimmt ihn mit, denn die Polizei ist nicht an der Aufklärung interessiert. Juan will Rache. Doch dann begegnet er der schönen Chelo.
Dieses Buch ist keine leichte Lektüre und das in vielerlei Hinsicht. Die ständigen Wechsel zwischen den Zeiten und Handlungsstrengen machen es einem nicht einfach. Außerdem ist die Geschichte brutal, blutig und manchmal unappetitlich. Den Handlungsstrang mit dem Wolf emfand ich nicht so interessant. Dazu gibt es noch eine Reihe von Einschüben, wie zum Beispiel Mythen aus unterschiedlichen Ländern. Dennoch packt einen dieses Buch, denn die Geschichte ist wirklich wild und düster.
Juan ist eine interessante Persönlichkeit, auch wenn er mir nicht sonderlich sympathisch ist. Er wächst in einer rauen Welt auf. Auf den Straßen lauert die Gefahr und so spielt sich das Leben der Jugendlichen auf den Dächern ab. Das Schicksal meint es nicht gut mit Juan, er verliert seine Familie und muss schauen, wie er mit dem Leben zurechtkommt, das ihm einiges abverlangt. Er quält sich mit der Frage, ob er seinem Bruder hätte helfen können und will Rache. Seine Beziehung zu Chelo ist problematisch und Juan ist eifersüchtig. Mich nervte das Verhalten von Chelo.
Als Juan den Wolf aufnimmt, der sich nur schwer zähmen lässt, ändert sich für ihn etwas. Der Wunsch nach Rache vergeht.
Es ist ein interessantes Buch über menschliche Abgründe, Grausamkeit, Hass, Rachegelüste und das Leben. Ich habe eine Weile gebraucht, um mich durch die Geschichte zu arbeiten, aber ich kam nie auf den Gedanken, das Buch abzubrechen.
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