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Erschütternd, verstörend, eine grandiose ZumutungEr ist zwanzig, der beste Scharfschütze der belagerten Stadt. Wenn er von seinem Posten auf dem Dach heruntersteigt, genießt er die Angst, die er verbreitet. Furchtlos ist nur Myrna, das Mädchen, das für seine demente Mutter sorgt - das er beschützen und besitzen will. Dies ist ein Roman über den Krieg aus der Perspektive eines Mörders, der sein Selbstwertgefühl aus der Eleganz seiner Treffer zieht. Ein erbarmungsloser Text über die sich verselbstständigende Realität des Krieges.»Ein Meisterwerk von einzigartiger sprachlicher und k...
Erschütternd, verstörend, eine grandiose Zumutung
Er ist zwanzig, der beste Scharfschütze der belagerten Stadt. Wenn er von seinem Posten auf dem Dach heruntersteigt, genießt er die Angst, die er verbreitet. Furchtlos ist nur Myrna, das Mädchen, das für seine demente Mutter sorgt - das er beschützen und besitzen will. Dies ist ein Roman über den Krieg aus der Perspektive eines Mörders, der sein Selbstwertgefühl aus der Eleganz seiner Treffer zieht. Ein erbarmungsloser Text über die sich verselbstständigende Realität des Krieges.
»Ein Meisterwerk von einzigartiger sprachlicher und kompositorischer Konsequenz ... Atemberaubend!« Deutschlandfunk Kultur
»Ein literarisch glänzender Beitrag zur Psychologie des Krieges.« BR2
»Man kann nicht mehr aufhören zu lesen, denn dieser Protagonist lässt einen nicht mehr los.« NZZ am Sonntag
Er ist zwanzig, der beste Scharfschütze der belagerten Stadt. Wenn er von seinem Posten auf dem Dach heruntersteigt, genießt er die Angst, die er verbreitet. Furchtlos ist nur Myrna, das Mädchen, das für seine demente Mutter sorgt - das er beschützen und besitzen will. Dies ist ein Roman über den Krieg aus der Perspektive eines Mörders, der sein Selbstwertgefühl aus der Eleganz seiner Treffer zieht. Ein erbarmungsloser Text über die sich verselbstständigende Realität des Krieges.
»Ein Meisterwerk von einzigartiger sprachlicher und kompositorischer Konsequenz ... Atemberaubend!« Deutschlandfunk Kultur
»Ein literarisch glänzender Beitrag zur Psychologie des Krieges.« BR2
»Man kann nicht mehr aufhören zu lesen, denn dieser Protagonist lässt einen nicht mehr los.« NZZ am Sonntag
Mathias Enard, geboren 1972 in Niort (Westfrankreich), Studium der Kunstgeschichte und orientalischen Sprachen, lebt, nach längeren Aufenthalten im Nahen Osten, heute in Barcelona, wo er Arabisch lehrt. Für 'Zone' erhielt er in Frankreiche 2008 den 'Prix Décembre' und 2009 den 'Prix du Livre Inter', in Deutschland den deutsch-französischen 'Candide Preis 2008'. Für 'Kompass' wurde Mathias Enard mit dem Prix Goncourt sowie dem Leipziger Buchpreis der Europäischen Verständigung ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: Piper
- Auflage
- Seitenzahl: 188
- Erscheinungstermin: 10. Januar 2025
- Deutsch
- Abmessung: 185mm x 117mm x 20mm
- Gewicht: 186g
- ISBN-13: 9783492320429
- ISBN-10: 3492320422
- Artikelnr.: 70295858
Herstellerkennzeichnung
Piper Verlag GmbH
Georgenstr. 4
80799 München
info@piper.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Lothar Müller bestaunt die Konsequenz, mit der Mathias Enard in seinem Debüt von 2003 die Psychologie eines Snipers ins Zentrum stellt. Wie der Ich-Erzähler über die Einheit von Waffe und Mensch philosophiert, wenn er im Morgengrauen den Abzug betätigt, ist vielleicht nicht jedermanns Sache, ahnt Müller. Dass aber Enard nicht im Pulp-Fiction-Style erzählt und auch nicht ideologisch wird, sondern ungerührt in der "Maske des Memoirs" bleibt, findet Müller bestechend. Der Lust an der Gewalt um ihrer selbst willen, meint Müller, kommt der Autor so auf bemerkenswerte Weise auf die Spur.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Das Handwerks des Krieges zur Kunst erheben
Im Beginn steckt schon das spätere literarische Schaffen: Nach zwanzig Jahren wird der erste Roman von Mathias Énard übersetzt.
Von Niklas Bender
Es ist schade und schön zugleich, dass Mathias Énards Roman "Der perfekte Schuss" erst jetzt in Übersetzung erscheint, zwanzig Jahre nach dem französischen Original: Schade, weil dem deutschen Publikum so lange der erstaunliche Erstling des Goncourt-Preisträgers (für den Roman "Kompass", 2015) vorenthalten wurde. Schön erstens, weil der Erstling in den aktuellen Kontext des Ukrainekriegs gut passt, und zweitens, weil er von der mittlerweile erreichten Höhe des Énard'schen Werks herab wie der vollkommene ästhetische
Im Beginn steckt schon das spätere literarische Schaffen: Nach zwanzig Jahren wird der erste Roman von Mathias Énard übersetzt.
Von Niklas Bender
Es ist schade und schön zugleich, dass Mathias Énards Roman "Der perfekte Schuss" erst jetzt in Übersetzung erscheint, zwanzig Jahre nach dem französischen Original: Schade, weil dem deutschen Publikum so lange der erstaunliche Erstling des Goncourt-Preisträgers (für den Roman "Kompass", 2015) vorenthalten wurde. Schön erstens, weil der Erstling in den aktuellen Kontext des Ukrainekriegs gut passt, und zweitens, weil er von der mittlerweile erreichten Höhe des Énard'schen Werks herab wie der vollkommene ästhetische
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Ursprungsakt wirkt, den der Titel nahelegt - als hätte der Autor darin sein späteres Schaffen triumphierend antizipiert.
Das führt zur Bedeutung des Titels: "Der perfekte Schuss" verweist konkret auf das Berufsethos eines Scharfschützen; im übertragenen Sinne allerdings ist das literarische Handwerk mitgemeint. Eine heikle Parallele, denn die Hauptfigur des Romans ist alles andere als ein Sympathieträger: Der namenlose Sniper ist ein skrupelloser Kriegsverbrecher, der Soldaten, Alte, Frauen und Kinder aus sicherer Entfernung über den Haufen knallt - der Roman ist nicht immer leicht zu lesen. Tatort ist eine Bürgerkriegsstadt im mediterranen Raum, die Assoziation mit Beirut im libanesischen Bürgerkrieg liegt nahe.
Das Handwerk des Krieges versucht der Schütze zur Kunst zu erheben: "Das Wichtigste ist der Atem. Das ruhige und langsame Ein- und Ausatmen, die Geduld des Atems." Dahinter steckt der Wunsch nach Kontrolle: "Schießen ist vor allem Disziplin. Man muss sich zurückhalten, zusammennehmen, abkapseln, alles im Ziel bündeln, bis man selbst im Zielfernrohr verschwindet." Die Linie des Projektils wird die einzige Verbindung zur Außenwelt: "Man muss einen Bezug zwischen sich und den Dingen herstellen, eine direkte Verbindung, die man Flugbahn nennt; man muss sich vorstellen, man folge ihr wie einem Weg." Dann der Schuss - die Askese kippt in den kriegerischen Triumph.
Der Wahn hält den jungen Mann gefangen, seit er fünfzehn ist, seit dem Tod des ungeliebten Vaters, der von einem Baugerüst gefallen ist (oder gestoßen wurde), sowie dem Weggang des Bruders. Der Kriegsausbruch bietet dem Erzähler Gelegenheit, die Initiative zu übernehmen, aus sicherer Höhe das Chaos der Stadt zu beherrschen, über Leben und Tod zu richten. Seine Initiation erfährt er durch den vier Jahre älteren Zak, einen "herrlichen Barbaren", mit dem er einen "seltsamen Todespakt" geschlossen hat, der mehr als latent homosexuell ist. Ein grotesk komplementäres Freundespaar: der brutale Schläger und Folterer Zak, der kühle und effiziente Scharfschütze. Im Grunde erzählt "Der perfekte Schuss" ein misslungenes Erwachsenwerden, in dem die Soldateska eine implodierte Familie ersetzt.
Um seinen achtzehnten Geburtstag zwingt der fortgeschrittene Wahnsinn seiner Mutter den Scharfschützen dazu, die fünfzehnjährige Myrna als Betreuerin zu engagieren: "Sie hatte fast den Körper einer Frau und dazu das Lächeln eines Mädchens, ein nettes Gesicht." Myrna zeigt in ihrer Verletzlichkeit Stärke, bringt die Mutter zum Lachen und die Literatur in des Scharfschützen Leben zurück. Er sieht sich zerrissen zwischen Myrna und Zak, zwischen Kriegerexistenz und familiärer Normalität. Neben dem Gegensatz von Höhe und Tiefe ist es der von (toxischer) Männlichkeit und (empathischer) Weiblichkeit, der den Roman strukturiert - dezent und bar ideologischer Last.
Die Ich-Erzählung versetzt einen in den Kopf eines Schlächters, eine Perspektive, die in heutigen Zeiten doppelt interessant ist. Der Leser begreift rasch das Maß der Grausamkeit, fragt sich aber lange, wie die Außenwelt den Schützen wahrnimmt. Der hat keinen Zweifel: "Je mehr Zeit verging, desto mehr sahen meine Kameraden, überhaupt alle, zu mir auf wie zu einem Standbild, mit Furcht und Respekt, ein wenig wie zu einem Vorgesetzten." Nach und nach ramponiert Énard jedoch die Statue: von innen durch körperliche Symptome wie das Pfeifen im Ohr, von außen durch Hinweise darauf, dass das Umfeld weiß, was der Unterschied zwischen einem Helden und einem Psychopathen ist. Es ist Myrnas Aufgabe, ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren: "Es sind Leute wie du, die diesen Krieg machen." In letzter Konsequenz stellt die Einsicht ihn vor die Wahl zwischen dem Krieg und ihr.
Die Ästhetik weicht ab von jener der großen Énard-Romane wie "Zone" (2008), "Kompass" oder "Das Jahresbankett der Totengräber" (2020), die eine Vielzahl von Erzählfäden und Figuren verweben. Auch sprachlich ist der Roman eher in einer Linie mit kürzeren Texten wie "Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten" (2010) zu sehen: Die meist knappen Sätze entbehren der gewohnten Fülle des Wortschatzes und der kulturellen Referenzen. Das ist nicht nur eine interessante Variation, sondern entspricht der Kunst des Snipers, seinem Ideal der asketisch direkten Willenslinie, dem sich "Der perfekte Schuss" anpasst: Es ist ein trockener, sehniger Text.
Eine wirkliche Überraschung birgt das Ende: Die deutsche Übersetzung schließt anders als das Original. Ohne die Auflösung zu verraten: Während im Original der Schütze seiner verrückten Mutter gegenübersteht und von ihr schließlich in den Arm genommen wird, endet die deutsche Fassung dreieinhalb Seiten früher, mit dem Bild einer Hand im Todeskrampf. Diese vom Autor abgesegnete Änderung, von Hanser Berlin in der Klausel "neu durchgesehen" versteckt, verschiebt die Rahmung des Geschehens weg vom Familiären hin zu den Konsequenzen des Kriegerethos; ohne die finale mütterliche Geste stehen diese schroffer im Raum. Während es kein Schaden ist, dass der Schnitt die Symbolsprache diskreter werden lässt, erzeugt er einen Abbruch, effektvoller, filmischer, jedoch auch unversöhnlicher.
So oder so bietet "Der perfekte Schuss" die Gelegenheit, einen anderen Énard kennenzulernen. Krieg, Chaos und Zerstörung, in "Zone" nur verschachtelt und hintergründig präsent, werden zur omnipräsenten Gegenwart: ein spannender, harter Roman, aber ohne jeden Zweifel - die Ambivalenz der Gefühle rechtfertigt das fragwürdige Bild - ein Volltreffer.
Mathias Énard, "Der perfekte Schuss". Roman.
Aus dem Französischen von Sabine Müller. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2023. 192 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das führt zur Bedeutung des Titels: "Der perfekte Schuss" verweist konkret auf das Berufsethos eines Scharfschützen; im übertragenen Sinne allerdings ist das literarische Handwerk mitgemeint. Eine heikle Parallele, denn die Hauptfigur des Romans ist alles andere als ein Sympathieträger: Der namenlose Sniper ist ein skrupelloser Kriegsverbrecher, der Soldaten, Alte, Frauen und Kinder aus sicherer Entfernung über den Haufen knallt - der Roman ist nicht immer leicht zu lesen. Tatort ist eine Bürgerkriegsstadt im mediterranen Raum, die Assoziation mit Beirut im libanesischen Bürgerkrieg liegt nahe.
Das Handwerk des Krieges versucht der Schütze zur Kunst zu erheben: "Das Wichtigste ist der Atem. Das ruhige und langsame Ein- und Ausatmen, die Geduld des Atems." Dahinter steckt der Wunsch nach Kontrolle: "Schießen ist vor allem Disziplin. Man muss sich zurückhalten, zusammennehmen, abkapseln, alles im Ziel bündeln, bis man selbst im Zielfernrohr verschwindet." Die Linie des Projektils wird die einzige Verbindung zur Außenwelt: "Man muss einen Bezug zwischen sich und den Dingen herstellen, eine direkte Verbindung, die man Flugbahn nennt; man muss sich vorstellen, man folge ihr wie einem Weg." Dann der Schuss - die Askese kippt in den kriegerischen Triumph.
Der Wahn hält den jungen Mann gefangen, seit er fünfzehn ist, seit dem Tod des ungeliebten Vaters, der von einem Baugerüst gefallen ist (oder gestoßen wurde), sowie dem Weggang des Bruders. Der Kriegsausbruch bietet dem Erzähler Gelegenheit, die Initiative zu übernehmen, aus sicherer Höhe das Chaos der Stadt zu beherrschen, über Leben und Tod zu richten. Seine Initiation erfährt er durch den vier Jahre älteren Zak, einen "herrlichen Barbaren", mit dem er einen "seltsamen Todespakt" geschlossen hat, der mehr als latent homosexuell ist. Ein grotesk komplementäres Freundespaar: der brutale Schläger und Folterer Zak, der kühle und effiziente Scharfschütze. Im Grunde erzählt "Der perfekte Schuss" ein misslungenes Erwachsenwerden, in dem die Soldateska eine implodierte Familie ersetzt.
Um seinen achtzehnten Geburtstag zwingt der fortgeschrittene Wahnsinn seiner Mutter den Scharfschützen dazu, die fünfzehnjährige Myrna als Betreuerin zu engagieren: "Sie hatte fast den Körper einer Frau und dazu das Lächeln eines Mädchens, ein nettes Gesicht." Myrna zeigt in ihrer Verletzlichkeit Stärke, bringt die Mutter zum Lachen und die Literatur in des Scharfschützen Leben zurück. Er sieht sich zerrissen zwischen Myrna und Zak, zwischen Kriegerexistenz und familiärer Normalität. Neben dem Gegensatz von Höhe und Tiefe ist es der von (toxischer) Männlichkeit und (empathischer) Weiblichkeit, der den Roman strukturiert - dezent und bar ideologischer Last.
Die Ich-Erzählung versetzt einen in den Kopf eines Schlächters, eine Perspektive, die in heutigen Zeiten doppelt interessant ist. Der Leser begreift rasch das Maß der Grausamkeit, fragt sich aber lange, wie die Außenwelt den Schützen wahrnimmt. Der hat keinen Zweifel: "Je mehr Zeit verging, desto mehr sahen meine Kameraden, überhaupt alle, zu mir auf wie zu einem Standbild, mit Furcht und Respekt, ein wenig wie zu einem Vorgesetzten." Nach und nach ramponiert Énard jedoch die Statue: von innen durch körperliche Symptome wie das Pfeifen im Ohr, von außen durch Hinweise darauf, dass das Umfeld weiß, was der Unterschied zwischen einem Helden und einem Psychopathen ist. Es ist Myrnas Aufgabe, ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren: "Es sind Leute wie du, die diesen Krieg machen." In letzter Konsequenz stellt die Einsicht ihn vor die Wahl zwischen dem Krieg und ihr.
Die Ästhetik weicht ab von jener der großen Énard-Romane wie "Zone" (2008), "Kompass" oder "Das Jahresbankett der Totengräber" (2020), die eine Vielzahl von Erzählfäden und Figuren verweben. Auch sprachlich ist der Roman eher in einer Linie mit kürzeren Texten wie "Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten" (2010) zu sehen: Die meist knappen Sätze entbehren der gewohnten Fülle des Wortschatzes und der kulturellen Referenzen. Das ist nicht nur eine interessante Variation, sondern entspricht der Kunst des Snipers, seinem Ideal der asketisch direkten Willenslinie, dem sich "Der perfekte Schuss" anpasst: Es ist ein trockener, sehniger Text.
Eine wirkliche Überraschung birgt das Ende: Die deutsche Übersetzung schließt anders als das Original. Ohne die Auflösung zu verraten: Während im Original der Schütze seiner verrückten Mutter gegenübersteht und von ihr schließlich in den Arm genommen wird, endet die deutsche Fassung dreieinhalb Seiten früher, mit dem Bild einer Hand im Todeskrampf. Diese vom Autor abgesegnete Änderung, von Hanser Berlin in der Klausel "neu durchgesehen" versteckt, verschiebt die Rahmung des Geschehens weg vom Familiären hin zu den Konsequenzen des Kriegerethos; ohne die finale mütterliche Geste stehen diese schroffer im Raum. Während es kein Schaden ist, dass der Schnitt die Symbolsprache diskreter werden lässt, erzeugt er einen Abbruch, effektvoller, filmischer, jedoch auch unversöhnlicher.
So oder so bietet "Der perfekte Schuss" die Gelegenheit, einen anderen Énard kennenzulernen. Krieg, Chaos und Zerstörung, in "Zone" nur verschachtelt und hintergründig präsent, werden zur omnipräsenten Gegenwart: ein spannender, harter Roman, aber ohne jeden Zweifel - die Ambivalenz der Gefühle rechtfertigt das fragwürdige Bild - ein Volltreffer.
Mathias Énard, "Der perfekte Schuss". Roman.
Aus dem Französischen von Sabine Müller. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2023. 192 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein Meisterwerk von einzigartiger sprachlicher und kompositorischer Konsequenz ... Atemberaubend!" Ingo Arend, Deutschlandfunk Kultur, 21.03.23 "Ein spannender, harter Roman, ohne jeden Zweifel ... ein Volltreffer." Niklas Bender, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.23 "Mit diesem Wegfiltern des Ideologischen - etwa eines nationalistischen Furors oder einer Opfererzählung - ist der junge Mathias Énard der Lust an der Gewalt um ihrer selbst willen auf der Spur. Sie ist der Kern dieses Buches, der Kern seines Misstrauens gegen das Menschenbild, in dem die Gewalt das Unmenschliche ist." Lothar Müller, SZ, 10.07.23 "Ein sprachmächtiges, radikales Frühwerk ... Ein erschütterndes Dokument der Entmenschlichung, das Psychogramm eines Killers und
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ein fast schon erschreckend unsentimentales Mahnmal gegen die Gräuel des kriegerischen Mordens." Dirk Fuhrig, Deutschlandfunk, 04.04.23 "Schon mit diesem Debütroman beweist Enard seine beachtliche geistige Spannweite. ... In 'Der perfekte Schuss' hat er seine Vielseitigkeit meisterhaft auf das Entscheidende konzentriert. Mit anderen Worten: Dieser harte Roman ist ein literarisch glänzender Beitrag zur Psychologie des Krieges." Eberhard Falcke, BR2, 14.05.23 "Wie sehr Verrohung und Gewaltkult unvermeidliche Begleiterscheinungen des sich verselbständigenden Krieges sind, gerät leicht aus dem Blick. Gut, dass uns dieser provozierende Roman von Mathias Enard daran erinnert." Wolfgang Schneider, SWR2, 19.03.23 "Jeder Krieg wertet die Werte um, und Enard erzählt erschütternd von dem, was in den Medien kaum vorkommt: von der Verlorenheit eines Täters. ... Man kann nicht aufhören zu lesen, denn dieser Protagonist lässt einen nicht mehr los." Jérôme Jaminet, NZZ am Sonntag, 26.03.23 "Dieses elegische Tagebuch eines Kriegers zeigt das permanente Oszillieren zwischen Disziplin und Anarchie, zwischen Ordnung und Orgie, zwischen Kontrollillusion und Kontrollverlust. ... Dieses Psychogramm ... liest sich schmerzhaft gut und zeigt bereits den Debütanten als souveränen Schriftsteller." Welt am Sonntag, 02.04.23 "'Der perfekte Schuss' beweist Enards Gefühl für Struktur und Rhythmus ... Es lohnt sich also genauer hinzusehen, auch, weil es Sabine Müller gelingt, in ihrer Übersetzung das pneumatische Pulsieren des Originals nachfühlbar zu machen." Thomas Leitner, Falter, 22.03.23 "Das Psychogramm, was passiert mit Menschen, wenn sie im Krieg sind. ... Enard möchte wissen, wie geht das, dass solche Enthumanisierungen durchgehen und Alltag werden. ... Ein sehr ziviler, sehr kluger Roman." Mario Scalla, hr2 Kultur, 03.04.23 "'Der perfekte Schuss' ist das brillante Debüt eines großen Erzählers und ein gewichtiger Antikriegsroman. Zwanzig Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen ist dieser heute von bestürzender Aktualität." Georg Renöckl, ORF Ö1, 21.05.23 "Das Buch ist ein sprachmächtiges Frühwerk des Autors über Verrohung und Gewaltkult, das in seiner Rigorosität ein Meisterwerk ist. Die Härte des Romans ist seine Stärke, weil er die Psychologie des Krieges aus nur einer Perspektive schildert." Roland Mischke, Aachener Zeitung, 21.08.23 "Heftiger Stoff. ... In bestürzender Unmittelbarkeit schildert Enard, wie die alltägliche Unmenschlichkeit den Jungen aushöhlt, wie der Krieg so sehr das Dasein prägt, dass eine Normalität ohne ihn leer und haltlos erscheint." Wolfgang Schütz, Augsburger Allgemeine, 18.03.23 "Erschütternd, verstörend, eine grandiose Zumutung ... Ein erbarmungsloser Text von leider zeitloser Gültigkeit. Überall." Bernd Melichar, Kleine Zeitung Newsletter, 25.03.23 "Enard ist ein Meister darin, Situationen zusammenzuführen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Die Zärtlichkeit, die sich hier zeigt, wird durch eiskalte Handlungen konterkariert, durch die Selbstbewunderung ad absurdum geführt." Monika Köhler, Junge Welt, 21.08.23 "'Der perfekte Schuss' lässt den Leser in keinem Moment aus der Haut des Ich-Erzählers schlüpfen. ... Nicht nur ein faszinierendes, sondern auch lehrreiches Buch. Es macht spürbar, wie Menschen im Krieg zu 'funktionieren' beginnen." Anne-Catherine Simon, Die Presse, 08.04.23 "Wer sich auf das Buch einlässt, erlebt einen ungeheuer intensiven literarischen Text. ... Mathias Enard entfaltet darin in vielem bereits jenes erzählerische Talent, das ihn in seinen späteren Romanen als großen Romancier auszeichnet." Felix Münger, SRF 2 Kultur, 02.06.23
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Gebundenes Buch
Wer es nicht aushalten möchte, in die hässlichen Seiten von Kriegen und in tiefste menschliche Abgründe zu schauen ohne die Hilfe einer moralischen Instanz, sollte einen Bogen um »Der perfekte Schuss« machen, die Liste der Triggerwarnungen wäre lang. Vor 20 Jahren …
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Wer es nicht aushalten möchte, in die hässlichen Seiten von Kriegen und in tiefste menschliche Abgründe zu schauen ohne die Hilfe einer moralischen Instanz, sollte einen Bogen um »Der perfekte Schuss« machen, die Liste der Triggerwarnungen wäre lang. Vor 20 Jahren erschien dieses provokante Debüt des Prix Goncourt Preisträgers Mathias Énard in Frankreich und ist erst jetzt ins Deutsche übersetzt worden. Waren 2003 die Kriege im Irak und die Aufarbeitung der Jugoslawienkriege im Fokus der Diskussionen, so sind es heute die Ukraine, Syrien, Iran.
Nüchtern, fast klinisch-distanziert erzählt Énard aus der Sicht eines Snipers, eines fähigen Soldaten, der gut im Töten ist. Wir kommen näher als uns lieb sein kann. Eine Zumutung, denn seine Ruhe und Professionalität sind eine Hülle, unter der eine anwachsende Gewalt und Zerstörung pulsiert, die ins Private überschwappt.
Seine Mutter ist dement, ihre schreiende Panik wird mit Tabletten gedämpft und es kommt vor, dass er auf sie einschlägt. Seine schüchtern-begehrende Seite spürt er bei einer 15jährigen Kriegswaisin, die seine Mutter betreut. Doch ihre passive Angst kränkt ihn, schlägt um in Scham und Gewalt.
Als Szenerie wählt Énard einen Bürgerkrieg mit Barrikaden, Fluchtbewegungen und umkämpften Dörfern. Dabei ist nicht zu erkennen, um welchen Krieg es sich handelt. Eine Einordnung durch den Kontext erfolgt auch nicht. Die Geschichte, die Geopolitik und die Frage, welche Kriegspartei auf der "richtigen Seite" steht, bleiben aus. Vom Standpunkt des Snipers her ist es auch nicht wichtig, er fügt sich in die Notwendigkeit des Krieges, der Leute braucht, die ihn führen. Énard nimmt damit eine wesentliche Instanz weg, die in aktuellen Diskussionen im Mittelpunkt steht und richtet abseits von allen politischen Linien den Blick auf den Schaden, den Kriege anrichten bei allen Beteiligten, auch den Tätern. Ohne sie explizit zu verhandeln, stößt uns »Der perfekte Schuss« auf eine schwierige Frage: Was passiert mit diesen Menschen, wenn der Krieg vorbei ist, wie leben sie weiter mit der eingeschrieben Angst, der Aggression, der Schuld und der Scham?
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Gebundenes Buch
Mathias Enards 20 Jahre alter Debütroman hat es in sich. Erzählende Hauptfigur ist ein Sniper in Kriegszeiten. Es wird konsequent aus seiner Perspektive erzählt und selten eine so kalte und bösartige Stimme erlebt.
Für ihn wird das töten zum Rausch. Und er ist …
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Mathias Enards 20 Jahre alter Debütroman hat es in sich. Erzählende Hauptfigur ist ein Sniper in Kriegszeiten. Es wird konsequent aus seiner Perspektive erzählt und selten eine so kalte und bösartige Stimme erlebt.
Für ihn wird das töten zum Rausch. Und er ist gnadenlos. Außer dem Schießen interessiert ihn nicht viel. Außer vielleicht noch das 15jährige Mädchen, dass sich um seine demente Mutter kümmert. Eine latent bedrohliche Beziehung.
Welcher Krieg das eigentlich ist, wird nicht so genau gesagt. Dadurch wirkt der Text universell.
Ein wenig erinnerte mich das Buch an Clint Eastwoods Film American sniper.
Enards Beschreibungen sind nüchtern und präzise. Vielleicht wirken gerade deswegen einige harte Passagen so stark und schockierend.
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Gebundenes Buch
Gleich vorneweg: das ist kein Buch für ein zartes Gemüt, und wer damit geschlagen ist, kann dieses Buch nur in kleinen Dosen lesen. Ein provozierendes Buch, und ein lesenswertes Buch.
Der Ich-Erzähler ist ein junger Mensch, der gerade dem Gymnasium entwachsen ist. Er wird Soldat …
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Gleich vorneweg: das ist kein Buch für ein zartes Gemüt, und wer damit geschlagen ist, kann dieses Buch nur in kleinen Dosen lesen. Ein provozierendes Buch, und ein lesenswertes Buch.
Der Ich-Erzähler ist ein junger Mensch, der gerade dem Gymnasium entwachsen ist. Er wird Soldat und lernt hier seine Begabung für das Schießen kennen, sodass er überwiegend als Scharfschütze eingesetzt wird. Er liegt auf einem Dach, späht die feindlichen Wohnungen aus und wartet geduldig auf den Moment, in dem er den perfekten Schuss abgeben kann.
Ort und Zeit dieses Krieges, offenbar eines Bürgerkrieges, bleiben offen. Wir lesen zwar vom Blick aufs Meer und von Düften nach Thymian, Salbei und anderen mediterranen Kräutern, es ist am Nachmittag unerträglich heiß, das Gestein ist weiß und blendet in der Sonne – wir sind also in Südeuropa, aber der Autor lässt sich nicht genauer festlegen und erreicht damit eine beklemmende Präsenz der Ereignisse. Der Krieg selber wird wie ein Automatismus geschildert oder wie ein Naturereignis, das sich wie ein Unwetter über den Menschen entlädt; manche Stellen lassen einen daher an Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ denken.
Der Ich-Erzähler ist kein Sympathieträger, ganz im Gegenteil: er ist monströs. Er hat den Ehrgeiz, nur perfekte Schüsse abzugeben und räsoniert darüber, dass das blendungsfreie Licht des Morgens dafür am besten geeignet sei. Zu dieser Tageszeit gelingen ihm die besten Abschüsse, und ein perfekter Schuss ist ein Kopfschuss. Das Töten ist für ihn ein sportlich-ästhetisches Ereignis, auf das er stolz ist, und er verschwendet keinen einzigen Gedanken daran, dass er eine junge Frau getötet hat oder ein Schulmädchen. Einige der erzählten Szenen sind schwer auszuhalten; wir nehmen durch die Augen des Ich-Erzählers teil an Massakern an der Zivilbevölkerung, an Übergriffen auf Flüchtlinge, an Folterungen und anderen Gräueltaten, bei denen der Ich-Erzähler einmal auch mäßigend einschreitet.
Der Ich-Erzähler ist aber nicht nur ein Monstrum, sondern zeigt sich zugleich als ein reflektierender und zutiefst unglücklicher Mensch, der den Krieg als Schicksal sieht, als „Göttin mit Schlangenhaar“, die Gewalt über ihn bekommen hat und ihn und alle anderen verändert. Durch den Krieg wird Gewalt der bestimmende Faktor in seinem Leben.
Wie sehr Gewalt sein Leben auch im Privaten bestimmt, wird besonders deutlich an seinem Verhältnis zu Myrna, einer jungen Waise, die sich um seine demente Mutter kümmern soll. Er begehrt sie, beobachtet sie heimlich, sorgt für sie, versucht sich ihr zu nähern – und hier zeigt sich die subtile Sprachgewalt des Autors: auch in der Ich-Perspektive erlebt man als Leser die wachsende Angst des jungen Mädchens und ihr Gefühl der Bedrohung mit. Die Zurückweisung durch Myrna lässt ihn jedoch leiden – und dieses Leiden entlädt sich wiederum in neuen soldatischen „Heldentaten“.
Es geht in dem Buch nicht eigentlich um den Krieg, sondern es geht darum, was der Krieg in der Seele eines Menschen anrichtet: wie er die Seele verroht.
Ein beklemmendes und aufwühlendes Buch.
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