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Als Anfang des 20. Jahrhunderts der erste Tunnel unter dem East River entsteht, der Brooklyn mit Manhattan verbindet, ahnt niemand, dass viele Jahrzehnte später Menschen in dem unterirdischen Labyrinth leben werden. "Selten hat es ein junger Autor auf so überzeugende Weise verstanden, Historie und Fiktion zu einer ganz eigenen Welt zu verschmelzen." (Focus) Als Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem East River der erste Tunnel entsteht, der Brooklyn mit Manhattan verbindet, ahnt niemand, dass viele Jahrzehnte später Menschen in dem unterirdischen Labyrinth leben werden.

Produktbeschreibung
Als Anfang des 20. Jahrhunderts der erste Tunnel unter dem East River entsteht, der Brooklyn mit Manhattan verbindet, ahnt niemand, dass viele Jahrzehnte später Menschen in dem unterirdischen Labyrinth leben werden. "Selten hat es ein junger Autor auf so überzeugende Weise verstanden, Historie und Fiktion zu einer ganz eigenen Welt zu verschmelzen." (Focus) Als Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem East River der erste Tunnel entsteht, der Brooklyn mit Manhattan verbindet, ahnt niemand, dass viele Jahrzehnte später Menschen in dem unterirdischen Labyrinth leben werden.
Autorenporträt
Colum McCann wurde 1965 in Dublin geboren. Er arbeitete als Journalist, Farmarbeiter und Lehrer und unternahm lange Reisen durch Asien, Europa und Amerika. Für seine Romane und Erzählungen erhielt McCann zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Hennessy Award und den Rooney Prize for Irish Literature. Zum internationalen Bestsellerautor wurde er mit den Romanen Der Tänzer und Zoli. Für den Roman Die große Welt erhielt er 2009 den National Book Award. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.1998

Schau abwärts, Engel
Colum McCann untergräbt Amerika · Von Hans-Ulrich Treichel

Mancher Leser hat die Angewohnheit, vor dem Beginn der Lektüre eines Buches die letzten Seiten aufzuschlagen. Wer dies im Fall von Colum McCanns neuem Roman tut, der wird auf zwei Danksagungen stoßen. Die erste stammt vom Autor, der seinen Ratgebern und Informanten dankt. Dem "New York Transit Museum" in Brooklyn beispielsweise, "den vielen Tunnelarbeitern" sowie den obdachlosen "Männern und Frauen der New Yorker Tunnel, die mir ihr Leben und ihr Zuhause geöffnet haben". Daß der Autor auch seinem Lektorat dankt, ist eher unüblich, aber eine schöne und nachahmenswerte Geste. Unüblich ist ebenfalls, daß der 1965 in Dublin geborene und jetzt in New York lebende McCann, der dem deutschen Publikum mit seinem Erstlingsroman "Gesang der Kojoten" bekannt geworden ist, das Glück hatte, von gleich "zwei großartigen Lektorinnen" betreut zu werden und zudem noch einen Ratgeber hatte, der ihm "bei zahlreichen Dialogpassagen behilflich war". Letzterer aber hat - wenn es nicht der Übersetzer war - zumindest bei dem folgenden Tunnelarbeiterdialog gründlich versagt: ",Ich wette, diese Frau könnt mit glatt den Chrom von der Stoßstange saugen'. - ,Außer, daß du kein Auto hast!' - ,Ganz genau.' - ,Was ist die Bedeutung, den Chrom?' fragt Vanucci."

Die zweite Danksagung stammt von Matthias Müller, dem Übersetzer des Buches. Dieser dankt ausschließlich verschiedenen akademischen Beratern, bei denen es sich um diverse Spezialisten und Lehrstuhlinhaber für "Bauverfahrenstechnik", "Tunnelbau" und "Baubetrieb" handelt. Wir dürfen also davon ausgehen, daß alles seine tunnelbautechnische Richtigkeit hat, wenn von "Tübbingringen" und "Erektoren", von "Derrickkränen" und "Ortsbrüsten" die Rede ist. Einzelne Unstimmigkeiten aber scheint es im fremdsprachlichen Bereich zu geben. Nur wer das italienische "ascoltami!" wörtlich übersetzt, kann aus dem geläufigen "Hör mir zu!" ein sinnentstellendes "Hör mich!" machen. Außerdem schreibt sich "explosivo" nur für denjenigen so, der auch seinen Espresso mit x bestellt. Das sind Marginalien, zugegeben. Doch sie rufen nicht nur wegen des nachgetragenen Aufmarsches an Helfern und Fachleuten eine vielleicht kleinlich anmutende Kritik hervor. Die Fehler und stilistischen Fehlgriffe - "Er hat sich der Geschichte entleert", heißt es einmal - sind auch deshalb so störend, weil Colum McCanns Roman insgesamt einen überaus stilsicheren Eindruck macht und man auch in der deutschen Fassung nur selten daran erinnert wird, daß es sich um eine Übersetzung handelt.

McCann erzählt die Geschichte eines farbigen Obdachlosen mit dem Spitznamen "Treefrog" (Laubfrosch), der es sich in einem Eisenbahntunnel unter dem Hudson mehr als provisorisch eingerichtet hat. Treefrog haust hier nicht allein, mit ihm bewohnen die Obdachlosen Papa Love, Faraday, Angela und Elijah den Tunnel. Alle leben sie gleichsam einen Abgrund weit unter dem, was man das Existenzminimum nennt - den Ratten näher als den Menschen. Sie wohnen und leben so tief unten, daß Treefrog mit Recht einen Blues vor sich hin summen kann, den bereits sein Großvater gesungen hat: "Lord, I'm so lowdown, I think I'm looking up at down. So tief bin ich unten, Herr, ich sag dir, tief ist noch über mir."

Treefrog war freilich nicht immer hier unten. Sein Schicksal hat eine Vorgeschichte - und McCann erzählt diese Vorgeschichte als die Geschichte einer Harlemer Familie, die nolens volens auch zu einer Geschichte New Yorks und des modernen Amerika wird. Sie beginnt mit Nathan Walker, dem Großvater Treefrogs, der im Jahre 1914 aus Georgia nach New York gekommen ist und nun zu einer Gruppe von "Mineuren" gehört, die an vorderster Front einen Eisenbahntunnel unter dem East River graben. In einer grandiosen Szene, einem Arbeitsunfall von hoher symbolischer Kraft, werden Nathan und drei seiner Kollegen, die in schweißtreibender Druckluft arbeiten, durch ein Loch in der Tunneldecke förmlich aufgesaugt und - bis auf einen von ihnen - durch den Fluß an die Oberfläche katapultiert: "Die drei Kumpel schlagen Saltos in der Luft über dem Fluß. Das Wasser läßt sie für einen Moment zwischen Brooklyn und Manhattan schweben. Es ist ein Augenblick, den die Männer nie vergessen werden. Sie sind wie Götter nach oben geblasen worden."

Diese katastrophische Himmelfahrt über dem Hudson wird zur Schlüsselszene der Familie, versinnbildlicht sie doch gleichermaßen allen heroischen Arbeitstriumph, den sie als Tunnel- und später auch Hochhausbauer erleben, und alles soziale Unglück, das ihnen als Angehörige einer ethnischen Minderheit zuteil werden wird. So muß Walker, der gemeinsam mit Eleanor, der Tochter des bei dem "Ausbläser" tödlich verunglückten irischen Arbeiters Con, zwei Töchter und einen Sohn namens Clarence in die Welt setzt, die Leiden eines Hiob auf sich nehmen. Er verliert zuerst seine Frau bei einem von einem rassistischen Nachbarn verursachten Autounfall und dann seinen Sohn, der seine Mutter rächt, dabei zum Mörder und schließlich von der Polizei erschossen wird.

Apathisch geworden, dreht Nathan "seine Bibel mit dem Rücken zur Wand" und droht in Gesellschaft der "von Tequilaflaschen umringten" Schwiegertochter Luisa gänzlich zu verwahrlosen. Einzig sein Enkel Clarence Nathan ist ihm in einer geradezu zärtlichen Beziehung verbunden. Dieser hat von Walker dessen außergewöhnlichen "Gleichgewichtssinn" geerbt und setzt die Tradition der Familie gewissermaßen in topographischer Umkehrung fort: er gräbt keine Tunnel, sondern errichtet als Stahlbauer Manhattans Wolkenkratzer. Doch der schwindelfreie und artistisch begabte Clarence Nathan, für den "Fallen eigentlich gar kein Thema" ist, wird, wir ahnen es, am tiefsten von allen stürzen und als Obdachloser namens Treefrog einen der Tunnel bewohnen, die einst seine Vorfahren erbaut haben.

Es ist kein geringes Verdienst, daß McCann die Leidensgeschichte der Walkers in einem vitalen und gelegentlich auch rauhen Ton, doch ohne Larmoyanz und falsche Sentimentalität erzählt. Und ebenso verdienstvoll ist es, daß der Autor der speziellen Topographie des Romans nicht auf den metaphorischen Leim geht. Wohl nutzt er die Oben-unten-Koordinaten des Textes in ihrer doppelten, architektonischen und existentiellen Bedeutung, doch geht er sparsam damit um, bedient sich ihrer Sinnmöglichkeiten eher spielerisch, ohne sie gänzlich auszubeuten: "(...) in die Tiefe raufgucken und in die Höhe runter. Hab nie was Schöneres gehört, egal wie rum man's nimmt." In diesem "verkehrten" Sinne haust Treefrog am Ende zwar ganz unten, doch hat er es sich hier in einem wiederum hoch gelegenen "Nest" eingerichtet. Und: wohl arbeitete er vorher ganz oben, doch kann man auch hier, kurz unter den Wolken, verzweifeln: "Und ich hab' die ganze Nacht auf diesem Träger gesessen, und ich geb' offen zu, daß ich wie ein Baby geweint hab'."

Der Enkel beweint den Tod seines Großvaters. Der hatte ihn überredet, noch einmal mit ihm in einen "seiner" Tunnel zu gehen, wo Nathan Walker beinahe willentlich unter einen Zug gerät und stirbt. Die zärtlich-distanzierte Beziehung zwischen Enkel und Großvater zählt zu den berührendsten Passagen des Romans, und es hätte durchaus ausgereicht, den Schock, den der Enkel durch Walkers Tod erleidet, als Grund für dessen Tunnelexistenz anzunehmen - sofern diese überhaupt einer Begründung bedarf.

McCann aber traut seiner Geschichte nicht und stattet Clarence Nathan mit einem weiteren Trauma aus, das inzwischen zu Discountpreisen zu haben ist: dem des vermeintlichen Kinderschänders, der seine kleine Tochter beim Schaukelspiel "nur an den Achselhöhlen, nirgends sonst berührt", dafür aber von den Behörden verfolgt und von Frau und Kind verlassen wird. Über sexuelle Verfehlungen, ob wahre oder vermeintliche, mögen Präsidenten stürzen. McCanns Tunnelbewohner aber hätte allein schon aus literarischen Gründen ein anderes Schicksal verdient.

Colum McCann: "Der Himmel unter der Stadt". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Matthias Müller. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1998.

352 S., geb., 42,- DM.

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Colum McCann hat sich mit seiner Mischung aus makabrem Humor, lakonischer Formulierung und poetischen Bildern in die Elite englischsprachiger Erzähler geschrieben. Der Spiegel