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Wie wir wurden, was wir sind
Die Evolution ist weniger ein "Kampf ums Dasein" als vielmehr ein kreativer Prozess - das verdeutlicht Bestsellerautor Joachim Bauer auf der Grundlage aktuellster Forschungsergebnisse. Nicht zufällige Mutation bestimmt die Evolution, sondern aktive Veränderungen der Gene, die den Prinzipien Kooperation, Kommunikation und Kreativität folgen.

Produktbeschreibung
Wie wir wurden, was wir sind

Die Evolution ist weniger ein "Kampf ums Dasein" als vielmehr ein kreativer Prozess - das verdeutlicht Bestsellerautor Joachim Bauer auf der Grundlage aktuellster Forschungsergebnisse. Nicht zufällige Mutation bestimmt die Evolution, sondern aktive Veränderungen der Gene, die den Prinzipien Kooperation, Kommunikation und Kreativität folgen.
Autorenporträt
Prof. Dr. med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Arzt und Psychotherapeut. Nach erfolgreichen Jahren an der Universität Freiburg lehrt und arbeitet er heute in Berlin. Für seine Forschungsarbeiten erhielt er den renommierten Organon-Preis. Er veröffentlichte zahlreiche Sachbücher, u. a. »Warum ich fühle, was du fühlst«. Zuletzt erschienen bei Blessing/Heyne der SPIEGEL-Bestseller »Selbststeuerung ¿ Die Wiederentdeckung des freien Willens« (2015), »Wie wir werden, wer wir sind ¿ Die Entstehung des menschlichen Selbst durch Resonanz« (2019) und »Fühlen, was die Welt fühlt« (2020).
Rezensionen
"Gute Argumente, solide Forschungsergebnisse und eine leichte Feder machen das Buch zu einem spannenden Lesevergnügen." Deutschlandradio

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2008

Im Netzwerk des Genoms regieren die Schalter

Was meint Darwinismus? Das bleibt auch knapp zweihundert Jahre nach der Geburt seines Begründers immer noch Gegenstand von Kontroversen: Sean B. Carroll und Joachim Bauer verstehen neue Befunde der Forschung sehr verschieden.

Evolutionsforschung findet heute in der Genetik statt. Das ist objektiver, als den Aufbau der Lebewesen nur in der Morphologie zu betrachten, sagt der Molekularbiologe und Genetiker Sean B. Carroll, der in diesem Herbst gleich mit zwei Evolutionsbüchern vertreten ist. Auf der Ebene der Gene kann man beobachten, was geschieht, man kann experimentieren und dem alten Diktum der Paläontologen, dass die Vergangenheit in der Gegenwart verborgen liegt, neues Leben einhauchen. Je genauer man bei den verschiedenen Arten Gen um Gen, ja Base um Base ins Visier nimmt, desto stichhaltigere Belege gewinnt man in Carrolls Augen für die Evolutionstheorie. Der Freiburger Mediziner Joachim Bauer hat auch genau hingesehen, ist aber zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen: Er will aufgrund der Vorgänge im Zellkern den Abschied vom Darwinismus einläuten. Beide Autoren ziehen den Leser mitten hinein in eines der spannendsten Gebiete der modernen Wissenschaft.

Dabei begann die Genetik für Evolutionsforscher mit einem Paradox. Wenn wir fast neunundneunzig Prozent unserer Gene mit den Schimpansen teilen, wie kommt es dann zu den zweifellos riesigen Unterschieden zwischen uns und unseren nächsten Verwandten? Dieses Paradox will Carroll in "Evo Devo. Das neue Bild der Evolution" auflösen. Evo Devo steht für Evolutionäre Entwicklungsbiologie, eine junge Disziplin an der Schnittstelle von Entwicklungs- und Evolutionsbiologie und für Carroll die dritte Phase der Evolutionstheorie nach klassischem Darwinismus und Synthetischer Theorie. An dieser Schnittstelle wird die Untersuchung der evolutionären Entwicklung verknüpft mit der Erforschuung der individuellen Entwicklung von Organismen.

Die Fruchtfliegengenetiker sind mit ihren zahllosen Mutanten die ersten Schritte auf diesem Weg gegangen. Homöotisch nannten sie solche Mutationen, von denen gleich ein ganzer Körperteil betroffen war. Homöobox oder Hox-Gene heißen heute diejenigen Erbanlagen, die die Entwicklung der Körperteile im Embryo kontrollieren. Und zwar nicht nur bei Fruchtfliegen. Wenige Jahre nach ihrer Entdeckung war klar, dass die gleichen Hox-Gene auch die Entwicklung von Mäusen, Elefanten, Menschen, ja aller Tiere steuern. Damit lieferte die Entwicklungsgenetik einen spektakulären neuen Nachweis für die Verwandtschaft der Lebewesen: Die meisten Gene, die den Aufbau des Körpers regulieren, gab es schon zu Zeiten der Kambrischen Explosion.

Eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Vielfalt der Lebensformen ist das allerdings noch nicht; doch die bekommt der Leser bei einer faszinierenden Tour durch die Welt der Embryonalentwicklung. Komplexe Organismen können nur entstehen, wenn zur rechten Zeit am rechten Ort die richtigen Proteine gebildet werden. Das bedeutet, dass Gene nicht ständig aktiv sind. Ihnen sind Sequenzen von unterschiedlicher Länge vorgelagert, die als Ein-Aus-Schalter fungieren. Diese Schalter verfügen über Rezeptoren für bestimmte Arten von Molekülen. Je nachdem, ob solche Moleküle in der Zelle vorhanden sind und sich an einen Schalter binden, wird das betreffende Gen an- oder abgeschaltet. Ein Genschalter ist aber nicht mit einem simplen Lichtschalter zu vergleichen, sondern ist vielmehr eine Art hochkomplexes informationsverarbeitendes System. Gene können mehrere Schalter, regelrechte Schalterfelder haben, und erst die Summe der Aktivitäten aller Schalter entscheidet darüber, ob das Gen aktiv ist oder nicht.

In den Schalterfeldern findet sich auch die Antwort auf das Paradox, dass ähnliche Genome ganz unterschiedliche Wesen hervorbringen können: Sie ermöglichen nämlich, dass Gene immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet werden und mitunter zu spektakulären Veränderungen des Organismus führen. Das Genom ist also nicht der Bauplan des Lebewesens, es ist viel eher ein Werkzeugkasten, dessen Einsatz von den Umweltbedingungen abhängt.

Obwohl Caroll die Darstellung am Leitfaden von "Evo Devo" für die anschaulichere hält, buchstabiert er in "Die Darwin-DNA" die Belege für die Evolutionstheorie noch einmal "bewusst genzentriert" durch. Die bloße Anzahl der mit anderen Arten geteilten Gene ist demnach nicht aussagekräftig. Interessant wird es erst, wenn man das Schicksal einzelner Gene bei verschiedenen Arten vergleicht: Sequenzen, die der Mensch mit den Tomaten, der Hefe, Bakterien und Vertretern aus dem Reich der Archaea teilt und deren Buchstabenfolgen sich seit drei Milliarden Jahren nicht verändert haben. Sie zeigen eindrucksvoll die bewahrende Kraft der natürlichen Selektion. Daneben gibt es fossile Gene, die etwa auf Grund zerstörter Schalter nicht mehr funktionieren, aber erstklassige Spuren des Evolutionsverlaufs sind. Und natürlich gibt es neben der bewahrenden die kreative Seite der Evolution: Gene können sich verdoppeln, die Kopien dann wandern und sich verändern.

Ob reine Genetik oder Entwicklungsgenetik, beides liefert für Carroll eine triumphale Bestätigung des Darwinismus, der kontinuierlichen Evolution durch Mutation und Selektion. Joachim Bauer sieht das ganz anders, richtet seine Kritik aber dabei vor allem gegen Richard Dawkins' Theorie vom egoistischen Gen. Dass Schalter die Aktivität der Gene regulieren, bedeutet für Bauer zunächst einmal, dass Gene Teile eines komplexen Systems sind. Dort, wo Carroll nur "Genschrott" entdecken kann, auf dem die funktionierenden Gene wie Inseln im Meer schwimmen, findet Bauer unter Rückgriff auf Arbeiten der Nobelpreisträgerin Barbara McClintock "Transpositionselemente". Sie können, wenn sie aktiv werden, im Genom Veränderungen hervorrufen, indem sie etwa Gene verdoppeln, verschieben oder mit anderen Genen koppeln. Sie können genetisches Material auch eliminieren und scheinen selbst wiederum unter der Regie von anderen Molekülen zu stehen, sogenannten Mikro-NRS, die ihe Aktivität steuern. Mit Transpositionselementen, so Bauer, können sich die Genome selbst umbauen. Und dies geschehe keineswegs zufällig, wie es der orthodoxe Darwinismus will, sondern allem Anschein nach unter dem Einfluss von Umweltstress. Zudem variieren die Häufigkeiten von Mutationen im Genom: Die Zelle scheint vor allem häufig benötigte Gene zur Mutation freizugeben, lebenswichtigen Teile hingegen vor Veränderung eher zu schützen.

Dass die für die Evolution interessanten Mutationen weniger die Punktmutationen sind, sondern der Austausch, die Verdoppelung oder Abschaltung ganzer Genteile, darin sind sich Bauer und Carroll einig. Anders als Carroll sieht Bauer damit allerdings die Darwinsche Annahme einer kontinuierlichen Evolution widerlegt. Er betont zudem die Bedeutung von Genübertragung zwischen den Arten und durch Endosymbiose, also mittels Aufnahme und Eingliederung eines kompletten einzelligen Organismus durch einen anderen.

Ohne die Evolution und die Verwandtschaft der Lebewesen in Frage zu stellen, zeichnet Bauer ein anderes als das gemeinhin für orthodox erachtete Bild der Evolution. Fraglich ist allerdings, ob es wirklich als hilfreich gelten kann, die Rede vom egoistischen Gen durch die nicht minder anthropomorphe vom kooperativen, kreativen und kommunikativen Gen zu ersetzen. Es sind die Menschen, die kreativ, kooperativ oder egoistisch sind, nicht die komplexen Regelkreise der Zelle.

Die Wissenschaft sollte auch im Darwin-Jahr keine Heiligen haben. Es ist das Verdienst von Bauers Buch, daran zu erinnern. Carrolls Darwin ist allerdings, wenn überhaupt, ein liberaler, großmütiger Heiliger, dessen Name auch für Gentransfer und Schaltermutationen stehen kann und der Bauers Abschiedserklärung nicht verdient.

MANUELA LENZEN

Sean B. Carroll: "Evo Devo". Das neue Bild der Evolution. Aus dem Amerikanischen von Kurt Beginnen. Berlin University Press, Berlin 2008. 318 S., 100 s/w-Abb., geb., 44,90 [Euro].

Sean B. Carroll: "Die Darwin-DNA". Wie die neueste Forschung die Evolutionstheorie bestätigt. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 331 S., Farb-Tafeln, s/w-Abb., geb., 19,90 [Euro].

Joachim Bauer: "Das kooperative Gen". Abschied vom Darwinismus. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2008. 223 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Manuela Lenzen liest Joachim Bauers Buch als Gegenentwurf zu Richard Dawkins' Theorie vom egoistischen Gen. Die für Lenzen nicht weniger anthropomorphe Rede vom kreativen, kommunikativen Gen, die Bauer hier anstimmt, erscheint der Rezensentin allerdings nicht unbedingt hilfreich zum Verständnis der Evolution. Für sie ist es der Mensch, der kreativ, kooperativ beziehungsweise egoistisch handelt, nicht die Zelle. Bauers Ausführungen über Transpositionselemente, den Einfluss von Umweltstress, unter dem sich Genome selbst verwandeln, sowie Endosymbiose als Gegenbeweis zu Darwins Idee einer kontinuierlichen Evolution, lauscht Lenzen dennoch mit Interesse. Daran, dass die Wissenschaft keine Heiligen haben sollte, fühlt sie sich durch das Buch erinnert - durchaus ein Verdienst, findet sie.

© Perlentaucher Medien GmbH