Wilhelm Genazino
Gebundenes Buch
Das Glück in glücksfernen Zeiten
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Der Arbeitsmarkt kennt keine Gnade, erst recht nicht für Philosophen. Daher tritt Dr. phil. Gerhard Warlich eine Stelle als Wäscheausfahrer an und richtet sich ein in dieser nicht allzu aufregenden, aber sicheren Existenz. Doch als seine Freundin Traudel sich ein Kind wünscht, bringt das Warlich, der eigentlich nur "halbtags leben" möchte, vollkommen aus dem Gleis. Wilhelm Genazino erzählt diese Geschichte eines traurigen Helden und seiner viel weniger traurigen Freundin mit verblüffender Lakonie. Keiner beschreibt die menschliche Verzweiflung an Leben und Liebe so ironisch und brillant wie er.
Wilhelm Genazino, 1943 in Mannheim geboren, lebte in Frankfurt und ist dort im Dezember 2018 gestorben. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Georg-Büchner-Preis und dem Kleist-Preis. Bei Hanser erschienen zuletzt: Bei Regen im Saal (Roman, 2014), Außer uns spricht niemand über uns (Roman, 2016), Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze (Roman, 2018), Der Traum des Beobachters (Aufzeichnungen 1972-2018, 2023).
©Peter-Andreas Hassiepen
Produktdetails
- Verlag: Hanser
- Artikelnr. des Verlages: 505/23265
- 9. Aufl.
- Seitenzahl: 160
- Erscheinungstermin: 4. Februar 2009
- Deutsch
- Abmessung: 210mm x 130mm x 20mm
- Gewicht: 276g
- ISBN-13: 9783446232655
- ISBN-10: 3446232656
- Artikelnr.: 25617402
Herstellerkennzeichnung
Carl Hanser Verlag
Vilshofener Straße 10
81679 München
info@hanser.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Helmut Böttiger entdeckt in dem Helden von Wilhelm Genazinos jüngstem Roman eine fast unmerkliche Weiterentwicklung gegenüber den früheren Hauptfiguren des Autors, die der Rezensent allesamt als "Ich-Figuren" Genazinos deklariert. Gerhard Warlich, promovierter Philosoph und als Organisationsleiter einer Großwäscherei tätig, hält die Armseligkeiten des Alltags und die von ihm geforderten Anpassungsleistungen nicht mehr aus, zeigt ein zunehmend sonderliches Verhalten und wird schließlich von seiner Frau in die Psychiatrie gebracht, teilt der Rezensent mit. Dabei wirke die "Verrücktheit" Warlichs sehr "plausibel" und dessen Wahrnehmungen für die Leser ganz realistisch, so Böttiger weiter. Bei Genazino sei das Verrücktwerden "ästhetische Konsequenz", werde also zur Literatur, meint der Rezensent, der hinter Genazinos scheinbar harmlosen Alltagsschilderungen immer einen "doppelten Boden" entdeckt. Und wenn diese Art Literatur auch weder zur Kampfschrift taugt, noch der Trostliteratur zuzuschreiben ist, so freut es Böttiger dennoch, "dass es sie gibt", wie er betont.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Aber in Büchern weht kein Wind, den nicht ein Autor geblasen hätte. Und so ist auch das Tragische von Genazino so genau und überlegt bemessen wie das Komische, das Absurde, das Satirische, das Lächerliche, das Rührende und alles andere, was auf diesen 150 meisterhaft komponierten Seiten zusammenfindet." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.01.09 "Die Leserin, der Leser jedoch blickt mit dem Hohlspiegel dieses Romans in ein Unendliches, wo die Grazie der Poesie mit der Kühnheit der Reflexion sich aufs Schönste verbindet und ein Drittes hervorbringt: das Glück des Lesens." Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 03.02.09 "Ein komisches Buch. Doch wer lacht, sollte sich schämen. Ein kluges und weises Buch, das die Tragik gegenwärtigen Lebens in heiterer Form präsentiert, ohne sie abzumildern. Eben: ein Alterswerk. Das Beste, was Genazino bisher geschrieben hat." Martin Lüdke, Frankfurter Rundschau, 16.02.09
Zaudern und Übermut
Das umfangreiche Œuvre von William Genazino ist durch eine resignative Grundstimmung gekennzeichnet, die auch seinem 2009 erschienenen Roman «Das Glück in glücksfernen Zeiten» unterlegt ist. Auch dieser von Feuilleton durchweg positiv …
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Zaudern und Übermut
Das umfangreiche Œuvre von William Genazino ist durch eine resignative Grundstimmung gekennzeichnet, die auch seinem 2009 erschienenen Roman «Das Glück in glücksfernen Zeiten» unterlegt ist. Auch dieser von Feuilleton durchweg positiv aufgenommene Roman beschreibt die Absurditäten eines Alltags, der so unspektakulär durchschnittlich ist wie sein Ich-Erzähler, ein promovierter Philosoph, den seine brotlose Wissenschaft nach dem Studium zwang, als Wäscherei-Ausfahrer zu arbeiten.
Der Roman lebt von den minutiösen Beobachtungen des inzwischen 41jährigen Gerhard, der zum Geschäftsführer in seinem Wäschereibetrieb aufgestiegen ist, ein melancholischer Flaneur, den sein Umfeld und die gesellschaftlichen Verhältnisse mehr beschäftigen als seine Arbeit, die der absurd Überqualifizierte bestenfalls gleichgültig, oft auch widerwillig ausführt. «Das einzige Straßencafé, das es in der Nähe unserer Wohnung gibt, ist wie üblich überfüllt» heißt es im ersten Satz. Er empfinde das Café an seinem Feierabend «als die erste Wohltat des Tages». Mit seiner hübschen, toughen Freundin Traudel, Filialleiterin einer Bank, bewohnt er in der Nähe eine Dreizimmerwohnung. Ihr Leben ist sexuell erfüllend für beide, verläuft aber ansonsten ziemlich ereignislos. Zur Kompensation plant er, mit staatlicher Förderung eine «Schule der Besänftigung» zu gründen und dort Vorlesungen zu Themen wie «Die Flucht vor der Selbsteintrübung der Welt» zu halten. Die Beziehung zu Traudel wird getrübt, als die 38Jährige ihm eröffnet, sie wünsche sich ein Kind. Gerhard, den schon sein Alltagsleben derart nervt, dass er sich ein «Halbtagsleben» wünscht, eine völlig ereignislose Zeit also, ist nun zutiefst irritiert und fühlt sich eingeengt, er kann sich an den Gedanken einer Vaterschaft absolut nicht gewöhnen. Zu der aufkeimenden Missstimmung kommt dann auch noch seine fristlose Entlassung hinzu, er wurde während der Arbeitszeit als Zaungast bei einer Demonstration beobachtet. Nach dieser Zäsur zeigen sich bei ihm nun zunehmend Verhaltensauffälligkeiten, ein um sich greifender Realitätsverlust, an dessen Kulminationspunkt ihn Traudel in eine psychiatrische Klinik einliefern muss. «Ich leide an einer verlarvten Depression mit einer akuten Schamproblematik», erklärt er seinem Therapeuten. Und schon bald fühlt er sich so geborgen dort, dass er gern für immer bleiben möchte.
Um diesen Handlungsrahmen herum rankt sich eine Erzählung, in der scheinbar völlig Banales im Fokus steht und zu oft ebenso überraschenden wie absurden Erkenntnissen führt. Die in weiten Teilen in Form des Bewusstseinsstroms erzählte Geschichte mit den alltäglichen Beobachtungen des Protagonisten mündet immer wieder kontemplativ in skurrilen Einsichten. «Lange bevor man tot ist, durchlebt man Phasen der Tödlichkeit. Was man dabei erlebt, erzählt man nicht gerne» sinniert der verunsicherte Protagonist an einer Stelle. Diese meist doppelbödigen Gedankengänge werden wohltuend tendenzfrei ohne erkennbar dogmatische, politische oder sonstige Hintergründe vor dem zum Mitdenken bereiten Leser ausgebreitet. Selbstreflexiv wird hier überwiegend aus dem Innenleben des depressiven Antihelden berichtet, der an seinem ihn verwirrenden Umfeld scheitert.
Diese vielschichtige Tragikkomödie reflektiert klug die zuweilen absurden Wirkungen des modernen Alltags auf den Menschen. Sie ist atmosphärisch dicht erzählt in einer klaren, schnörkellosen Sprache, die fast schon lässig wirkt und sehr amüsant zu lesen ist. Der Busenfetischist Gerhard sieht sich zum Beispiel als «Untermieter bei Traudels Busen» oder beobachtet angewidert eine wegen Flugausfalls im Hotel einquartierte Rentnertruppe, die sich «mit abstoßender Freude auf ein Büffet» stürzt. Das Anspruchsdenken auf Glück geht ins Leere, denn Glück, so die verblüffende Katharsis, macht nicht zwingend auch glücklich. «Zaudern und Übermut» lautet beziehungsreich der Titel eines Buches, das der unfrohe Held eigentlich schon immer mal schreiben wollte!
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Gerhard Warlich, promovierter Philosoph, gelangte über einen Aushilfsjob in einer Wäscherei auf die Stelle des Geschäftsführers, die er nun schon seit 15 Jahren zur Zufriedenheit des Eigentümers ausfüllt. Doch er selbst ist alles andere als zufrieden. Er fühlt sein …
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Gerhard Warlich, promovierter Philosoph, gelangte über einen Aushilfsjob in einer Wäscherei auf die Stelle des Geschäftsführers, die er nun schon seit 15 Jahren zur Zufriedenheit des Eigentümers ausfüllt. Doch er selbst ist alles andere als zufrieden. Er fühlt sein Leben an sich vorbeiplätschern, ereignislos, ein Tag wie der andere und meint, dieses Problem auch bei den meisten anderen Menschen zu erkennen. In seinem Innern erhofft er sich noch immer eine Stellung, die seines Studiums angemessen ist und damit die Eintönigkeit seines Daseins beendet. Dennoch ist ihm bewusst, dass es ihm im Grunde genommen gut geht und er keinen Anlass zum Klagen hat: Seine Beziehung zu Traudel ist noch immer glücklich, ihre Existenz durch gute Gehälter gesichert. Aber Warlich fühlt sich eingezwängt in ein Leben, das ihm außer dem täglichen Einerlei nur wenig zu bieten hat. Und als Traudel einen Kinderwunsch äußert, wird die Beengtheit unerträglich...
Es ist nun wirklich keine leichte Kost, diese Lesung. Insbesondere da die Gedankengänge des Protagonisten teilweise recht sprunghaft verlaufen und man als Zuhörende/r konzentriert dabei bleiben muss, um sie nachvollziehen zu können. Auch dann fällt es nicht immer leicht, so dass manches einfach nur mit leichtem Kopfschütteln hingenommen wurde.
Für mich ist Warlichs Geschichte etwas typisches nicht nur unserer Zeit, doch ist man sich dessen heutzutage viel bewusster (und als Philosoph wohl erst recht :-)). Viele leben ihr Leben nicht, sie 'werden gelebt'. Es gibt kein aktives Handeln, sondern nur ein Reagieren und irgendwo im Unbewussten regt sich darüber nach und nach ein Unwohlsein. Man 'rutscht' in bestimmte Verhältnisse, den Job, die Beziehung, zieht zusammen, ist plötzlich Vater, Mutter.... und weiß am Ende nicht, wann man sich eigentlich dafür bewusst entschieden hat. Vielleicht nie... Auch wenn sich das Alles nun eher trist anhören mag, es gibt auch humorvolle Momente in dieser Geschichte.
Sylvester Groth liest das Ganze so, dass man die Trostlosigkeit des Protagonisten gut nachvollziehen kann: etwas kraftlos, mit Energie nur wenn er seine Tagträume zumindest in Worte umsetzt - man sieht Gerhard Warlich wirklich vor sich.
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Glück ist relativ oder Das Scheitern eines Glückssuchers
Wilhelm Genazino beschreibt in seinen Werken Lebenskünstler, Tagträumer und gescheiterte Existenzen. Es gelingt ihm auf unnachahmliche Weise, ungewöhnliche Charaktere zu entwickeln. Typisch für seinen Stil sind …
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Glück ist relativ oder Das Scheitern eines Glückssuchers
Wilhelm Genazino beschreibt in seinen Werken Lebenskünstler, Tagträumer und gescheiterte Existenzen. Es gelingt ihm auf unnachahmliche Weise, ungewöhnliche Charaktere zu entwickeln. Typisch für seinen Stil sind ausführliche Beschreibungen von Nebensächlichkeiten, meist Beobachtungen von Banalitäten.
Gerhard Warlich ist kein Lebenskünstler, wie der Protagonist in „Ein Regenschirm für diesen Tag“ und auch kein emotional gleichgültiger Mensch wie Dieter Rotmund in „Mittelmäßiges Heimweh“. Er ist ein unangepasster Melancholiker, der sich im Alltag nicht überarbeiten möchte und in schwierigen Zeiten Freiheit und Unabhängigkeit sucht, die er mit Glück gleichsetzt.
Seine Welt gerät aus den Fugen, als seine Freundin ein Kind von ihm haben will. Mit dieser Situation ist er überfordert. Seine latent vorhandene Verrücktheit bahnt sich einen Weg an die Oberfläche. Er verspürt den Drang, nicht mehr das zu tun, was von ihm erwartet wird und wird sozial auffällig. Ist der Protagonist eine gescheiterte Existenz? So einfach liegen die Dinge nicht. Der Preis für ein bisschen Wahlfreiheit kann hoch sein; Warlich bleibt seinen Prinzipien treu. Glück ist relativ, wie schon der Titel des Buches verspricht.
Autor Genazino ist wieder einmal eine facettenreiche Charakterstudie gelungen. Auch wenn Ähnlichkeiten zu seinen früheren Werken erkennbar sind (Beobachtungsgabe des Protagonisten, Ich-Erzähler, zufällige Begegnungen mit früheren Bekannten), handelt es sich um einen unterhaltsamen Roman, den ich empfehlen kann.
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Der sehr kurze Roman (eher eine Kurzgeschichte) ermöglicht tiefe Einblicke in den Selbstverlust des Hauptakteurs, dessen Glas stets halbleer ist, seine Energie in unwesentliche Ereignisse investiert und in Selbstmitleid fast zerfließt. Nicht selten war ich versucht Warlich zu …
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Der sehr kurze Roman (eher eine Kurzgeschichte) ermöglicht tiefe Einblicke in den Selbstverlust des Hauptakteurs, dessen Glas stets halbleer ist, seine Energie in unwesentliche Ereignisse investiert und in Selbstmitleid fast zerfließt. Nicht selten war ich versucht Warlich zu schütteln, so sehr ärgerten mich sein Verhalten und Gedankenverirrungen. Ein sensibler intelligenter Mensch, der alle Lebenswidrigkeiten einfach so hinnimmt ohne die Spur eines Wiederstandes zu leisten, löste bei mir nur Kopfschütteln und Unverständnis aus. Ich hätte mir das Ende anders gewünscht, der Autor jedoch hat sich so entschieden und schließlich hatte er schon Recht mit seiner Variante.
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