Javier Marías
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Berta Isla
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Eine große Liebe zerrissen durch ein rätselhaftes Doppelleben - der große spanische Erzähler und Bestsellerautor Javier Marías in Höchstform.Tomás - halb Spanier, halb Engländer - ist ein Sprachentalent und verliebt in die junge Berta Isla. Sehr früh sind sich beide sicher, dass sie ein gemeinsames Leben wollen. Als er zum Studium nach Oxford geht, bleibt sie jedoch in Madrid zurück - nicht ahnend, dass Tomás dort einen schwerwiegenden Fehler begeht, der beide in eine verhängnisvolle Lage bringt. Um einer Haftstrafe zu entgehen, beginnt er, heimlich für den britischen Geheimdienst...
Eine große Liebe zerrissen durch ein rätselhaftes Doppelleben - der große spanische Erzähler und Bestsellerautor Javier Marías in Höchstform.
Tomás - halb Spanier, halb Engländer - ist ein Sprachentalent und verliebt in die junge Berta Isla. Sehr früh sind sich beide sicher, dass sie ein gemeinsames Leben wollen. Als er zum Studium nach Oxford geht, bleibt sie jedoch in Madrid zurück - nicht ahnend, dass Tomás dort einen schwerwiegenden Fehler begeht, der beide in eine verhängnisvolle Lage bringt. Um einer Haftstrafe zu entgehen, beginnt er, heimlich für den britischen Geheimdienst zu arbeiten. Schon bald nach seiner Rückkehr vermutet Berta, die inzwischen seine Ehefrau ist, dass Tomás ein Doppelleben führt. Als er dann zu Beginn des Falklandkrieges plötzlich spurlos verschwindet, beginnt sie endgültig zu hinterfragen, wen sie geheiratet hat.
Eine Geschichte über das Warten, die Zerbrechlichkeit der Liebe und die Zerrissenheit zwischen Krieg, Geheimnissen und Loyalität.
Tomás - halb Spanier, halb Engländer - ist ein Sprachentalent und verliebt in die junge Berta Isla. Sehr früh sind sich beide sicher, dass sie ein gemeinsames Leben wollen. Als er zum Studium nach Oxford geht, bleibt sie jedoch in Madrid zurück - nicht ahnend, dass Tomás dort einen schwerwiegenden Fehler begeht, der beide in eine verhängnisvolle Lage bringt. Um einer Haftstrafe zu entgehen, beginnt er, heimlich für den britischen Geheimdienst zu arbeiten. Schon bald nach seiner Rückkehr vermutet Berta, die inzwischen seine Ehefrau ist, dass Tomás ein Doppelleben führt. Als er dann zu Beginn des Falklandkrieges plötzlich spurlos verschwindet, beginnt sie endgültig zu hinterfragen, wen sie geheiratet hat.
Eine Geschichte über das Warten, die Zerbrechlichkeit der Liebe und die Zerrissenheit zwischen Krieg, Geheimnissen und Loyalität.
Javier Marías, 1951 als Sohn einer Lehrerin und eines vom Franco-Regime verfolgten Philosophen geboren, veröffentlichte seinen ersten Roman mit neunzehn Jahren. Seit seinem Bestseller ¿Mein Herz so weiß¿ gilt er weltweit als beachtenswertester Erzähler Spaniens. Zuletzt erschien sein Roman 'Berta Isla'; im Oktober 2022 erscheint sein letzter Roman 'Tomás Nevinson'. Sein umfangreiches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Nelly-Sachs-Preis sowie dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Seine Bücher wurden in über vierzig Sprachen übersetzt. Am 11. September 2022 ist Javier Marías in Madrid verstorben.

Produktbeschreibung
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- Originaltitel: Berta Isla
- Artikelnr. des Verlages: 1023321
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 653
- Erscheinungstermin: 22. Mai 2019
- Deutsch
- Abmessung: 211mm x 131mm x 53mm
- Gewicht: 773g
- ISBN-13: 9783103973969
- ISBN-10: 3103973969
- Artikelnr.: 54408399
Herstellerkennzeichnung
FISCHER, S.
Hedderichstraße 114
60596 Frankfurt
produktsicherheit@fischerverlage.de
Die bessere Hälfte des Doppellebens
Auch Ausgestoßene des Universums haben Frau und Kinder: In seinem neuen Roman "Berta Isla" erzählt Javier Marías von den Lügen und Leerstellen im Leben mit einem Geheimdienstler.
Man kann von Glück sagen, dass Javier Marías rasch zum Schreiben zurückgefunden hat: Nach den mehr als tausendfünfhundert Seiten seiner Trilogie "Dein Gesicht morgen", deren letzter Band "Gift und Schatten und Abschied" im spanischen Original im Jahr 2007 erschienen ist, hatte er noch gezweifelt, ob er je wieder einen Roman verfassen würde. Jetzt, mit seinem dritten Roman nach dem Großwerk, hat der spanische Nobelpreis-Kandidat sogar noch einmal in die Welt und zu einigen der Charaktere von "Dein Gesicht
Auch Ausgestoßene des Universums haben Frau und Kinder: In seinem neuen Roman "Berta Isla" erzählt Javier Marías von den Lügen und Leerstellen im Leben mit einem Geheimdienstler.
Man kann von Glück sagen, dass Javier Marías rasch zum Schreiben zurückgefunden hat: Nach den mehr als tausendfünfhundert Seiten seiner Trilogie "Dein Gesicht morgen", deren letzter Band "Gift und Schatten und Abschied" im spanischen Original im Jahr 2007 erschienen ist, hatte er noch gezweifelt, ob er je wieder einen Roman verfassen würde. Jetzt, mit seinem dritten Roman nach dem Großwerk, hat der spanische Nobelpreis-Kandidat sogar noch einmal in die Welt und zu einigen der Charaktere von "Dein Gesicht
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morgen" zurückgefunden, und auch das ist ein Glück.
"Berta Isla", soeben in deutscher Übersetzung erschienen, ist ein Wiedersehen mit Peter Wheeler und Bertram Tupra, dem charismatischen Oxforder Hispanistik-Dozenten mit nachgesagter Geheimdienst-Vergangenheit und seinem ehemaligen Schützling mit aktueller Karriere beim MI6. Doch das neue Buch führt nicht einfach die begonnene Erzählung fort, sondern liest sich als Komplementärroman: Er nimmt die Verunsicherung und Verwüstung in den Blick, die eine Agententätigkeit auch für ein Liebespaar und in der Familie mit sich bringt. Seine Titelheldin heiratet ihren spanisch-englischen Jugendfreund nach dessen Rückkehr aus Oxford, nicht ahnend, dass Tomás Nevinson sich in den letzten Zügen seines Studiums dort gezwungen sah, sich dem britischen Geheimdienst zu verpflichten.
Er müsse dafür auf nicht allzu viel verzichten, ein Doppelleben wäre sogar angebracht. Wer sich für diese Existenz entscheide, komme und gehe einfach, "wie jeder Mann von Welt", sagt ihm Wheeler, als der Student noch eine Wahl zu haben glaubt und schließlich ablehnt. Kurz darauf wird er in einem Mordfall verhört, erkennt aus den Fragen des Polizisten, dass er selbst dringend tatverdächtig ist, und sieht nach einem eindrucksvollen Auftritt Tupras keine andere Rettung vor einer langjährigen Gefängnisstrafe, als sein außergewöhnliches Talent, sich noch die feinsten Dialektnuancen in einer ganzen Reihe von Sprachen anzueignen, in dessen Dienst zu stellen.
Natürlich bemerkt Berta nach seiner Rückkehr nach Madrid eine Wesensveränderung, ohne sie deuten zu können - und ohne sich dadurch von den gemeinsamen Plänen abhalten zu lassen. Schon früh ist ihr heimlicher Eindruck, sie wäre mit "einem Gefangenen ohne Fluchtmöglichkeit" verheiratet, dessen "grundlegende Gleichgültigkeit gegenüber seiner Existenz" allenfalls von spürbarer Nervosität und Schwermut abgelöst wird, wenn er seine Arbeit an der britischen Botschaft in ihrer Heimat Madrid wieder einmal für eine Reise nach England unterbricht, für eine dieser Reisen, deren Zweck Berta genauso unklar bleibt wie ihre Dauer. Sein Schicksal sei besiegelt, gibt er zu, und sie das Einzige, von dem er wisse, dass er es gewollt habe. Was Tomás damit aussagt über alles außerhalb dieses Einzigen, bleibt für Berta im Dunkeln, es bleibt selbst dann noch im Halbdunkeln, als sie ihn nach einem Erpressungsversuch fragt, ob er tatsächlich für den Geheimdienst arbeite, wie ihr zu Ohren gekommen ist.
Ein reizendes Paar, das Berta beim Ausflug in den Sabatinischen Gärten kennenlernt, entpuppt sich im Wohnzimmer vor der Babykrippe mit Benzin und Feuerzeug als Widersacher ihres Mannes in Angelegenheiten, von denen die junge Mutter nichts wusste: Es gibt, im von Berta direkt erzählten Hauptteil des Buchs wie auch in den Passagen, die diesen Hauptteil rahmen, Episoden von großer Spannung, zu denen die geschichtliche Einbettung - Spaniens Übergang nach dem Franco-Regime, der Nordirland-Konflikt, der Falklandkrieg - das Ihre tut. Doch "Berta Isla" ist nicht als Spionagethriller angelegt. Die Stärken auch dieses Romans liegen in der für Javier Marías kennzeichnenden Art, sich in komplexe, widersprüchliche, diffuse Gefühlslagen hineinzuarbeiten, die er selbst als pensamiento literario, als literarisches Denken beschreibt. Wozu könnte das Tastende, sich Auswachsende dieses Stils besser passen als zu einer Situation der Unklarheit, der Unsicherheit, des Wartens und Hoffens, während sich die eigenen Gedanken selbständig machen?
Auch wenn sich dieses literarische Denken klanglich ähnelt, ob in der auktorialen Erzählung des Rahmens, in den Ausführungen Wheelers, in den Plaudereien des Gegenagenten Kindelán oder in Bertas eigenen Gedankengängen: Der Sog, den Javier Marías auf diese Weise zu erzeugen vermag, verliert dadurch nicht an Eindrücklichkeit und Kraft. Gleich mit dem ersten Satz des Romans, noch bevor der Leser auch nur einen Namen, einen Ort, einen Handlungsschritt erfährt, wird er davon erfasst: "Es gab eine Zeit, da war sie sich nicht sicher, ob ihr Mann ihr Mann war, wie man auch im Dämmerschlaf nicht weiß, ob man denkt oder träumt, ob man seinen Geist noch lenkt oder die Erschöpfung ihn in die Irre führt." So konkret und detailliert der Autor im Folgenden auch von Berta und Tomás erzählt, so sorgfältig er ihre einzigartige Situation zeitlich, örtlich, politisch fundiert - die Spur ist gelegt, die Bereitschaft im Kopf des Lesers geweckt, im ungewöhnlichen Schicksal des Paares auch Aspekte des eigenen, Aspekte anderer Biographien widerhallen zu hören: die Geschichten Hintergangener, die Schicksale durch Krieg oder Flucht Entzweiter, die traumatischen Folgen von Erlebnissen, die nicht nur denjenigen nicht mehr loslassen, dem sie geschehen sind, sondern auch seine Nächsten betreffen.
Einmal nennt sich Berta eine Komplizin des Doppellebens der Geheimnisse ihres Mannes, eine Lügnerin, um Tomás zu decken, ohne zu wissen, wobei. Bertram Tupra, sein Anwerber und Auftraggeber, geht noch weiter. Als Tomás ihm vorwirft, ihm ein Leben aufgezwungen zu haben, nennt er den Anspruch auf Selbstbestimmung kühl einen "Dünkel unserer Zeit", der sich überall festgesetzt habe: "Seit wann haben die Leute sich ihr Leben ausgesucht?", fragt er bissig und referiert menschliche Schicksale über die Jahrhunderte, von den Ärmsten bis hin zur Queen.
Von der ersten Begegnung der beiden bis zur Abrechnung erzählt "Berta Isla" auch eine Geschichte rhetorischen, intellektuellen Kräftemessens. Zum Glück findet Tomás dabei nicht nur in Wheeler oder Tupra seine Gegenüber, sondern auch Berta in ihrem Mann: Über bald dreißig Seiten verwickelt sie, inzwischen Dozentin für Englische Philologie, Tomás in eine fesselnde Diskussion über eine Schlüsselszene aus "Heinrich V.", in der Shakespeare den verkleideten König in der Nacht vor der Schlacht offene Worte seiner Soldaten hören lässt. Danach steht er vor der Entscheidung, ob er deren Despektierlichkeit bestrafen soll. Die Frage, auf die Berta die Diskussion zulaufen lässt: "Was hätte der König tun sollen, wenn die Worte seiner Soldaten verschwörerisch gewesen wären?" Ein Lächeln ist Tomàs' erste Antwort: "Vermutlich hatte er Freude mit mir", stellt sie fest, "so war es von Anfang an gewesen, und das hatte sich nicht erschöpft."
Auch wenn beide nicht mehr sagen können, woran und wen genau: Sie erkennen einander, sie kennen einander. Es gibt etwas Verbindendes. Einem sachlichen Blick hielte es wohl nicht stand. Die Schilderung solcher Fremdheit und Verbundenheit weist über das Buch hinaus.
Zeilen aus T.S. Eliots "Little Gidding" durchziehen es, von Tomás anfangs überflogen, als er verabredungsgemäß in einer Buchhandlung in Oxford auf Tupra wartet: "Wofür die Toten keine Worte hatten zu Lebzeiten, das können sie dir erzählen im Tod." Für das, was ihn zu Lebzeiten zum Toten macht, darf Tomás keine Worte haben. Die Worte, die Javier Marías seine Heldin dafür finden lässt, machen "Berta Isla" zu einem großen Buch.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Javier Marías: "Berta Isla". Roman.
Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2019. 656 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Berta Isla", soeben in deutscher Übersetzung erschienen, ist ein Wiedersehen mit Peter Wheeler und Bertram Tupra, dem charismatischen Oxforder Hispanistik-Dozenten mit nachgesagter Geheimdienst-Vergangenheit und seinem ehemaligen Schützling mit aktueller Karriere beim MI6. Doch das neue Buch führt nicht einfach die begonnene Erzählung fort, sondern liest sich als Komplementärroman: Er nimmt die Verunsicherung und Verwüstung in den Blick, die eine Agententätigkeit auch für ein Liebespaar und in der Familie mit sich bringt. Seine Titelheldin heiratet ihren spanisch-englischen Jugendfreund nach dessen Rückkehr aus Oxford, nicht ahnend, dass Tomás Nevinson sich in den letzten Zügen seines Studiums dort gezwungen sah, sich dem britischen Geheimdienst zu verpflichten.
Er müsse dafür auf nicht allzu viel verzichten, ein Doppelleben wäre sogar angebracht. Wer sich für diese Existenz entscheide, komme und gehe einfach, "wie jeder Mann von Welt", sagt ihm Wheeler, als der Student noch eine Wahl zu haben glaubt und schließlich ablehnt. Kurz darauf wird er in einem Mordfall verhört, erkennt aus den Fragen des Polizisten, dass er selbst dringend tatverdächtig ist, und sieht nach einem eindrucksvollen Auftritt Tupras keine andere Rettung vor einer langjährigen Gefängnisstrafe, als sein außergewöhnliches Talent, sich noch die feinsten Dialektnuancen in einer ganzen Reihe von Sprachen anzueignen, in dessen Dienst zu stellen.
Natürlich bemerkt Berta nach seiner Rückkehr nach Madrid eine Wesensveränderung, ohne sie deuten zu können - und ohne sich dadurch von den gemeinsamen Plänen abhalten zu lassen. Schon früh ist ihr heimlicher Eindruck, sie wäre mit "einem Gefangenen ohne Fluchtmöglichkeit" verheiratet, dessen "grundlegende Gleichgültigkeit gegenüber seiner Existenz" allenfalls von spürbarer Nervosität und Schwermut abgelöst wird, wenn er seine Arbeit an der britischen Botschaft in ihrer Heimat Madrid wieder einmal für eine Reise nach England unterbricht, für eine dieser Reisen, deren Zweck Berta genauso unklar bleibt wie ihre Dauer. Sein Schicksal sei besiegelt, gibt er zu, und sie das Einzige, von dem er wisse, dass er es gewollt habe. Was Tomás damit aussagt über alles außerhalb dieses Einzigen, bleibt für Berta im Dunkeln, es bleibt selbst dann noch im Halbdunkeln, als sie ihn nach einem Erpressungsversuch fragt, ob er tatsächlich für den Geheimdienst arbeite, wie ihr zu Ohren gekommen ist.
Ein reizendes Paar, das Berta beim Ausflug in den Sabatinischen Gärten kennenlernt, entpuppt sich im Wohnzimmer vor der Babykrippe mit Benzin und Feuerzeug als Widersacher ihres Mannes in Angelegenheiten, von denen die junge Mutter nichts wusste: Es gibt, im von Berta direkt erzählten Hauptteil des Buchs wie auch in den Passagen, die diesen Hauptteil rahmen, Episoden von großer Spannung, zu denen die geschichtliche Einbettung - Spaniens Übergang nach dem Franco-Regime, der Nordirland-Konflikt, der Falklandkrieg - das Ihre tut. Doch "Berta Isla" ist nicht als Spionagethriller angelegt. Die Stärken auch dieses Romans liegen in der für Javier Marías kennzeichnenden Art, sich in komplexe, widersprüchliche, diffuse Gefühlslagen hineinzuarbeiten, die er selbst als pensamiento literario, als literarisches Denken beschreibt. Wozu könnte das Tastende, sich Auswachsende dieses Stils besser passen als zu einer Situation der Unklarheit, der Unsicherheit, des Wartens und Hoffens, während sich die eigenen Gedanken selbständig machen?
Auch wenn sich dieses literarische Denken klanglich ähnelt, ob in der auktorialen Erzählung des Rahmens, in den Ausführungen Wheelers, in den Plaudereien des Gegenagenten Kindelán oder in Bertas eigenen Gedankengängen: Der Sog, den Javier Marías auf diese Weise zu erzeugen vermag, verliert dadurch nicht an Eindrücklichkeit und Kraft. Gleich mit dem ersten Satz des Romans, noch bevor der Leser auch nur einen Namen, einen Ort, einen Handlungsschritt erfährt, wird er davon erfasst: "Es gab eine Zeit, da war sie sich nicht sicher, ob ihr Mann ihr Mann war, wie man auch im Dämmerschlaf nicht weiß, ob man denkt oder träumt, ob man seinen Geist noch lenkt oder die Erschöpfung ihn in die Irre führt." So konkret und detailliert der Autor im Folgenden auch von Berta und Tomás erzählt, so sorgfältig er ihre einzigartige Situation zeitlich, örtlich, politisch fundiert - die Spur ist gelegt, die Bereitschaft im Kopf des Lesers geweckt, im ungewöhnlichen Schicksal des Paares auch Aspekte des eigenen, Aspekte anderer Biographien widerhallen zu hören: die Geschichten Hintergangener, die Schicksale durch Krieg oder Flucht Entzweiter, die traumatischen Folgen von Erlebnissen, die nicht nur denjenigen nicht mehr loslassen, dem sie geschehen sind, sondern auch seine Nächsten betreffen.
Einmal nennt sich Berta eine Komplizin des Doppellebens der Geheimnisse ihres Mannes, eine Lügnerin, um Tomás zu decken, ohne zu wissen, wobei. Bertram Tupra, sein Anwerber und Auftraggeber, geht noch weiter. Als Tomás ihm vorwirft, ihm ein Leben aufgezwungen zu haben, nennt er den Anspruch auf Selbstbestimmung kühl einen "Dünkel unserer Zeit", der sich überall festgesetzt habe: "Seit wann haben die Leute sich ihr Leben ausgesucht?", fragt er bissig und referiert menschliche Schicksale über die Jahrhunderte, von den Ärmsten bis hin zur Queen.
Von der ersten Begegnung der beiden bis zur Abrechnung erzählt "Berta Isla" auch eine Geschichte rhetorischen, intellektuellen Kräftemessens. Zum Glück findet Tomás dabei nicht nur in Wheeler oder Tupra seine Gegenüber, sondern auch Berta in ihrem Mann: Über bald dreißig Seiten verwickelt sie, inzwischen Dozentin für Englische Philologie, Tomás in eine fesselnde Diskussion über eine Schlüsselszene aus "Heinrich V.", in der Shakespeare den verkleideten König in der Nacht vor der Schlacht offene Worte seiner Soldaten hören lässt. Danach steht er vor der Entscheidung, ob er deren Despektierlichkeit bestrafen soll. Die Frage, auf die Berta die Diskussion zulaufen lässt: "Was hätte der König tun sollen, wenn die Worte seiner Soldaten verschwörerisch gewesen wären?" Ein Lächeln ist Tomàs' erste Antwort: "Vermutlich hatte er Freude mit mir", stellt sie fest, "so war es von Anfang an gewesen, und das hatte sich nicht erschöpft."
Auch wenn beide nicht mehr sagen können, woran und wen genau: Sie erkennen einander, sie kennen einander. Es gibt etwas Verbindendes. Einem sachlichen Blick hielte es wohl nicht stand. Die Schilderung solcher Fremdheit und Verbundenheit weist über das Buch hinaus.
Zeilen aus T.S. Eliots "Little Gidding" durchziehen es, von Tomás anfangs überflogen, als er verabredungsgemäß in einer Buchhandlung in Oxford auf Tupra wartet: "Wofür die Toten keine Worte hatten zu Lebzeiten, das können sie dir erzählen im Tod." Für das, was ihn zu Lebzeiten zum Toten macht, darf Tomás keine Worte haben. Die Worte, die Javier Marías seine Heldin dafür finden lässt, machen "Berta Isla" zu einem großen Buch.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Javier Marías: "Berta Isla". Roman.
Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2019. 656 S., geb., 26,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hymnisch bespricht Rezensent Fridtjof Küchemann den neuen Roman von Javier Marias, den er als "Komplementärroman" zur großen Trilogie "Dein Gesicht von morgen" liest. Denn "Berta Isla" ist in erster Linie kein Spionagethriller, sondern beobachtet vielmehr das (Liebes-)Leben eines Paares abseits der Agententätigkeit des Mannes, verrät der Kritiker, der einmal mehr staunt, wie sogkräftig Marias die "diffusen Gefühlslagen" seiner Figuren auszuloten vermag. Mehr noch: Wie der Autor Spannung und Gewissenskonflikte beim Leser erzeugt, dabei historische Exkurse, etwa zum Franco-Regime, dem Nordirland-Konflikt oder dem Falklandkrieg einflicht, ringt Küchemann größte Anerkennung ab. Ein "großes", über sich hinausweisendes Buch, schließt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Man darf 'Berta Isla' zu den besten Romanen von Javier Marías zählen. [...] Ein starkes Stück Literatur. Christian Mückl Nürnberger Zeitung 20190629
Literarisches Denken
In seinem neuesten Roman «Berta Isla» spielt der spanische Schriftsteller Javier Marías bereits im Titel auf seine besondere Thematik an, die eher unbekannte Seite des Agentenlebens nämlich, gesehen aus der arglosen Perspektive der Ehefrau eine …
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Literarisches Denken
In seinem neuesten Roman «Berta Isla» spielt der spanische Schriftsteller Javier Marías bereits im Titel auf seine besondere Thematik an, die eher unbekannte Seite des Agentenlebens nämlich, gesehen aus der arglosen Perspektive der Ehefrau eine britischen Geheimagenten. Sie ist zu einem einsamen, isolierten Inselleben gezwungen, das ihre Beziehung zunehmend belastet. Der als Kandidat für den Nobelpreis gehandelte Autor siedelt seine Geschichte auch hier wieder mal im universitären Milieu an, sein Protagonist ist ein extrem sprachbegabter Oxford-Absolventen. Und auch hier ist es ein geradezu mustergültig konstruierter Plot mit verblüffenden Wendungen des Geschehens, sein literarisches Markenzeichen geradezu, welches auch ohne die spektakuläre «Action» eines Spionagethrillers den Leser allein schon durch seine Gedankentiefe ans Buch fesselt.
Berta Isla wirft schon auf der Schule in Madrid ein Auge auf den charismatischen Tomás, der mit einem englischen Vater und einer spanischen Mutter zweisprachig aufgewachsen ist. Beides sind für ihn Muttersprachen, die er mit seinem ungewöhnlichen Sprachtalent in vielen Slangs, Dialekten und regionalen Färbungen zur Verblüffung und Erheiterung seiner Freunde so perfekt beherrscht, dass er als Stimmenimitator auftreten könnte. Er geht zum Studium nach Oxford und gerät durch einen ihm angelasteten Mord in die Fänge des britischen Geheimdienstes, der ihn zu Mitarbeit erpresst, seiner Sprachbegabung wegen. Nach der Rückkehr erhält er eine Stellung in der britischen Botschaft in Madrid und heiratet endlich auch Berta, seine große Liebe, die auf ihn gewartet hat. Immer öfter aber muss er nun auf längere Reisen gehen, deren Dauer er nicht kennt, er ist wochenlang, manchmal monatelang unterwegs und für Berta dann nicht mal telefonisch zu erreichen. Sein Eid verpflichtet ihn zur strikten Verschwiegenheit, und erst nach längerer Zeit kann die durch das ewige Warten zermürbte Berta ihn wenigstens dazu bringen, dass er ihr seine Agententätigkeit und sein Doppelleben gesteht, - sie ist aber zu absoluter Schweigsamkeit gegen jedermann verpflichtet. Die immer löcheriger werdende Beziehung des Ehepaars reißt vollends ab, als er von einer geheimen Mission nicht mehr zurückkehrt, auch seine Vorgesetzten wissen nicht, was ihm zugestoßen ist. Nach einigen Jahren wird er in beiden Ländern für tot erklärt, die nunmehr verwitwete Berta zieht ihre zwei Kinder allein auf und geht, von kurzen Affären abgesehen, keine neue Partnerschaft mehr ein, - mehr zu erzählen wäre der Spannung wegen unfair!
Javier Marías bindet in seine raffiniert konstruierte Geschichte, die zeitlich im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts angesiedelt ist, den Nordirlandkonflikt ebenso mit ein wie den Falklandkrieg, beides typische Einsatzgebiete für britische Geheimdienstler. In mehr als einem Drittel des Romans, in seinem Innenteil, schildert Berta Isla als Ich-Erzählerin ihre Ängste, Zweifel und Vermutungen, oft in Form des inneren Monologs, der auch in den beiden auktorial erzählten Außenteilen sehr häufig geschickt eingesetzt wird, um die Gedanken der Protagonisten offenzulegen. Das Erzählte ist weitgehend auf die Figuren fokussiert, es befasst sich ausgiebig mit deren psychischer Verfasstheit in einer derartig extremen sozialen Ausnahmesituation, die der Beziehung des Paares, ihrer einst unverbrüchlichen Liebe, kaum mehr Raum lässt.
Die gelassene, weitschweifige Erzählweise von Javier Marías führt den Leser in die tiefsten Winkel seiner Gedankengänge über Treue, Loyalität, Staatsräson, Betrug und Verrat, er seziert zudem akribisch Bertas komplizierte Seelenlage. Seiner Frage nach der Unmöglichkeit, den anderen wirklich zu kennen, geht er in vielen Facetten behutsam und völlig ohne Sentimentalitäten in einer geschliffenen, wohl formulierten Sprache nach. Er hat seine spezielle kontemplative Erzählmethode als literarisches Denken bezeichnet, - es braucht hier also Leser, die mitdenken!
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Broschiertes Buch
Vielschichtig, packend und auch sprachlich überzeugend
„Es gab eine Zeit, da war sie sich nicht sicher, ob ihr Mann ihr Mann war, wie man auch im Dämmerschlaf nicht weiß, ob man denkt oder träumt, ob man seinen Geist noch lenkt oder die Erschöpfung ihn in die Irre …
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Vielschichtig, packend und auch sprachlich überzeugend
„Es gab eine Zeit, da war sie sich nicht sicher, ob ihr Mann ihr Mann war, wie man auch im Dämmerschlaf nicht weiß, ob man denkt oder träumt, ob man seinen Geist noch lenkt oder die Erschöpfung ihn in die Irre führt.“ (Zitat Seite 9)
Inhalt
Tomás Nevinson hatte schon bald klare Vorstellungen, wie seine Zukunft aussehen würde: verheiratet mit seiner Jugendliebe Berta Isla in Madrid, ein glückliches Privatleben, auch beruflich erfolgreich. Auf Grund seiner herausragenden sprachlichen Begabung studiert er in Oxford. Nach vier Jahren erwartet er ein Abschlussexamen mit Bestnoten und danach wird er, noch nicht einundzwanzig Jahre alt, nach Madrid zurückkehren. Als ihm sein Tutor den Vorschlag macht, für den britischen Geheimdienst zu arbeiten, glaubt Tomás, die freie Wahl zu haben, ablehnen zu können, was er auch sofort tut. Doch knapp danach tritt ein Ereignis ein, das ihm keine Wahl mehr lässt und sein Leben und auch das Leben seiner späteren Ehefrau Berta für immer verändert. Obwohl seine Anstellung bei der britischen Botschaft in Madrid seine Reisen nach London für Berta zunächst logisch erscheinen lässt, beginnt sie, Fragen zu stellen, als seine Abwesenheiten immer länger werden und er in diesen Zeiten nicht erreichbar ist. Doch sie erhält keine Antworten, aber wenigstens die Bestätigung, dass es so ist. Dann verschwindet er im Mai 1982 spurlos, Jahre vergehen und niemand weiß, ob er noch lebt.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es nicht um die aktive Tätigkeit der Geheimdienste, sondern vor allem darum, wie dieses Doppelleben, der Wechsel zwischen unterschiedlichen Identitäten und die damit verbundenen Geheimnisse, die Menschen verändern. Themen sind politische Überzeugungen, Beziehung, Familie, Liebe und Vertrauen.
Charaktere
Tomás ist völlig verändert, als er nach dem Abschluss seines Studiums zu Berta zurückkehrt. Ihr fällt auf, dass er nie mehr über die Zukunft nachzudenken scheint, so, als stünde führ ihn alles schon fest. Seinen neuen Patriotismus kann Berta nicht teilen und sie versteht nicht, warum er sich für dieses Leben entschieden hat. Dennoch trennt sie sich nicht von ihm und als er verschwunden ist, gibt ein Teil von ihr die Hoffnung nicht auf, sie hört nicht auf, auf seine Rückkehr zu warten.
Handlung und Schreibstil
Die Geschichte wird chronologisch, jedoch aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt. Einerseits schildert der Erzähler personal die Geschichte von Tomás, anderseits erzählt Berta Isla selbst ihre Geschichte in der Ich-Form und diese bildet den Hauptteil des Romans. So erfahren wir Lesenden zeitgleich mit den tatsächlichen Abläufen die Geschichte von Tomás in Oxford, kennen die Hintergründe für seine Entscheidung, die Berta nicht kennt. Wir kennen das Leben von Tomás in diesen Jahren, mehr, als er Berta erzählt, aber auch Bertas Leben während der Abwesenheit von Tomás, Dinge, die er nicht weiß, außer, sie erzählt es ihm. Es ist diese brillant gewählte Art, die Geschichte von Tomás und Berta zu erzählen, die für Spannung sorgt, vor allem aber auch die Problematik und Konflikte aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet, uns Lesende zu eigenen Überlegungen anregt und dafür auch Raum lässt. Denn die Sprache nimmt sich viel Zeit für Schilderungen, für die Entwicklung und Charakterisierung besonders der beiden Hauptfiguren.
Fazit
Spannend, mit einer Vielfalt an interessanten Themen, ist dieser Roman vor allem eine einfühlsame, packende Studie der menschlichen Verhaltensweisen.
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