Gerhart Hauptmann
Broschiertes Buch
Bahnwärter Thiel. Novellistische Studie. Textausgabe mit editorischer Notiz und Nachwort
Hauptmann, Gerhart - Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur - 6617
Mitarbeit: Martini, Fritz
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Text in neuer Rechtschreibung
Als Bahnwärter Thiel zum zweiten Mal heiratet, ahnt er nicht, welche Zukunft ihn an der Seite seiner neuen Frau Lene erwartet: Herrisch unterdrückt sie ihren Gatten und misshandelt den kleinen Tobias, Thiels Sohn aus erster Ehe. Doch wie viel kann ein Mensch erdulden? Welcher Schritt ist es, der zu weit führt? Gerhart Hauptmanns "novellistische Studie", eines der bedeutendsten Werke des deutschsprachigen Naturalismus, schildert den psychopathologischen Fall Thiels mit außergewöhnlicher sprachlicher Intensität.
Gerhart Hauptmann (15.11.1862 Ober-Salzbrunn (Schlesien) - 6.6.1946 Agnetendorf, Schlesien) gehört zu den bedeutendsten Vertretern des Naturalismus. Nach einer abgebrochenen Lehre als Landwirt und dem zweijährigen Studium der Bildhauerei in Dresden reifte während einer Italienreise und dem Umzug nach Erkner in der Nähe von Berlin der Entschluss, freier Schriftsteller zu werden. Seine Mitgliedschaft im naturalistisch geprägten Dichterverein 'Durch' prägte ihn stark. So befassen sich seine Werke überwiegend mit der Idee der Weichenstellung des Menschen durch seine Herkunft. Handelt beispielsweise 'Vor Sonnenaufgang' - sein erster Erfolg als Dramatiker - vom Niedergang einer Bauernfamilie, schildert Hauptmann in der novellistischen Studie 'Bahnwärter Thiel' die Ohnmacht der Arbeitergesellschaft gegenüber der aufkommenden Industrialisierung. Zu seinen bekanntesten Werken gehört das Familiendrama 'Die Weber', das den Weberaufstand im Jahre 1844 thematisiert. Für sein dramatisches Werk wird Hauptmann 1912 mit dem Literaturnobelpreis geehrt.
Produktdetails
- Reclams Universal-Bibliothek 6617
- Verlag: Reclam, Ditzingen
- Seitenzahl: 53
- Erscheinungstermin: 15. Januar 1986
- Deutsch
- Abmessung: 149mm x 97mm x 6mm
- Gewicht: 38g
- ISBN-13: 9783150066171
- ISBN-10: 3150066174
- Artikelnr.: 00788287
Herstellerkennzeichnung
Reclam Philipp Jun.
Siemensstr. 32
71254 Ditzingen
auslieferung@reclam.de
Mit Sicherheit nicht das schönste Buch von Gerhart Hauptmann ("Die Ratten"), aber durch seine Kürze sehr gut für den Deutschunterricht geeignet. Auf jeden Fall ein Handlungsstrang, der etwas zum Mitdenken anregt.
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»Die Außenwelt schien ihm wenig anhaben zu können: es war, als trüge er etwas in sich, wodurch er alles Böse, was sie ihm antat, reichlich mit Gutem aufgewogen erhielt.«
1887, in einer kleinen Kolonie namens Schön-Schornstein an der Spree. Bahnwärter …
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»Die Außenwelt schien ihm wenig anhaben zu können: es war, als trüge er etwas in sich, wodurch er alles Böse, was sie ihm antat, reichlich mit Gutem aufgewogen erhielt.«
1887, in einer kleinen Kolonie namens Schön-Schornstein an der Spree. Bahnwärter Thiel ist ein grundsolider Mensch. Zuverlässig versieht er seinen Dienst, jeden Sonntag sitzt er andächtig in der Kirche. Jedermann kennt ihn als friedlich, ordentlich, gütig und kinderlieb. Diese novellistische Studie zeigt den Weg eines solchen Mannes hin zum Wahnsinn, hin zu einem schrecklichen Verbrechen.
Vielen ist diese Erzählung schon als Schullektüre begegnet, ich las sie jetzt erstmals. Und las sie gleich noch ein zweites Mal, denn ich hatte das Gefühl, dass sie so dicht geschrieben ist, dass ein mehrmaliges Lesen nötig ist, um tatsächlich alle Feinheiten der Sprache und des Inhalts aufzunehmen.
Den Begriff „novellistische Studie“ habe ich mal nachgeschlagen. Wikipedia sagt dazu: »Mit dem Studienbegriff weist der von Hauptmann gewählte Untertitel auf die Art des Beobachtens hin und schafft den Eindruck, in der Novelle eine reale, wahre Geschichte (bzw. deren Bericht/Studie) vorliegen zu haben. Ähnlich einer wissenschaftlichen Studie wird hier vom Erzähler fast ohne eigenen Kommentar das Geschehen beschrieben.« Der Erzähler beobachtet also das Geschehen, macht uns im ersten Teil der Geschichte mit Thiel bekannt und mit den einschneidenden Erlebnissen, die den Grundstein für die später aufziehende Katastrophe legen.
Als Leser verfolgt man die bedrohliche Eskalation mit, ahnt schon früh, dass die immer deutlicher werdende Ausweglosigkeit auf ein schlimmes Ende hin steuern wird. Man wird Zeuge von Thiels innerem Kampf, verfolgt, wie er lange versucht, gegen das, was von ihm Besitz ergreifen will, anzukämpfen, um endlich doch zu unterliegen.
»Es war, als hielte ihn eine eiserne Faust im Nacken gepackt, so fest, dass er sich nicht bewegen konnte, sosehr er auch unter Ächzen und Stöhnen sich frei zu machen suchte.«
Die Erzählung zählt zu den bedeutendsten Werken des Naturalismus. Typisch dafür ist beispielsweise, dass die Handlung im Arbeitermilieu spielt, das tägliche Leben der Arbeiter, ihre Nöte und auch die Zwänge zeigt, in denen sie gefangen sind. Thiels Leben wird bestimmt durch die Eisenbahn, seine Familie, die Kirche und herrschende Moralvorstellungen. Und eine immer heftiger dominierende Triebhaftigkeit…
»Er, der mit seinem ersten Weibe durch eine mehr vergeistigte Liebe verbunden gewesen war, geriet durch die Macht roher Triebe in die Gewalt seiner zweiten Frau und wurde zuletzt in allem fast unbedingt von ihr abhängig.«
Man kann diese Erzählung allerdings nicht ausschließlich dem Naturalismus zuordnen, einige Faktoren sprechen dagegen. Beispielsweise gibt es viele sehr schöne Naturbeschreibungen und intensive Träume und Wahnvorstellungen Thiels, die tiefe Einblicke in seine Psyche geben.
Mich hat die Geschichte geradezu gefesselt, ich mochte sie, einmal begonnen, nicht mehr aus der Hand legen. Es war ein wenig wie ein Traum, bei dem man fühlt, dass er zum Alptraum werden wird, und trotzdem befindet man sich in seinem Sog und kann nicht einfach aufwachen, kann nicht einfach den Traum beenden. Ein Werk, das ich sicher nicht zum letzten Mal gelesen habe.
Fazit: Schullektüre kann total fesselnd sein. Wer dieses Buch noch nicht kennt: Lesen! Und falls es aus Schulzeiten tatsächlich in unguter Erinnerung sein sollte: Es verdient eine zweite Chance!
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In einem kleinen Dorf bei Neu-Zittau lebt Bahnwerter Thiel. Er ist ein ruhiger, phlegmatischer, praktisch veranlagter Mann. Nachdem seine erste Frau, die er aus Liebe heiratete, im Kindbett starb, heiratet er aus praktischen Gründen eine Milchmagd, damit ihm das Kind nicht stirbt. Seine neue …
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In einem kleinen Dorf bei Neu-Zittau lebt Bahnwerter Thiel. Er ist ein ruhiger, phlegmatischer, praktisch veranlagter Mann. Nachdem seine erste Frau, die er aus Liebe heiratete, im Kindbett starb, heiratet er aus praktischen Gründen eine Milchmagd, damit ihm das Kind nicht stirbt. Seine neue Gattin erweist sich als wahrer Hausdrachen, zänkisch und herrschsüchtig. Sie macht ihm und dem etwas zurückgebliebenen Tobias das Leben schwer, erst recht, als sie selbst einen kleinen Sohn zur Welt bringt.
Bahnwärter Thiel dürfte wohl einer der bekanntesten Romane von Gerhart Hauptmann sein, wobei ich Roman als übertrieben erachte, Kurzgeschichte trifft es in meinen Augen eher. Die Erzählung zählt angeblich zu den bedeutendsten Werken des Naturalismus. Dazu mag man stehen, wie man will, ich finde allgemein wird dieses dünne Geschichtchen arg überinterpretiert. Insgesamt liest sich diese Geschichte recht gut, sie ist stimmungsvoll, auch wenn man teilweise das Gefühl hat, einen Zeitungsbericht zu lesen.
Einiges wunderte mich bei der Lektüre. Thiel hängt liebevoll an seinem Söhnchen aus erster Ehe, so wie er eigentlich alle Kinde liebt. In seiner Freizeit kümmert es sich um die Dorfjugend, umso erstaunlicher, dass er mit seinem Zweitgeborenen nichts anfangen kann, der ist doch auch ein Kind und zwar sein Kind. Thiel sieht diesen Sohn jedoch nur als Kind seiner zweiten Frau an, das ist schon seltsam.
Aus heutiger Sicht eine nicht wirklich innovative Geschichte. Hier wird einfach nur das Leben einer Patchworkfamilie aus Arbeitermilieu erzählt. Beide Elternteile nicht sonderlich helle und schon gar nicht gebildet. Die Frau ein Drachen, der Mann ein liebevolles Weichei. Letztendlich eine Geschichte, wie man sie leider häufig in der Zeitung liest: Familiendrama nach Schicksalsschlag. Vater verliert den Verstand und tötet Frau und Kinder. Vielleicht wurde damals nicht so häufig in den Zeitungen über solche Fälle berichtet, vielleicht schwieg man derlei Vorkommnisse tot, vorgekommen sind sie sicherlich. Gerhart Hauptmann sah sich selber auch nie als Sozialkritiker. Er bestand auch bei seinen Webern darauf, dass er nur historische Ereignisse beschreibt und genau das macht er meiner Meinung nach auch in Bahnwerter Thiel. Gelungen transportiert er die Melancholie des Vaters durch seinen gesetzten Erzählstil, mehr auch nicht. Den einzig spannenden Augenblick spoilert der Autor leider selber: „Paß auf […] daß er den Gleisen nicht zu Nahe kommt.“ Danach noch ein Absatz, was sonst nicht in der Geschichte vorkommt, und jedem Leser ist klar, wie es weitergehen wird. Der Wink mit dem Zaunpfahl ist hier schon ein Telegrafenpfahl, leider.
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