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Worin liegt das Geheimnis, das Landschaften innewohnt? Es gibt Orte, an denen man lebt, andere, wonach man sich sehnt, und wieder andere, wohin der Lauf der großen Geschichte einen Menschen treibt. All dies gestalten Dichterinnen und Dichter in ihren Werken, verbinden Wirklichkeit, Imagination und Inspiration. Elf Porträts - wunderbar bildreich und poetisch erzählt - führen in diesem Buch durch Europa, in ein Dorf an der Côte d'Azur, an die Ostsee, nach Dänemark, ins Gebirge, in ein Salzburger Moor oder zu einem einsamen Grab auf Sizilien - es sind die eher unberühmten Orte und Landschaften,…mehr

Produktbeschreibung
Worin liegt das Geheimnis, das Landschaften innewohnt? Es gibt Orte, an denen man lebt, andere, wonach man sich sehnt, und wieder andere, wohin der Lauf der großen Geschichte einen Menschen treibt. All dies gestalten Dichterinnen und Dichter in ihren Werken, verbinden Wirklichkeit, Imagination und Inspiration. Elf Porträts - wunderbar bildreich und poetisch erzählt - führen in diesem Buch durch Europa, in ein Dorf an der Côte d'Azur, an die Ostsee, nach Dänemark, ins Gebirge, in ein Salzburger Moor oder zu einem einsamen Grab auf Sizilien - es sind die eher unberühmten Orte und Landschaften, an denen Brita Steinwendtner ihre Erzählungen über Dichterinnen und Dichter entwirft und darin ein ganzes Leben, ein faszinierendes Werk und die Macht der Zeitgeschichte aufleuchten lässt. Zwei Jahre lang ist sie gereist, hat recherchiert und ist viele Wege gegangen. Entstanden ist ein wundersames Geflecht aus Landschaften und Lebensgeschichten, eine Topografie von Geschick und Geschichte, ein Zusammenspiel aus inneren und äußeren Paysagen. Nun lädt sie die Lesenden ein, die Reisen selbst zu tun, im Kopf oder tatsächlich, und reich beschenkt wieder heimzukehren.
Autorenporträt
Geboren 1942 in Wels, Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Wien und Paris. Mitarbeiterin des ORF und ausländischer Rundfunkanstalten. Literarische Porträts für Hörfunk und TV. Lehrtätigkeit an den Universitäten von Salzburg, Klagenfurt und St. Louis/Missouri. 1990 bis 2012 Intendantin der Rauriser Literaturtage. Lebt als Autorin und Regisseurin in Salzburg. Zuletzt veröffentlicht: ¿An diesem einen Punkt der Welt. Roman¿ (2014), ¿Mittagsvorsatz/Noon Resolution. Gedichte¿ (2011) und ¿Gesicht im blinden Spiegel. Roman¿ (2020).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2022

Gerechtigkeit für die Unglücklichen
Der Tratsch bleibt außen vor: Brita Steinwendtners diskrete Liebeserklärungen an die großen am Leben Gescheiterten der Literatur

"Mitunter scheint es mir, als ob das nahe Wirkliche schwieriger zu beschreiben ist als das ferne Imaginierte", sagt Brita Steinwendtner in der vorliegenden dritten Folge ihrer "Dichterlandschaften", die sie sich gleichsam selbst zum achtzigsten Geburtstag geschenkt hat. "Es ist leichter, mir zum Beispiel Mechtilde Lichnowsky auszudenken, wie sie am Blumenmarkt von Cap d'Ail einen Strauß Mimosen kauft", als "von einem Nachmittag am Schwarzgrabenweg", H. C. Artmanns Adresse in Salzburg, zu erzählen, "der mir zu nahe war, um ihn preisgeben zu wollen". In diesen Sätzen sind wesentliche Tugenden der Salzburger Autorin, Regisseurin und langjährigen Leiterin der Rauriser Literaturtage in nuce enthalten: Diskretion, eine präzis ausholende Phantasie und Selbstreflexion als Schreibende. Steinwendtner, die zuletzt für einen pazifistischen Kriegsroman aus Altösterreich ("Das Gesicht im blinden Spiegel") viel Lob erhielt, hat sich mit ihrem Mann kreuz und quer durch Europa auf die Suche nach den Schreibtischen fast durchweg prominenter Größen der Literaturgeschichte gemacht.

So sind in zehn Kapiteln zwölf einprägsame Porträts entstanden, die immer auch die jeweilige Landschaft mitabbilden. Ein Doppelbildnis zeigt Stefan und Friderike Zweig in ihrer heute privat bewohnten Salzburger Villa am Kapuzinerberg, zu der die Autorin Zutritt erhielt. Ein anderes gilt Walter Benjamin und der ungleich weniger bekannten Mechtilde Lichnowsky - Benjamins Schicksalsort wurde Banyuls-sur-Mer am Fuß der Pyrenäen, die er 1940, herzkrank, erfolgreich überquerte, um nach seiner Ankunft in Spanien aus Angst vor der Gestapo in den Tod zu gehen. Lichnowsky indes fand ihr Refugium in Cap d'Ail an der Côte d'Azur. Geboren 1879 als Komtesse Arco-Zinneberg, wurde sie mit dem viel älteren, steinreichen Fürsten Karl Max von Lichnowsky, einem hellsichtig undiplomatischen Diplomaten, verheiratet, führte einen glanzvollen Salon und machte sich als Romanautorin einen Namen - eben erst wurden die einstigen Bestseller neu herausgegeben.

Für Karl Kraus komponierte Lichnowsky Bühnenmusik, mit ihm führte sie, wie man heute sagen würde, eine Freundschaft plus, auch wenn Steinwendtner dies ins Reich der Mutmaßung verbannt und der Nachwelt jedes Recht auf eine solche abspricht - was vielleicht die Diskretion zu weit treiben heißt. Steinwendtner würdigt die überaus emanzipierte Fürstin und mährische Schlossherrin, die in ihrer souverän ironischen Literatur "die Schablonenhaftigkeit und Scheinmoral der adeligen und großbürgerlichen Gesellschaft" entlarvt habe, "der sie selbst angehörte". Lichnowskys Essay "Der Kampf mit dem Fachmann" (1924) ist eine Abrechnung mit dem "Mansplaining" avant la lettre. Nach dem Tod des Fürsten zieht sie nach Cap d'Ail, die Nazis verbieten ihre Bücher. Sie macht den Fehler, ins Deutsche Reich zu fahren, wo man sie, die nach fast vierzig Jahren ihre Jugendliebe, einen englischen Offizier, geheiratet hat, nicht wieder ausreisen lässt und unter Polizeiaufsicht stellt. Sie wird ihren Mann nicht wiedersehen.

Der historische Bogen von Steinwendtners profund vorbereiteten und hellwach absolvierten Geländemärschen "An den Gestaden des Wortes" reicht von Friedrich Hölderlin bis Ilse Aichinger, mit der sie befreundet war. Wir gelangen mit August Graf von Platen, dem großen Formkünstler der Romantik, nach Sizilien, mit Tania Blixen nach Dänemark, mit Carl Zuckmayer ins Schweizer Saas-Fee und mit Hölderlin nach Bordeaux, wo dieser 1802 als Hauslehrer unterkam und nach wenigen Monaten schon wieder Reißaus nahm: "Man kann Hölderlin lieben, in allem verstehen muss man ihn nicht." Brita Steinwendtners Vater, ein früh entflammter Nationalsozialist, fiel 1942, im Jahr ihrer Geburt, an der Wolga. Sie hat seine Hölderlin-Ausgabe geerbt.

Platen wiederum, der "verschlüsselt, schmerzvoll, unerlöst" seine unmögliche Liebe zu Männern besingt, flieht vor der Fama wie vor der Cholera bis Syrakus, vergeblich, er stirbt dort 1835. Brita Steinwendtner hat eine Schwäche für die Randfiguren der Bürgerlichkeit, die Unangepassten und Unglücklichen, für jene, die auf der Strecke bleiben. Wie der Salzburger Georg Trakl, der als heillos überforderter Sanitätsoffizier die Schlacht von Grodek 1914 in Ostgalizien als persönliche Katastrophe erlebte und sich mit Kokain vergiftete. Auch über sein inzestuöses Verhältnis zur Schwester breitet die dem Tratsch abholde Autorin aus- und nachdrücklich den Mantel des Schweigens.

So funktionieren diese Essays durch eine Überblendung der literarhistorischen Grundierung mit dem Reiseerlebnis, der Dichterbiographie mit Autobiographischem und gründlicher Werkkenntnis, die sich in klug gewählten Zitaten und empathischer Deutung erweist. Auf die gewinnendste Weise gerät die Enthusiastin der schönen Literatur stets aufs Neue ins Schwärmen, ehe sie sich und uns wieder auf den Boden der nüchternen Tatsachen holt. Als schreibende Reisende hat sie einen Sinn für Details und zeigt sich dem "Mikrokosmiker" Zuckmayer verwandt: "Kein Käfer, kein Gras, keine Rinde war ihm zu minder." Hier waltet spürbar auch Adalbert Stifters "sanftes Gesetz".

Und doch: Dem angestaubten Titel zum Trotz flüchtet die Autorin sich nicht ins Erbauliche, sondern blickt ins Herz der Finsternis, gerade bei Stifter, dem Dichter des "Landes ob der Enns" und ihrer Kindheitsgegend am Fuß des Toten Gebirges, das der später exzessive Esser und Trinker als junger Mann mit Freunden überquerte. Sein Hagestolz verkündet: "Das Leben ist ein schillernd Ding, in dessen Abgrund man sich stürzt - und noch im Abgrund ist es schön."

Seine "selbstverleugnende Anstrengung, aus dem Abgrund noch das Schöne hervorzuholen", ringt Steinwendtner Bewunderung ab: "In der Dichtung ist es Adalbert Stifter gelungen. Im Leben nicht." So steht die Porträtistin in diesem tiefgründigen, prägnanten Text staunend nicht nur vor dem Rätsel seiner Kunst, sondern auch vor dem seiner Existenznot, der der k. k. Hofrat i. R., todkrank, mit dem Rasiermesser ein - quälend langes - Ende machte. Stifter, der auch als Landschaftsmaler Eindrucksvolles geschaffen hat, nannte sich einen "Menschenmaler". Mit ihrer Galerie der poetischen Landschaften wandelt Brita Steinwendtner mit Fortune auf seinen Spuren. DANIELA STRIGL

Brita Steinwendtner: "An den Gestaden des Wortes". Dichterlandschaften.

Otto Müller Verlag, Salzburg 2022. 384 S., geb., 27,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Daniela Strigl lässt sich von dem etwas altertümelnde Titel nicht abhalten, mit Brita Steinwendtner durch Dichterlandschaften zu wandeln. Hölderlin, Stifter, Trakl, Blixen, Aichinger, und anderen widme die Salzburger Autorin und langjährige Leiterin der Rauriser Literaturtage einfühlsame, tiefgründige und prägnante Porträts, versichert Strigl, die Steinwendtners Faible für die Unglücklichen der Literaturwelt durchaus etwas abzugewinnen weiß. Nur hin und wieder übertreibe es Steinwendtner mit ihrem Diskretionsgebot, mahnt die Rezensentin sanft.

© Perlentaucher Medien GmbH