Andrea Camilleri, Der Hirtenjunge, Rowohlt Berlin 2013, ISBN 978-3-463-40605-3
Der neue Roman des italienischen Schriftstellers Andrea Camilleri, der hier in Deutschland vor allen Dingen durch seine Montalbano-Kriminalromane sich einen Namen machte, zeigt zum wiederholten Mal einen Autor, dem
es in seinen Büchern um seine sizilianischen Heimat, ihre Schönheit und ihre Naturgewalt, die Kultur…mehrAndrea Camilleri, Der Hirtenjunge, Rowohlt Berlin 2013, ISBN 978-3-463-40605-3
Der neue Roman des italienischen Schriftstellers Andrea Camilleri, der hier in Deutschland vor allen Dingen durch seine Montalbano-Kriminalromane sich einen Namen machte, zeigt zum wiederholten Mal einen Autor, dem es in seinen Büchern um seine sizilianischen Heimat, ihre Schönheit und ihre Naturgewalt, die Kultur ihrer Menschen und ihre ganz besondere Geschichte geht.
In einer kurzen Nachbemerkung zum neuen Buch schreibt der mittlerweile schon 88 -jährige Camilleri:
„Dieser Roman schließt einen Zyklus ab, der mit ‚Die Frau aus dem Meer’ begann und mit ‚Der Bahnwärter’ fortgesetzt wurde. Es sind drei Geschichten, die drei mehr oder weniger gelungene Metamorphosen erzählen. In der Antike ließen sich Metamorphosen leichter erzählen und auch leichter durchführen.“
Der Roman beginnt mit der Schilderung eines Ereignisses in dem sizilianischen Dorf Alagona, irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bei verschiedenen Unglücken in den Minen rund um das Dorf kommen innerhalb kürzester Zeit 250 junge Minenarbeiter, die meisten von ihnen Kinder unter 10 Jahren, ums Leben. Schnell ist es nötig, in den umliegenden Küstenorten neue Kinderarbeiter für die engen Stollen der Bergwerke zu rekrutieren.
Das bekommt auch der Fischer Adelio Savatteri in Vigata mit, und er erfährt auch, unter welchen Bedingungen die Kinder dort arbeiten müssen. Deshalb behält er, obwohl er seine Familie mit den Fischen, die er fängt kaum ernähren kann, seinen Sohn Giurla zu Hause.
Doch schon bald ergibt sich zur Freude seines Vaters, der von einem eigenen Boot und der damit verbundenen Selbständigkeit und bescheidenem Wohlstand für seine Familie träumt, für Guirla eine anderen Gelegenheit, Geld zu verdienen und zum Einkommen seiner Familie beizutragen. Er wird in die Berge geschickt, um dort auf den großen Flächen eines Adligen Ziegen zu hüten.
Diese Arbeit in der freien Natur gefällt dem Jungen und er versteht sich gut mit seinem direkten Vorgesetzten Damianu. Bald schon ist das Meer vergessen und Guirla lernt nicht nur die Welt der Hirten kennen, sondern auch schon bald die Welt der Sexualität. Denn jeden Abend kommen Mädchen, um die Ziegen zu melken und eine, Rosa, die ganz besonders gern vögelt, weiht ihn in die Geheimnisse der körperlichen Liebe ein.
Sehr zum Unwillen einer Ziege namens Beba, die sich dem Hirtenjungen schon bald nach seiner Ankunft in der Hirtenhütte genähert hatte und seitdem nicht her von seiner Seite gewichen ist. Zwischen den beiden entwickelt sich über die Zeit eine außergewöhnliche und für heutige Ohren vielleicht befremdliche Liebesgeschichte, die beide auch an der körperlichen Seite dieser Liebe einen immer größeren Gefallen finden lässt.
Damianu verwaltet Giurlas Lohn und fördert den Jungen nach Kräften, weil er seine Klugheit und sein Talent schätzt. Schon nach kurzer Zeit hat Guirlas Geld seinem Vater den Kauf eines neuen Bootes ermöglicht, und weil er Hilfe braucht, bittet er seinen Sohn, wieder nach Hause zu kommen. An die Ruhe in den Bergen und sein neues Leben gewöhnt, hält es der Hirtenjunge nicht lange in Vigata aus und kehrt zu seinen Ziegen zurück. Er findet Beba in einem dem Tod nahen Zustand wieder. Sie hat ihn vermisst und nichts mehr gefressen.
So geht die Zeit dahin. Guirla lernt Menschen kennen, die ihn zum Betrug verführen wollen, doch er zeigt sich standhaft. Alles zur Freude nicht nur von Damianu, sondern die Kunde vom Hirtenjungen geht bis ins mondäne Haus des adligen Großgrundbesitzers.
Was Giurlu als Nachfolger Damianus nach dessen Tod in seinem neuen Haus erlebt, wie er der Tochter des Landbesitzers begegnet, und was sich daraus alles noch ergibt – er hätte es sich nicht träumen lassen, als er vom Meer in die Berge zog, um nicht in den Bergwerken zu sterben.
Mit großer erzählerischer Freiheit und mit viel Liebe zu Sizilien, seiner Geschichte, seinen Menschen und seiner Kultur geschrieben.