Ein Mord, journalistisch betrachtet
"Kalter Süden", der Titel fesselt. Spanien, "Nueva Andalucia", ein Stadtteil von Marbella, dem mondänen Ort an der Costa del Sol, das macht neugierig. Der Anfang, "Die Nacht war pechschwarz", scheint verlockend, motiviert zum Weiterlesen. Allerdings bricht dann
das Geschehen nach drei Seiten urplötzlich ab. Und als nächstes kann man ein als Märchen getarntes…mehrEin Mord, journalistisch betrachtet
"Kalter Süden", der Titel fesselt. Spanien, "Nueva Andalucia", ein Stadtteil von Marbella, dem mondänen Ort an der Costa del Sol, das macht neugierig. Der Anfang, "Die Nacht war pechschwarz", scheint verlockend, motiviert zum Weiterlesen. Allerdings bricht dann das Geschehen nach drei Seiten urplötzlich ab. Und als nächstes kann man ein als Märchen getarntes Kapitel lesen. "Führer durfte nicht gestört werden", steht dort. Adolf Hitler in einem Krimi? Seltsam. Von einem schlossähnlichen Gebäude ist die Rede. Mystisches steht im Vordergrund. "Friedrichstraße" liest man weiter - Berlin? Natürlich Berlin! Aber warum? Dann ohne Vorankündigung eine "Eilmeldung" einer Presseagentur. Eine Generalstaatsanwältin beantragt ein Wiederaufnahmeverfahren in einem Dreifachmord. Eine Generalstaatsanwältin will dieses Verfahren, weil sie den Verurteilten für unschuldig hält? Seltsam.
Worum geht es nun tatsächlich, könnte die erste Frage lauten. Der unvoreingenommene Leser ist zunächst einmal irritiert. Vielleicht blättert er um, liest weiter, vielleicht eher pflichtbewusst als interessiert, schließlich hat er sich das Buch mit den fünfhundert Seiten ja gekauft. Aber nach wenigen Seiten – unbestreitbar, ein gewisses Interesse ist nun vorhanden – wird eine Kontur sichtbar, die Geschichte erhält eine Struktur. Die Story beginnt zu fesseln. Man glaubt, dass sich Fragezeichen aufzulösen beginnen. Nicht alle, nein, aber Vermutungen regen sich. Die anfängliche Kollage aus einem Einbruch im fernen Spanien, einem Märchen, einer Presseagenturmeldung und den beginnenden Recherchen durch Annika Bengtzon, der journalistisch „ermittelnden“ schwedischen Zeitungsreporterin, bekommt eine Bedeutung. Auch die Randereignisse fügen sich in das Geschehen ein. Es wird spannender. Auftauchende Figuren bekommen eine Bedeutung - zumindest glaubt man das zu ahnen. Spanien taucht also wieder auf. Annika Bengtzon wird nach Marbella geschickt, um im Mord gegen die Familie eines bekannten Eishockey-Stars zu recherchieren. Ja, recherchieren, ausdrücklich nicht ermitteln. Mit Gas ist die gesamte Familie umgebracht worden. Bis auf eine Tochter. Sie weilte zur Zeit des Anschlags nicht im Haus. Gilt nun aber als vermisst. Der Tatort: Eine Villa in „Nueva Andalucia“. Dieser Tatort und die Vialla, alles spielt eine Rolle. Welche? Annika Bengtzon beginnt zu recherchieren. Anders als es professionelle Ermittler tun geht sie vor. Aber beileibe nicht dilettantisch, oh nein, eben journalistisch professionell. Man könnte auch sagen, erfrischend anders, erfrischend professionell anders. Und da wir nun schon beim Klima sind, man spürt förmlich die spanische Wärme auf der Haut, das Salz des Mittelmeers auf den Lippen und den Wind aus der nahen Sierra Nevada kommend in den Haaren. Wunderbar. Eigentlich fehlt nur noch Churros, chocolate con churros. Und man muss bereit sein, sich in die Geschichte hineinfallen zu lassen, so wie man Churros in die dicke Schokolade tunkt. Man muss bereit sein, sich von der Erzählung tragen zu lassen. Schwer ist es nicht. Nun nicht mehr.