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Rekorder  (Restauflage) - Darnielle, John
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Ein Must-Read für Fans von David Lynch! »Eine fesselnde Erkundung der launenhaften Erinnerungen und Beharrungskräfte in den ländlichen USA.« Washington Post
In einer Kleinstadtvideothek inmitten Iowas tauchen seltsame und unheimliche Filmschnipsel auf den Leihkassetten auf. Dunkle und grobkörnige Szenen, die eine Scheune zeigen, darin ein leerer Stuhl, Atemgeräusche sind zu hören. In späteren Clips taucht eine Frau auf, erst gefesselt und mit einer Kapuze über dem Kopf, dann durch ein Maisfeld laufend - auf der Flucht vor dem Kameramann. Der Videotheksmitarbeiter Jeremy will nichts mit…mehr

Produktbeschreibung
Ein Must-Read für Fans von David Lynch!
»Eine fesselnde Erkundung der launenhaften Erinnerungen und Beharrungskräfte in den ländlichen USA.« Washington Post

In einer Kleinstadtvideothek inmitten Iowas tauchen seltsame und unheimliche Filmschnipsel auf den Leihkassetten auf. Dunkle und grobkörnige Szenen, die eine Scheune zeigen, darin ein leerer Stuhl, Atemgeräusche sind zu hören. In späteren Clips taucht eine Frau auf, erst gefesselt und mit einer Kapuze über dem Kopf, dann durch ein Maisfeld laufend - auf der Flucht vor dem Kameramann. Der Videotheksmitarbeiter Jeremy will nichts mit der Sache zu tun haben, doch als seine Freundin Stephanie die Scheune in den Filmszenen wiedererkennt, muss er handeln.
Die Suche nach der Wahrheit hinter den Videos führt Jeremy und Stephanie in die Vergangenheit.

Ein atemberaubender Roman für Fans von David Lynch.
Autorenporträt
John Darnielle ist Autor, Komponist, Gitarrist und Sänger der Band the Mountain Goats. Er lebt mit seiner Frau und seinen Söhnen in Durham, North Carolina. Sein erster Roman Wolf in White Van wurde von der internationalen und der deutschsprachigen Presse als einer der besten Romane des Jahres 2016 gefeiert und war unter anderem für den National Book Award nominiert.
Rezensionen
Wo der Wind nicht heult, sondern singt
Heimvideo: John Darnielles Provinzroman "Rekorder" erzählt von Verlassenen, die im Angesicht des Schreckens zueinanderfinden

"Damn These Vampires" heißt ein in seiner gloriosen Düsternis, die von einem trotzigen Durchhaltewillen durchkreuzt wird, typischer Song der amerikanischen Indie-Band The Mountain Goats. John Darnielle, nicht nur Komponist, Gitarrist und Sänger der Band, sondern auch einer der besten Songdichter überhaupt, hat selbst einige Vampire überwunden, wie wir aus seinen Liedern wissen: einen gewalttätigen Stiefvater, harte Drogen, Einsamkeit. Vor zwei Jahren legte er einen bejubelten Debütroman über einen Versehrten vor, der trotz der Verunstaltung seines Gesichts nach einem Gewehrschuss das Leben meistert, indem er sich als Spielleiter eine alternative Welt erdenkt, die auch für andere bewohnbar wird. Allerdings geschieht dann etwas Schreckliches.

Darnielles neuer Roman "Rekorder" ist in einem ähnlich magisch-realistischen Stil verfasst und kreist wiederum um Verlusterfahrungen und ihre Kompensation. Zwei Protagonisten haben als Kinder ihre Mütter verloren. Und doch wirkt das Buch, das auf drei Zeitebenen spielt und Anleihen beim Found-Footage-Horrorfilm wie "Rec" oder "Blair Witch Project" macht, einerseits verstörender, im Fortgang jedoch zuversichtlicher als der Vorgänger. Die Verletzlichkeit und Sensibilität der Figuren, die ein stilles Leben in der tristen amerikanischen Provinz führen, steht zunächst einmal in starkem Kontrast zu einem nur am Horizont aufscheinenden, gleichwohl paralysierenden Schrecken. Mit ihm kämpft sich eine verdrängte Trauer an die Oberfläche, was eine flirrende "Twin Peaks"-Atmosphäre zwischen Alltag und Unheil ergibt, die sich allerdings weniger spektakulär entwickelt als bei David Lynch.

Der Roman setzt in den späten neunziger Jahren ein, eine versunkene Zeit, denn ein derart entschleunigtes Leben, wie es der junge Jeremy Heldt in einer Kleinstadt in Iowa führt, scheint im Internetzeitalter kaum mehr denkbar. Dass den schicksalsergebenen Videothek-Angestellten eine gewisse Verlorenheit umflort, hat viel damit zu tun, dass seine Mutter sechs Jahre zuvor bei einem Autounfall gestorben ist. Eines Tages entdecken mehrere Kunden beängstigende Ausschnitte auf diversen VHS-Leihkassetten, die jemand heimlich in die Filme hineinkopiert haben muss. Die verwackelten Sequenzen zeigen Menschen mit Kapuzen über dem Kopf, die in einer Scheune sitzen oder von der Kamera verfolgt werden. Sarah Jane, Jeremys Chefin, die das in den Ausschnitten gezeigte Anwesen wiedererkennt, wird mehr und mehr in diese Nebenwirklichkeit hineingezogen. Sie verschwindet zwar nicht wirklich und ist doch bald eine weitere Verschollene. Jeremy hält sich an eine junge Lehrerin, die viel Ehrgeiz zeigt, dem Rätsel auf den Grund zu gehen.

Der mittlere Teil des Romans spielt in den siebziger Jahren und erzählt die Geschichte von Lisa Sample, deren Mutter ihre Familie verließ, um sich einer radikalen christlichen Sekte anzuschließen. Was dieses Ereignis mit den rätselhaften Filmen zu tun hat, klärt sich ein Stück weit im letzten, in der Gegenwart angesiedelten Part, in dem eine weitere Familie ins Spiel kommt, die inzwischen das als "zugleich zeitlos und unbeständig" beschriebene Farmhaus (zuletzt doch mehr "White Lodge" als "Black Lodge") bewohnt, in dem die Aufnahmen gemacht wurden. Die gegebene Antwort aber befriedigt nicht wirklich: Sie scheint zu klein in Bezug auf das geweckte Befremden.

Wichtiger ist, dass sämtliche Charaktere in diesem wie wattiert wirkenden, alle Stimmen verschluckenden Hinterland durch ein unsichtbares Netz, dessen Knoten der einfühlsame Erzähler nach und nach sichtbar macht, miteinander verbunden sind. Der Clou des ganz innenweltlich erzählten Romans besteht darin, genau das, was sich in Horrorfilmperspektive als fatal erweisen könnte - die durch einen Fluch verbundenen Verdammten -, als Rettung zu inszenieren: ein "social network", in dem die Figuren einander Halt geben. Teils scheinen die Charaktere sogar miteinander zu verschmelzen. "Rekorder" erzählt im Kern von einer Sehnsucht aller Verlassenen nach Aufgehobensein, die groß genug ist, um selbst Vampirbisse als Zeichen von Zuneigung erscheinen zu lassen. Dass der abgesetzte Notruf hier über ein Medium läuft, das längst dem technischen Fortschritt zum Opfer gefallen ist, verstärkt die melancholische Aura des Erzählten noch einmal.

Eine Spur zu verspielt mutet die auktoriale Erzählhaltung mit ihren Variantenandeutungen und Leserapostrophen an: Darnielle ist eben doch in erster Linie Songdichter. Besonders stark ist das Buch immer da, wo der Autor, der selbst in der beschriebenen Gegend gelebt hat, sich voller plastischer Details in den Seelenhaushalt der Provinz vertieft: "Der Wind fegt nicht heulend, sondern singend über die Ebenen. Das ist der Unterschied zwischen diesem Wind und seinen Großstadt-Cousins." Freie Zeit besiegt man hier mit Videofilmen oder dem Beschriften der Einmachgläser für Kürbis-Mus. Die Dialoge über das Angeln fühlen sich in ihrer Unabgeschlossenheit so real an wie die selbstzusammengeschusterte Heilserwartung einer ausschließlich von Müll lebenden Sekte.

All das dient dem Bannen des Schreckens. In dieser halb realen, halb mystischen Landschaft - "das große Nirgendwo" - hat die Leere nämlich eine existentielle Dimension: "Liegen links und rechts des Highways verschiedene Felder oder stellt die Straße nur eine künstliche Unterteilung eines einzigen, gleichmäßigen Feldes dar?" Schreie verlieren sich in gigantischen Maisfeldern. "Um gehört zu werden, bräuchte man etwas Größeres: das Dröhnen eines Mähdreschers im Herbst, der all das hier niedermäht." Darnielle, der Dennoch-Optimist, mäht die Einsamkeit zuletzt also tatsächlich nieder. Wie es in einem seiner bekanntesten Songs heißt: "Our mother has been absent ever since we founded Rome / But there's going to be a party when the wolf comes home."

OLIVER JUNGEN

John Darnielle: "Rekorder". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Tobias Schnettler. Eichborn Verlag, Köln 2017. 286 S., geb., 20,- [Euro].

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