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jenvo82
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Oberschöna

Bewertungen

Insgesamt 219 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2024
Der längste Schlaf
Raabe, Melanie

Der längste Schlaf


ausgezeichnet

Als die Schlafforscherin Mara Lux nach Jahren Post von einem Notar aus Deutschland erhält, ist die junge Frau entsprechend verwirrt. Angeblich ist sie die Alleinerbin eines Herrenhauses, welches ihr von einem unbekannten Mann vermacht wurde. Alle Nachforschungen verlaufen ins Leere und so beschließt sie, in die Heimat zurückzukehren und sich die vermeintliche Erbschaft zumindest anzuschauen.

In der Provinz erwartet Sie dann die Überraschung: in dem villenartigen Domizil fühlt sie sich seltsam entrückt, die Räume scheinen eine Art Eigenleben zu führen und doch gehen ihr die Erlebnisse sehr nahe. Sie versucht mehr über den ehemaligen Besitzer und seine Hinterlassenschaft in Erfahrung zu bringen und stößt auf weitere Rätsel. Der Ort und die Menschen, die sie in der Kleinstadt kennenlernt, scheinen mehr zu wissen oder zu sein, als sie vorgeben und als sie schließlich von zwei verschwundenen Kindern erfährt, wird ihr klar, dass Sie selbst der Schlüssel zum Geheimnis des Ortes sein muss.

Meinung

Von der deutschen Autorin habe ich bereits alle Thriller gelesen, die mich immer wieder in Ihren Bann ziehen konnten, deshalb bin ich direkt auf ihren neuen Roman aufmerksam geworden. Das Buchcover ist tatsächlich etwas schräg und der Klappentext verrät sehr wenig – eine Schlafforscherin, die ein Problem mit Träumen zu haben scheint – nun gut, nicht gerade viel für ein fesselndes Lesevergnügen, doch genau das wurde das Buch schon nach wenigen Seiten.

Tatsächlich lässt es sich keinem Genre zuordnen und passt auch nicht so ganz zum Mainstream, aber gerade deshalb war es mir so sympathisch. Auf Grund der emotionalen Nähe zur Protagonistin wird schnell klar, warum Mara sich vor dem Schlaf und den damit verbundenen Träumen fürchtet. Und das aktuelle Geschehen löst bei ihr einen Strudel an negativen und positiven Assoziationen hervor. Manchmal hat man das Gefühl, man steckt mitten in einem Gruselfilm, dann gehen die Tendenzen Richtung Thriller und zwischendurch wird es wieder eine fast alltägliche Geschichte. Nur die Spannungskurve ist sehr gut gestrickt und bleibt auch gleichbleibend hohem Niveau.

Die bildhafte Sprache, der flüssige Schreibstil und die Szenen des Buches lassen Kopfkino entstehen und eine Verfilmung könnte ich mir hier sehr gut vorstellen. Eines der wenigen Bücher, bei dem der Überraschungseffekt und die Entwicklung der Geschichte ganz elementar sind.

Fazit

Von dieser literarischen Wundertüte bin ich sehr begeistert und vergebe hervorragende 5 Lesesterne. Keine festgefahrenen Strukturen, kein Schnick-Schnack und durchaus plausible Erklärungen für geheimnisvolle Vorgänge konnten mich überzeugen. Sicherlich ein Buch, welches vor allem beim ersten Lesen für Begeisterung sorgt, weil alles so schön unvorhersehbar ist und man die selbst gebildeten Vorstellungen schnell ad acta legen muss. Es spricht auch keinen bestimmten Leserkreis an, sondern bietet für alle Altersklassen etwas. Im besten Sinne des Wortes Unterhaltungsliteratur mit dem Prädikat „Entdeckertour für Interessierte“.

Bewertung vom 25.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

" Sie werden lachen, aber ich halte Sie nicht für besonders doof. Ich halte Sie für ineffizient."

Inhalt

Der 16-jährige Oscar sitzt in den Mathematikvorlesungen, weil er ein Überflieger ist, der bereits in der Grundschule mit Primzahlen jonglieren konnte, auch wenn er keinerlei Sozialleben pflegt und autistische Züge besitzt. Seine neue Studienbekanntschaft, hat einen ganz entscheidenden Vorteil, sie schafft es den unterzuckerten jungen Mann mit einem Frühstück zu versorgen und nebenbei den kränkelnden Enkelsohn zu beruhigen und wissenschaftliche Aufgaben mit Tiefgang zu lösen, obwohl sie doch so überhaupt keinen Plan vom Leben zu haben scheint.

Wie es Moni zum Mathematikstudium in ihrem fortgeschrittenen Alter verschlagen hat, will Oscar einfach nicht in den Sinn. Mit einer hysterischen Tochter, drei Enkeln, einem sehr speziellen Lebensgefährten und mehreres Jobs, wird sie die Schönheit der Mathematik doch nie begreifen. Wann auch? Ihr Leben scheint ein einziges Chaos zu sein, mit hunderttausend Ansprüchen und keinerlei Zielstellung. Erst als Moni die einzige Bestnote in einer Klausur schreibt, bekommt es Oscar mit der Angst zu tun. Wie kann es sein, dass diese Frau so gut ist? Und schon hat er sein nächstes Forschungsobjekt gefunden. Doch Moni gibt es nur mit all ihren Anhängen und so muss Oscar in den sauren Apfel beißen und aus seinem Schneckenhaus herauskommen.

Meinung

Ich bin großer Fan der in Berlin lebenden Autorin, die mich schon mit zahlreichen Romanen ausgesprochen gut unterhalten konnte. Und dieser hier war mir auf Anhieb sehr sympathisch. Er hat auch so passende Parallelen zu meinem eigenen Leben, schließlich widmet sich der nerdige Hauptprotagonist der Mathematik und meine Tochter beginnt dieses Jahr ebenfalls mit diesem Studium - allerdings nur das verpönte Lehramt, also für Oscar ein absolutes No-Go!

Die Story ist nicht sonderlich tiefgründig, dafür mit wirklich herzerwärmenden Dialogen ausgestattet. Man kann Moni nur bewundern und Oscar wächst einem ganz schnell ans Herz, so das man die Interaktion zwischen den beiden und die skurrilen Alltagssituationen direkt miterleben kann. Ich mag Bücher, bei denen das Identifikationspotential so hoch ist wie hier - zwei konträre Charaktere, die durch Zufall zueinander finden und sich einfach mögen, selbst oder gerade deshalb, weil sie so besonders sind.

Das Studium von Moni Kosinsky verändert nicht nur die gestandene Frau, sondern vor allem den jungen Mann, der es sich bald zur Aufgabe macht, die vielbeschäftigte Frau durch das Studium zu manövrieren. Zwischen den Zeilen stecken dann gut greifbar einige Lebensweisheiten, die jedoch kaum an die Oberfläche kommen, weil der Leser mit Lachen beschäftigt ist. Die Grundaussage des Buches ist wunderbar positiv und lebensbejahend.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne, für ein echtes Gute-Laune-Buch mit Wohlfühlfaktor. Wer spezielle Typen mit sonderbaren Ansichten und verqueren Hobbys mag, oder einfach Menschen, die andere wie eigene Kinder aufnehmen und mit Wärme und Zuwendung verwöhnen, kommt hier definitiv auf seine Kosten. Den einen Stern Abzug begründe ich mit der übersichtlichen Story. Da hätte es gerne noch den ein oder anderen Schwenk in eine andere Richtung geben dürfen, aber da Oscar als Erzähler fungiert und der für Zwischenmenschliches bisher so gar kein Verständnis hatte, ist das durchaus glaubwürdig. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Buch der Autorin und empfehle dieses hier guten Herzens weiter.

Bewertung vom 27.07.2024
Reise nach Laredo
Geiger, Arno

Reise nach Laredo


weniger gut

"Bei diesem Gedanken verspürte Karl keine Anspannung mehr, sondern eine Gelassenheit wie von einem, der ganz unten angekommen ist, der nach langer Zeit wieder festen Boden unter den Füßen hat. Dieser feste Boden, die Wahrheit, bestand im Geständnis des Scheiterns."

Inhalt

Für den ehemaligen König Karl, der es im Jahre 1558 auf ein hochbetragtes Alter von 58 Jahren geschafft hat, stellt sich schon seit zwei Jahren die Frage, auf die er eine Antwort sucht: "Was macht das Leben aus? Welchen Sinn soll es erfüllen?" Er hat sich zu diesem Zweck in das Kloster Yuste begeben, um dort vielleicht Gott näher zu kommen oder eine Antwort zu finden, doch vergebens, er betet nur halbherzig, blickt zurück auf seine Amtszeit, die Kriege und Entscheidungen, die Menschen an seiner Seite und deren Fehlen und bekommt den Gedanken einfach nicht zu fassen. Er spürt, dass seine Zeit auf Erden bald abgelaufen sein wird und erliegt dem Drang ein letztes, verzweifeltes Abenteuer zu unternehmen. Viel schlechter, als es ohnehin schon ist, kann es wohl nicht werden. Zusammen mit seinem jüngsten, unehelichem Sohn Geronimo, der gerade einmal 11 Jahre alt ist, beschließt er in einer Nacht und Nebelaktion das Kloster zu verlassen und nach Laredo zu ziehen. Für ihn wird es die letzte Reise sein, für seinen Sohn das erste große Abenteuer, vielleicht kann ihm der Junge den Weg weisen und Antworten liefern, auf seine drängendsten Fragen.

Meinung

Auf diesen Roman war ich sehr neugierig, weil er eine mitreißende Geschichte verspricht und sich mit Sinnfragen beschäftigt. Die philosophische Komponente der Story spricht mich unmittelbar an: Was bleibt, in den letzten Tagen des Lebens, was war wichtig, was völlig belanglos und wie kann man sich mit den Fehlern und Problemen des diesseitigen Lebens versöhnen, um zufrieden die Augen zuschließen?

Doch leider ist das meines Erachtens nur die unterschwellige Stimmungslage des Buches und keine emotionale, ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Vorrangig wird die Geschichte einer kleinen Reisegruppe erzählt, die gemeinsam den Weg nach Laredo beschreitet - jeder mit seinen eigenen Sorgen belastet und mit vollkommen unterschiedlichen Zielen. Dabei dümpelt die Spannungskurve vor sich hin, stellenweise nimmt die Geschichte Fahrt auf, verliert sich dann aber wieder in Nichtigkeiten. Armut, Krankheit, Sorge und fehlende Zugehörigkeit sind die Wegbegleiter, die hier ausgeschlachtet werden. Eine echte Beziehung zu den Personen konnte ich nicht aufbauen, obwohl ich das Gefühl hatte, das liegt eher an der Zeit, in der das Buch spielt, als an den Menschen selbst. Ich konnte mir bis auf Karl die Personen nicht richtig vorstellen - alles Fremde. mit willkürlichen Befindlichkeiten und wenigen Ansprüchen.

Nur das Versprechen, was der Umschlagtext gibt, erfüllt sich tatsächlich: Karl lernt kennen, was er bisher nicht hatte: Freundschaft, Liebe, und die Freiheit nur im Moment zu leben. Der Weg dorthin ist jedoch mühsam, für Karl ebenso wie für den Leser. Dieses Buch hat mich nicht dazu animiert es am Stück durchzulesen, sondern eher Passagen auszuwählen. Doch wenn ich es einmal aus der Hand gelegt hatte, fehlte oft die Energie es erneut aufzuschlagen. Erst nach ein paar Seiten, wurde es angenehmer, nur um mir dann wieder zu entgleiten ...

Fazit

Ich vergebe 2,5 Lesesterne, die ich zu 3 aufrunden möchte. Ich bin vor allem traurig, weil ich mit der Thematik Tiefgang und philosophisches Gespür verbinde, weil die Komponenten des Buches sorgfältig gewählt und nett arrangiert wurden. Sowohl der sprachliche Anspruch erfüllt sich als auch die Geschichte selbst, nur das Ergebis lässt mich eher enttäuscht zurück. Ähnlich wie bei einem Gericht, bei dem man alle Zutaten mag, es liebevoll angerichtet bekommt und den allerbesten Geschmack erwartet und dann doch nur ein mittelmäßiges Geschmackserlebnis erlebt. Mein Prädikat: ein fantastischer, magischer Ausflug nach Laredo auf gut 200 Seiten ist denkbar, wenn man ihn nicht unternimmt, wird es wohl auch nicht schmerzen.

Bewertung vom 21.07.2024
Wir waren nur Mädchen
Jackson, Buzzy

Wir waren nur Mädchen


ausgezeichnet

Hannie Schaft hat gerade mit ihrem Jurastudium begonnen und erste Freundschaften auf der Universität geschlossen, als die erstarkende Macht der Nationalsozialisten ihr einen Strich durch die Rechnung macht. Wer weiter studieren möchte, muss sich der deutschen Besatzungsmacht anschließen und einen Eid auf Hitlertreue leisten. Doch nichts liegt der jungen Frau ferner, die schon geraume Zeit argwöhnisch die politische Entwicklung in ihrer niederländischen Heimat Haarlem verfolgt. Ihre beiden besten Freundinnen sind Jüdinnen und trauen sich schon nicht mehr auf die Straße, Ausgrenzung und Schikane finden einen festen Platz im Alltag der Menschen.

Als sie von einer Vertrauten einen Kontakt zur aktiv agierenden Widerstandsbewegung RVV bekommt, beschließt sie fortan für diese tätig zu werden. Auch wenn das bedeutet, dass sie möglichst unsichtbar bleiben und im Untergrund leben muss und ihre Lieben zu deren Schutz nicht mehr sehen darf. Doch das Risiko geht sie ein, denn dadurch hat sie wieder eine sinnvolle Aufgabe und kann Gutes bewirken. Ihr junger Mitstreiter Jan Bohnekamp bringt ihr dort nicht nur den Umgang mit einer tödlichen Waffe bei, sondern erobert auch ihr Herz im Sturm. Und so nutzen die beiden das kurze Zeitfenster zwischen totaler Zerstörung und fremder Befreiung, um ihr Gewissen und ihre Menschlichkeit unter Beweis zu stellen.

Meinung

Erwartet habe ich einen historischen Roman über die Verbrechen der Nationalsozialisten in dem von ihnen besetzen Gebiet, ein generell interessantes Setting nach meinem Lesegeschmack, doch dieses Buch ist ein wirklich gelungener Mix, der insgesamt einen anderen Anspruch stellt und mich positiv überraschen konnte. Die Historie bildet hier nur den Background für das Leben und Wirken einer überzeugten Kämpferin. Vieles beruht auf wahren Begebenheiten, die die amerikanische Autorin in einem umfassenden Nachwort detailliert schildert. Ein anderer Teil ist Fiktion, so dass Überzeugungen, Meinungen und die zwischenmenschliche Ebene sehr viel direkter wirken und weniger biografische, als generalistische Aussagen treffen.

Hier hat sowohl eine dramatische Liebesgeschichte, als auch der Heldentod eines fiktiven Widerstandskämpfers Platz gefunden. Es geht um Mut, Treue, Hoffnung und Überlebenswillen in einer unmenschlichen Zeit, wo sich jeder selbst am nächsten stand. Die gewählte Erzählperspektive in der "Ich-Form" bringt hier gleichermaßen Nähe wie Abstand, da Hannie selbst eine gefasste, abgeklärte Persönlichkeit gewesen sein könnte. Ihr Charakter lebt hier regelrecht auf, als Leser hat man das Gefühl, Hannie sehr gut zu kennen. Umfassend herausgearbeitet wurde auch der Begriff der Menschlichkeit und Nächstenliebe in ganz spezifischen Situationen und anhand konkreter Beispiele oder auch das gänzliche Fehlen davon - je nachdem was die Situation gerade hergab.

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne für diesen ansprechenden Roman aus einer ungewöhnlichen Sichtweise heraus, der viele interessante Elemente der Spionage beinhaltet und dem Begriff "Untergrund" eine andere Dimension verleiht, weil er den Leser direkt mit hinein nimmt in ein Leben jenseits der gesellschaftlichen Akzeptanz der damaligen Zeit. Man sollte weder eine lupenreine Biografie noch einen Historienschmöker erwarten, dann kann man mit diesem Roman viele tolle Lesestunden erleben. Mich konnte die Geschichte unterhalten und begeistern - sie ist trotz der bitteren Hintergründe sehr positiv und macht all jenen Mut, die auf scheinbar verlorenem Posten kämpfen. Ein interessantes Stück Zeit- und Lebensgeschichte wurde hier spannungstechnisch aufbereitet - eine Verfilmung könnte ich mir direkt vorstellen.

Bewertung vom 21.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


sehr gut

„Seit das erste Kraftfahrzeug aus einer Fertigungshalle rollte, haben mehr als 50 Millionen Menschen ihr Leben ans Auto verloren. Über jeden Einzelnen von ihnen könnte man eine Geschichte erzählen. Über sein Leben. Über sein Sterben.“

Inhalt

Zora del Buono begibt sich auf autobiografische Spurensuche zum Leben ihres früh verstorbenen Vaters, an den sie sich selbst gar nicht erinnern kann. Die Lücke, die sie beschreibt, muss nicht gefüllt werden, denn die Abwesenheit des Vaters ist alles, was die Autorin kennt. Ihr Fokus liegt darauf, die Todesumstände von Manfredi del Buono auszuloten und ein Verständnis für den Fahrer des Autos zu entwickeln, der als Unfallverursacher mit dem Leben davonkam, aber Jahrzehntelang mit seiner Schuld zurechtkommen musste. Ganz nebenbei lässt sie auch ihr eigenes Leben und das der Mutter Revue passieren, versucht Entwicklungen zu erklären und gleichzeitig aufzuzeigen, dass es immer weitergeht, bis zu einem Tag X, den keiner kennt und der ganz plötzlich da sein kann oder auch lange auf sich warten lässt …

Meinung

Die Inhalte des Buches lesen sich nicht wie eine Biografie, obwohl sie genau das sind. Es ist ein interessanter Mix aus Roman, Lebensbericht und szenischer Erzählung rund um die Thematik des Unfalltods und die Auswirkungen eines solchen auf die Beteiligten. Die Frage der Schuld oder Unschuld ist der zentrale Mittelpunkt des Buches, jedoch ohne Anklage und Moralisierung, es sind die Verkettungen, die erschrecken, die Vorurteile, die nach genauerem Betrachten entkräftet werden und eine sachliche Omnipräsenz von Geschehnissen, die keiner verantworten und die nicht rückgängig gemacht werden können.

Der Erzählstil ist puristisch, konzentriert sich auf Kernpunkte, nimmt aber auch immer wieder Parallelen in den Einzelschicksalen auf: wie lebt es sich ohne Vater, wie überschattet ein Unfalltod das Leben der Zurückgebliebenen und wie kann man als Betroffener sein Leben gestalten, ohne verbittert dem Schicksal gegenüberzutreten?

Man kann das Buch zwischenzeitlich bei Seite legen und findet problemlos wieder hinein. Man kann auch willkürlich eine Seite aufblättern und etwas Lesen, der rote Faden ist da, die Chronologie der Ereignisse nicht zwingend erforderlich. Stellenweise sind es Einblicke in normale Alltagssituationen, dann wieder sehr philosophische Gedanken, die zum Nachdenken anregen. Auf jeden Fall erfährt man subtil etwas vom Denken der Autorin und von Ihrer Lebensgeschichte.

Fazit

Dieser biografische Roman ist kurzweilig, mäßig bedrückend mit sonnigen Abschnitten – irgendwie ein bisschen von allem. Er wirkt authentisch, wirft Fragen auf und beantwortet nur einige von Ihnen. Es hat mir gut gefallen, dass die Autorin mittlerweile selbst 60 Lebensjahre absolviert hat, dadurch wirkt es weniger pathetisch, eher versöhnlich im Handeln und erfahren im Unterton. Ich vergebe dennoch nur 4 Lesesterne, was hier fehlte war die Nähe zum Leser - manches hätte eins zu eins einer Quelle aus der Tageszeitung entspringen können. Auch der Mehrwert des Buches erschließt sich mir nicht restlos, es ist ein persönlicher Bericht, doch längst keine umfassende Erzählung. Zum Schmökern und für Gedankenimpulse hat es Potential, man gut darüber sprechen, es fördert den Austausch, bleibt aber nicht nachhaltig in Erinnerung.

Bewertung vom 15.06.2024
Anna O. (eBook, ePUB)
Blake, Matthew

Anna O. (eBook, ePUB)


gut

Sie war ein mythisches Monster, Jägerin und Opfer zugleich, eingefroren in Fotos und Szenenbildern. Auf hundert unterschiedliche Weisen zum Objekt gemacht. Jetzt ist sie wieder dreidimensional."

Inhalt

Für den forensischen Psychologen Benedict Prince ergibt sich eine ungewöhnliche Situation, als die medienumlagerte Mörderin Anna Ogylvi, die sich seit 4 Jahren im Tiefschlaf befindet, zu ihm in die Schlafklinik „The Abbey“ überführt wird. Sein Auftrag ist klar: mittels einer neu entwickelten Methode soll er die Patientin aus ihrem „Dornröschen-Schlaf“ erwecken, damit Sie zu Bewusstsein gelangt und vor Gericht ihrem Urteil zugeführt werden kann. Ben ahnt zunächst nicht, auf welches Spiel er sich einlässt, doch als seine Mentorin und Kollegin Dr. Bloom kaltblütig ermordet wird, erkennt er die nahe Gefahr. Seine Sitzungen mit Anna werden intensiver und es scheint möglich die junge Frau zurückzuholen - von ihrem Aufwachen verspricht sich Ben eine Aufklärung der mysteriösen Umstände, doch es gibt Parteien, die ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Wahrheit in den Untiefen der Erinnerung verborgen bleibt …

Meinung

Die Aufmachung des Buches und auch die Marketingstrategie würde ich als offensiv bezeichnen, weshalb eine gewisse Erwartungshaltung aufgebaut wird. Die Grundthematik rund um das Schlafen und die Schlafforschung bietet ein spannendes, ungewöhnliches Umfeld für einen temporeichen Thriller, der die psychologische Komponente in den Vordergrund stellt. Die Inhalte werden allerdings häppchenweise serviert und das Spannungsniveau insgesamt ist konstant, macht es aber nicht unmöglich eine längere Pause einzulegen. Der Autor greift viele Fäden auf, verfolgt diese aber nicht konsequent zu Ende. Der eigentliche Störfaktor ist die opulente Innenansicht des Erzählers Benedict Prince, der nicht nur seine Vermutungen bezüglich des Falls anstellt, sondern den Leser auch umfassend an seiner persönlichen Geschichte teilhaben lässt. Positiv bewerte ich hingegen die Perspektivenvielfalt, die vor allem Anna zu Wort kommen lässt und die Geschehnisse kurz vor dem tödlichen Angriff präsentiert.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne, für einen ungewöhnlichen, abwechslungsreichen Thriller, der für dieses Genre eine eher untypische, erzählende Struktur aufweist. Meines Erachtens hätte man einige Passagen streichen, bzw. die Handlung insgesamt straffen können. Die Ausflüge in die Psychologie des Schlafes hätten mich mehr interessiert als die gescheiterte Beziehung zwischen Ben und seiner Ex-Frau Clara. Die Charaktere bleiben mir insgesamt etwas zu blass, die Stimmung ist trotz diverser dramatischer Entwicklungen alles andere als bedrohlich. Die Hintergründe hingegen wirken spannend, ebenso wie die Einblicke in eine glasklare Medienwelt, die jeden Menschen einholt, der einmal ins Visier der Massen geraten ist. Es hätte mir deutlich besser gefallen, wenn der Stil mehr auf die emotionale Ebene ausgerichtet gewesen wäre, so wirkt alles sehr steril und klinisch und ohne innere Beteiligung, für einen Thriller nicht ganz der passende Tenor. Hier ist noch Luft nach oben, aber ich habe das Buch dennoch ganz gern gelesen.

Bewertung vom 20.05.2024
Das Baumhaus
Buck, Vera

Das Baumhaus


ausgezeichnet

"Neugier und Hunger sind gefährliche Freunde, die dir auf mehr als nur eine Art den Tod bringen können, mein Kind."

Inhalt

Henrik und Nora haben das Haus von Henriks Großvater geerbt, in der Wildnis Schwedens, abgelegen mitten im Wald und beschließen nun mit ihrem Sohn für ein paar Wochen die Idylle zu genießen. Verbunden mit all den schönen Erinnerungen, die der nun erwachsene Mann an unbeschwerte Kindheitstage hat, starten sie in das vermeintliche Bullerbü. Aber schnell wird klar, dass der Frieden trügerischer ist, als gedacht. Die Beziehung der beiden steht an einem Scheidepunkt, die Liebe weicht den gegenseitigen Vorwürfen und die unbekannte Umgebung sorgt für Unbehagen. Als nur wenig später ihr kleiner Sohn Fynn verschwindet, verfällt das Paar in Panik. Nora verdächtigt ihren Stalker, während sich Henrik plötzlich an ein Baumhaus erinnert, in dem ein Mädchen an einem Eisenring angekettet war - damals war er selbst noch ein Kind und hat ein Versprechen abgegeben, welches er nicht halten konnte. Rächen sich nun die Geister der Vergangenheit?

Meinung

Ein richtig tolles Buch mit ganz viel atmosphärischer Stimmung, einem beängstigenden Setting und einem temporeichen Erzählstil erwartet hier den Leser. Die gewählte Rahmenhandlung in einem tiefen Wald, abgeschottet von der Zivilisation, bevölkert mit nur wenigen Menschen, die allesamt ein Geheimnis zu hüten scheinen, macht diesen Thriller zu einem echten Pageturner. Gerade die zwischenmenschlichen Spannungen und das gezwungene Agieren der Protagonisten auf Grund der ausweglosen Situation bieten ein hohes Identifikationspotential. Besonders gelungen sind die vier verschiedenen Perspektiven, die das Ausmaß der ganzen Story nach und nach offenbaren. Der Leser wird schon früh damit konfrontiert, dass es hier viele Geheimnisse gibt, das in den Wäldern ein Kindesentführer lebt, aber das dieser längst nicht mehr aktiv sein kann, weil zwischen dem damals und heute bereits 30 Jahre verstrichen sind. Doch der Junge ist weg und ein Mädchen erzählt, welch bösartige Spiele mit ihr im Baumhaus gespielt wurden, bevor sie sich dazu entschlossen hat, ein echter "Wikinger" zu werden.

Der Schreibstil ist aufgelockert und leicht verständlich, die Personen sind überschaubar, doch die Vermutung, wer der Täter sein könnte, bleibt lange offen - ganz besonders weil es zu viele Personen mit einem Motiv geben könnte und sehr viele Unberechenbarkeiten und Geheimnisse, die keiner offenbaren möchte. Außerdem verm,ag es die Autorin, Wahrheit und Illussion immer eng beieinander zu halten, so dass sich Sachverhalte, die man gerade noch als "echt" ansah, schon wenig später als Lüge präsentieren. Ein Verwirrspiel erster Klasse, mit blitzschnellen Wendungen und tragischen Entwicklungen.

Fazit

Bereits "Wolfskinder" hat mich für die Autorin sensibilisiert und "RUNA" wartet noch auf meinem SUB. Mit ihrem aktuellen Thriller" Das Baumhaus", geht das Lesevergnügen in die nächste Runde. Ein eher ungewöhnlicher Thriller, bei dem der Fokus nicht auf dem Täter sondern vielmehr auf den Opfern ruht. Ein Buch mit Suchtfaktor, dass man tatsächlich nur sehr schwer aus der Hand legen kann, vor allem auf Grund der gut konzipierten, wechselnden Perspektiven und kurzen Kapiteln. Die Entwicklung der aktuellen Kindesentführung wirkt genauso greifbar, wie das längst vergessene Schicksal des "Waldmädchens" und irgendwie scheinen die Fälle mehr als einen gemeinsamen Nenner zu haben. Immer mit dabei der Familienvater Henrik, dessen Erinnerung mehr Details zu Tage fördert, während er sich an den Orten seiner Kindheit bewegt. Doch damals hat die Familie einen endgültigen Schlussstrich unter die Idylle gesetzt und Henrik wird bewusst, das es dafür einen Grund gegeben haben muss, einen Grund, der möglicherweise jetzt auf das nächste kleine Kind im Wald reagiert und dieses entführt hat.

Ich vergebe begeisterte 5 Lesesterne und freue mich auf das nächste Buch der Autorin - Gänsehautstimmung garantiert!

Bewertung vom 28.03.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

"Ähnliche Situationen enstanden mit anderen Menschen, und irgendwann hielt ich mich bewusst fern von Leuten, die aus heilen Familien kamen. Sie waren mir suspekt."

Inhalt

Faina und Philipp verbindet eine Jugendfreundschaft, waren sie doch damals die beiden Außenseiter mit den zerrütteten Familien und dem schwierigen sozialen Hintergrund. Doch im Erwachsenenalter gehen sie zunächst getrennte Wege, denn Faina hat erkannt, das Philipp ihr nicht gut tut. Und während Philipp über all die Jahre aufmerksam verfolgt, was seine einzige "Seelenverwandte" so treibt, schlittert Faina durch ihr Leben. Als sie schließlich schwanger und verzweifelt vor Philipps Tür steht, wundert ihn das keineswegs, ganz im Gegenteil, nun scheinen alle Wege offen zu stehen, ein gemeinsames Leben zu beginnen ...

Meinung

Dieser erschreckend, dramatische Roman voller Verzweiflung, Angst und Unberechenbarkeit prägt sich dem Leser über lange Zeit ein, denn er behandelt nicht nur ein emotionales Thema, sondern trifft direkt ins Herz. Einfach und doch sehr geschickt ist der Aufbau: drei große Leseabschnitte, davon zwei aus der jeweiligen Innensicht der Protagonisten und erst im dritten Kapitel erstreckt sich die Handlung in ihrer Gesamtbreite. Die Sprache ist klar, leicht verständlich und kurz gehalten, dadurch entsteht per se schon ein guter, flüssiger Stil. Das eigentlich Faszinierende jedoch war für mich die Betrachtung der Hauptcharaktere durch eine so schockierenden Innenschau ihrer Gedanken. Dabei muss man wissen, es handelt sich hier um unsympathische, gestörte Persönlichkeiten, die weit weg von jeder Normalität denken und handeln. Die Sympathiewerte gingen für mich gegen Null und dennoch konnte ich die Lektüre nicht aus der Hand legen.

Es gibt hier kaum ein Problem, welches nicht angesprochen wird und jeder der beiden, versucht es sich über lange Zeit "schön zu reden". Egal ob es um Alkohol, Gewalt, Sex oder Familie geht, immer treffen hier Extreme aufeinander. Die ungute Atmosphäre ist hautnah greifbar und selbst als Außenstehender fühlt man sich peinlich berührt oder schockiert - vor allem aber ahnt man ein Schlimmes Ende, auch wenn dieses dann ganz abrupt kommt und noch krasser als erwartet ausfällt.

Fazit

Ich vergebe begeisterte 5 Lesesterne und eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die an psychologischen Themen Gefallen finden, die sich jenseits der Norm bewegen. Allerdings sollte man nicht zu zart besaitet sein, denn dieser Roman ist ein Pulverfass, bei dem man nicht nur lesetechnisch gefesselt wird sondern auch emotional. Er punktet mit einer Vielfalt an Betrachtungsweisen, mit krassen Erfahrungswerten und schwindelerregendem Tempo - zwei Leben an der Grenze, zwei Menschen aneinander gekettet, die einerseits ihren Obsessionen und Gewaltausbrüchen ausgeliefert sind und andererseits erst langsam erkennen, auf welch fatales Ende es hinauslaufen wird.

Dies ist bereits mein drittes Buch der Autorin und alle haben mich tief beeindruckt - also unbedingt lesen und noch lange darüber nachdenken, wie schön es doch die meisten von uns haben ...

Bewertung vom 04.11.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


sehr gut

Vom schwedischen Schriftsteller Alex Schulman habe ich bereits seinen Erfolgsroman "Die Überlebenden" gelesen und bin mit einer gewissen Erwartungshaltung nun an die Lektüre seines neuen Romans herangetreten. Da ich ein Faible für Familiengeschichten habe, gerne auch solche, bei denen nicht alles eitel Sonnenschein ist, konnte ich mit dieser doch eher deprimierenden Story durchaus etwas anfangen. Dennoch bleibt hier vieles Ungesagt, schwebt mehr im Hintergrund als in der tasächlichen Handlung und behält dadurch eine recht große Distanz zum Leser.

Meinung

Die Struktur der Erzählung empfand ich als gelungen, denn mit den klar definierten Erzählstimmen und einer überschaubaren zeitlichen Abfolge, weiß man sofort, wer hier über welchen Zeitpunkt in seinem Leben schreibt und wie der entsprechende Tenor sein wird. Alle drei Erzähler sind miteinander verwandt, sie sitzen im selben Zug und wollen an den gleichen Ort, nur zu ganz unterschiedlichen Zeiten in ihrem Leben und tragen deshalb anderes seelisches Gepäck mit sich. Der Schreibstil ist klar, objektiv und aussagekräftig - ein Roman welcher sich gut liest und in den man leicht hineinfindet.

Das grundlegend deprimierende an dem Text stellt das Unvermögen der Erzählenden dar, die auf der Suche nach einer Zuflucht sind, die ihr eigenes Leben, so nicht mehr leben wollen oder können und krampfhaft in ihren Erinnerungen nach dem Punkt suchen, an dem die Welt noch in Ordnung war. Das schlimme daran ist die Tatsache, dass es allen bereits in ihrer Kindheit an einem gesunden Urvertrauen fehlte und sie stets mit dem Gedanken aufstehen, das sie weder erwünscht, noch geliebt, noch gesehen werden und das immer wieder und nachhaltig zu fast allen Zeiten ihres Lebens.

Grund dafür sind die lieblosen, unvernünftigen Handlungen der Elterngeneration, die es nicht schafft, ihren Kindern dieses Urvertrauen zu vermitteln und daraus resultierend wiederrum Erwachsene, die wegen eben jener Lieblosigkeit, die sie selbst in jungen Jahren erlebt haben, später im Erwachsenenalter wieder ganz ähnliche, sträfliche Verhaltensweisen gegenüber ihren Kindern an den Tag legen. Eine Art Endlosschleife, die sich nicht durchbrechen lässt, die immer tiefere Spuren zieht und die Aussicht auf Glück in weite Ferne rücken lässt. Das große Schweigen, die Distanz zwischen Eltern und Kindern, die zerrütteten Beziehungen der Paare und ihre eigenwilligen Entscheidungen - all das sind zentrale Themen des Romans.

Fazit

Hier vergebe ich gut 4 Lesesterne, für einen einprägsamen, stillen und bedrückenden Roman, der nebenbei aufzeigt, wie fatal Lieblosigkeit auf Kinderseelen wirkt und wie bösartig sich falsche Worte in die Seele einbrennen können. Ein Apell zu mehr Achtsamkeit steckt hier in jedem Wort oder wenigstens die Vernunft, sich nicht wieder mit der Verantwortung für ein Kinderleben zu belasten, wenn man das eigene schon kaum erträgt. Gefehlt hat mir jedoch die innere Nähe, zu wenigstens einer Person des Buches - es werden hier schwache Menschen präsentiert, die aus dem negativen Gedankengut einfach nicht herausfinden und der Leser, kommt ihnen nicht näher, weil man leider schon weiß, wie wenig Änderung eintreten wird, selbst wenn die Suche nach dem Ich in der Vergangenheit einen Nachhall finden sollte.

Das Ende kommmt leider viel zu abrupt und Worte können Taten nicht ungeschehen machen, können ein endgültiges Verhalten nicht mehr umwenden und die Konsequenzen tragen jene, die es nie gelernt haben, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Traurigkeit des Romans liegt nicht im Detail, sondern in einer Art Nebel, welcher sich auf 300 Seiten kaum lichtet.

Bewertung vom 07.10.2023
Ich träumte von einer Bestie
Blazon, Nina

Ich träumte von einer Bestie


gut

Von der deutschen Autorin Nina Blazon habe ich vor einigen Jahren "Liebten wir" gelesen, ein stimmiges, sehr bewegendes Buch mit Nachklang und da mich ihre vielen Fantasystorys nicht sonderlich reizen, war ich nun auf den neuen Roman aus Ihrer Feder umso gespannter. Der Beginn fiel mir nicht sonderlich leicht, denn alles wirkt sehr profan und alltäglich, sei es nun der missglückte One-Night-Stand oder der jüngere Bruder, der nun schon mit den Problemen der Erwachsenenwelt kämpft. Erst nachdem sich die Hauptprotagonistin auf die Reise in ihre persönliche Vergangenheit macht, weil sie Erbschaftsangelegenheiten klären muss, nimmt die Geschichte seutlich an Fahrt auf.

Der Leser reist gemeinsam mit Fleur nach Frankreich und durchkämmt die reliquiienhafte Wohnung des verstorbenen Vaters. Dort sieht es immer noch so aus, wie schon vor 20 Jahren, als Fleurs Großmutter noch lebte. Jene Frau, an die die junge Datenforensikerin nur schlechte, beängstigende Kindheitserinnerungen hat. Als Fleur in den Unterlagen auf einen vermeintlichen Bruder ihres Vaters stößt, beginnt sie zu hinterfragen, wie viel sie tatsächlich von ihren väterlichen Vorfahren weiß und ob ihre eigene Geschichte nicht doch ihre Ursachen in einer verhängnisvollen Vergangenheit haben könnte. Nachdem sie mit einem alten Anwalt Kontakt aufgenommen hat, stößt sie auf weitere Fragen bezüglich einer adligen Linie und einem bösen Fluch, in dem die Bestie aus Fleurs Träumen plötzlich sehr real zu werden scheint ...

Obwohl dieser Roman einige Längen aufweist und die Hauptprotagonistin eine ziemlich schräge, verstörte Person zu sein scheint, die ein äußerst bedenkliches Verhältnis zur Männerwelt pflegt, da sie fast alle Kontakte, die sie während des Romans schließt ,immer gleich als potentielle Partner ansieht, konnte mich die Story letztlich doch fesseln. Besonders spannend fand ich die historischen Ausflüge hin zur Legende von der Bestie des Gévaudan, auch die Ahnenforschung selbst interessiert mich persönlich sehr und ich kann das ungebrochene Interesse von Fleur sehr gut nachvollziehen. Zwischen den Zeilen findet man hier ein ganzes Bouquet an menschlichen Verhaltensweisen und Fehltritten, so dass der psychologische Faktor nicht zu kurz kommt. Der Text ist einfach gehalten und liest sich sehr flüssig - also im besten Sinne ein Unterhaltungsroman.

Fazit: Ich vergebe 3,5 Lesesterne, die ich gerne zu 4 Sternen aufrunde, für eine interessante Story über Themen wie Aberglaube, Mythen, Traumata aus früheren Generationen, Erbschaften der verschiedensten Art und ihrem Anteil an unserem Leben im Hier und Jetzt. Dieses Buch eigenet sich auch für jüngere Leser, scheint mir doch gerade die Hauptprotagonistin immer noch auf Sinnsuche zu sein. Für meinen Geschmack ist die Geschichte aber etwas zu oberflächlich geschrieben, sie wird mir nicht sonderlich lange in Erinnerung bleiben und ich kann mir dem Text nur wenig entnehmen, für das eigene Weltbild. Gerade nach der Vorlage von "Liebten wir", habe ich mir von diesem Roman etwas anderes versprochen.