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Benutzername: 
jenvo82
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Oberschöna

Bewertungen

Insgesamt 219 Bewertungen
Bewertung vom 24.01.2022
Ende in Sicht
Rönne, Ronja von

Ende in Sicht


weniger gut

„Wofür überhaupt nach so schönen Erlebnissen jagen, wenn selbst die Erinnerung an einen seltenen, so unglaublichen Moment dir langfristig gar nichts bringt?“

Inhalt

Hella Licht, ein alterndes Popsternchen hat beschlossen ihrem Leben in der Schweiz ein würdiges Ende zu setzen und startet in ihrem alten, klapprigen Passat diese letzte Reise. Leider kommt sie nicht weit, denn von einer Autobahnbrücke stürzt ein 15-jähriges Mädchen namens Juli direkt vor ihre Räder. So einfach kann sie nun nicht weiterfahren, zumal das Mädchen auch noch leicht verletzt ist. Notgedrungen lädt sie den Teenager mit ein und gemeinsam fahren sie ins nächstgelegene Krankenhaus. Doch bald wird klar, dass Juli weder nach Hause will, noch sonst irgendeinen Plan hat, nur der Sprung von der Brücke, ihr letztes größeres Vorhaben ist ja nun ebenfalls gescheitert. Die beiden verkrachten Existenzen fahren gemeinsam über die deutschen Autobahnen, in Richtung Schweiz, kommen miteinander ins Gespräch und erleben eine absurde Situation nach der anderen. Fraglich, ob sie nach dieser Tour tatsächlich noch den Wunsch danach verspüren, ihr Leben zu beenden.

Meinung

Tatsächlich bin ich von diesem Buch, dessen Story so überaus reizvoll klang ziemlich enttäuscht. Was ganz klar in meiner Erwartungshaltung begründet liegt. Zwei Menschen, die in vollkommen verschiedenen Lebensphasen stecken und mit Sicherheit andere Beweggründe für den geplanten Freitod hegen, lernen sich durch einen Zufall kennen und damit kreuzen sich ihre Wege, damit vollzieht das Universum eine schicksalhafte Wendung, die nicht mehr ohne weiteres außer Kraft gesetzt werden kann. Nur leider habe ich mir eine ganz andere Intention vorgestellt, als sie letztlich im Buch umgesetzt wurde. Der Roman startet von Anfang an mit einem mir befremdlichen, aufgesetztem Humor, der sich wie ein roter Faden durch den ganzen Text zieht. Nicht nur dass mich dieser exzentrische, der Situation entgegengesetzte, geradezu muntere Schreibstil irritiert hat, nein er nimmt der Situation auch die Grundlage, die ich mir eigentlich vorgestellt habe. Vor meinem inneren Auge hatte ich zwei gebrochene Menschen, die mit der Welt und sich selbst hadern, bekommen habe ich zwei überaus spezielle Charaktere, die in meinen Augen von einem geplanten Selbstmord so weit entfernt sind, wie ich vom Mond.

Zum einen empfand ich dieses Buch als reine Unterhaltungsliteratur, die nur wenig Ansprüche an den Leser stellt, zum anderen ist es ein kurzweiliger Schlagabtausch zwischen zwei sehr individuellen Protagonisten, mit denen ich über 200 Seiten einfach nicht warm geworden bin. Spätestens ab der Hälfte des Buches, werden die Begebenheiten immer abstrakter, die Story wandelt sich in eine Art Klamauk – bunt, schillernd, wenig authentisch, sehr weit entfernt von der Realität, dafür um jeden Preis lustig. Nur wenige Satzfetzen lassen auf Tiefe schließen und wenn alle depressiven Personen so auftreten würden, hätten wir eine Menge Clowns, die einen seltsamen Galgenhumor pflegen. Zwar kann ich mir in Anbetracht der Vorgeschichte (die Autorin leidet selbst unter Depressionen) vorstellen, dass man der Schwere etwas entgegensetzen möchte und dann lieber den humorvollen Aspekt wählt, allerdings ging das in meinen Augen in die komplett falsche Richtung.

Fazit

Hier vergebe ich leider nur 2 Lesesterne, weil ich etwas ganz anderes lesen wollte, nämlich eine tiefgründige Geschichte über eine schwierige Ausgangssituation, an der die Protagonisten wachsen können. Stattdessen bekommt man zwei nervig-agile Menschen präsentiert, bei denen einiges aus dem Ruder läuft, aber längst nicht genug, als dass sie nicht noch dazu in der Lage wären auf einem Dorffest zu rocken, in eine Thermallandschaft einzubrechen und sich mit Gott und der Welt anzulegen. Wer hingegen eine extravagante Story mit vielen kleinen Passagen lesen möchte, die hervorragend in eine erdachte Filmwelt passen würden, der könnte an diesem Buch vielleicht Gefallen finden, denn ein absond

Bewertung vom 10.01.2022
Der Gräber
Persson Winter, Fredrik

Der Gräber


weniger gut

„Wenn ich mein Opfer gewählt habe, bereiten die Wesen den Zugang vor. Dann warten wir gemeinsam auf den richtigen Zeitpunkt, um die Tat auszuführen.“

Inhalt

Annika Granlund ist Lektorin eines in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Verlages und ihr Team benötigt unbedingt einen Bestseller, damit ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt. Deshalb wirft sie einen Blick in die erdverschmierten Seiten eines Manuskripts, welches eines Tages vor ihrer Bürotür liegt. Der Autor soll Jan Apelgren sein, doch dass schließen alle aus, denn besagter Schriftsteller ist vor mehr als 6 Jahren spurlos verschwunden. Annika spürt jedoch, dass es genau dieses Manuskript sein wird, welches sie aus der Misere führen könnte. Denn der Inhalt ist so brisant, wie gewagt – ein Mann, ein Serienmörder, den die schwedische Polizei aktuell zu entlarven versucht, ist der Protagonist der Story und sein Vorbild ist nach wie vor aktiv und holt sich jedes Jahr am gleichen Tag ein neues Opfer. Doch um das Buch veröffentlichen zu können, muss Jan Apelgren für tot erklärt werden und Annika plädiert genau dafür, ohne zu ahnen welche Geister sie weckt …

Meinung

Die Idee hinter diesem Buch klingt sehr reizvoll, denn ein Mörder, der sich durch den Keller des Hauses gräbt, um sein nächstes Opfer zu finden, der mit ihm in die Tiefe verschwindet und keine Spuren hinterlässt außer ein dreckiges Erdloch, erschien mir doch sehr innovativ und im besten Fall gruselig.

Aber leider versteht es der Autor nicht, diese Geschichte in ein entsprechendes Licht zu rücken, sondern verschenkt immer mehr Potential und driftet stellenweise wohl in Richtung Horror ab, aber nicht subtil und vorstellbar, sondern vielmehr von Wahnvorstellungen geprägt. Es sind mehrere Kritikpunkte, die zu meiner schlechten Bewertung führen.

Zunächst sei ein sehr behäbiger, spannungsarmer Handlungsverlauf genannt, denn zielführend lernt man hier weder die Opfer noch den Täter kennen. Hinzu kommt ein völlig überflüssiger Hang zu persönlichen Dramen, die nicht mal in Verbindung mit den mörderischen Handlungen stehen, sondern nur die Charaktere betreffen und mich sehr schnell gelangweilt haben und letztlich kommen die Stimmen aus dem Dunkeln tief unter der Erde, die rufen, locken und verschrecken und ihr Kratzen treibt nicht nur die bedrohten Seelen in die Verzweiflung, sondern schon bald auch den Leser.

Fazit

Hier kann ich wirklich nur zwei müde Lesesternchen vergeben, für einen absolut unrealistischen und dadurch unattraktiven Thriller, bei dem der Schreibstil noch das Beste war, während der Inhalt leider meilenweit von meiner Vorstellung entfernt lag. Ich bin jedenfalls froh, dass ich das Buch nun zuklappen kann, es hat absolut nicht meinen Geschmack getroffen, selbst wenn ich Kellerräume und dunkle Ecken faszinierend finde, können mich Kratzgeräusche und halbmenschliche Wesen nicht überzeugen, ganz egal wo sie leben und wen sie brauchen, um überleben zu können.

Bewertung vom 08.12.2021
Meeressarg / Fabian Risk Bd.6
Ahnhem, Stefan

Meeressarg / Fabian Risk Bd.6


gut

„Vielleicht hatte er begriffen, dass das Lügengebäude unhaltbar geworden war. Dass er umso tiefer fallen würde, je länger er die Wahrheit vertuschte. Oder er hatte innerlich schon aufgegeben und wollte die Sache so schnell wie möglich beenden.“

Inhalt

Für Fabian Risk ist es eine schwere Zeit, nachdem sein Sohn in der Haftanstalt Selbstmord begangen hat und sich an einem Kabel erhängte. Schlimm genug, dass er ihn dazu gedrängt hat, seine indirekte Beteiligung an einem Verbrechen zuzugeben, nun befand sich der junge Mann anscheinend in einer derart labilen psychischen Situation, dass ihm der Freitod als einzig vernünftige Alternative erschien. Aber Risk glaubt nicht an die Todesumstände, die ihn die zuständigen Stellen als Wahrheit verkaufen wollen, denn bei der Obduktion seines Sohnes wird deutlich, dass er selbst Opfer massiver Gewaltanwendung geworden ist und dafür kann es eigentlich nur einen Schuldigen geben – Kim Sleizner, den Polizeichef von Kopenhagen und Erzfeind von Fabian Risk.

Meinung

Dies ist der sechste Band der Fabian-Risk-Reihe vom schwedischen Erfolgsautor Stefan Ahnhem, der hier den Countdown zwischen den Rivalen Risk und Sleizner auf die Spitze treibt und einen tödlichen Ausgang der Ereignisse heraufbeschwört. Bisher habe ich selbst nur einen Band der Reihe gelesen und zwei weiter stehen noch im Regal. Zugegeben, hier bekommt es dem Leser besser, wenn er sich an die chronologische Reihenfolge hält, damit sowohl Zusammenhänge als auch Charaktere besser zur Geltung kommen und die Vergangenheit nicht immer eine Art Fragezeichen bleibt, welches man sich zwar herleiten kann, aber längst nicht so gut versteht.

Der Schreibstil konnte mich zunächst sehr begeistern und das erste Drittel des Buches hätte das Prädikat „Pageturner“ verdient, weil sehr dicht und intensiv erzählt wird, eine latente Dringlichkeit spürbar ist und ganz klar zum Vorschein kommt, wer hier der Böse ist und warum man ihm nun endlich das Handwerk legen muss. Die übersichtlichen Kapitel und die Einführung diverser Protagonisten bringen Perspektivenvielfalt und einen hohen Unterhaltungswert in diesen Thriller. Aber mit jeder Seite verliert die Story etwas an Wert. Denn bereits ab der Hälfte des ca. 500 Seiten umfassenden Spannungsromans, verschwindet die psychologische Komponente des Ganzen mehr und mehr, während das Actionpotential überdurchschnittlich zunimmt. Fast hätte man meinen können in einem James-Bond-Film zu stecken und hautnah die Jagd zwischen den Guten und den Bösen verfolgen zu können. Aber da bin ich dann raus, denn ich mag weder hervorquellende Gedärme, noch Blutlachen und Schusswunden, geschweige denn tödliche Manipulation, mit reißerischen Wendungen.

Zudem hat es mich nachhaltig gestört, dass hier so viele Einzelkämpfer versuchen, irgendwie Licht ins Dunkel zu bringen und sich einfach nicht absprechen oder klare Ansagen machen – jeder kocht sein eigenes Süppchen und kommt immer nur minimal voran, zumal der Hauptverdächtige einen langen Atem, wichtige Freunde und gekaufte Loyalität auf seinem Guthabenkonto aufzuweisen hat. Die Rache des Einzelnen steht der Gewaltverherrlichung des anderen gegenüber und von „normaler“ Polizeiarbeit ist man hier wirklich meilenweit entfernt, denn ermittelt wird hier nur wenig, stattdessen spricht die Gewalt und die Selbstjustiz.

Fazit

Das werden leider nur 3 Lesesterne, obwohl ich zunächst gerne 5 vergeben hätte, aber das Potential bleibt nicht erhalten und man sollte hier definitiv ein Freund von Verfolgungsjagden, Schusswechseln, Folterszenen und rasanten Entwicklungen sein. Möglicherweise hätte mir hier tatsächlich die Verfilmung besser gefallen, weil dieser Kriminalroman so bildlich geschrieben ist, dass er durchaus an ein Drehbuch erinnert. Während ich vom dritten Band (Minus 18°) der Reihe sehr angetan war, hat mich dieses aktuelle Buch eher desillusioniert. Wahrscheinlich starte ich die Reihe noch mal von vorn (Band 1 und 2 ruhen auf dem SUB) und schaue dann einfach, ab w

Bewertung vom 17.11.2021
Was bleibt, wenn wir sterben
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


sehr gut

„Man kann nicht um die Trauer herumgehen, man kann nur mit ihr oder durch sie hindurchgehen.“

Inhalt

Louise Brown war Journalistin, bevor sie durch den Tod ihrer Eltern in kurzer Folge zu ihrer Passion als Trauerrednerin fand und nun für andere Trauernde die Abschiedsreden schreibt und hält. In diesem Buch verarbeitet sie nun ihre vielfältigen Erfahrungen, die sie durch Gespräche, Gedanken und eigenes Erleben gesammelt hat und teilt sie mit dem geneigten Leser.

Meinung

Die Thematik des Sterbens, Trauerns und Abschiednehmens spricht mich persönlich immer sehr an, ich habe schon zahlreiche Bücher aus dieser Kategorie gelesen, egal ob es sich dabei um Romane handelt oder wie hier, um ein eher objektives Sachbuch. Auf gut 200 Seiten beschreibt die Autorin hier einerseits sehr persönliche Gefühle und Alltäglichkeiten, die sie im Zusammenhang mit ihrer eigenen Trauerbewältigung erlebt hat und gibt andererseits durch kurze Episoden aus dem Leben der Menschen, für die sie die Trauerrede geschrieben hat, einige allgemeingültige Aussagen und Erkenntnisse wieder.

Dieses Buch weckt eher das Verständnis für die Trauernden und deren kleine Wünsche während des schmerzlichen Prozesses der Trauerverarbeitung, welcher mit der Beerdigung längst nicht abgeschlossen ist, selbst wenn dieser Höhepunkt einen ersten Meilenstein auf dem letzten Weg manifestiert. Zwischen den Zeilen überwiegt eindeutig die Zuversicht und das Verständnis dafür, dass jeder Mensch anders trauert und unterschiedlich lange braucht, bis er wieder auf dem eigenen Lebensweg ist und beginnt weiterzuleben, selbst wenn es diesmal kein Neuanfang im herkömmlichen Sinne ist, sondern vielleicht nur eine Lebensbiegung, die man gezwungen ist, zu nehmen.

Dadurch das dieser Ratgeber in viele kleine Kapitel unterteilt ist, kann man ihn auch gut stückchenweise lesen oder in einer beliebigen Reihenfolge. Jeder Abschnitt regt zu eigenen Gedankengängen an und eröffnet die Möglichkeit, sich vielleicht schon zu Lebzeiten mit dem eigenen Lebensende reflektierend auseinanderzusetzen und bestimmte Wünsche oder Abneigungen zu formulieren. Sehr interessant fand ich z.B. den Vergleich mit der Geburt, die oftmals geplant, ja gefeiert wird und bei der die werdenden Eltern nur wenig dem Zufall überlassen möchten, während kaum einer sich bewusst Gedanken darüber macht, welche Worte auf der Beerdigung gesprochen werden sollen und an was sich die Trauergemeinde symbolisch erinnern soll. Louise Brown plädiert dafür, dass man sich mit dem Tod und dem Sterben ebenso offen und frei beschäftigen soll und darf, weil der Gesprächsbedarf unendlich groß ist und nur selten als Thematik unter den Lebenden gepflegt wird.

Ein weiterer großer Meilenstein der Lektüre ist die unabdingbare Akzeptanz der Endlichkeit des Lebens, die immer dann besonders belastend empfunden wird, wenn man enge Bindungen aufgebaut hat, wenn man geliebt hat und geliebt wurde, denn nur diese Nähe macht auch den Verlust so schwer erträglich. Andererseits sind es aber auch jene Bindungen, die uns menschlich ausmachen und ein Verzicht auf ein Leben in Liebe würde letztlich eher ein Armutszeugnis sein.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für ein gut aufbereitetes Buch, welches man immer mal wieder zur Hand nehmen kann, welches Denkanstöße bietet und im Trauerfall auch Mut zuspricht. Plädiert wird hier für einen ehrlichen, offenen Umgang mit der Trauer, die ganz verschiedene Gesichter haben kann. Etwas gefehlt hat mir nur die Emotionalität, was aber daran liegen mag, dass es sich um ein Sachbuch handelt, welches eher beratende/unterstützende Funktion haben soll. Ein eigenes Erleben ist unabdingbar und soll hier nicht näher besprochen werden. Dennoch spreche ich dem Buch einen gewissen Mehrwert zu, es begegnet dem Leser mit einer entspannten Präsenz, mit kleinen Anekdoten und schönen Worten – also definitiv eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.10.2021
Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


sehr gut

Ich vergebe gute 4 Sterne für ein wichtiges Buch, welches von zahlreichen Eindrücken und Gedanken lebt. Es ist eine hervorragende Grundlage für diverse Diskussionen bezüglich gesellschaftlich relevanter Themen, die direkte Auswirkungen auf das Familienleben Einzelner haben. Mir hätte die Geschichte aber besser gefallen, wenn sie persönlicher, trauriger und emotionaler geworden wäre, meinetwegen auch etwas entfremdet zu den realen Begebenheiten, dafür mit Menschen, die ich nicht nur kennenlerne über ihre Handlungen, sondern in erster Linie über meine Identifikationsmöglichkeiten mit ihnen. Dem Autor bleibe ich treu, er wählt für mich sehr lesenswerte Geschichten, die er literarisch ansprechend umsetzt.

Bewertung vom 22.09.2021
Tiefer Fjord
Lillegraven, Ruth

Tiefer Fjord


ausgezeichnet

Auch die Thematik der Kindesmisshandlung, die eher den Hintergrund bildet als die Kernaussage, bleibt angenehm offen und geht nie zu sehr ins Detail, so dass auch zart besaitete Leser gut damit klarkommen werden. Der für mich am besten gelöste Aspekt, dieser intensiven Geschichte, der auch besonders lange im Gedächtnis bleiben wird, ist die höchst interessante Betrachtung des Opfer-Täter-Gefälles. Denn im Gegensatz zu den meisten Thrillern, schlüpft hier jede Figur in jede Rolle und füllt sie noch dazu aus, ohne tatsächlich Spuren zu hinterlassen. Demnach spielen auch das Ermittlungsteam und die tatsächliche Aufklärung der Morde eine untergeordnete Rolle, die auf Grund der fesselnden Betrachtung auch gar nicht vermisst wird.

Fazit

Hier vergebe ich gerne 5 Lesesterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung, sofern man sich gern mit Motiven und Gedanken der unblutigen Kategorie beschäftigt. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung und verspreche mir dort eine klare Entwicklung, die sich hier zwar schon abzeichnet, aber noch in alle Richtungen offenbleibt, zumal die Hauptakteurin des Buches nun am Ziel ihrer Träume angelangt zu sein scheint, fraglich nur, welchen Preis sie dafür bezahlen muss. Eines der Bücher, die ich ohne besondere Erwartungshaltung begonnen habe und mit einem richtig guten Gefühl zuklappen kann.

Bewertung vom 04.09.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Ich vergebe 4,5 Lesesterne, die ich gerne zu 5 Sternen aufrunde. Selten habe ich einen Roman gelesen, der mich trotz dieser traurigen Gesamtsituation so gut unterhalten konnte und geschickt an allen Sentimentalitäten vorbeiführt. Hier kommt weder Mitleid auf, noch übersteigertes Wunschdenken, weil natürlich zwischen den Zeilen alles steht, was eigentlich wichtig ist, dass vordergründig Wichtige aber vielmehr in der korrekten Zubereitung des Leibgerichts liegt .

Es hat mich überzeugt, dass die Autorin ihren eckigen, kratzbürstigen Hauptprotagonisten bis zum Schluss so bleiben lässt, wie er nun mal den Rest seines bisher langen Lebens war. Und dennoch begegnet dem Leser irgendwie ein veränderter Mensch, der sich auf Grund seiner Lage und des verschobenen Gleichgewichts, auf andere Pfeiler stützen muss. Ich bin jedenfalls froh, dass der Walter Schmidt hier zwischen den Buchdeckeln bleibt, kann aber auch nachvollziehen, warum Barbara 50 Jahre plus mit diesem sehr speziellen Herrn verbracht hat und nun ebenfalls auf ein zufriedenes Leben zurückblicken kann.

Bewertung vom 31.08.2021
Shuggie Bain
Stuart, Douglas

Shuggie Bain


weniger gut

Kurzum, für mich war dieses Buch ein Flop, vor allem, weil diese triste Geschichte mit ihren labilen Charakteren und den doch dramatischen Auswirkungen auf die Individuen selbst, so wenig Spuren hinterlässt. Die meiste Zeit habe ich mich gelangweilt und die wenigen Spannungsmomente gipfeln dann auch nur in einer schier endlosen Verzweiflung. Gerne hätte dieser Roman eine Biografie sein dürfen oder lieber noch eine ganz fiktive Erzählung. Auch als Gesellschaftroman mit dem Augenmerk auf den Umständen und dem Leben in Armut und Arbeitslosigkeit hätte dieses Buch für mich funktionieren können. So wie es aber ist, trifft es einfach nicht meinen Geschmack.

Fazit

Ich vergebe hier leider nur 2,5 Sterne, die ich tendenziell abrunden würde. Dieser Roman bietet für mich keinen Mehrwert, er ist mir stets fremd geblieben und erzählt eine Story, die mich weder schockieren noch packen konnte. Traurigkeit fließt hier aus jedem Satz, aber sie ist zu allumfassend, um tatsächlich greifbar zu sein. Skizziert wird hier das Leben verschiedener Menschen, die sich irgendwie durchs Leben hangeln, immer nah am Abgrund, immer bemüht das Gleichgewicht zu halten und doch unheimlich schwach auf Grund der Umstände und ihrer eigenen Herkunft. Die immer gleiche, zermürbende Erzählung, gefangen zwischen Gewalt, Häme, Momenten des kleinen Glücks und dann wieder den Sorgen des ganz normalen Alltags, der sich nicht ändern wird, weil es sich um eine Endlosschleife handelt.

Bewertung vom 24.08.2021
Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1
Beckett, Simon

Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1


gut

Hier vergebe ich jetzt leicht enttäuschte 3 Lesesterne und eine eingeschränkte Empfehlung. Denn als Fan des Autors kann man das durchaus verkraften, während ein Neuling besser zur David-Hunter-Reihe greifen sollte. Zu vieles erscheint hier konstruiert und wirkt nur mäßig inspirierend. Ich bin selbst noch unsicher, ob ich diese Reihe weiterverfolgen werde oder nicht, vielleicht gebe ich dem zweiten Band noch eine Chance und sehe dann weiter. Zum Glück kann Simon Beckett sehr gut schreiben, so dass selbst eine durchschnittliche Story mit Längen und Ungereimtheiten, zwar nicht sonderlich glänzt aber doch bis zum Ende gelesen wird.

Bewertung vom 06.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Ich bin sehr positiv überrascht und vergebe gerne 5 Lesesterne für einen unterhaltsam-düsteren Roman mit zahlreichen Ansätzen, einer in sich runden Geschichte und möglichem Interpretationsspielraum.

So etwas fasziniert mich immer wieder, selbst wenn ich ansonsten zu den Liebhabern realistischer Romane zähle. Die psychologische Komponente kommt hier trotz der gewählten Hintergründe und einer ungenauen Orts- und Zeitangabe nicht zu kurz.

Ganz im Gegenteil, die Balance zwischen Glauben und Aberglauben, zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen Mächtigen und Abhängigen wird immer wieder verdeutlicht und macht für mich den eigentlichen Wert dieses Romans aus: Welcher Bestimmung soll der Einzelne folgen? Welchen Stellenwert bekommen dabei seine Freunde und Feinde? Und gibt es ihn tatsächlich, den vorgeschriebenen Lebensweg, dessen Möglichkeiten alle längst vorgezeichnet sind? Eine sehr interessante Frage für jegliche Literatur.