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Bücherfee

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Insgesamt 402 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2024
Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2
Sten, Viveca

Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2


ausgezeichnet

Wer hat noch nicht von Viveca Sten gehört? Die Juristin hört zu den besten schwedischen Krimiautor*innen der Gegenwart. Nach dem furiosen Auftakt "Kalt und still" legt sie mit ihrem Buch "Tief im Schatten: Ein Fall für Hanna Ahlander" bereits den zweiten Band aus ihrer Reihe "Ein Polarkreis-Krimi" vor.

Das Cover wirkt nordisch unterkühlt. Auf dem zugefrorenen See ist ein rotgestrichenes Boot auszumachen, mitten im dunklen Wald. Wenn man auf die schneebedeckte Landschaft blickt, kann man ein Frösteln nicht unterdrücken. Der Titel enthält eine versteckte Botschaft.

Wieder konstruiert die erfahrene Bestseller-Autorin einen packenden Fall, der im tiefen Norden Schwedens angesiedelt ist. Auch wenn es sich um den zweiten Teil einer Reihe handelt, ist jeder Band in sich abgeschlossen und kann ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Wer allerdings die Entwicklung der handelnden Protagonist*innen Hanna Ahlander und Daniel Lindskog verfolgen möchte, sollte die vorgesehene Reihenfolge einhalten.

Für mein Empfinden sind die zwei Ermittler*innen Hanna Ahlander und Daniel Lindskog klare Sympathieträger, auch oder gerade weil sie alles andere als perfekt sind. Während Daniel gegen seine cholerische Veranlagung ankämpft, ist Hanna aufgrund ihrer eigenen persönlichen Erfahrungen sensibilisiert für sexuelle (häusliche) Gewalt. Ihre Zusammenarbeit gestaltet sich gut; nicht ganz frei von Reibereien, aber sie sind auf einem Nenner, was die Ermittlungsarbeit angeht. Der neue Fall ist sehr kompliziert; die Recherchen der Polizei weisen in unterschiedliche Richtungen, und es dauert sehr lange, bis Hanna und Daniel schlüssige Ansätze für einen begründeten Tatverdacht gefunden haben.

Die Handlung spielt in der jüngsten Vergangenheit, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Vermittelt wird sie in zwei Handlungssträngen, einmal aus der Sicht der Ermittler*innen, die mit den Ermittlungen im Fall Johan Andersson, eines ermordeten ehemaligen Weltklasse-Skiläufers, betraut sind, und zweitens aus der Sicht von Rebecka Ekvall, einer naiven jungen Frau, die von ihren gläubigen Eltern mit einem charismatischen, wesentlich älteren Mann gedrängt wird, der neben seiner beruflichen Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer in seinem privaten Leben als aufstrebender Hilfspfarrer einer fiktiven freikirchlichen evangelischen Glaubensgemeinschaft aktiv ist. Entgegen ihren Hoffnungen entpuppt sich ihre Ehe als eine Hölle, aus der es kein Entkommen gibt. Ole Nordhammer ist ein kontrollsüchtiger Mann, der nach und nach seine Maske fallen lässt und sich als brutaler, selbstgerechter Frauen-Schläger entpuppt, legitimiert durch den geringen Stellenwert von Frauen in einer hierarchisch gegliederten strengen Glaubensgemeinschaft. Geschickt platzierte Hinweise bieten genügend Raum für eigene Spekulationen, allerdings werden die Leser*innen oftmals auf falsche Fährten gelockt, die letztendlich in die Irre führen.

Dieses spektakuläre Buch bietet perfekte Unterhaltung. Es ist ein echter Pageturner, der für einen echten Adrenalinkick in der kalten Jahreszeit sorgt. Lasst es euch nicht entgehen!

Bewertung vom 09.09.2024
Vaterländer
Tambrea, Sabin

Vaterländer


ausgezeichnet

Als Schauspieler schätze ich Sabin Tambrea, als Schriftsteller war er mir gänzlich unbekannt. Auch seinen beruflichen und privaten Werdegang hatte ich nicht bewusst verfolgt. Umso mehr hat mich sein neues Buch "Vaterländer" fasziniert, das vor wenigen Wochen erschienen ist.

Das Cover rückt ein unbekanntes Paar in den Mittelpunkt. Allen Betrachter*innen den Rücken zukehrend, gehen sie ihren Weg gemeinsam, auf ein unbekanntes Ziel. Der Titel unterstreicht die Multi-Kulturalität der handelnden literarischen Figuren. Gleichzeitig wirft er die Frage aus, was es für Menschen bedeutet, ihre Heimat zu ver- und alles hinter sich zu lassen, um in einem unbekannten Land einen neuen Anfang zu wagen.

Der Roman "Vaterländer" erzählt die Geschichte der rumänisch-ungarischen Familie Tambrea. Er ist in drei Teile gegliedert, die jeweils aus der Perspektive von drei Generationen geschildert werden. Die Handlung ist wie ein Ring gestaltet. Sie setzt 1985 ein, mit der Flucht des Violinisten Bela Tambrea während einer Tournee. Der erste Teil ist auf Nuku (Sabin) Tambrea fokussiert, der als kleines Kind mit seiner großen Schwester Alina (Ai) und seiner Mutter Radica in der Bundesrepublik Deutschland ankommt, sehnsüchtig erwartet von seinem vor zwei Jahren aus Rumänien geflohenem Vater Bela, der sich in Marl ein neues Zuhause aufgebaut hat. Der zweite Teil ist das Tagebuch seines Großvaters Horea Tambrea, der Zeugnis ablegt über seine schrecklichen Erlebnisse während der Diktatur. Er hat Willkür, Gefangenschaft, Folter, Verfolgung und Unterdrückung selbst erfahren; ist aber nicht zerbrochen worden. Der letzte (dritte) Teil rückt Bela Tambrea, den Vater von Sabin Tambrea, in den Mittelpunkt des Geschehens. Er zeigt wichtige Stationen seines Lebens auf, von seinem Aufwachsen in einem totalitären System und seiner (musikalischen) Ausbildung über seine Liebe zur Violinistin Radica bis hin zu seiner 1985 erfolgten Flucht aus Rumänien und endet mit dem Wiedersehen mit seiner Familie in 1987, wo sich der Kreis schließt.

Es ist ein emotional aufwühlender Roman, der eine persönliche (Familien-) Geschichte verbindet mit historischen Ereignissen, sensibel und virtuos erzählt, durchzogen von der Liebe zur Darstellenden Kunst und Musik. Ein beeindruckendes, berührendes literarisches Werk über Familie, Heimat, Identität, Liebe; Migration und Zusammenhalt.

Bewertung vom 31.08.2024
Bevor du gehst
Barns, Anne

Bevor du gehst


ausgezeichnet

Seit ihrem ersten Publikationen ist mir Anne Barns vertraut. Auch ihre weiteren Pseudonyme sind mir geläufig. Sie zählt zu meinen liebsten Autor*innen, und ich freue mich immer, wenn sie ein neues Buch veröffentlicht. Wie den nachdenklich stimmenden Roman "Bevor du gehst", der ein ernstes Thema behandelt.

Das Cover ist sehr schlicht, aber gut auf den Klappentext abgestimmt. Am linken Bildrand ist eine Frau unbekannten Alters auszumachen, die mit nackten Füßen über den Strand läuft. Ihre Konturen sind nicht vollständig auszumachen; sie verschwindet sozusagen im Nichts. Im Hintergrund ist das Meer zu erkennen. Der Titel ist relativ kurz und verweist auf einen nahenden Abschied voneinander.

Was das Setting betrifft, hat Anne Barns eine gute Wahl getroffen. Die literarische Reise führt über die hektische Metropole Frankfurt auf die beschauliche nordfriesische Insel Amrum. In einer schlichten Sprache thematisiert Anne Barns eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. Im Fokus steht Julia, eine emotionale Frau mittleren Alters , deren Verhältnis zu ihrer Mutter, der rüstigen, kühlen Mittsiebzigerin Christine, nicht lieblos, sondern eher unterkühlt ist. Ganz im Gegensatz zu ihrer eigenen Tochter Emilia, mit der sie eine innige Beziehung verbindet. Mitten in einer schweren Ehe-Krise steckend, wird sie durch einen Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter aufgeschreckt. Ihre Gedanken überschlagen sich geradezu, als ihr schmerzlich bewusst wird, wie wenig Zeit noch bleibt, miteinander zu sprechen und einander nahe (näher) zu kommen. Zwischen ihnen steht viel Ungesagtes, das ihr Verhältnis zueinander belastet. Auf einer gemeinsamen Reise nach Amrum schaffen sie es, nicht nur ein streng gehütetes Geheimnis aufzudecken, sondern auch einen echten Draht zueinander zu entwickeln.

Auch wenn dieser Roman sehr kurz ist, hat er mich tief berührt. Denn er regt zum Nachdenken über das Leben an. Man fühlt sich an sein eigenes Dasein erinnert, an seine Kinder, an seine Eltern. Sollten wir unsere gemeinsame Zeit nicht nutzen und miteinander (nicht übereinander) sprechen, solange wir es können? Aus diesem Grunde hat er nicht nur 5 Sterne, sondern auch eine ausdrückliche Empfehlung verdient.

Bewertung vom 27.08.2024
Das Schweigen der Geliebten
Edenberg, Sophie

Das Schweigen der Geliebten


ausgezeichnet

Mit ihrem Psychothriller "Das Schweigen der Geliebten" legt die österreichische Schriftstellerin Sophie Edenberg bereits ihren fünften Roman vor. Als erklärter Fan habe ich diesem neuen Buch geradezu entgegengefiebert - und es hat mich begeistert, wie seine Vorgänger.

Das Cover entspricht einem gängigen Klischee. Im Fokus steht eine Frau unbekannten Alters, mit langen dunklen Haaren, die im Wind wehen, auffällig gekleidet in einem roten Mantel, die sinnend auf ein nicht allzu weit entfernt liegendes Haus blickt. Etwas aussagekräftiger ist der Titel, der auf eigentliche konfliktbelastete Thema aufmerksam macht.

Das Geschehen spielt in Hietzing, einem wohlhabenden Viertel von Wien und einem kaum auf der Landkarte zu verortenden Wald, weitab von dem pulsierenden Leben der Großstadt, mitten im Nirgendwo. Hier steht ein rustikales Ferienhaus, das für einen erholsamen Urlaub angemietet worden ist, in starkem Kontrast zum vornehmen Wohnsitz in Wien. Im Fokus stehen Karoline, Mischa und Elly, drei gegensätzliche Frauenfiguren, aus deren Ich-Perspektive die Handlung dargestellt wird, durchbrochen von einigen Sequenzen, in denen eine unbekannte Person zu Wort kommt, die nichts Gutes im Schilde führt. Der ständige Wechsel der Perspektive wirkt zunächst etwas verwirrend, aber wenn man sich in die Lektüre hinein gefunden hat, ist es sehr interessant, in die Gedanken- und Gefühlswelt der gut gezeichneten handelnden Figuren einzutauchen, die einige düstere Geheimnisse hüten.

Der Psychothriller ist in einem leichten, gut lesbaren Stil geschrieben. Die Spannung bleibt auf einem konstant hohen Niveau, das Buch hält durch viele Wendungen alle Leser*innen in Atem. Das überraschende Ende ist in sich schlüssig, es bleiben keine offenen Fragen zurück. Alles in allem perfekte Unterhaltung für zwischendurch. Gut gemacht!

Bewertung vom 27.08.2024
Ostfriesenglück
Barns, Anne;Oswald, Susanne

Ostfriesenglück


ausgezeichnet

Moin!

Seit vielen Jahren gehören Anne Barns und Susanne Oswald zu meinen liebsten Schriftstellerr*innen. Um so mehr habe ich mich über ihre kreative Zusammenarbeit in dem Roman "Ostfriesenglück" gefreut, der allen Leser*innen unbeschwertes Lesevergnügen mit einer lebensbejahenden, emotional berührenden Geschichte schenkt.

Das in warmen Tönen gehaltene Cover zeigt eine ländliche Idylle, wie man sie sich in seinem Urlaub an der Nordsee erträumt. Eine Radtour immer am Deich entlang, vorbei an den wolligen Deichschafen. Im Hintergrund ist eine Mühle auszumachen. Der vielsagende Titel rekurriert auf auf die malerische Region in Niedersachsen.

Das Setting ist klassisch, an der Nordsee, in einem gemütlichen Dorf, wo alle Bewohner*innen einander kennen, aufeinander achtgeben und fest zusammenhalten. Im Fokus des warmherzigen Wohlfühlromans stehen zwei Frauen mittleren Alters, Anneke und Nora, deren Wege sich in dem fiktiven kleinen Fischerdorf Fenjesiel in Ostfriesland kreuzen. Seit dem Tod ihrer Eltern ist Anneke wie erstarrt in ihrer Trauer, sie vergräbt sich in ihren vier Wänden, konzentriert sich auf ihre Strickarbeiten und zögert eine klare Entscheidung über ihre Zukunft hinaus. Anneke ist sehr sensibel und nah am Wasser gebaut. Dahingegen ist die Konditorin Nora realistisch und praktisch veranlagt, sie nimmt ihr Schicksal in die eigenen Hände. Sichtlich unzufrieden mit ihrem Aushilfs-Job im Restaurant ihres Bruders, gönnt sie sich einen Erholungsurlaub an der Nordsee, um den Kopf frei zu bekommen. Das zufällige Zusammentreffen von Anneke und Nora stellt die Weichen für eine gute Freundschaft - und ihre vielversprechende Geschäftsidee: das künftige Wollcafé für Fenjesiel.

Dieser leicht lesbare Roman ist durchzogen von dem köstlichen Duft frisch gebackenen Kuchens, man kann sich in ihm einkuscheln wie in eine weiche selbstgestrickte Jacke, die vor allen Stürmen des Lebens schützt. Anne Barns und Susanne Oswald thematisieren nicht nur ihre Lieblingsthemen Backen und Stricken, sondern rücken auch Freundschaft, Selbstfindung und Zusammenhalt in der Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz; Anneke und Nora finden nicht nur ihre Schwesterseele, sondern auch neue Lebensgefährten. Wer sich für einige Stunden ans Meer träumen und über leckere Rezepte und tolle Strickanleitungen freuen möchte, sollte sich dieses Lesevergnügen nicht entgehen lassen.

Bewertung vom 22.08.2024
Kämpferin gegen den Krebs / Bedeutende Frauen, die die Welt verändern Bd.22
Winkler, Yvonne

Kämpferin gegen den Krebs / Bedeutende Frauen, die die Welt verändern Bd.22


ausgezeichnet

Die Romanbiographie "Kämpferin gegen den Krebs" von Yvonne Winkler ist der Radiologin Frau Dr. Mildred Scheel (1931-1985) gewidmet, die nicht nur die zweite (viel zu früh verstorbene) Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, sondern auch die Gründerin der Deutschen Krebshilfe war. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass Krebs nicht mehr ein Tabu-Thema, sondern in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.

Das Cover erinnert an die offizielle Darstellung des Bundespräsidenten Walter Scheel und der "First Lady" Dr. Mildred Scheel m Dienst der Bundesrepublik Deutschland, während der Titel ihre Verdienste für die Medizin hervorhebt.

Yvonne Winklers Romanbiographie besticht durch ihr medizinisches Fachwissen. Einfühlsam schildert sie wichtige Stationen im Leben von Frau Dr. Scheel, einer selbstbewussten, starken Persönlichkeit, die ihrer Zeit weit voraus war. Als alleinerziehende, berufstätige Mutter war es für sie nicht leicht, sich in einer von Männer dominierten Welt zu behaupten. Aufgrund ihrer Ausbildung zur Fachärztin war sie gezwungen, ihr unehelich geborene erste Tochter zwei Jahre lang in einem Waisenhaus betreuen zu lassen, bis sie sie wieder zu sich nehmen konnte. Durch ihre Beziehung zum Politiker Walter Scheel rückte sie schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit. Auch wenn ihre persönliche Freiheit durch die offiziellen Verpflichtungen eingeschränkt wurde, führten die konträren Charaktere eine glückliche Ehe, gesegnet mit einer zweiten leiblichen Tochter und einem adoptierten Sohn aus Bolivien. Frau Dr. Mildred Scheel legte großen Wert auf ein harmonisches, "normales" Familienleben; ihre drei Kinder standen für sie immer an erster Stelle. Sie war eine durchsetzungsstarke, lebhafte Frau, die sich den starren Zwängen des Protokolls nicht unterordnen mochte. Von Kritik an ihren Aktivitäten und Ansichten hat sie sich nicht beirren lassen, sie hat ihre eigenen Ziele (den Kampf gegen den Krebs und den Einsatz für die Deutsche Krebshilfe) niemals aus den Augen verloren. Leider hat sie selbst ihren Kampf gegen diese heimtückische Krankheit verloren, sie starb viel zu früh an Darmkrebs, den sie aus Angst um ihr Lebenswerk bis zum letzten Tag verschwiegen hat.

Mir hat diese Lektüre sehr gefallen. In ihrer Romanbiographie bringt Yvonne Winkler ihren Leser*innen nicht nur die mehr oder minder bekannte Person des öffentlichen Lebens, sondern den außergewöhnlichen Menschen Dr. Mildred Scheel nahe. Sie war viel mehr als die attraktive Frau an der Seite des Bundespräsidenten Walter Scheel. Aus diesem Grunde möchte ich eine ausdrückliche Lese-Empfehlung aussprechen.

Bewertung vom 19.08.2024
Stalker - Er will dein Leben.
Strobel, Arno

Stalker - Er will dein Leben.


ausgezeichnet

Mit seinem raffiniert gestrickten Psychothriller "Stalker - Er will dein Leben" nimmt der deutsche Bestseller-Autor Arno Strobel seine Leser*innen auf eine verwirrende Reise ins Ungewisse, in der nichts ist wie es auf den ersten Blick scheint.

Wenn man das vielsagende Cover betrachtet, kommt man sich fast selbst vor wie ein Stalker, der sein Opfer nicht mehr aus seinen Augen lässt. Man starrt direkt auf eine heruntergelassene Jalousie, konzipiert als Sicht- und Sonnenschutz der Bewohner*innen. Hinein oder heraus - das ist hier die Frage. Hinter den hellen Lamellen ist eine unbekannte Person auszumachen. Um wen mag es sich handeln? Um eine/n rechtmäßigen Bewohner/in oder eine/n psychopathische/n Stalker/in, der unsichtbare Grenzen überschreitet? Vergegenwärtigt man sich den suggestiven Titel, kann man ein leises Schaudern nicht unterdrücken. Was führt der/die Unbekannte im Schilde?

Arno Strobel erzählt eine komplexe, realitätsnahe Geschichte, raffiniert gestrickt, mit undurchsichtigen Protagonist*innen. Im Fokus steht Eric Sanders, ein aufstrebender Schauspieler, der nach seinem furiosen Auftritt in einem TATORT über Nacht zum kommenden Star mutiert. Ein Traum wird wahr - und ein Alptraum beginnt. Die Leser*innen erleben das Geschehen wie ein Schauspiel in einem Theater, auf einer Bühne mit doppeltem Boden. Arno Strobel spielt virtuos mit Wahrheit und Lüge und hält die losen Fäden fest in der Hand, während die Leser*innen an ihre Grenzen kommen, wenn sie das Wollknäuel zu entwirren hoffen. Alles ist Täuschung und Tarnung - bis zu dem packenden Finale, das für einen zusätzlichen Wow-Effekt sorgt. Perfekt gemacht!

Bewertung vom 19.08.2024
Letzte Lügen / Georgia Bd.12
Slaughter, Karin

Letzte Lügen / Georgia Bd.12


ausgezeichnet

Honeymoon is the greatest adventure. Zumindest für den GBI-Agenten Will Trent und die Gerichtsmedizinerin Sara Linton, die die amerikanische Bestseller-Autorin in ihrem Thriller "Letzte Lügen" in verstörende Flitterwochen in die luxuriöse Ridgeview Lodge, am Anfang des Appalachian Trail, schickt. Das neue Werk bildet den 12. Band der "Georgia-Reihe", es erzählt eine in sich abgeschlossene Geschichte, die keinerlei Vorkenntnisse voraussetzt, sondern mit Hilfe einiger Rückblenden unabhängig von allen bereits erschienenen Bänden aus dieser erfolgreichen Reihe gelesen werden kann .

Stilistisch gesehen, ist das düstere Cover an seine Vorgänger angepasst. Seiner bedrohlichen Wirkung kann man sich kaum entziehen. Ebenso stimmig ist der plakative, auf das Wesentliche reduzierte Titel.

Das idyllische Setting kontrastiert mit den schockierenden Vorgängen, die sich in der Abgeschiedenheit der Berge vor Will Trent und Sara Linton abrollen. Unter einem Decknamen eingecheckt, um ihre Privatsphäre in den Flitterwochen genießen zu können, müssen sie ihre wahre Identität preisgeben, als sie Zeug*innen eines brutalen Verbrechens an Mercy Mc Alpine werden, der Managerin des seit Generationen in Familienbesitz befindlichen weitläufigen Anwesens. Theoretisch können sowohl Gäste als auch Mitarbeiter*innen und Angehörige involviert sein. Wie Will Trent und Sara Linton im Laufe der Zeit entdecken, haben alle anwesenden Personen Dreck am Stecken, was die Ermittlungen umso schwieriger gestaltet.

Wieder ist Karin Slaughter ein schockierender Thriller der Extraklasse gelungen, der den amerikanischen Traum kritisch hinterfragt und atemlose Spannung von der ersten bis zur letzten Seite garantiert. In einer umgangssprachlichen, schnörkellosen Sprache entlarvt sie Familiengeheimnisse und Lebenslügen. Für zartbesaitete Leser*innen ist diese Lektüre nicht zu empfehlen; die ungeschminkte Darstellung von physischer und psychischer Gewalt (toxische Beziehungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Kindesmisshandlung und - missbrauch, Vergewaltigung in der Ehe etc.) ist schwer zu ertragen. Wer tapfer durchhält, wird mit einem brillanten Meisterwerk belohnt.

Bewertung vom 05.08.2024
Die Gewalt des Sturms
Johannsen, Anna;Bergsma, Elke

Die Gewalt des Sturms


ausgezeichnet

Nach dem überzeugenden Debüt "Die Stille der Flut" legen Elke Bergsma und Anna Johannsen mit ihrem zweiten Regio-Krimi "Die Gewalt des Sturms" nach, der wiederum zwei Powerfrauen in den Fokus von spannenden Ermittlungen stellt. Auch wenn "Die Gewalt des Sturms" eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt, die keine Vorkenntnisse erfordert, kann es nicht schaden, den ersten Band gelesen zu haben. Auf diese Weise ist man mit den handelnden Protagonist*innen, den internen Vorgängen im ostfriesischen Revier und den fortlaufenden deutsch-niederländischen Ermittlungen im Falle der Drogen-Familie de Jong bestens vertraut.

Das Cover zeigt wild bewegte Wellen, die Szene ist in Blutrot getaucht. Der Titel lässt auf brutale Verbrechen schließen. Werden sich Kea Siefken und Lea Lübbers in diesem Sturm behaupten können?.

Mit Kea Siefken und Lea Lübbers stehen zwei starke Frauen im Mittelpunkt des Geschehens. Durch die intensive Zusammenarbeit in ihrem ersten Fall haben sie sich einander angenähert, zu einer echten, von Vertrauen geprägten Frauen-Freundschaft ist es allerdings nicht gekommen. Nach wie vor sieht die geschiedene Kea in der von Osnabrück nach Ostfriesland versetzten Lea eine mögliche Konkurrentin um den vakanten Posten der Dienststellenleitung. Lea wiederum kämpft mit ihrem schlechten Gewissen, weil sie undercover unterwegs ist und nicht nur Verbrecher*innen, sondern auch eine/n Verräter/in in den eigenen Reihen enttarnen soll, was sie zu einem gewissen Abstand zu ihren neuen Kolleg*innen zwingt.

Das Geschehen wird im steten Wechsel aus ihren Perspektiven geschildert, was ein Eintauchen in die Gedanken- und Gefühlswelt der zwei Frauen ermöglicht, die unter anderen Voraussetzungen längst Freundschaft geschlossen hätten. Der neue Fall ist sehr vielschichtig angelegt, Kea und Lea müssen viele lose Fäden miteinander verbinden, um den Durchblick in den laufenden Ermittlungen zu behalten. Vieles ist anders, als es auf den ersten Blick scheint, und die Spuren weisen ins Drogen- und Rotlichtmilieu. Ihre Reibereien sind sehr authentisch geschildert; die Zusammenarbeit gestaltet sich wiederholt schwierig aufgrund der Streitigkeiten um die Kompetenzen in der Dienststelle.

Mich hat der zweite Band aus der Reihe "Ein Fall für Lina Lübbers & Kea Siefken" überzeugt. Auch wenn der bereits im ersten Band angedeutete "Maulwurf" in den eigenen Reihen entdeckt wird, sind noch nicht längst alle Ermittlungen in Ostfriesland abgeschlossen. Die Geschichte von Kea Siefken und Lea Lübbers ist noch längst nicht auserzählt Für mich schreit dieser packende Regio-Krimi geradezu nach einer dritten Fortsetzung.

Bewertung vom 05.08.2024
Wiedersehen mit Herznote
Fried, Jana

Wiedersehen mit Herznote


ausgezeichnet

Buon giorno!

Manchmal kann man sich in einen Roman verlieben. Zumindest ist es mir so gegangen, als ich den zweiten Band der "Gardasee-Liebe" von Jana Fried gelesen habe. Das hübsche Cover rückt einen naturbelassenen Strand in den Fokus, im Hintergrund sind herrschaftliche Gebäude auszumachen, die man in den malerischen Gassen der Altstadt von Sirmione verorten könnte. Der ansprechende Titel erinnert an das Wiedersehen mit lieb gewonnenen Menschen.

Jana Fried ist ein emotional berührender Wohlfühlroman mit viel Tiefgang gelungen. Wenn man die ersten Seiten aufschlägt, fühlt man sich gleich an den Gardasee, genauer gesagt: in die auf einer Halbinsel am Südufer des Gardasees gelegene Städtchen Sirmione versetzt. Hier hat Mira nach der Trennung von ihrem Freund Max eine neue Heimat gefunden, an der Seite des Naturwissenschaftlers Alessandro Baresi, in der alten Villa seiner Großmutter Signora Baresi. Mira ist eine kinderliebe, sympathische Protagonistin, auch wenn sie für eine erwachsene Frau von 28 Jahren hin und wieder etwas kindlich und naiv anmutet. In Deutschland war sie in der Sozialen Arbeit tätig, sie hat lange Zeit in einem Kinderdorf für Kinder in Not gearbeitet. ihren kreativen Ideen erfüllt sie das verstaubte Haus mit neuem Leben. Alessandro hingegen ist ein intellektueller, nüchterner Charakter, der mit seinem vernunftbetonten Wesen Mira wieder aus den Wolken auf die Erde zurückbefördert und sozusagen "erdet". Gemeinsam bilden sie ein tolles Team, das sich für den von Mira entwickelten Plan engagiert, eine Außen-Gruppe des Kinderdorfes in der Villa Baresi einzurichten. Das Wiedersehen mit Eva und Steffi, zwei ehemaligen Kolleginnen und Freundinnen von Mira, die mit mehreren Kindern aus Deutschland anreisen, bietet insofern eine gute Gelegenheit, ihr neues Konzept in der Realität zu erproben.

Die Fortsetzung liest sich leicht und locker, die Handlung wird getragen von den liebenswerten Charakteren. Auch wenn dramatische Komplikationen ausgespart werden, thematisieren Mira und Alessandro viele ernste Themen (Überschuldung, Kindesmisshandlung etc.) in ihren Gesprächen. Besonders gut hat mir gefallen, dass Jana Fried ihren literarischen Figuren genügend Zeit und Raum schenkt, sich gründlich kennenzulernen, mit allen Stärken und Schwächen, bevor sie eine intime Beziehung zueinander eingehen. Alles in allem bietet dieser sommerliche Feel-Good-Roman angenehme Unterhaltung mit Tiefgang. Die beste Einstimmung auf eine Reise an den herrlichen Gardasee!