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Wenn nichts mehr ist, wie es war: ein Bericht aus der Arktis
Line Nagell Ylvisåker lebt mit ihrer Familie in Spitzbergen, das vom Klimawandel massiv betroffen ist. Bis 2100 wird hier die Temperatur um acht Grad gestiegen sein. Ein alarmierender Bericht aus einem kleinen Dorf, vom Leben mit Lawinen, Erdrutschen und hungernden Eisbären.
Longyearbyen ist ein Paradox: Der Ort existiert nur wegen des Kohleabbaus, und Kohle verursacht den Klimawandel, unter dem die Menschen in Spitzbergen leiden. Ylvisåker hat sich als Journalistin mit ihrem Mann und ihren Kindern eine Existenz am Polarkreis
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Produktbeschreibung
Wenn nichts mehr ist, wie es war: ein Bericht aus der Arktis

Line Nagell Ylvisåker lebt mit ihrer Familie in Spitzbergen, das vom Klimawandel massiv betroffen ist. Bis 2100 wird hier die Temperatur um acht Grad gestiegen sein. Ein alarmierender Bericht aus einem kleinen Dorf, vom Leben mit Lawinen, Erdrutschen und hungernden Eisbären.

Longyearbyen ist ein Paradox: Der Ort existiert nur wegen des Kohleabbaus, und Kohle verursacht den Klimawandel, unter dem die Menschen in Spitzbergen leiden. Ylvisåker hat sich als Journalistin mit ihrem Mann und ihren Kindern eine Existenz am Polarkreis aufgebaut, jetzt muss sie voller Angst beobachten, wie ihr Dorf zu einem immer unwirtlicheren Ort wird. Als eine Lawine mehrere Häuser verschüttet und Menschen sterben, beginnt Ylvisåker die Ursachen und Folgen der Erwärmung der Arktis zu ergründen. Sie spricht mit Meteorologen, Klimaforschern, erfahrenen Trappern, begegnet hungrigen Eisbären und misst die steigenden Wassertemperaturen des Polarmeers. Ein alarmierender Bericht und eine Warnung: Wenn wir jetzt nicht handeln, wird auch unser Leben durch den Klimawandel radikal beeinträchtigt werden.
Autorenporträt
Ylvisaker, Line NagellLine Nagell Ylvisaker, geboren 1982, wuchs in Sognal, Norwegen auf. Sie studierte Journalismus und arbeitete von 2006 bis 2018 bei der Svalbardposten. Ylvisaker lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Longyearbyen, Spitzbergen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2021

Was zum Teufel passiert hier?

Wenn das Meereis immer weiter schwindet: Line Nagell Ylvisåker schildert in Form eines Erlebnisberichts, wie der Klimawandel das Gesicht Spitzbergens verändert.

Von Matthias Hannemann

Der Klimawandel vollzieht sich in der Arktis schneller als in anderen Teilen der Welt. Das ist keine neue Nachricht, aber es braucht weiterhin - man denke nur an den abenteuerlichen Forschungsaufenthalt der "Polarstern" im Eis - neue Erkenntnisse, um das Geschehen besser zu verstehen. Und Geschichten, die seine Folgen begreifbar machen.

Letztere liefert die Journalistin Line Nagell Ylvisåker, die 2004 für ein Praktikum bei der Wochenzeitung "Svalbardposten" von Westnorwegen nach Spitzbergen kam, seitdem dort lebt und mit "Meine Welt schmilzt" einen Reportageband über die lokalen Auswirkungen des Klimawandels vorlegt. Schon die aufgeführten Zahlen sind atemberaubend: Zwischen dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1898 und dem Jahr 2018, in dem Ylvisåker das Buch zu schreiben begann, stieg die jährliche Durchschnittstemperatur in Longyearbyen um 3,8 Grad. Der größte Ort Spitzbergens ist zugleich das Verwaltungszentrum der Inselgruppe und verdankt seinen Namen dem Amerikaner John Munroe Longyear.

Seit 1961 (dem Beginn des Referenzrahmens 1961 bis 1990) beträgt die Temperaturerhöhung sogar 5,6 Grad, während für Oslo ein Anstieg um zwei Grad und global um 0,9 Grad verzeichnet wurde. Die Winter sollen auf "Svalbard" seit 1961 im Schnitt sogar um neun Grad wärmer geworden sein: "Während ich hier sitze und Schiffe betrachte, die über den Fjord gleiten, nähert sich der Tag, an dem die Temperatur hundert Monate hintereinander über dem Durchschnittswert lag."

Über Zahlen und Bezugszeiträume kann man immer diskutieren. Aber die Richtung ist klar: Die vom schwindenden Meereis beschleunigte Entwicklung setzt sich mit einer kurzen Ausnahme bis heute fort. Eine Studie, die den Bürgern von Longyearbyen 2019 vorgestellt wurde, prognostiziert für Spitzbergen bis 2100 sogar einen weiteren Anstieg um sieben Grad sowie um fünfzehn bis zwanzig Grad auf der kalten Nordostseite der Inselgruppe im Winter - vorausgesetzt, die Menschheit würde den CO2-Ausstoß nicht drastisch reduzieren.

"Meine Welt schmilzt" ist insofern ein treffender Titel - die gefühlige Formulierung unterstreicht, dass es sich um den Erlebnisbericht einer Journalistin handelt, die als Bewohnerin von Longyearbyen, manchmal auch als zweifache Mutter, zu verstehen versucht, was direkt vor ihrer Haustür eigentlich geschieht. "Was zum Teufel passiert hier eigentlich?", fragt sie sich beim bangen Blick auf die Temperaturen, Wetterverhältnisse, Erdrutsche und Schneelawinen der vergangenen Jahre.

Dramatischer Aufhänger ist eine solche Lawine, die den Ort im Dezember 2015 heimsuchte. Aber auch eine groteske Jubiläumsfeier im Februar 2018: Zum zehnjährigen Bestehen des "Svalbard Global Seed Vault", der Saatgut aus aller Welt im Permafrost schützt, wartete der norwegische Minister mit einem Geldgeschenk auf - für einen neuen Zugangstunnel, weil der Boden um den bestehenden Tunnel nicht wie erwartet gefror und Wasser in ihn hineinlief. Vor dem Kulturhaus, in dem die Veranstaltung stattfand, regnete es in Strömen.

Ylvisåker beschloss an diesem Abend, ein Buch zu schreiben. Es besteht vor allem aus Begegnungen mit Menschen, die den Wandel einordnen können, unter ihnen eine Meteorologin, die über die starken Winterunwetter forscht, ein Ozeanograph, der an Bord eines Forschungsschiffes die Erwärmung des Tiefenwassers beschreibt, ein Eisbärenforscher, der die Folgen des schwindenden Eises skizziert, oder eine Mikrobiologin, die sich für das interessiert, was im tauenden Permafrost verborgen ist.

Den Anfang machen ein Klimaforscher und ein kauziger Jäger, der seit vierzig Jahren mit der Natur lebt und Veränderungen registriert. Er glaubt nicht an den menschengemachten Klimawandel, aber das Eis auf dem Fjord, die Gänse, die Mücken - alles anders als früher. Und mit Eisbären hat es der Trapper, der die Winter auf Kapp Wijk verbringt, neuerdings auch öfter zu tun.

Ylvisåkers Kapitel sind leider recht kurz, und die Entscheidung des deutschen Verlages, den Genderstern zu verwenden, erzeugt Textstolperfallen, bei denen das eine Anliegen vom anderen ablenkt. Dafür ist die Darstellung im Reportagestil ausgesprochen plastisch, Ylvisåker streut etwa Beobachtungen aus dem Familienleben auf Spitzbergen ein, sie taucht in die Klima- und Wirtschaftsgeschichte ab und fährt mit einem Forschungsschiff in die Fjorde. Das Lawinenunglück von 2015 wird durch aufwendige Sicherungs- und Umsiedlungsmaßnahmen, die im Nachgang beschlossen wurden, zur dramaturgischen Klammer: "Alle klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und sind zufrieden", notiert sie bei der Schlüsselübergabe erster Ersatzhäuser im Dezember 2018.

Für die langen Flüge, die notwendig sind, um von Longyearbyen (78 Grad Nord) aufs norwegische Festland zu fliegen, schämt sich die Autorin seit ihren Recherchen. Die Reise ins zweitausend Kilometer entfernte Oslo und zurück soll pro Passagier mit einem CO2-Ausstoß verbunden sein, der in etwa einen Quadratmeter arktisches Sommereis zum Schmelzen bringt.

Wir hingegen würden, das müssen wir zugeben, trotz allem am liebsten den nächsten Flieger besteigen - um "die kalte Küste" zu sehen, solange sie unseren romantischen Vorstellungen vom Norden entspricht. Wir wären Teil eines Touristenstroms, der in den vergangenen Jahren immer größer geriet und die Nerven der 2500 ständigen Bewohner von Longyearbyen zusehends belastet.

Line Nagell Ylvisåker: "Meine Welt schmilzt". Wie das Klima mein Dorf verwandelt.

Aus dem Norwegischen von Anne von Canal. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2021. 192 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Aurelie von Blazekovic besucht mit der Journalistin Line Nagell Ylvisaker deren Heimat Spitzbergen. Doch nicht nur die Schönheit der Abgeschiedenheit vermittelt die Autorin ihr, sondern vor allem die Bedrohung durch schmelzendes Eis und Erdrutsche. Die Veränderungen durch den Klimawandel erscheinen der Leserin wie durch ein Vergrößerungsglas. Angenehm und lehrreich findet sie die undogmatisch vermittelten Erkundungen, die die Autorin bei Jägern und Klimaforschern einholt. Eine fesselnde Geschichte der Klimakrise, meint Blazekovic.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2021

Wieder Regen auf Spitzbergen
Die Journalistin Line Nagell Ylvisåker aus Spitzbergen hat aus dem rasenden Klimawandel in ihrer Heimat eine Abenteuergeschichte gemacht
Als Line Nagell Ylvisåker 2006 bei der Zeitung Svalbardposten anfing, war es das wärmste Jahr, das je auf Spitzbergen gemessen wurde. Spitzbergen, die Inselgruppe weit draußen im arktischen Meer, beinahe 1000 Kilometer vom norwegischen Festland entfernt, ist seit mehr als 15 Jahren die Heimat der Journalistin. Hier bekam sie zwei Kinder, baute mit ihrem Mann Trond ein gelbes Haus. Ihr Zuhause ist in Longyearbyen, dem mit etwas mehr als 2000 Einwohnern größten Ort Spitzbergens. Ein Haus, bei dem sich die Familie heute glücklich schätzt, dass es steht, wo es steht: außerhalb der Gefahrenzone.
Am 19. Dezember 2015 zerstörte eine Lawine eine Wohnsiedlung in Longyearbyen, zwei Menschen starben, darunter ein kleines Mädchen, das mit Ylvisåkers Tochter in den Kindergarten ging. Im folgenden Herbst gingen nach ungewöhnlich warmen Regentagen mehrere Erdrutsche ab, im nächsten Winter zerstörte schon wieder eine Lawine ein Wohnhaus in Longyearbyen. Es wird wärmer und feuchter auf Spitzbergen, in einer Gegend, die eigentlich eine arktische Kältewüste ist, in der es normalerweise so trocken ist, dass die Häuser hier keine Regenrinnen haben.
In Spitzbergen laufen die weltweiten Klimatrends im Zeitraffer ab. Während die globale Temperatur seit 1961 um 0,9 Grad gestiegen ist, ist sie in Spitzbergen um 5,6 Grad gestiegen, schreibt Line Ylvisåker. Wo im immerdunklen Polarwinter früher ganze Fjorde zufroren und so für die Schneemobile der Bewohner passierbar wurden, fahren nun ganzjährig Schiffe. Und wo sich Ylvisåker früher sicher fühlte, an diesem unwirklichen Ort weit nördlich des Polarkreises, da macht sie sich nun große Sorgen.
„Meine Welt schmilzt“ beginnt betont undogmatisch, als Erkundung einer beunruhigten Bewohnerin. Sie trifft einen alarmierten Klimaforscher und einen klimawandelskeptischen Jäger, der schon 40 einsame Überwinterungen in der Wildnis Spitzbergens hinter sich hat.
Sie bringt ihre Kinder beim Familienausflug vor Eisbären in Sicherheit, sammelt Fossilien, die die wechselhafte Klimageschichte Spitzbergens belegen, übergibt sich auf einem Forschungsschiff und nimmt an einer feierlichen Zeremonie im Saatgut-Tresor Spitzbergens teil. So wie die Wohnsiedlungen Spitzbergens muss der größte Saatgutbunker der Erde vor dem mittlerweile schmelzenden Permafrostboden geschützt werden.
Man folgt Ylvisåker gerne in die Arktis, und in Ausführungen darüber, was das schmelzende Meereis Spitzbergens für das Weltklima bedeuten könnte, also welche unkontrollierbaren Prozesse das schwindende Eis an den Polkappen auslösen könnte. „Meine Welt schmilzt“ ist dabei eine so lehrreiche wie fesselnde Geschichte der Klimakrise. Gleichzeitig erzählt Ylvisåker von der Schönheit Spitzbergens, von einem Leben am Rande der Welt, von einem Ort, an dem die Natur sich in ihrer ganzen Übermacht zeigt.
In der Mitte des Buchs holt sich die frühere Vielfliegerin Ylvisåker im Gespräch mit einer Meteorologin noch die Absolution für eine Flugreise auf die Kapverden. Den Urlaub hatte sie gegen den Vitamin-D-Mangel im arktischen Winter für die Familie gebucht. Die Meteorologin nimmt es locker, sagt, man müsse eine Lösung für die Klimafragen finden, die einem nicht ständig ein schlechtes Gewissen mache. Ob Ylvisåker die Flugreise antritt, erfährt man nicht. Am Ende verkauft sie zumindest ihren Toyota Yaris, mit dem sie bisher über die Insel fuhr.
Einige Wohnsiedlungen Longyearbyens sind heute dauerhaft evakuiert, andere wurden mit vier Meter hohen Schneezäunen aus galvanisiertem Stahl vor Lawinen gesichert. Der Saatguttresor wurde mit Beton verstärkt, um ihn vor Schmelzwasser zu schützen.
Der Wärmerekord aus dem Jahr 2006 ist natürlich schon lange gebrochen, 2016 lag die Temperatur auf Spitzbergen viel höher als das aufgezeichnete Jahresmittel, um ganze 6,6 Grad.
Das Spitzbergen, das Ylvisåkers Urenkel bewohnen oder besuchen werden, wird anders aussehen. Weniger rosa- und lilafarbene Wintertage, mehr vom dunklen, gefährlich nassen Herbst. Vielleicht werden auf Spitzbergen wieder Bäume wachsen, wie vor Millionen Jahren schon mal. Vielleicht, schreibt sie, gibt es die Arktis dann nicht mehr.
AURELIE VON BLAZEKOVIC
Wo im immerdunklen Polarwinter
früher ganze Fjorde zufroren,
fahren nun ganzjährig Schiffe
Line Nagell Ylvisåker: Meine Welt schmilzt.
Hoffmann und Campe. Hamburg, 2021.
192 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»[...] die Darstellung im Reportagestil [ist] ausgesprochen plastisch.« Matthias Hannemann Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2021